Mary Sue-Projekt Shuffle von Mary Sue-Projekt (Interne Jubiläumsaktion 2020) ================================================================================ 07 Freaky Friday ---------------- Ich grummelte, als ich auf den Trainingsplatz stapfte. Wenn ich denjenigen in die Finger bekam, der mich der heutigen Trainingsgruppe von Luche Lazarus zugeteilt hatte, würde der sein blaues Wunder erleben. Und wenn es der Kommandant persönlich war. Das einzig Positive an der Sache war, dass Luche genauso erbost über die Einteilung zu sein schien, wie ich. Zumindest verriet mir das sein Gesichtsausdruck, als er mich entdeckte. „Na, Kröte?“, begrüßte er mich. „Na, Arschloch?“, erwiderte ich. Wir funkelten uns an. Tredd, der neben ihm stand, verdrehte die Augen gen Himmel und verzog sich. Zum Glück war die heutige Trainingseinheit nur bis zum Mittag angesetzt, nach dem Lunch gab es zwei Freistunden, bevor es nachmittags zu einem Außeneinsatz ging, für den nur die erfahrenen Gleven eingeteilt waren, soweit ich wusste. „Hast du bei der Gruppeneinteilung geschlafen?“, fragte ich rundheraus. „Sei bloß still, sonst gibt’s einen Satz hinter die Löffel!“, keifte Luche. Ich verschränkte die Arme und sah ihn erwartungsvoll an. Da er ein altgedientes Mitglied der Königsgleve war und im Rang direkt unter Kommandant Drautos stand, war es an ihm, sich eine geeignete Trainingsmethode für den heutigen Tag zu überlegen. Ich hasste ihn zwar, aber andererseits wollte ich das Training so schnell wie möglich hinter mich bringen. Und das ging am einfachsten, wenn wir konzentriert bei der Sache waren, anstatt uns die Köpfe einzuschlagen. Luches Gesichtsausdruck weichte sich auf. Er musterte mich. „Also, das Warpen hast du ja mittlerweile drauf. Schon mal Warpen und Magie kombiniert?“ „Äh, nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Dass man beides gleichzeitig ausführen konnte, war mir tatsächlich neu. Im Film hatte ich das nie bewusst wahrgenommen. Interessiert sah ich ihn an. „Also hör zu“, fing Luche an. „Das Wichtigste, wenn man Magie und Warpen kombinieren will, ist auch hier die richtige Koordination von ...“ „Auge und Hand?“, schoss ich wie aus der Pistole. Er sah mich schief an. „... Ja. Unterbrich mich gefälligst nicht, wenn ich dir schon was erkläre. Beim normalen Warpen hast du immer nur dein Kukri, um das du dich kümmern musst. Es ist Nahkampfwaffe und Hilfsmittel zum Warpen. Wenn du zeitgleich Magie wirken willst, hast du nur noch eine Hand für dein Kukri, die andere für den Magieflakon. Hast du das soweit verstanden?“ „Ja. Mit anderen Worten, ich muss aufpassen, dass ich weder mein Kukri, noch den Magieflakon aus Versehen fallen lasse?“ „Genau! Du kapierst ja doch ziemlich schnell.“ Ich verzichtete darauf, etwas auf seine Spitze zu erwidern. „Kannst du’s einmal vormachen?“, fragte ich stattdessen. „Ich zeig es dir nur einmal, okay?“ „Ja.“ Ich trat einige Schritte zurück. Luche brachte sich in Stellung und warpte los. Interessiert verfolgte ich, wie er einmal zur Spitze des Felsenturms warpte, einen mit Feuer gefüllten Magieflakon zu einem der anderen Felsen warf und wieder zurückkam. „Hast du gesehen?“ Ich nickte. „Also, jetzt will ich das Gleiche von dir sehen.“ Ich atmete einmal tief durch, griff nach meinem Kukri und schnallte mir einen Eisflakon vom Gürtel. Kukri in der Rechten, Flakon in der Linken, warpte ich drauf los. Weniger elegant natürlich, als Luche, aber ich schaffte es, ohne Schwierigkeiten und halbwegs ansehnlich wieder auf dem Boden zu landen. Wider Erwarten sah mein Lehrmeister wenig begeistert aus. „Gar nicht schlecht“, gab Luche letztendlich zu. Triumphierend grinste ich ihn an. „Dann können wir ja ins Freistiltraining übergehen“, grinste er zur Antwort. Meine Mine verfinsterte sich. Ohne ihn eines weiteren Kommentars zu würdigen, stapfte ich einige Meter weg, nahm Kukri und Magieflakon und fixierte ihn. Doch so schnell konnte ich gar nicht schauen, so flott war er weg. Ich warpte ebenfalls drauf los, um nicht von ihm überrascht zu werden. Die ersten Male gelang es keinem von uns, den jeweils anderen zu treffen. Nach mehreren Warpversuchen musste ich mich hinter einem der Felsen verstecken, um wieder zu Atem zu kommen. Ich nahm den nächsten Magieflakon zur Hand. Gerade, als ich wieder loswarpen wollte, tauchte ein Schatten über mir auf. Instinktiv warf ich meinen Flakon nach oben und traf. Die Wucht des Zaubers war so groß, dass ich auf den Boden geschleudert wurde. Etwas, oder jemand, landete krachend auf mir und mir blieb die Puste weg. Eine satte Staubwolke wurde aufgewirbelt. Ich hustete und prustete, Luche, der quer über mir lag, hustete und prustete ebenfalls. „Verdammte Kröte!“, fluchte er. Ich rollte mich herum und lag plötzlich auf dem Rücken. Der Staub legte sich langsam wieder. „Verdammter Arsch!“, erwiderte ich. Und stutzte dann. Hatte ich das grad wirklich gesagt? Oder hatte Luche das gesagt? Ich hustete noch einmal herzhaft. Das Husten klang gar nicht nach mir. Zögerlich drehte ich den Kopf zu der Stelle, an der ich von Luche runter gerollt war. Und stutzte dann. Anstatt den nervigen Blondschopf vor mir zu haben, starrte ich in mein eigenes Gesicht. „Äh ...“ Juno kämpfte sich in eine sitzende Position. Sie ließ die Augen nicht von mir. „Äh ...“, wiederholte ich. Langsam riss sie ... ich ... die Augen auf. „ÄH!?“, sagten wir beide. Die Person, die aussah, wie ich, fing an, mir ins Gesicht zu greifen. „He!“, meinte ich aufgebracht und wich zurück. Stattdessen fing sie, Juno, ... ich, jetzt an, mir selbst im Gesicht rumzufummeln. Zog an den langen Haaren und starrte entsetzt den Zopf an. Ich griff mir ebenfalls in die Haare. Besonders lang waren sie nicht. Ich griff noch mal nach ihnen und schielte nach oben, erkannte, dass sie blond waren. „Äh ...“ Juno ohrfeigte sich gerade. „Scheiße!“, fluchte sie dann. Ich sah ihr perplex dabei zu, wie sie sich auf die Füße kämpfte. Und mich dann wütend ins Visier nahm. „Das ist deine Schuld, du Göre!“, blaffte sie. Doch mehr, als einem weiteren „Äh“ bekam ich nicht raus. Juno kam auf mich zu und zerrte mich in die Höhe. „Verdammt, was hast du angestellt?“ „Ich hab nur den Magieflakon geworfen“, erwiderte ich lahm. Juno starrte mich an. Ich konnte die Rädchen hinter ihrer Stirn förmlich knattern hören. Und begriff erst jetzt, dass ich mich vielleicht selber einmal in Augenschein nehmen sollte. Ich sah an mir herab. Eine herkömmliche Königsgleven-Uniform für Männer, nichts Weltbewegendes. Ich, Juno, trug die auch. Stattdessen wandte ich mich erneut meinen Haaren zu. „Hör auf, die Frisur kaputt zu machen!“, schimpfte Juno mit mir. „Äh ...