Mary Sue-Projekt Shuffle von Mary Sue-Projekt (Interne Jubiläumsaktion 2020) ================================================================================ 01 Versprochen -------------- Ich würde ihn schlagen. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht nicht heute, aber wusste Gott, ich würde diesen arroganten, selbstgefälligen, egozentrischen Pisser schlagen und es würde sich gut anfühlen. Um mich zu beruhigen, atmete ich tief durch. Nicht, dass das wirklich half, dafür war ich viel zu wütend. Wäre ich nicht hoffnungslos abhängig davon, dass Gilgamesh entschied, mich a) am Leben zu lassen und mir b) das Buch weiterhin zu überlassen, hätte ich ihm genau dieses schon mehrmals kräftig über den königlichen Schädel gezogen. Ächzend rieb ich mir über die Augen. Womit hatte ich das nur verdient? Erst wurde ich aus meiner Wohnung gesogen und dann auch noch als Heldengeist beschworen, nur um dann zu erfahren, dass hier ein Gralskrieg gigantischen Ausmaßes stattfand. Eine ganze verdammte Stadt war beteiligt. Das bedeutete eine schier unendliche Flut an Gegnern, denn am Ende konnte nur einer den Gral erhalten. Und dieser jemand wollte ich sein. Ich brauchte den Gral, wenn ich hoffen wollte, jemals wieder nach Hause zu kommen - und zwar lebendig! Ein bisschen jedoch blieb die Furcht, dass ich tatsächlich gestorben war und nur deshalb als Servant beschworen hatte werden können. Allerdings machte auch diese Theorie überhaupt keinen Sinn, wenn ich sie zerlegte, denn es erklärte überhaupt nicht, wieso das Zauberbuch, das der eigentliche Servant war, ausgerechnet mich ausgesucht hatte, um es zu benutzen. Wir hatten keine Verbindung zueinander. Das alles erschien mir fast, wie ein ziemlich misslungener Scherz. “Caster, bringst du mich noch ins Bett und erzählst mir eine Geschichte?”, riss mich Elisabeth, mein kleiner Master, aus den finsteren Gedanken, in denen ich mir ausmalte, wie ich Gilgamesh anschrie. “Natürlich. Ich bin gleich bei dir. Putz dir schonmal die Zähne”, wies ich sie an und Eli nickte eilig. Schmunzelnd sah ich ihr nach. Sie mochte zwar den Regeln des Gralskrieges nach mein Master sein, aber eigentlich gab ich den Ton an, was zweifellos nicht zuletzt daran lag, dass Elisabeth erst 13 Jahre alt war und in mir eine Mutterfigur sah. Ein Umstand, der mir zugute kam. Einige meiner Entscheidungen hinterfragte Elisabeth gar nicht erst und auch wenn sie manchmal ihren eigenen Kopf durchsetzen musste, war sie im Grunde ein liebes und sehr artiges Mädchen. Blöd nur, dass sie auch leicht beeinflussbar war wie die meisten Jugendlichen in ihrem Alter. Gilgamesh hatte schon bei seinem ersten Besuch hier großen Eindruck auf sie gemacht und jetzt hielt Elisabeth ihn nicht nur für einen König - zugegeben, er war ja einer - sondern glaubte obendrein - und das war das viel größere Problem - er wäre zu Lebzeiten in mich verliebt gewesen. Gilgamesh und ich wussten das beide besser, aber anstatt ihr das auszureden, hatte der König der Helden nur leise gelacht. Nicht hilfreich! Allerdings galt das bisher für fast alles, was von King Bling gekommen war. Warum er dauernd uneingeladen bei uns herumhing, war mir sowieso schleierhaft. Hatte er nichts Besseres mit seiner Zeit zu tun? Offenbar nicht, denn kaum, dass ich Elisabeths Schlafzimmer verließ, konnte ich schon diese absolut grauenerregend hässliche Schlangenmusterhose sehen. König oder nicht, Gilgameshs Modegeschmack war so grässlich, dass Enkidu deswegen im Grab rotieren müsste. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal und wandte mich, anstatt dem Wohnzimmer der Küche zu, um eine Karaffe zu holen. Das war schon fast Routine. Gilgamesh tauchte auf, ließ sich von mir Wein zaubern und soff die Kanne dann im Laufe weniger Stunden alleine leer, ehe er sich wieder vom Acker machte. Wenn er dabei wenigstens mal so hackedicht wäre, dass etwas Lustiges dabei herumkäme, aber nein. Meistens philosophierte er nur vor sich hin, fragte gelegentlich nach meiner Meinung oder machte Witze auf meine Kosten. Müsste ich wetten, dann hörte er sich einfach nur gerne reden und stand darauf, sich bedienen zu lassen. Vorgestern hatte er auch kackedreist von den