“ Sie ... ich ... sah mich, wie ich mich auf dem Platz umsah, mich am Oberarm packte und mich zu den Umkleiden zerrte. Verstohlen blickte sie sich immer wieder nach allen Seiten um. Sie schleifte mich ins Gebäude und vor den nächsten Spiegel. Ich kippte nach hinten weg, als ich mich im Spiegel sah. Juno ... Luche schaffte es nicht, mich aufzufangen, beugte sich besorgt über mich, als ich wieder mit dem Rücken auf dem Boden lag. Er ... sie sah mich besorgt an. „Kneif mich bitte mal.“ Luche ... ich zögerte keinen Augenblick. „AU! Das hat weh getan!“, beschwerte ich mich. „Und glaubst du’s jetzt?“ Ich starrte mir ins Gesicht. „Hilf mir bitte auf.“ Zwei Minuten später befingerte ich mich immer noch im Gesicht, posierte vorm Spiegel, ungläubig darüber, dass ich scheinbar mit Luche Lazarus den Körper getauscht habe. „Macht’s Spaß?“, fragte er. Luche bekam den genervten Gesichtsausdruck in meinem Gesicht viel besser hin, als ich selber. Beleidigt zog ich eine Schute. „Ey!“ Ich wollte gerade etwas erwidern, als die Tür zur Umkleide aufging. Wir rissen beide die Köpfe herum. Crowe stockte, irritiert. „Luche! Was machst du in der Damenumkleide?“ Ich spürte, wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Obwohl ich eigentlich jedes Recht hatte, hier zu sein. Nur nicht dann, wenn ich in Luches Körper steckte. „Ich musste was mit ihm besprechen“, hörte ich hinter mir. Luche, also der, der gerade in meinem Körper steckte, hatte blitzschnell geschaltet. „Und das muss unbedingt auf der Damenumkleide sein? Juno, ich weiß ja, dass du manchmal komische Neigungen hast, aber Männer in der Damenumkleide müssen nun wirklich nicht sein.“ „Ich weiß, entschuldige.“ Juno-Luche bugsierte mich auf den Gang hinaus. „Das war knapp“, meinte er-sie. „Was machen wir jetzt?“ „Komm mit.“ Wir gingen einige Meter weiter, vorbei an der Tür zu den Herrenumkleiden. Zum Glück wollte mein Körper nicht da rein. Luche führte mich noch weiter und dann ums Eck. Ich hatte noch nie geschaut, was am Ende des Gangs lag. Jetzt sah ich, dass es nur eine schnöde Ecke war, in der ein Putzwagen stand. Wir steckten die Köpfe zusammen. „Wir sollten das, was wir vorhin gemacht haben, noch mal ausprobieren“, hörte ich meine Stimme sagen. „Noch mal so einen Warpunfall? Einmal hat mir gereicht.“ „Hast du einen besseren Vorschlag?“ Ich funkelte ihn-mich wütend an. „Das ist alles nur wegen deiner blöden Attacke passiert“, knallte ich ihm an den Kopf. „Ey, hab ich den Magieflakon senkrecht nach oben geworfen, oder du?“ „Wenn du nicht so blöd angegriffen hättest, hätte ich ihn gar nicht werfen müssen.“ „Sicher, dass ihr zwei kein Problem miteinander habt?“ Wir zuckten zusammen. Crowe hatte sich unbemerkt genähert, vermutlich wegen unseres kleinen Wortgefechts. „Ich muss nur was mit ihr klären“, hörte ich mich mit Luches Stimme sagen. „Juno, stimmt das?“ Keine Antwort, zumindest keine, die ich hören konnte. „Gut, wie du meinst. Lass dich nicht von ihm ärgern, okay?“ „Ja.“ „Steht unser gemeinsames Mittagessen nachher noch?“, fragte sie dann. „Ja.“ Crowe wandte sich wieder an die Juno, die in Luches Körper steckte. „Übrigens, Drautos hat dich vorhin gesucht. Du sollst in sein Büro kommen.“ „Der Kommandant?“, fragte ich erschrocken. „Hat er gesagt, was er will?“ „Nein. Vielleicht die Schichteinteilung durchgehen? Was weiß ich, geh zu ihm und frag.“ „Okay. Sonst noch was?“ Crowe schüttelte den Kopf, wandte sich um und verschwand. Ich drehte mich wieder zu meinem eigenen Körper um. „Scheiße“, war mein einziger Kommentar. „Scheiße“, pflichtete Luche mir bei. „Shit, was mach ich denn jetzt?“ Luche griff mich am Oberarm und zerrte mich noch weiter in die Ecke. Dann steckten wir die Köpfe zusammen. „Scheiße, was mach ich denn jetzt?“, wiederholte ich ängstlich. „Drautos merkt das doch sofort, wenn du nicht du bist.“ Luche seinerseits war leichenblass. „Na ja es hilft wohl alles nichts. Da wirst du ran müssen und so tun, als wärst du ich. Möglichst glaubwürdig natürlich.“ Ich sah ihn-mich besorgt an. „Du weißt schon, dass ich dich bisher hauptsächlich als Arschloch kennen gelernt habe“, meinte ich leise. Luche machte ein Gesicht, als würde er gleich wieder explodieren, beherrschte sich aber. „Also hör zu, ich weiß nur einen Grund, warum er mich jetzt sehen will. Euch Neulingen hat man das aus gutem Grund nicht gesagt.“ Er schaute ziemlich verlegen, ehe er fortfuhr: „Das, was wir als Außeneinsatz für die altgedienten Gleven für heute angekündigt hatten, ist eigentlich ein unerwarteter Test für euch Neulinge. Mir wurde schwarz und weiß, heiß und kalt, als ich das hörte. Ein Spontantest für die Kadetten, ohne dass sie etwas davon wussten? Was dachte sich der Kommandant dabei? „Drautos weiß, dass ich mit dir beim Training bin, er hat das selber so heute morgen entschieden. Da er mich jetzt scheinbar so kurzfristig sehen will, gehe ich davon aus, dass es mit dem Test heute Nachmittag zusammen hängt. Oder die Niffen schieben ihre Truppen mal wieder herum, worauf wir antworten müssen. Das ist die einzig andere Möglichkeit, die mir einfällt.“ Ich hörte angestrengt zu. „Also wie jetzt? Wir Kadetten werden in einen Praxistest geschickt, ohne dass wir vorher darüber informiert werden? Ist das nicht höchst verantwortungslos?“ Ich war selbst überrascht, wie gefasst ich angesichts der neuerlichen Informationen klang.“ „Nein, ist es nicht. Niflheim kündigt seine Manöver in der Regel nicht an, das sind alles unvorhergesehene Einsätze. Juno, was hast du denn gedacht, was die Königsgleve ist? Eine Paradearmee?“ „Scheiße, ein Testeinsatz?! Gegen die Niffen?“ Ich fühlte, wie mir der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Luche schien weniger besorgt zu sein. „Gegen die Niffen nicht, Drautos würde nie im Leben einfache Kadetten in eine ernste Kampfhandlung schicken. Der erste Praxistest gestaltet sich in der Regel anders.“ „Wie denn?“, hakte ich nach. „Nun ja ...“, druckste er herum, erzählte es dann aber doch. Ich wurde noch blasser. „Gott, kannst du nicht mitkommen zu Drautos?“, bettelte ich. „Ich krieg das nie und nimmer hin ...“ „Spinnst du? Du weißt doch, dass er euch Neulinge in der Regel nicht sehen will.“ „Scheiße!“ „Hör zu, wir machen das so ...“ Er griff an mein Ohr. „Au!“, beschwerte ich mich. „Entschuldige.“ Ohne mich eines Blickes zu würdigen, hatte er mein Headset umgestellt, griff dann nach dem, das er am Ohr hatte. Nachdem er einige Einstellungen auch an diesem Gerät vorgenommen hatte, reichte er mir meines wieder. Ich schob es mir zurück auf das Ohr. „Okay, pass auf. Ich hab sie jetzt so eingestellt, dass ich mithören kann. Das funktioniert aber nur dann gut, wenn du mit Drautos alleine bist. Wenn noch andere Leute im Zimmer sind oder bei zu lauten Hintergrundgeräuschen hab ich Schwierigkeiten, dich zu verstehen.“ Ich nickte. „Kannst du mir Anweisungen geben?“ „Ja. Ich kann dir aber nur einmal sagen, was du antworten und tun sollst, sonst wirkt es unglaubwürdig. Du musst also gut aufpassen. Und ich hoffe, dass wir die Frequenz für uns alleine haben ...“ „Scheiße, das klappt doch nie!“ Luche schaute genauso besorgt drein, wie ich mich fühlte. „Wird schon schief gehen. Tu einfach so, als wärst du ich. Wenn er was bemerkt oder komisch schaut, ignorier es und mach einfach weiter.“ „Gott ey, du hast gut reden. Ich hab mich bei der Königsgleve eingeschrieben, nicht bei der Schauspielschule!“ „Na ja, es hilft ja nichts. Jetzt los, er wartet nicht gerne.“ Ich sah Luche noch einmal weinerlich an, drehte mich um und stiefelte davon. Auf halber Strecke musste ich mich daran erinnern, mit der entsprechenden Körperhaltung durch den Gang zu laufen, Nase oben, aber nicht zu weit. Zumindest immer dann, wenn mir Neulinge entgegenkamen. Dummerweise war einer von ihnen mein Kumpel Lucius und ich verhaspelte mich fast dabei, als ich ihn aus Gewohnheit grüßen wollte. Er sah mich irritiert an, hatte aber anscheinend so viel Respekt vor mir, also Luches Körper, um sich einen Kommentar zu verkneifen. Ich atmete einmal tief durch, als er weg war, und ging weiter. Drautos‘ Büro lag ebenfalls im Erdgeschoss, aber am anderen Ende des Gebäudes, mit Blick auf die Hauptstraße und den kleinen Platz davor. Mir liefen sonst nicht viele Leute über den Weg und der Bereich vorm Büro des Kommandanten war verlassen. „Okay, bin da“, meinte ich. „Klopf einmal an und geh dann rein. Er ist das so gewohnt“, rauschte es aus meinem Headset. Ich tat, wie geheißen. Drautos sah nicht einmal auf, als ich eintrat. Ich blieb etwa einen Meter vor seinem Schreibtisch stehen, nahm Haltung an und schwieg. Der Kommandant war auf ein Blatt auf seinem Schreibtisch fixiert. Von meiner Position aus konnte ich nicht erkennen, was es war. „Ah, Luche, da bist du ja“, meinte Drautos, als er zwischendrin aufblickte. Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, aber ich ließ mir nichts anmerken. „Wie läuft’s mit den Grünschnäbeln?“ Luches Antwort kam umgehend in mein Ohr und ich versuchte, sie so professionell wie möglich wiederzugeben: „Gut. Die Basics haben sie inzwischen im Blut, beim Freistil könnte der ein oder andere aber noch etwas mehr lernen.“ Ob er damit gezielt mich meinte, oder es sich um eine generelle Einschätzung handelte, war mir schleierhaft. „Hm, ging dieses Mal ja richtig schnell im Vergleich zu sonst.“ Wieder bekam ich Informationen über das Headset. Wieder antwortete ich, so gut ich konnte: „Sir, wir haben dieses Mal vielleicht einige Ausnahmetalente dabei, die die anderen mitziehen.“ Drautos verschränkte die Arme. „Gut. Und bist du heute mit Ofilius weitergekommen?“ Ich bekam fast einen Hustenanfall. Der Kommandant legte den Kopf schief. Ich musste mich beherrschen, damit mir das Blut nicht ins Gesicht schoss. „Stimmt was nicht?“, hakte Drautos nach. „Nein Sir, ich komm nur gerade vom Training mit ihr.“ Was ja der Wahrheit entsprach und wofür ich nicht mal einen vorgesagten Text von Luche brauchte. „Und?“ „Äh, wie und?“ Ich war verwirrt. Luche hatte über das Headset ebenfalls nichts gesagt, und auch sonst hörte ich nichts aus dem kleinen Gerät. Ob Luche überhaupt noch in der Leitung war, war mir schleierhaft. „Du meintest letztes Mal, dass wir sie gegebenenfalls aussortieren müssen, sie wär wohl die Einzige in dieser Gruppe von Nachwuchsgleven. Nach deinem Bericht zu urteilen, sind die Rekruten soweit, um erstmals auf die Welt da draußen losgelassen zu werden. Ich muss an der Stelle wissen, ob jeder von ihnen dazu in der Lage ist, sich in freier Wildbahn zu verteidigen. Nach deiner jüngsten Einschätzung hab ich mir Gedanken gemacht und hielt es für sinnvoll, sie heute ausnahmsweise direkt mit dir trainieren zu lassen. Hat sie sich mittlerweile verbessert?“ „Äh ...“ Innerlich kochte ich vor Wut. Was sollte ich darauf sagen? War ich wirklich so schlecht, dass ich mich nicht als Königsgleve eignete? Ich hatte eigentlich geglaubt, mich durch das Training in den vergangenen Wochen stark verbessert zu haben. In Anbetracht der Tatsache, dass ich quasi erst mitten in der Grundausbildung eingestiegen und nicht von Anfang an dabei war, hielt ich dies für eine achtbare Leistung. Ich war stärker und ausdauernder geworden, beherrschte inzwischen den Nahkampf mit Kukris ziemlich gut, wobei ich natürlich in einem ernsthaften Kampf nicht gegen eine der Altgleven ankommen würde, aber trotzdem. Hielt man, Luche, mich für so schlecht, dass ich die Einheit würde verlassen müssen? Oder lag diese Einschätzung nur daran, dass er mich schon auf dem Kieker gehabt hatte, noch bevor ich überhaupt in Lucis gelandet war? Drautos räusperte sich vernehmlich. „Sir? Wir sollten sie wenigstens am ersten Praxistest teilnehmen lassen. Aussortieren können wir sie hinterher immer noch.“ Der Kommandant zog eine Augenbraue nach oben. „Wenn du das sagst. Dann kannst du den Grünschnäbeln die frohe Kunde heute beim Mittagessen überbringen. Nachmittags geht’s für sie in die freie Wildbahn.“  *** „Bist du völlig übergeschnappt?“, keifte Luche, der noch immer in meinem Körper steckte. „Fick dich!“, antwortete ich rundheraus. Es war kurz vor Mittag und ich eigentlich auf den Weg zur Kantine, als Luche mich abgefangen und in einen unbenutzten Besprechungsraum gezerrt hatte. Obwohl ich, also er, eigentlich mit Crowe zum Mittagessen verabredet war. Aber besser so, statt dass er Crowe irgendwelchen Scheiß erzählt. ‚Oder dass sie ihm erzählt, was ich über ihn lästere‘, dachte ich. Jetzt funkelten wir uns wieder an. „Bist du wirklich der Meinung, dass ich nicht zur Gleve tauge, oder hast du das Drautos nur erzählt, weil du mich auf dem Kieker hast?“ „Herrgott, Juno, meine Aufgabe ist es, zu jedem Neuling eine Einschätzung abzugeben“, erklärte Luche. „Ich bin schließlich Drautos‘ Stellvertreter, wie du vorhin selbst meintest. Da er nicht selber mit euch trainiert, obliegt es mir, eine valide Einschätzung abzugeben. Glaubst du etwa, du bist die Einzige, die ich für unfähig halte?“ Gekränkt sah ich in mein eigenes Gesicht. „Ich scheine ja die einzige Ausnahme der Gruppe zu sein, die die Regel bestätigt.