Muffins, die ich für Eli und mich gebacken hatte, genascht ohne zu fragen und sich dann darüber beklagt, dass sie nicht gut genug für ihn wären. Arsch, die waren ja auch nicht für dich! So schlecht konnten sie auch gar nicht gewesen sein, sonst hätte er nicht gleich drei davon verputzt. Wen glaubte er hier verarschen zu können? Mein einziges Problem war der König der Helden jedoch nicht. Abgesehen von Tristan, mit dem ich zwar offiziell verbündet war, aber der mich womöglich noch weniger leiden konnte als ich ihn, gab es da noch einen gewissen blauhaarigen Iren, der auch glaubte, dass es cool wäre, uneingeladen auf unserem Sofa aufzutauchen. Sein Angebot eines Bündnisses mochte dafür anfangs der Grund gewesen sein, doch inzwischen war ich fest überzeugt, dass er nur noch herkam, um mich zu mobben. Nachdem ich durchsickern lassen hatte, dass ich gerne etwas über Magie von ihm lernen wollte, hatte es sich Cú Chulainn nicht nehmen lassen, bei jeder Gelegenheit ein bisschen mit kleinen Zauberstückchen anzugeben. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich mich jedes Mal davon ablenken ließ und dann nicht mitbekam, wie er mir auf die Pelle rückte. Dass er seine Finger nicht bei sich behalten konnte, hatte ich ziemlich schnell lernen müssen. Cú Chulainn war ein wandelnder Flirt. “Ngh…” Endlich Ruhe. Gilgamesh hatte mich ganze vier Stunden damit vollgeblubbert, was für ein hervorragender König er gewesen war. Dass es sein Caster-Ich war, den er da lobte, hatte ich mir nur schwer verkneifen können. Wie konnte jemand nur so von sich überzeugt sein? Bäuchlings lag auf ich auf dem Sofa, das Gesicht halb in einem Kissen vergraben, und zog ernsthaft in Erwägung auszutesten, ob ich als Servant nicht vielleicht doch von Schlaf profitierte. Erschöpft pustete ich gegen ein loses Haar, das meine Nase kitzelte. Eigentlich wollte ich die Nacht nutzen, um ein bisschen in meinem Buch zu blättern, in der Hoffnung, darin noch einmal Hinweise auf irgendetwas zu finden, das mir helfen könnte, in dieser Welt als Servant zu überleben. Angesichts des Vorsprungs, den jeder andere Servant hatte, der seine Fähigkeiten kannte und womöglich zu Lebzeiten ein Krieger gewesen war, durfte ich es mir eigentlich nicht erlauben, wertvolle Zeit zu vergeuden. Also setzte ich mich auf und zog das Buch auf meine Knie. Dann wollten wir mal. Vermutlich würde ich zwar wieder nur auf leere Seiten starren, so wie die meisten Nächte, aber manchmal offenbarte mir das Buch kleine Hinweise. Einen winzigen Zauber oder einen Blick auf Dinge, die gerade anderswo geschahen. Zettel und Stift, um schnell mitzuschreiben, hatte ich sowieso längst bereitliegen. Behutsam schlug ich die erste Seite auf. Sie war leer. Ein weißes Blatt. Einen Versuch, meinerseits hineinzuschreiben, startete ich schon gar nicht mehr. Das hatte ich schon nach meinem ersten Gespräch mit Cú Chulainn getestet und dabei herausgefunden, dass kein Stift auf diesen Seiten schrieb. Also blätterte ich weiter. Und weiter und weiter. Eine Seite nach der nächsten und jede einzelne war leer. Wie von selbst bewegten sich meine Finger schneller. Nichts, war ja klar. Ich war drauf und dran, das Buch einfach zuzuschlagen, als mir das Buch doch noch etwas offenbarte. Mein Herz machte einen Satz, während ich die in ordentlicher Schrift aufgezeichnete Zahlenfolge musterte. Was war das denn? Zwölf Ziffern standen auf der Seite, ganz ohne jede Erklärung oder einen Tipp, was sie bedeuteten oder wofür man sie benutzen könnte. Missmutig starrte ich die Zahlen an, als würde mir das irgendwie helfen, ihr Geheimnis zu entziffern. Himmel, das könnte einfach alles sein! Eine Chiffre, die Nummer eines Bankfaches, eines Kontos oder eine Telefonnummer. Soweit es mich anging, könnte das sogar ebensogut irgendeine berühmte Zahl aus einer Goldbachschen Vermutung sein. Ganz toll. Seufzend schrieb ich die Zahlenfolge aber trotzdem ab, nur für den Fall. Dann schlug ich das Buch zu. Da ich sowieso nichts besseres zu tun hatte, könnte ich auch versuchen, dieses Rätsel zu knacken. Mein Magielehrer Cú Chulainn war nicht hier, Gilgamesh hatte sich verkrümelt und hielt mich auch nicht beschäftigt, Elisabeth