“ Ich hörte mich mit meiner Stimme seufzen. „Jetzt bin ich wieder der Böse, war ja klar“, hörte ich meine Stimme resigniert sagen. „Juno, ist dir vielleicht schon mal in den Sinn gekommen, dass meine Einschätzung auch eurer eigenen Sicherheit dient? Dort draußen seid ihr auf euch allein gestellt. Davon müsst ihr immer ausgehen, trotz dass die Gleven in Teams losgeschickt werden. Es kann immer vorkommen, dass du von deiner Mannschaft getrennt wirst, oder jemand verletzt ist und du alleine kämpfen musst. Wir müssen uns Hundertprozent auf euch verlassen können. Denn auch wenn wir eine Kampftruppe sind, steht unsere eigene Sicherheit immer an oberster Stelle.“ Immer noch gekränkt sah ich ihn an. Seine Erklärung klang schlüssig, weshalb es mich umso mehr schmerzte. „Es wäre bei weitem höflicher gewesen, nicht bis zum letzten mit deiner Einschätzung zu warten. Dann hätte ich mir die vergangenen Wochen hier sparen und mir stattdessen eine andere Arbeit suchen können. Hätte mir und euch Zeit erspart“, erwiderte ich pampig und drehte mich um. Ich wollte den Raum verlassen, aber Luche hielt mich am Oberarm zurück. „Verdammt, Juno, heulst du jetzt?“ „Was erwartest du denn? Glaubst du, es ist schön zu erfahren, dass die ganzen Extratrainingseinheiten, die Crowe mit mir nach Feierabend absolviert hat, scheinbar völlig umsonst waren?“, erklärte ich, kurz vorm Heulkrampf. Irritiert sah er mich an. „Crowe hat mit dir trainiert?“ „Ja, stell dir vor. Klingt das so unglaubwürdig?“ „Wie oft?“ „Mehrmals die Woche“, grummelte ich. Er rieb sich am Kinn. Ich wandte mich wieder um und öffnete die Tür. „Jetzt warte doch!“ Luche kam mir hinterher und wollte mich wieder zurück in den Raum schieben. Ich stemmte mich gegen ihn, was mir wider Erwarten ziemlich leicht fiel. Ich schob es darauf, dass ich in seinem muskulösen Körper steckte. Trotzdem hatte er mich in Windeseile wieder in dem Raum und versperrte mir jetzt noch dazu den Weg nach draußen. „Wag es bloß nicht, in meinem Körper heulend da rauszulaufen!“ „Wenn ich heule, ist es deine Schuld!“ Ich verschränkte die Arme und sah auf ihn, meinen eigenen Körper, herab. Er sah mich verbissen an. Ich konnte ihn förmlich denken hören. Und meinen Magen, der mittlerweile lautstark vor Hunger knurrte. „Na schön, hör zu. Vielleicht hab ich eine Lösung für das Problem“, fing Luche an. „Ich schau, dass ich dich heute durch den Praxistest bringe. Dadurch gewinnst du erst einmal Zeit. Dafür lässt du die Trainingseinheiten mit Crowe bleiben und trainierst stattdessen mit mir.“ Ich war baff. Luche hatte sich mir gegenüber immer nur wie ein Arschloch benommen und jetzt wollte er mir auf einmal helfen? Dem Frieden traute ich nicht. „Also was sagst du?“, fragte er, nachdem ich fünf Minuten lang geschwiegen hatte. „Ich finde es ja nett, dass du mir helfen willst, aber haben wir nicht gerade ein ganz anderes Problem?“ „Darum können wir uns danach kümmern.“ „Können wir? Ich finde, es ist gerade unser Hauptproblem, wenn ich ehrlich sein soll.“ Luche legte den Kopf schief. „Vielleicht ist es auch nur deshalb passiert, damit ich dir helfe?“, konterte er. „Haha, sehr witzig. Ich versteh nicht, warum du mir überhaupt helfen willst.“ „Weil mein Training anders gestrickt sein wird als das von Crowe, das kann ich dir versprechen. Crowe ist üblicherweise nicht hart genug zu euch ...“ Ich schluckte. „Wenn du es so sagst, klingt es wie eine Drohung.“ „Ist es auch. Wenn wir das heute durchstehen und noch dazu so viel Glück haben, dass wir unsere Körper wieder tauschen, dann wirst du die nächsten Wochen keinen freien Abend mehr haben.“ Mir klappte die Kinnlade nach unten. „Jetzt guck nicht so. Für mich bedeutet das schließlich auch weniger Freizeit.“ „Ja. Aber warum willst du mir jetzt auf einmal helfen? Versteh ich nicht.“ „Vielleicht, dass du auch einfach endlich mal lernst, dass ich kein Arschloch bin?“ „Aha.“ Ich klang wenig überzeugt. „Ansonsten kannst du natürlich auch einen konstruktiven Vorschlag bringen. Irgendwelche Ideen?“ „Nein. Aber noch mal zurück zu dem Einsatz heute. Wo werde ich dann sein? Also ich als du? Mit Drautos auf irgendeiner Anhöhe die Übung überwachend? Ich glaube kaum, dass ich dich so gut imitieren kann, dass es ihm nicht auffällt. Das hat vorhin nur geklappt, weil es nur zehn Minuten waren. Wenn ich ein paar Stunden mit ihm rumstehen muss ...“ „Dann müssen wir unseren kleinen Unfall von vorhin wiederholen, wir beten dafür, dass wir unsere Körper dadurch wieder getauscht bekommen, und du darfst selbst zum Praxistest antreten.“ Ich grummelte ihn an. „Was machen wir, wenn sich unser Körpertausch mitten im Einsatz rückgängig macht?“ „Dann spurte ich los zu deiner letzten Position und rette dich, wenn es sein muss.“ „... Du machst mir ja Freude.“ „Ich bin für jeden konstruktiven Vorschlag offen.“ „Scheiße!“ „Kriegen wir schon hin. Du hast dich vorhin in Drautos Büro ziemlich gut geschlagen.“ Mein, sein Gesicht hellte sich auf. „Ehrlich?!“ „Ehrlich“, gab er verlegen zu. „Und jetzt komm mit, du musst mir und den anderen ja noch verkünden, dass es für uns heute zum Praxistest geht.“ „Scheiße, du hast Recht!“ „Und hör auf, ständig ‚scheiße‘ zu sagen! Ich sag das nicht, jedenfalls nicht so häufig.“ Luche griff mich am Arm und zog mich nach draußen auf den Gang. ***   Ich saß am Steuer eines der Einsatzbusse und lenkte ihn zur Coernix Tankstelle an der Cauthess Umgehungsstraße. Drautos saß neben mir auf dem Beifahrersitz und ich hatte entsprechend Schweißtropfen auf der Stirn. Einerseits, weil das Steuer des Kleinbusses gewöhnungsbedürftig war. Andererseits, weil wir uns anschwiegen, seit wir die Mauern Insomnias verlassen hatten. Luche war über das Headset auf der anderen Leitung und hörte unser Schweigen. Doch würde der Kommandant etwas sagen, würde er mir nicht helfen können. Wenn ich, also mein körperliches ich, in dem anderen Bus plötzlich anfing, scheinbare Selbstgespräche zu führen, sorgte das nur für zusätzliche Verwirrung. So war die Stille zwischen mir und dem Kommandanten vermutlich doch ganz nützlich. Luche hatte mir zuvor erzählt, dass der Außeneinsatz für Neulinge üblicherweise darin bestand, drei Kujatas fertig zu machen. Ich war blass geworden bei der Erinnerung an die überdimensionierten Rindviecher. Selbst im Spiel war eines allein kein leichter Gegner. Mit Noctis und seinen Freunden traute ich mich frühestens dann an eines heran, wenn der Prinz Level 50 oder so erreicht hatte. Entsprechend froh war ich, dass ich jetzt in Luches Körper steckte und das Spektakel aus der Entfernung verfolgen konnte. Vorausgesetzt natürlich, es blieb bei unserem kleinen Malheur. Die Tankstelle war wenig besucht. Ich parkte den Bus halbwegs ordentlich vor dem Wohnwagen, und wir stiegen aus. Der Trupp aus dem zweiten Bus gesellte sich zu uns. Insgesamt zwölf Neulinge trollten sich auf dem Parkplatz, begleitet von Drautos und mir. Luche hielt sich im Hintergrund, begleitet von Diane und Lucius, die von unserem kleinen Unfall ebenfalls nichts wussten. Jetzt musste ich nicht nur Luche möglichst glaubwürdig schauspielern, sondern er musste wahrhaftig so tun, als sei er ich, damit meine Freunde keinen Verdacht schöpften. Verstohlen warfen wir uns einen Blick zu, ehe ich einen digitalen Feldstecher aus unserem Bus kramte. Derweil hatte Drautos Ordnung in die Bande gebracht. Respektvoll haben sie Haltung vor dem Kommandanten angenommen, Luche dabei aufrechter als alle anderen. ‚Seit wann hab‘ ich so eine große Oberweite?