schlief tief und fest. Draußen stand der Mond hoch am Himmel, verbarg sich jedoch heute hinter dichten Wolken. Die perfekte Zeit, um irgendetwas sinnbefreites zu tun. Ich schnappte mir Elis Tablet und rief die Internetsuche auf. Vielleicht könnte ich herausfinden, ob es sich bei den Ziffern um eine Bankleitzahl handelte oder vielleicht eine IBAN. Tat sie nicht. Klar, wäre ja auch zu einfach gewesen, hätte das magische Buch entschieden, mich spontan mit Reichtum zu segnen. Wobei ein Konto, das in etwa so alt war wie mein Zauberbuch, angesichts der Zinsen heutzutage wohl eh leer gewesen wäre, weil die Kontoführungsgebühren ein Vermögen gekostet hätten. Eine Chiffre konnte ich ebenfalls schnell ausschließen. Die hatten alle noch Buchstaben in ihrer Zeichenfolgen. Generell sagte mein Bauchgefühl mir, dass das eine Telefonnummer sein müsste. Also griff ich schließlich, anstatt weiter ziellos Google mit dummen Fragen wie “Wofür steht eine Zahlenfolge mit 12 Ziffern?” zu belästigen, nach dem Telefon und tippte die Nummer einfach mal ein. Was sollte schon Schlimmes passieren? Schlimmstenfalls rief ich damit The King of Bling oder den Master of Dick-Magic an. In beiden Fällen hätte mich das Zauberbuch zwar kräftig getrollt, aber wenigstens keinen größeren Schaden angerichtet und was hatte ich schon zu verlieren? Nichts. Obwohl ich mir dies immer wieder im Geiste sagte, war ich doch nervös, als das vertraute Tuten an mein Ohr drang. Damit war schonmal klar, dass die Telefonnummer existierte. Eigentlich war ich ein Idiot. Ich hätte wenigstens versuchen können, vorher herauszufinden, wem die Telefonnummer gehörte. Wer weiß? Vielleicht rief ich ja jetzt beim Kundenservice eines Beate Uhse-Shops oder der Telekom an. In letzterem Fall hinge ich garantiert für die nächste halbe Stunde in der Warteschlange. Es knackte. “Hallo?”, ertönte eine Stimme, die mir vertraut war. Sehr sogar. Doch nicht aus diesem Leben, sondern aus meinem richtigen Leben, aus dem als Mensch, als Lebende! Aus dem Leben, das ich geführt hatte, ehe ich unvermittelt hierher befördert worden war, um dem magischen Buch als Nutzerin beizustehen. Mein Hals fühlte sich an wie zugeschnürt. Durfte ich das wirklich hoffen? Irrte ich mich auch nicht? Vielleicht hoffte ich auch einfach nur, dass… “Hallo?”, erklang es noch einmal, dieses Mal etwas gereizt. “Blaze?”, antwortete ich ungläubig. Tränen bildeten sich in meinen Augen. “Blaze, bist du das?” “Daelis?” “Ja! Ja, ich bins! Blaze, du ahnst nicht, wie glücklich ich bin, dich zu hören. Alleshieristabsolutirreundichweißüberhauptnichtwasichüberhaupthiertue!”, sprudelte es so hastig aus mir heraus, dass ich dabei mehrmals über meine eigenen Worte stolperte. Kein Wunder, dass Blaze mich nicht verstanden hatte. “Was? Was ist denn überhaupt los? Ich hab seit Wochen keinen Ton von dir gehört! Was zum Fick?!” Am liebsten hätte ich mich einfach hingekauert und geheult. Wie die Zeit verflogen war, hatte ich fast nicht mitbekommen, so sehr stand ich unter Strom seit ich ein Servant geworden war und auf Elisabeth aufpasste. Ihr Umfeld war so verrückt und potentiell gefährlich, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich schon seit fast einem Monat hier war. Eine kleine Ewigkeit! “Daelis?” “Ja. Ja, ich bin noch da”, schniefte ich leise zurück. Auch wenn Blaze nicht sofort etwas sagte, konnte ich ihre Verwirrung förmlich in der Stille hören. “Es… es ist was wirklich absolut Irres passiert”, erklärte ich halb erstickt, wobei ich den Zettel mit ihrer Telefonnummer immer wieder in der freien Hand drehte. “Weinst du? Was ist denn los?” Jetzt sorgte sie sich definitiv. Ich schniefte noch einmal und rieb mir über die Augen und die Nase. “Das ist ne wirklich sehr, sehr lange Geschichte. Ich wollte mich melden, wirklich, aber… Blaze?” In der Leitung hatte es verdächtig geknackt. “Blaze?” Noch einmal knackte es. Ich konnte hören, dass sie etwas sagte, doch es kam so verzerrt bei mir an, dass ich kein Wort verstand. “Blaze?” “Ja? Hörst du mich?” “Ja”, atmete ich erleichtert auf. “Scheint, als wäre die Verbindung instabil.” Das hieß dann wohl, mir blieb nicht viel Zeit. “Also kurz und knapp: Ich bin in einer Art Fate-Welt mit einer Magierstadt, in der alle Magier Master sind”, überrannte ich die arme Blaze einfach und verwirrte sie damit prompt nur noch mehr. “Du bist was? Wo steckst du? Du guckst eine neue Fate-Serie?”, hakte sie irritiert nach. “Nicht ganz.” Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen. “Blaze, ich bin in Fate. Irgendwie zumindest. In dieser Stadt gibts hunderte von Mastern und überall laufen Servants herum”, versuchte ich etwas besser zu erklären, wo ich mich befand. “Du willst mich verarschen.” “Das ist mein voller Ernst. Ich weiß aber nicht, wie ich hergekommen bin. Und ich bin ein Servant. Also irgendwie zumindest. Ist ne lange Geschichte”, winkte ich das Thema durch. Dass ich hier nur eine Art Hilfsmittel für ein Buch war, das der eigentliche Caster-Servant war, wollte ich nur ungerne ausführen. Eine Sekunden blieb es still. “Du verarschst mich doch”, war dann zu vernehmen. Übel nehmen konnte ich Blaze die Reaktion wohl nicht. Auch wenn es die Wahrheit war, klang es doch ziemlich irre. “Nope”, antwortete ich also platt. “Das ist mein voller Ernst. Ich stecke hier als Servant eines kleinen Mädchens fest.” Wieder war es einige Sekunden still. “Blaze?”, wagte ich dann leise nachzuhaken, als mir die Stille unangenehm wurde. “Daelis… Deine Nummer wird auf meinem Display ganz seltsam dargestellt. Dabei ist das Caster-Symbol aus Fate”, entgegnete sie schließlich und klang ähnlich erschrocken wie ich mich gefühlt hatte, als ich hier angekommen war. “Scheiße, was ist dir passiert?” Ich wünschte, ich hätte darauf eine plausible Antwort. “Das ist völlig irre”, fasste Blaze ziemlich gut zusammen, in was ich hier geschliddert war, nachdem ich nochmal versucht hatte, alles grob zusammenzufassen. Dabei hatte ich wild herumgestikuliert und für jeden, der einen Blick durch das Fenster in das dunkle Wohnzimmer geworfen hätte, einen ziemlich bekloppten Anblick geboten. “Japp. Volle Kanne.” “Und? Welche Servants hast du schon getroffen?”, wollte sie nun hörbar aufgeregt wissen, jetzt, da klar war, dass ich immerhin gesund war, soweit es denn gesund war, ein Geist zu sein jedenfalls. “Ein paar. Sherlock Holmes und Charlemagne sind zum Beispiel Ruler in diesem Gralskrieg”, berichtete ich betont langsam und kicherte. “Und einen gewissen blauhaarigen Iren habe ich zuuufällig auch getroffen”, fügte ich hinzu, wohl wissend, was das bei meiner Freundin auslösen würde. Wenn es da draußen irgendeinen Fan von Cú Chulainn gab, dann sie. “Welchen?! Alle?! Mach unbedingt Fotos! Ist er genauso heiß wie auf Bildern?!”, prasselten mir die Fragen entgegen, mit denen ich eigentlich hätte rechnen müssen. Der Trübsinn, der mich vorhin noch erfasst gehabt hatte, war jetzt wie weggeblasen. Es tat einfach gut, nach all der Zeit mit ihr reden zu können. Allerdings rief es mir auch in Erinnerung, wie sehr ich sie vermisste. Sie und all meine Freunde, meine Familie, all die Menschen, die Teil meines Lebens gewesen waren. Ich hoffte nur, sie gaben mich nicht schon auf, weil ich verschwunden war. “Caster. Ich hab Caster getroffen und er ist… eh… groß und sieht aus wie… naja, wie Cú?” Mental schlug ich mir vor die Stirn für diese absolut sinnbefreite Beschreibung. “Er sieht aus wie auf den Bildern, ja”, korrigierte ich meine Antwort. Welche Reaktion das auslöste, konnte ich mir gut ausmalen. Auch wenn es am anderen Ende der Leitung einen Moment lang still blieb, sah ich Blaze doch vor meinem inneren Auge, wie sie gerade völlig durchdrehte und, ganz das Fangirl, vor Glück über den Boden rollte. Wäre es andersherum und sie hier an meiner Stelle, würde ich das nämlich ziemlich wahrscheinlich tun und zwar schamlos. Live, echt und in Farbe war das alles hier jedoch irgendwie nicht mehr so geil. Nicht, wenn das eigene Leben dabei auf dem Spiel stand und man leider sehr genau wusste, wie fähig die Leute um einen herum waren, wenn es darum ging, ihre Feinde auszumerzen, zu denen man selbst blöderweise auch zählte. “Falls er heute Nacht aufläuft, gebe ich gerne das Telefon an ihn - Blaze? Blaze, hörst du mich noch?” Wieder hatte es verräterisch in der Leitung geknackt. “Blaze?” “... Uck...hin… auf… lis?” Knacken. Dann war