‘, dachte ich irritiert. ‚Und mein Zopf sieht auch anders aus ...‘ Der Kommandant sagte einige Worte zum Einsatz und schickte die Neulinge dann los. Ich nickte meinem eigenen Gesicht noch einmal zu, Luche nickte unauffällig zurück, und wandte sich dann um, um den anderen Glevenkadetten zu folgen. Ich gesellte mich zu Drautos, sich abseits zu halten, würde nur Verdacht erregen, hatte Luche mir zuvor eingeschärft. Von den voll ausgebildeten Gleven, die eine halbe Stunde vorher ebenfalls hierher losgeschickt worden waren, um zur Not eingreifen zu können, war weit und breit nichts zu sehen. Ich ging davon aus, dass sie sich irgendwo versteckt positioniert hatten. „Hast du dich mit Ofilius angefreundet?“, fragte Drautos aus dem Nichts heraus, an einen der Busse gelehnt und der Meute interessiert hinterherblickend. Ich zuckte zusammen. „Nein, Sir, wie kommt Ihr darauf?“, fragte ich erschrocken. „Weil sie ständig in deine Richtung schaut. Läuft da was? Luche, du weißt hoffentlich noch, wie ich zu Beziehungen am Arbeitsplatz stehe ...“ Mir war gleichzeitig heiß und kalt. Was sollte ich denn bitte jetzt sagen? „Eh, Sir ...“ „Hm?“ Ich schwieg beklommen. „Oder war etwas im Training?“ „Eh, nein, Sir. Das Training war nur etwas ... intensiver, als sonst.“ „Mhm?“ „Na ja, wir hatten einen kleinen Unfall ...“, erklärte ich. „Oh, aber doch hoffentlich nichts Ernstes, oder?“ „Nein, Sir, vielleicht werde ich ein paar blaue Flecken davon tragen, aber das war es auch schon.“ „Ach so. Das ist gut zu hören. Wär‘ ja nicht auszudenken, wenn du plötzlich verletzungsbedingt ausfallen würdest.“ „Danke, Sir.“ „Dann müsste ich all den Papierkram selber machen, du weißt ja, wie sehr ich das hasse.“ „Ja, Sir.“ Ich fragte mich, ob das der einzige Grund war, warum Luche Drautos‘ Stellvertreter war. Weil er den Papierkram gut erledigte? Umgehend hatte ich ein schlechtes Gewissen. Der Kommandant wird Luche ja wohl nicht nur deshalb als Stellvertreter ausgewählt haben, sondern weil er ihm vertraute. Ich schluckte. Weil er ihm blind vertrauen konnte, vielleicht? Unweigerlich glitten meine Gedanken zu dem Putsch, durch den König Regis sein Leben verlieren würde. Ob der Verrat des Kommandanten und eines Teils der Gleve schon im Gange war? In den wenigen Wochen, die ich hier war, hatte ich keine Anhaltspunkte dafür finden können. Andererseits konnte ich mich als einfache Kadettin auch nicht so frei bewegen und überall herumschnüffeln, um mehr herauszufinden. Selbst eine voll ausgebildete Gleve würde dabei unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „LAZARUS!“ Ich zuckte wie ein Kaninchen zusammen und fuhr zu Drautos herum. „Hörst du mir überhaupt noch zu?“, fragte der Kommandant aufgebracht. „Äh ... entschuldigung!“ „Also nicht, was ist eigentlich mit dir los?“ „Bin noch durcheinander von dem Unfall heute morgen.“ „Ah ja, hast du dich durchchecken lassen?“ „Sir?“ „Beim Arzt, habt ihr euch durchchecken lassen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist?“ „Äh, nein, Sir.“ Drautos legte den Kopf schief. „Wenn die Übung vorbei ist, geht ihr zum Arzt!“ „Aber ...“ „Lazarus! Das war ein Befehl!“ Ich zog den Kopf ein. Da hatte ich mich und Luche ja in einen schönen Schlamassel gebracht. Wenigstens hatte Drautos das Thema Beziehung am Arbeitsplatz fallen lassen. Ich sah auf die Ebene hinaus, auf der es vor Magieflakons nur so zuckte. Die Neulinge schienen sich ziemlich gut zu schlagen, eines der Kujatas war bereits am Boden und rührte sich nicht mehr. Leider konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen, wer von meinen Kollegen sich gut schlug und wer eher nicht, aber ich betete für Diane und Lucius. Bei Luche machte ich mir keine Sorgen, rechnete aber damit, dass er, also mein Körper, am nächsten Tag einen fiesen Muskelkater haben würde. Luche würde alles aus ihm herauskitzeln. „Dein Mündel stellt sich gar nicht mal so schlecht an ...“, meinte Drautos und reichte mir den Feldstecher. „Äh, mein Mündel? Ofilius?“ „Wer denn sonst? Oder habt ihr doch was miteinander ...?“ „Wir haben gar nichts miteinander!“, erklärte ich lauter, als ich beabsichtigt hatte und lief hochrot an. Ich spürte Drautos‘ Blick auf mir. „Ah ja ...“, war sein einziger Kommentar. Ich sah durch das Fernglas. Tatsächlich, Luche hängte sich ordentlich rein und gab dem Kujata, das noch den fittesten Eindruck machte, Saures. Diane und Lucius unterstützen ihn nach Leibeskräften und gingen immer wieder auf die Extremitäten des Rindviehs los, während Luche sich eher auf den Kopf konzentrierte. „Trainierst du heimlich mit ihr?“, fragte Drautos. „Äh, nein, Sir.“ „Mhm. Erinnert mich aber ziemlich an deine Art zu kämpfen, wenn ich ehrlich sein soll.“ Ich nahm den Feldstecher wieder vom Gesicht. „Ach, die schaut sich das Meiste nur ab, hab ich das Gefühl.“ „Mhm, ist das so?“ „Ja. Manche sind im Kopieren halt besser als im Trainieren.“ „Und darum wolltest du sie aussortieren?“ Der Kommandant sah mich schief an, aber ich ignorierte ihn. Wir konzentrierten uns wieder auf den Kampf, der sich dem Ende neigte. Die Kadetten brachten das letzte Kujata zu Fall und machten sich auf den Weg zurück zu uns. „Sehr schön, ich glaub, so eine vielversprechende Nachwuchstruppe hatten wir lange nicht mehr.“ Ich nickte unmerklich. Die Neulinge überwanden die Straße und warpten zu uns vor die Busse. Sie schnauften und schwitzten zwar etwas, aber das war in Anbetracht ihrer Gegner wohl auch nicht verwunderlich. Nur Luche sah nicht so aus, als hätte er sich groß angestrengt. Er hatte keine erkennbaren Schweißperlen auf der Stirn. ‚Wie macht er das?‘, fragte ich mich. Als der Kommandant sich vor sie hinstellte, nahmen die Glevenkadetten wieder Haltung an. „Rührt euch!