die Leitung tot. “Scheiße”, schimpfte ich leise und glättete eilig den Zettel mit Blaze’ Telefonnummer. Hoffentlich hatte sie noch Netz. Oder ich. Wir. Wie auch immer das hier genau funktionierte. Ich war so aufgeregt, dass ich mich prompt vertippte und die ganze Nummer noch einmal eintippen musste. Als ich das Telefon jedoch an mein Ohr drückte, ertönte kein Freizeichen. “Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vorhanden. The number you called...” Ich legte auf und tippte die Nummer noch einmal ein, dieses Mal extra aufmerksam, damit mir kein Fehler unterlief. “Die von Ihnen gewählte Rufnummer…” Ernüchtert legte ich wieder auf. Was auch immer uns beiden erlaubt hatte, zu telefonieren, funktionierte nicht mehr und ich wusste nicht einmal, was es gewesen war oder wie ich es wiederholen könnte. Nach allem, was ich bisher wusste, könnte das das letzte Mal gewesen sein, dass ich mit Blaze oder überhaupt jemandem von Zuhause gesprochen hatte. “Scheiße”, wisperte ich leise, da rollten auch schon Tränen über mein Gesicht. “Meinst du das ernst?” Cú Chulainns Gesicht war für meinen Geschmack viel zu nah an meinem. “Ja”, gab ich gepresst zurück, unwillig, meine Bitte zu wiederholen. Schlimm genug, dass er wieder uneingeladen mitten in der Nacht hier aufgelaufen war. Da musste er nicht auch noch wie so ein wandelnder Glückskeks vor sich hin grinsen. “Frag mich nochmal”, forderte der Ire mich eindeutig zu gut gelaunt auf. Am liebsten hätte ich ihn gepackt, geschüttelt und durch den Raum geworfen. Nichts, dass Blaze guthieße, um deretwillen ich meine Bitte ja überhaupt erst formuliert hatte. “Ich würde gerne ein paar Fotos von dir machen. Es wäre wirklich nett”, betonte ich steif, “wenn du dich einverstanden erklären würdest.” Wie gerne würde ich jetzt einfach im Boden versinken. Cú Chulainn grinste nur noch breiter als sowieso schon. “Ich meine mich zu erinnern, dass da ein kleines Wort fehlt.” Gott, ich wollte ihn so gerne… Nein. Nein, tief durchatmen. Tu es für Blaze, die dich auf offener Flamme grillt, wenn du Cú etwas tust oder keine Fotos mitbringst, sagte ich mir im Stillen wie ein Mantra. “Also, was ist nun? Kriege ich die Fotos?”, fragte ich also, anstatt auf seine Bemerkung einzugehen. Die Wahrheit, wieso ich die Fotos wollte, hatte ich gar nicht erst versucht, ihm zu verkaufen. Zum einen hätte ich dann eine Menge erklären müssen, das ich nicht richtig erklären konnte, und zum anderen hätte er das vielleicht eh als Ausrede abgetan. Also konnte ich mir die Mühe auch gleich sparen und einfach zusehen, dass ich an die Fotos kam. Was man nicht alles für eine liebe Freundin tat. “Okay, ich hole die Kamera. Lauf nicht weg”, wies ich den Blauhaarigen an, der so zufrieden schmunzelte, dass ich eigentlich eher Angst hatte, dass er hier einzog, als dass er sich vom Acker machte. Mit dem, was mich jedoch erwartete, als ich mit der Kamera wieder aus Elisabeths Zimmer - mein kleiner Master schlief um diese Zeit nämlich tief und fest - zurück ins Wohnzimmer schlich, hatte ich nicht gerechnet. Cú hatte es sich nicht, wie ich fast erwartet hatte, auf dem Sofa bequem gemacht und sich an den Keksen bedient, sondern stand stattdessen noch mitten im Raum, allerdings halbnackt und spielerisch in Pose geworfen. “Gut so?” Am liebsten hätte ich ihm die Kamera direkt ins Gesicht gepfeffert. Ich musste wirklich aufpassen, dass sich meine Finger nicht um die Kamera verkrampften, als ich sie hüstelnd hob. “Einmal recht freundlich”, versuchte ich, die Situation mit Galgenhumor zu nehmen und einfach schnell ein Foto zu machen, um mein Gewissen zu beruhigen. Der Blitz erhellte kurz den Raum, dann ließ ich die Kamera wieder sinken. “Perfe- WAS ZUR HÖLLE?!” Vor lauter Schreck über den Anblick, der sich mir jetzt bot, ließ ich die Kamera einfach fallen, um mir die Hände vor die Augen zu schlagen. Zwar konnte ich Cú nicht mehr sehen, aber sehr wohl lachen hören. “Sei doch nicht so, Süße. Du wolltest doch ein ‘sexy Foto’ haben. Du kannst so viele machen, wie du willst”, feixte er entspannt. Mein Gesicht brannte förmlich unter meinen Fingern. Hatte dieser hinterlistige Mistkerl doch einfach in genau dem Moment, in dem ich das Foto machte, dem Exhibitionisten in sich freien Lauf gelassen. Er stand einfach so, splitterfasernackt, im Raum und störte sich daran offenkundig nicht im geringsten. “Zieh dich sofort wieder an!”, keifte ich, die Hände noch immer fest vor den Augen. Gott, dieser Anblick hatte sich garantiert in meine Netzhäute gebrannt! Warum nur?! Hoffentlich hatte die Kamera das überlebt, dann konnte ich den Abzug für Blaze einstecken und mich aktiv der Verdrängung widmen. Wenn ich eines nicht wollte, dann wahlweise meinem Master oder Gilgamesh erklären müssen, warum ich ein Nacktfoto von Cú Chulainn besaß, oder zeitnah intensive Gespräche mit Blaze darüber führen, dass der 32cm-Witz nicht so fern der Realität war und das eben doch an Körperverletzung grenzte. “Was denn? Gefällt dir etwa nicht, was du siehst?”, konnte ich Cús Flüstern unvermittelt an meinem Ohr hören. Was hatte ich mir da nur eingebrockt? 02 Eiscreme ----------- Ein strenger Geruch stieg mir in die Nase, als ich den schaurigen kleinen Laden betrat. Wie der Duft nach faulen Eiern und verrottetem Kohl. Ich rümpfte die Nase, während die Tür hinter mir zufiel. Doch trotz dem unverkennbarem Aroma der kleinen Apotheke, fühlte ich mich doch hingezogen zu den ganzen interessanten Dingen, die hier auslagen und vermutlich den Gestank verbreiteten. Ich schlang die Arme um mich, denn obwohl wir Sommer hatten war es hier drinne erstaunlich frisch, während ich langsam an den Regalen lang ging. Sie waren vollgestellt mit Gläsern die mit verschiedensten Zutaten befüllt waren. Neugierig studierte ich die Zettelchen die dabei standen: Wermut, Salbei und Baldrian kannte ich. Genauso wie Anis und viele der anderen Kräuter, die in dem Regal vor mir gelagert wurden. Als ich das nächste Regal erreichte wurde es dann schon exotischer. Hier waren verschiedene magische Pflanzen und Wurzeln ausgestellt. Wie Schlafbohnen und eine Pflanze namens Snargaluff oder die Wurzeln von Ingwer und Affodill.  Das dritte und letzte Regal war für alle tierischen Produkte reserviert. Neben gemahlenen Hörnern vom Einhorn, Insekten wie Florfliegen und Giften, gab es hier vor allem Innereien von Ratte, Fledermaus und Co. In der Ecke standen große Fässer, gefüllt mit verschiedenen Flüssigkeiten, wie Flubberwurmschleim. Hier war der Geruch mit Abstand am intensivsten, sodas ich doch keinen genauen Blick auf die Aaalaugen werfen wollte und zügig zum Tresen ging. „Hallo. Ich brauche Trankzutaten für Hogwarts bitte“ sprach ich den Herrn an. Er war alt und faltig, hatte aber ein freundliches Gesicht und lächelte mir zu. „Hogwarts also meine Liebe. Vermutlich für das erste Schuljahr“ krächzte er und holte eine Tüte aus Papier hervor. Zusammen mit kleinen Säckchen unterschiedlicher Beschaffenheit, huschte er durch die Regale. Routiniert arbeitete er sich systematisch vor, während ein  Junge sich hinter mir einreihte. Ich erinnerte mich, er musste den Laden betreten haben, als ich bei dem letzten Regal gewesen war. Das Läuten der Tür hatte ihn angekündigt. Neugierig musterte ich ihn. Er hatte ungepflegte kinnlange Haare und seine Augen waren genauso pechschwarz wie seine Frisur. Dazu trug er einen schlichten, abgetragenen Zauberumhang, der ihm mindestens zwei Nummern zu groß war, so das man seine Füße nicht sehen konnte. Durch seine fahle Haut wirkte er wie aus einem schwarz-weiß Film entsprungen. Natürlich merkte er meinen Blick, trotzdem verzog er keine Miene. Lediglich das zucken seiner Augen verriet mir, das auch er neugierig war. „Hi. Ich bin Jasmin“ versuchte ich es freundlich und schaute zu ihm auf. Sein Mundwinkel zuckte, während er sich schüchtern zu mir drehte. Ich reichte ihm meine Hand entgegen. Zögerlich löste er einen seiner Hände von der Tüte, die er umklammert hielt, und stellte sich vor. „Ich bin Severus… Hi.