“, befahl Drautos umgehend. Sie lockerten sich wieder etwas, bis auf Luche. Ich versuchte, ihm zuzunicken, damit er sich ebenfalls entspannte. Wenn ich in seinem Körper nicht „scheiße“ sagen durfte, musste er in meinem locker stehen, wenn der Kommandant das befahl. Auch wenn es nicht seine Art war. Er schien mich nicht zu bemerken, aber Lucius stupste ihn dann mit dem Ellbogen in die Seite. Luche sah verwirrt zu ihm, entspannte sich aber merklich. „Kadetten, gut gemacht! Kujatas gehören selbstverständlich nicht zu unseren Hauptgegnern, der heutige Test sollte lediglich euren Kampfgeist und euer Teamwork zutage fördern. Diejenigen unter euch, die sich nach diesem Test unsicher sind, ob die Königsgleve tatsächlich den richtigen Job für sie bietet, empfehle ich, eine Nacht darüber zu schlafen. Die Auswertung des Tests erhaltet Ihr morgen von Leutnant Lazarus persönlich. Je nach Ergebnis könnt ihr euch entscheiden, ob ihr weitermacht, oder nicht. Wegtreten!“ Ich zuckte unmerklich. Da stand mir ja eine lange Nacht bevor, wenn ich für zwölf Gleven Einsatzberichte und Bewertungen tippen musste. Überhaupt, wie sahen die Dinger aus? Und woher würde ich die Information bekommen, ob sich einer gut angestellt hatte, oder nicht? Vom Kommandanten? Ich verfluchte mich dafür, nicht besser aufgepasst zu haben. Vielleicht hatte ich nachher beim Aussteigen eine Möglichkeit, mir Luche zu krallen und ihn dazu zu befragen. Gedankenverloren stolperte ich zum Bus und kroch auf den Fahrersitz. Die Rückfahrt nach Insomnia verlief ereignislos. ***   „Kröte, warum hast du nicht besser aufgepasst?“, hörte ich meine Stimme niedergeschlagen säuseln. „Woher sollte ich denn wissen, dass allein meine Bewertung in die Ergebnisse einfließt“, ereiferte ich mich. „Das ist doch völlig sinnfrei!“ Luche erwiderte nichts darauf. Sobald wir in der Hauptstadt angekommen und Drautos sowie die Kadetten sich getrollt hatten, hatten wir uns davon gemacht. Diane und Lucius hatten schief geschaut, als Luche ihnen erklärt hatte, er, sie hätte noch etwas Privates zu erledigen. „Kannst du die Dinger nicht für mich schreiben?“, fragte ich. „Dein Glück, dass ich schon davon ausging, dass es so kommt. Also hör zu, du tippst und ich diktier dir, was du schreiben sollst.“ „Okay. Dann müssen wir nur einen möglichst ungestörten Ort finden.“ „Warum? Du hockst dich an meinen Schreibtisch, und ...“ „In deinem Büro? Vergiss es!“ „Warum?“ Luche war ehrlich verwirrt. „Es sieht vielleicht blöd aus, wenn Drautos uns schon wieder gemeinsam sieht ...“, erklärte ich. Seine Verwirrung wich Besorgnis. „Hat er was gemerkt?“ „Na ja, er fand mein Verhalten heute Nachmittag wohl seltsam. Und er glaubt, wir hätten eine Affäre ...“ Luche packte mich am Kragen. „Was hast du angestellt, Ofilius?“, fragte er bedrohlich leise. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich hab gar nichts angestellt, aber ihm ist aufgefallen, dass du vorhin häufiger zu mir geschaut hast ...“ Er wurde blass und ließ mich wieder los. „Shit!“ „Sei doch froh“, meinte ich lapidar. „Was wirklich los ist, weiß er nicht.“ „Na toll! Und du meinst, Gerüchte darüber, wir hätten was, sind so viel besser?“, fragte er. „Äh ... Drautos ist eine Klatschbase?“ „Nein“, versicherte mir Luche. „Aber die Berichte in meinem Büro tippen is‘ nicht mehr. Ich sitz‘ direkt vor seinem und mit den Berichten werden wir etwas länger beschäftigt sein, er wird dann schon Feierabend machen. Gott, wenn er uns wieder gemeinsam sieht ...“ „Können wir es nicht wieder über das Headset machen?“, schlug ich vor. Er brummte undamenhaft, was ich als Bestätigung wertete. „Im Schreiben bin ich nicht schlecht.“ Was nicht mal gelogen war. Das Tippen an Schreibmaschine oder Computertastatur lag mir im Blut, hatte es von der Pike auf in der Schule und später in meiner Ausbildung gelernt und schrieb auch zum Privatvergnügen häufiger mal. Und da sich das hiesige Alphabet nicht von demjenigen unterschied, das ich von zuhause kannte, vermutete ich, dass eine Gewöhnung an eine etwas anders gestaltete Tastatur nicht so schwer sein würde. „Das will ich für dich hoffen, ich will nämlich nicht die ganze Nacht damit zubringen.“ „Dann sollten wir uns beeilen“, meinte ich. „Sollten wir“, stimmte Luche zu. Wir wandten uns um, nur um in Diane hinein zu laufen. Wir blieben überrascht stehen. „Äh, Luche und Juno, was macht ihr hier?“, fragte sie irritiert. „Nichts“, war meine prompte Antwort. Luche stupste mich in den Rücken. „Jedenfalls nichts, das dich etwas anginge“, fügte ich ruppiger hinzu, als Diane es verdient hatte. Sie hatte allen Grund, verdutzt zu sein. Luche und ich waren keine Freunde, das war kein großes Geheimnis innerhalb der Gleve. Und Diane wusste, dass ich mit ihm so meine Schwierigkeiten hatte, wenn auch nicht, warum. Wenigstens würde sie jetzt also nicht auf den Trichter kommen, dass wir eine romantische Beziehung miteinander hätten. „Na ja, ist auch egal, ehrlich gesagt.“ „Schön.“ Diane sah mich abschätzig an, ehe ihr Blick zu Luche wanderte, der in meinem Körper steckte. „Juno, steht unser Mädelssaunaabend heute noch?“ Ich stockte. War das heute? „Mädelssaunaabend?“, hörte ich dann auch meine eigene Stimme sagen, piepsig. „Mädelssaunaabend!“, bestätigte Diane. „Wir haben es doch auf heute geschoben, weil es dir letzte Woche nicht so gut ging, erinnerst du dich nicht mehr?“ Doch, natürlich erinnerte ich mich. Ich hatte meine Periode bekommen und wollte in dem Zustand einfach nicht eine Sauna. „Außerdem wollten wir doch mit Crowe beratschlagen, was wir Libertus schenken könnten. Er hat doch nächste Woche Geburtstag und kümmert sich immer so rührend um uns.“ „In der Sauna?“, hakte ich nun selber, mit Luches Stimme, nach. Diane warf mir nur einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder meinem Körper zuwandte. „Äh ...“, hörte ich meine eigene Stimme. „Jetzt sag nicht, dass du heute auch nicht kannst!“ Ich traute mich nicht, mich zu meinem eigenen Körper umzudrehen. Luche war vermutlich kurz vor einem Ohnmachtsanfall, zumindest stellte ich mir das so vor. „Äh, ich äh, ... muss noch was erledigen ... Kann ich n-nachkommen?“, hörte ich meine Stimme stammeln. Diane wirkte enttäuscht, nickte aber. „Aber beeil dich bitte, ja?“ „Ja ...“ Meine Freundin warf uns nacheinander einen Blick zu, drehte sich um und ging. „Mädelssaunaabend?“, hörte ich es keine zwei Sekunden später leise hinter mir. Ich drehte mich puterrot zu Luche um. „WAS?!“ „Ihr Mädels trefft euch abends in der Sauna?“, wollte er wissen. „Ja, ab und zu. Gibt’s ein Problem damit?“ „Crowe trifft sich da mit euch?“ Ich verschränkte die Arme. „Muss ich da hin?“ „Err ... Na ja wir wollten uns das Geschenk für Libertus überlegen.“ „Warum hast du das letzte Woche nicht machen können?“, fragte Luche. „Weil ich letzte Woche meine Blutung hatte, Schlauberger, wie sieht das denn aus, wenn’s unten rot rausläuft?“ Luche wurde blass. „Keine Sorge, die kommt nur einmal im Monat. Weißt du eigentlich gar nichts über Frauen?“ „Äh ... soll ich da jetzt hingehen oder soll ich ihr absagen?“, fragte er mich stattdessen. Ich seufzte. „Ist wohl besser, wenn du hingehst. Die sind eh schon alle misstrauisch.“ „Scheiße! Ich kann doch nicht in die Damensauna ...!“ „Warum? Du bist doch momentan auch eine Dame? Müsstest dich nur mehr wie eine verhalten, damit es nicht auffällt ...“ „Ey, ich werd‘ eine langjährige Kollegin und wer weiß wen noch nackt sehen ...!“ Er wirkte leicht panisch. Ich legte den Kopf schief. „Also, du stürzt dich mit Feuereifer in jedes Gemetzel, das die Niffen dir bieten, aber vor nackten Frauen hast du Angst?“, hakte ich nach. „Nackten Kolleginnen!“ „Man wickelt sich ein Handtuch um ...“ „Ein Handtuch? Und wenn was runter rutscht?“ „Gott, Luche, jetzt sag mir nicht, dass du in deinem Leben noch nie eine nackte Frau gesehen hast ...!“ „Doch, aber doch nicht ein komplettes Rudel aus nächster Nähe!“ „Da sind auch Männer drin ...“ Luche machte ein Gesicht. „Nein, keine Kollegen! Darauf achten wir“, fügte ich schnell hinzu. Er atmete inzwischen schwer. „Luche ...“, beschwörte ich ihn. „Tief durchatmen ... Weißt du, es wird gar nicht auffallen, wenn du vor Scham rot wirst. Immerhin bist du in einer Sauna, da kriegt jeder schnell einen roten Kopf von der Hitze.“ Er beugte sich nach vorne und stützte sich mit den Händen auf den Knien ab, versuchte aber, ruhiger zu atmen. Allmählich beruhigten sich seine Nerven wieder. „Du meinst wirklich, ich soll da hingehen?“ „Ja ...“ Obwohl mir nicht wohl bei dem Gedanken war. „Ich war noch nie in einer Sauna ...“ „Oh, na ja. Dann mute dir am Anfang nicht zu viel zu. Setz dich auf eine der unteren Bänke, da ist es weniger heiß. Außerdem kannst du jederzeit während eines Aufgusses raus gehen, wenn dir schwummrig wird. Und denk bitte dran, dich vorher zu duschen und dich immer aufs Handtuch zu setzen.“ „Eh, du kennst dich ziemlich gut aus mit Sauna.“ „Ja, wie gesagt, ich geh öfters mal in eine. Auch gerne mal alleine, tatsächlich.“ „Mhm, so genau wollte ich es jetzt nicht wissen ...“ „Können wir dann? Es wäre gut, wenn du noch relativ rechtzeitig hin kommst.“ „Dann sollten wir uns schnell an die Berichte setzen. Wenn ich in der Sauna hocke, kann ich dir nicht helfen.“ „Dann los.“ Wir machten uns auf den Weg. Wo Luches Büro lag, wusste ich. Er hatte erklärt, sich in der Trainingsarena in eine versteckte Ecke zu verkrümeln und mir von dort aus zu diktieren. Ich solle nur jeden Kadettennamen nennen, damit er wusste, um wen es ging. Drautos hatte zwischendrin den Kopf rein gesteckt und sich verabschiedet. Mir war regelrecht ein Stein vom Herzen gefallen, als der Kommandant weg war und Luche in meinem Körper einige Augenblicke später auftauchte. Ich hatte nur noch einen Bericht zu schreiben, meinen eigenen. Luche sah sich die schon beschriebenen Blätter an. „Ich muss zugeben, gar nicht schlecht, Kröte.“ „... Ich bin keine Kröte“, erwiderte ich leise. „Nein. Also hopp, weg da, mach Platz!“ „Huh? Aber ich bin doch noch nicht fertig ...“ Luche scheuchte mich von seinem Stuhl. „Was ist denn jetzt?“ „Deinen Bericht werde ich selber schreiben. Sonst schreibst du noch irgendwas rein, was ich gar nicht diktiert habe. Oder diskutierst mit mir oder sowas.“ „Stimmt doch gar nicht!“, beschwerte ich mich. Luche ignorierte mich jedoch und tippte drauf los. Mir fiel auf, dass er im Schreiben etwas langsamer war als ich, aber ich sagte nichts. Zehn Minuten später hatte er den Bericht fertig und legte ihn zu den anderen. Ich versuchte, darauf zu schielen und etwas zu erkennen, aber er griff schnell nach dem Stapel und beförderte ihn aus meiner Reichweite. Ich grummelte. „Du wirst es auch nicht früher als alle anderen erfahren.“ „Danke für deine gute Bewertung von Diane und Lucius“, entgegnete ich. „Ist mein Job, die Leute vernünftig zu bewerten.“ „Umso mehr interessiert mich, was du bei mir geschrieben hast.“ „Vergiss es! Und jetzt ab mit dir, ich muss noch in eine Sauna, wie du sehr wohl weißt.“ Ich sah ihn schief an. „Vorhin hast du noch so ausgesehen, als müsste ich den Krankenwagen rufen. Woher der Sinneswandel?“ „Ich hatte mittlerweile Gelegenheit, darüber nachzudenken“, brummte Luche. „Eigentlich kann es ja nur von Nutzen sein, etwas Privates über dich zu erfahren.“ „Ok, ich glaub, ich sag doch ab“, meinte ich und wollte zu meinem Handy greifen. Luche hielt mich davon ab. „Vergiss es, nach dem ganzen Theater, was ich mit dir heute schon mitmachen musste, hab ich eine Belohnung verdient.“ „Hallo? Ich hab die Berichte getippt und bei Drautos Gerüchte ausgebügelt, die erst gar nicht entstanden wären, wenn du heute nicht die ganze Zeit zu mir geschaut hättest!“, konterte ich. „Und? Ich bin nicht derjenige, der eine Verabredung zum Mädelssaunaabend die Woche davor verschoben hat“, sinnierte er süffisant. Am liebsten wär ich ihm an die Gurgel gesprungen. „Komm schon, ein bisschen Spaß hab ich mir verdient.“ Ich sah in pikiert an. „Hör mal, es ist nicht so leicht, den ganzen Tag jemand anderen zu spielen.“ „Ich musste dich ja auch vertreten! Aber da fällt mir ein, was machst du jetzt eigentlich noch? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.“ „Bin eigentlich mit Nyx, Pelna und Libertus zum Körbe werfen verabredet, aber das werd‘ ich absagen!“ „Huh?! Was soll das denn jetzt?“ „Es ist schon schwer genug, wenn ich vor Crowe und deiner Freundin dich spielen muss, noch dazu nackt. Meinst du, Nyx und die anderen merken nicht, dass ich nicht ich bin, wenn du in meinem Körper steckst und keine Körbe triffst?“ „Du Arsch! Soll ich mich also abends in deine Bude hocken und Däumchen drehen?“ „Du kannst auch fernsehen und dir eine Pizza bestellen, aber nicht von meinem Geld. Gern geschehen!“ Luche packte die Berichte in einen abschließbaren Schrank, machte einen Schlüssel von seinem Bund ab und reichte ihn mir. „Hier. Wo ich wohne, weißt du ja. Wehe, in meiner Bude sieht es aus wie im Saustall, wenn ich wiederkomme!“ Ich sah ihn empört an. „Ich soll mich in deine Wohnung hocken und du machst dir einen schönen Abend in der Sauna?“ „Hey, das mit der Sauna war nicht meine Idee!“ Wir funkelten uns angriffslustig an. „Falls es morgen immer noch so ist, wie jetzt, wiederholen wir unseren Warpunfall von heute Vormittag“, meinte ich bestimmt. „Auf jeden Fall!