“ Seine Stimme war fest und ungewohnt freundlich. Mir war ganz mulmig zu mute und das hatte zwei Gründe. Zum einen traf ich grade meinen Lieblingscharakter, live und in Farbe. Er stand direkt vor mir und wir schüttelten Hände mitten zwischen allerlei Tränkezutaten. Es hatte – auf eine verschrobene Art und Weise – ja fast was romantisches ala Snape Stil. Also so gar nicht, denn ich fühlte mich ziemlich unwohl in meiner Haut. Vor allem aber weil es mir unendlich peinlich war das ich ihn nicht erkannt hatte. Zwar hatte ich bei seinem Anblick an ihn denken müssen, hatte aber meine Chancen geschwindend gering eingeschätzt hier wirklich auf Severus zu treffen. Zumal er als Teenager ein völlig anderer Mensch zu sein schien. Obwohl er keine glückliche Kindheit hatte war da trotzdem noch etwas, was sein erwachsenes Selbst verloren hatte. Unterbewusst war mir klar was es war. Die Freude am Leben. Auch wenn diese Lebensfreude vermutlich allein auf Lilys Existenz aufbaute. Das war zumindest mein Eindruck und zugleich war es der andere Grund, warum mir plötzlich ganz flau im Magen war. „Freut mich dich kennen zu lernen“ erwiderte ich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Was mir nur semi gut gelang. Severus hatte es bemerkt und schnell wieder seine Tüte umklammert. Trotzdem schienen ihn meine Worte zu schmeicheln, scheinbar wollte schon als Teenager niemand was mit ihm zu tun haben. Eifrig versuchte ich mich zu erklären und log dabei das Blaue vom Himmel „du erinnerst mich an jemand, den ich mag. Weißt du.“ Und mir wurde bewusst das es tatsächlich die Halbewahrheit war. So irgendwie wenn man beide Augen zudrückte.  Betretenes Schweigen herrschte zwischen uns und der Apotheker war schließlich der der es brach. „Bitteschön. Damit solltest du durch das erste Jahr ohne Probleme kommen. Das macht dann dreizehn Galleonen und achtzehn Sickel bitte“ und ich reichte ihm das Geld. „Wir sehen uns dann also in Hogwarts“ wandte ich mich an Severus, der mittlerweile an den Tresen getreten war. Er nickte „ja bis dann. Vielleicht kommst du ja auch nach Slytherin. Würde mich freuen.“ Ich hob die Hand zum Gruß, dann verschwand ich. Leise fiel die Tür ins Schloss, während ich mich von der Sonne wärmen lies und darüber nach dachte, was darin passiert war. Am liebsten hätte ich mich dafür schlagen können. So hatte ich das alles nicht geplant. Warum muss sowas immer mir passieren? Jetzt im Nachhinein merkte ich erst wie peinlich das Ganze war und am liebsten wäre ich im Boden versunken. Die Tür hinter mir bimmelte erneut und Severus trat ebenfalls heraus. Er lächelte „bis dann.“ „Warte!“ ohne nach zudenken hielt ich ihn zurück und hatte meine Hand ausgestreckt, die ich nun zu einer Faust schloss. Langsam und etwas unangenehm berührt nahm ich die Hand wieder herunter. „Magst du vielleicht mit mir ein Eis essen gehen?“ stammelte ich, während ich erst seinem Blick auswich um dann doch meinen Mut zusammen zu nehmen und ihn anzuschauen. Er wirkte überrascht. Seine Augen waren etwas geweitet und er musterte mich, dann nickte er aber zustimmen. „Sehr gern“ und gemeinsam schlenderten wir zur Eisdiele. Einen Großteil des Weges waren wir still, doch nach einer Weile kamen wir langsam ins Gespräch. Anfänglich stockte es noch was, da es vor allem ihm schwer fiel sich zu unterhalten. Daher war er ganz dankbar, dass ich den aktiveren Part übernahm. „ Sind deine Eltern eigentlich Zauberer oder Muggel?“ fragte ich schließlich, als ich grade mein Eis nahm. Ich hatte mich für Schokolade und Straciatella entschieden. Auch Severus nahm seins und leckte nun an seiner Haselnuss Kugel, während er überlegte was er sagen wollte. „Meine Mom ist eine Hexe. Sie war auch auf Hogwarts, weist du. Und mein Dad…“ seine Mine verfinsterte sich und er hielt kurz inne „mein Dad ist ein Muggle.“ Dabei wandte er den Blick ab und schien sich ziemlich zu schämen. Obwohl ich durchaus ein bisschen was über seine Vergangenheit wusste, musste ich gestehen das ich keine Ahnung hatte wie er zu seinem Leben stand. Lediglich das er seinen Vater nicht leiden konnte. Doch ob es daher kam das er seine Familie schlecht behandelte oder aber weil er eben ein Muggle war. Vorsichtig fragte ich nach. „Du magst deinen Vater nicht besonders. Oder? Ist es weil er ein Muggle ist?