“, pflichtete Luche mir bei. Wir verließen sein Büro. ***   Ich stand splitterfasernackt vor dem Spiegel in Luches Wohnung und betrachtete mich aus allen Winkeln. Seine Wohnung war unverschämt groß, wie ich fand, größer, als ich Nyx‘ Wohnung aus dem Film in Erinnerung hatte, aber da hatte man auch nur ein großes Zimmer gesehen. Luches Wohnung lag halbwegs verkehrsgünstig, befand sich in einer höheren Etage eines Wohnkomplexes und blickte auf einen nach Westen ausgerichteten Balkon hinaus. Unweit befand sich ein kleiner Park. Ich seufzte, wenn ich an meine eigene Bruchbude dachte und daran, was Luche wohl dazu sagen würde. Zum Glück hatte ich meinen Goldfisch tags zuvor noch gefüttert, bevor ich mich auf den Weg ins Glevenhauptquartier gemacht hatte. Und vielleicht war Luche meinem Fisch gegenüber ja umsichtiger als mir gegenüber. Nachdem ich in seine Bude gekommen war, hatte ich die Kampfstiefel und die Jacke ausgezogen und war zunächst in der Küche verschwunden, um die mitgebrachte Fertigpizza in den Ofen zu schieben. Sie hatte nicht lange gebraucht, um Aufzubacken und halb verhungert hatte ich mich darüber hergemacht. Danach hatte ich ein ausgiebiges Bad genossen, war aber immer wieder irritiert, dass mir meine Möpse fehlten, ich stattdessen aber etwas zwischen den Beinen hängen hatte. Ziemlich viel, wie ich mit einer gehörigen Portion Schamesröte festgestellt hatte. Ich versuchte, nicht so genau darüber nachzudenken, und starrte an die Decke des weiß gefliesten Bads. Sogar ein Fenster hatte es, Frechheit! Ich betete wirklich dafür, dass ich aus diesem Albtraum in einem Traum am nächsten Morgen aufwachen und alles so wie immer sein würde. Dass der Körpertausch nie stattgefunden hätte und dass Luche, also der echte Luche, jetzt nicht gerade in meinem Körper steckend in der Damensauna saß und erfuhr, was wir in der Regel so alles über die Männer schwatzten. Am meisten sorgte ich mich dabei um Diane. Ich hoffte, dass es dieses Mal wirklich hauptsächlich um das Geschenk für Libertus ging. Wenn Diane wieder davon anfing, wie heiß sie Luche fand ... ‚Obwohl, wenn Crowe dabei ist, hält sie sich zurück‘, überlegte ich. Trotzdem war mir unwohl bei dem Gedanken, dass meine Freundin vielleicht zu viel ausplaudern könnte. Was würde Luche nur denken, er musste ja glauben, dass wir alle verrückt waren. Ich wusch mich in der Wanne und beendete das Bad, nur um dann gedankenverloren vor dem Spiegel stehen zu bleiben und mich, Luches Körper, zu betrachten. Diane hatte Geschmack, das musste man ihr lassen. Oder vermutlich einfach nur den richtigen Riecher, was gut gebaute Typen betraf. Ich beschloss, die Sauna die Tage selbst einmal aufzusuchen. Wenn alles wieder richtig war, ich wieder in meinem Körper, Luche in seinem, ganz allein vor sich hingammeln und sich einen schönen Tag machen. Unabhängig davon, welches Ergebnis Luche nun in den Bericht geschrieben hatte. Ob er mich tatsächlich durchkommen lässt und die folgenden Wochen mit mir trainiert? Ich schluckte schwer. Seine Drohung, jeden Abend mit mir zu trainieren, hatte ich vollkommen vergessen. Was sollte ich Diane und Lucius erzählen, warum ich abends plötzlich mit Luche statt mit Crowe trainierte? Dass Crowe heimlich mit mir trainierte, wussten sie. Aber wie sollte ich Luche erklären? Noch dazu tagtäglich, wie er es angekündigt hatte? Ich warf die Hände über den Kopf. Das wurde ja alles nur noch komplizierter, statt einfacher. Vor allem, wie sollte ich es Diane erklären, dass ich ihren heimlichen Crush zum Training traf? Nur er und ich? Das würde sie nie verstehen. Von Drautos und seinem Wahn, wir hätten eine Affäre, ganz zu schweigen. Deprimiert stapfte ich ins Wohnzimmer hinüber und ließ mich nackt, wie die Götter Luche geschaffen hatten, ins Bett fallen. Am nächsten Tag erwachte ich mit einem fiesen Brummschädel. Etwas hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Ich drehte den Kopf herum, doch das Etwas wollte einfach nicht verschwinden. Ich grummelte unter der Bettdecke und rollte mich herum, nur um vollends aus dem Bett zu fallen. „Au! ... S’s aber kalt hier!“ Ich rollte mich auf den Rücken. Und stellte dann verdattert fest, dass ich in meiner eigenen Wohnung war. Wie eine Rakete schoss ich hoch und flitzte zur Eingangstür, an der seit geraumer Zeit jemand die Klingel putzte. Ich riss die Tür auf, nachdem ich einmal durch den Spion gelinst hatte, griff nach Luches Kragen und zog ihn in meine Wohnung. „Und?“, fragte ich ihn entgeistert. „Du Kröte!“, erwiderte er. „Es war nicht abgesprochen, dass du dich nackt ins Bett legst!“ „Und es war nicht abgesprochen, dass du an meine Möpse gehst!“, konterte ich. Er lief rot an. „Ich bin nicht an deine Möpse gegangen!“ „Doch! Meinst du, mir ist nicht aufgefallen, dass du die gestern ausgestopft hast, damit sie größer aussehen?“, warf ich ihm vor. „Huh? Beim Test? Ich hab gar nichts dergleichen, mich nur aufrechter gehalten, als du. Solltest du auch mal probieren, ist gesünder für die Wirbelsäule!“ Wir funkelten uns an. „Arsch!“ „Kröte!“ Luche verschränkte die Arme. „Was redet ihr eigentlich immer über mich, wenn ihr euren Saunaabend macht, huh?“ „Geht dich nichts an!“ Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich leicht. „Habt ihr euch ein schönes Geschenk für Libertus überlegt?“, fragte ich stattdessen. Zu gerne hätte ich gewusst, was gestern Abend in der Sauna besprochen worden war. Vor allem über die Männer. Dass das Thema angeschnitten worden war, hatte mir Luches Reaktion verraten. Aber keine Einzelheiten, die würde er vermutlich auch nicht rausrücken, zumindest nicht, solange ich ihm die Infos liefern würde, die ihn interessierten. Ich hatte also keinen blassen Schimmer, was das Geschenk für Libertus sein würde und ob ich irgendeinen Auftrag deswegen zum Erledigen bekommen hatte. „Arsch! „Kröte!!“ Am liebsten wollte ich ihm an die Gurgel springen, doch bevor es dazu kam, läutete sein Handy. Luche warf einen Blick drauf. „Scheiße, wir müssen los!“, meinte er und schob mich ins Schlafzimmer zurück. „Wieso, wie spät ist es?“, fragte ich, während ich meine Glevenausrüstung zusammensuchte. „Halb neun, beeil dich, Juno!“ „Scheiße! Halb neun? Hast du nicht auf die Uhr geschaut, als du hergekommen bist?“ Noch nie hatte ich die Uniform so schlampig wie heute angezogen. In Windeseile waren wir das Treppenhaus hinunter und zur nächsten Bushaltestelle geflitzt, ehe Luche entschied, dass wir mit Warpen doch schneller zum Glevenhauptquartier kommen würden. Trotzdem waren wir fast eine halbe Stunde zu spät, als wir in den Besprechungsraum kamen, in dem Drautos mit den anderen Prüflingen bereits wartete. Ich zog den Kopf ein und flitzte am Kommandanten vorbei zu meinem Platz zwischen Diane und Lucius, während Luche Aufstellung neben Drautos bezog und anfing, über den Praxistest vom Vortag zu schwadronieren. Drautos‘ hochgezogene Augenbraue entging mir nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)