“ Mittlerweile hatten wir uns auf eine Stufe gesetz, doch Severus war bei der Frage fast wieder aufgesprungen. Heftig schüttelte er den Kopf. „Nein. Nein es ist nur so…“ er schwieg und betrachtete seine Füße. „Schon ok. Wenn du nicht drüber reden willst…“ gab ich was enttäuscht von mir. Ich war nicht enttäuscht weil Severus nicht reden wollte, viel eher ärgerte ich mich das ich mal wieder so neugierig gewesen war. Das war wirklich eine schlechte Angewohnheit. Allerdings schien es diesmal doch tatsächlich was gutes zu haben denn nun überraschte mich Severus doch tatsächlich. „Nein. Ich… Es ist so… Weißt du… Normalerweise interessiert sich niemand für mich“ und er leckte kurz an seinem Eis ehe er hinterher schob: „Warum bist du eigentlich so nett zu mir?“ Plötzlich war ich unglaublich beschäftigt damit mein Eis zu essen. Das er darauf zu sprechen kam hätte ich eigentlich erahnen können. Das Witzige, ich wusste es selber nicht so genau. Das er ein unglaublich interessanter Charakter aus dem Fandom war, war zweifelsohne ein Grund warum ich an ihm gefallen gefunden hatte. Doch der eigentlich Grund war ein anderer. Der eigentliche Grund rührte von wo anders her, denn ich war schon immer das Bedürfnis gehabt den Schwächeren zu helfen. So war es kein Wunder das ich mich ihm angenommen hatte. Innerlich betete ich dafür das er nie erfuhr das mein großer Motivator tatsächlich Mitleid gewesen war. Ich war mir sicher das ich diesen Moment lieber nicht erleben wollte. „Keine Ahnung…. Vielleicht weil du meine Neugierde geweckt hast. Ich mag verschlossene Menschen wie dich. Denke ich“ antwortete ich eine Weile später. „Außerdem bist du ein Zauberer und der ganze magische Kram ist alles so neu und aufregend. Ich fühle mich einfach wohler wenn ich schon jemand kenne der sich schon was besser auskennt.“ Beschämt sah ich zu Boden. Mir war das peinlich das mich solche abstrusen Dinge antrieben oder zumindest ich ihm nur diesen Grund nennen konnte. Ich mein, was würde er sagen wenn ich ihm die Wahrheit erzählte. Hi ich bin Jasmin und komme aus einem anderen Universum. Hogwarts und all das existierten dort als Fantasy Buchreihe und du bist mein Lieblingscharakter. Wie du trotzallem was du durch gemacht hast so… so… so… unglaublich geworden bist. Wirklich bewundernswert. So ein „Was dich nicht umbringt macht dich Stärker“ Typ. Wirklich cool und dann deine düstere, geradezu bedrohliche Ausstrahlung. Auf eine ungewöhnliche Art und Weise sexy… Ich zwang mich nicht den Kopf zu schütteln um diese abstrusen Gedanken los zu werden. Manchmal hasste ich es wenn mein Hirn sich selbstständig machte. Doch noch bevor ich weiter darüber grübeln konnte lenkte Severus meine Aufmerksamkeit auf sich, denn er lachte. Es war ein spöttisches Lachen, leise und so schnell wieder vorbei, das man denken konnte er hätte sich einfach nur verschluckt. Doch seine hochgezogenen Mundwinkel verrieten das es ihn noch immer amüsierte. „Dann hast du dir mit mir wirklich den falschen ausgesucht. Meine Mom hat sich nie getraut meinem Dad zu sagen das wir Magier sind, ich bin wie du in einem Mugglehaushalt groß geworden…“ Ich unterbrach ihn bevor er sich noch weiter schlecht machen konnte „aber ich mag dich und zwar so wie du bist! Mir ist es egal ob du aufgewachsen bist wie ein Mugglejunge oder wie gut du zaubern kannst“ denn er war immer noch besser als ich. Wieder wurde ich ganz plötzlich Mucksmäuschen Still und schaute peinlich berührt zu Boden. Ein paar vorbei laufende Menschen hatten sich zu uns umgedreht, da ich doch was lauter geworden war. Wir schwiegen und dann, ich hatte weder nach gedacht noch hatte ich mich bewusst dazu entschieden, passierte es. Ich hatte ihn geküsste. Kurz, aber trotzdem nicht so bedeutungslos wie es Kinder normal tun würden. Immerhin war ich nicht wirklich ein Kind. Von meinen Erfahrungen und meiner Reife her war ich weiter. Bevor einer von uns auch nur reagieren konnte war es schon wieder vorbei. Unüberlegt und irgendwie als eine Art Übersprunghandlung tat ich es. Mir war das schon mal passiert. Damals war ich in einem ähnlichen Alter, nur passierte es damals in der Schule und der Junge hatte danach geheult. Doch Severus heulte nicht. Dafür war er auch gar nicht der Typ. Allerdings hätte ich damit gerechnet das er aufsprang und mich sitzen ließ. Aber auch das tat er nicht. Vermutlich weil er viel zu überfordert damit war. Ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen schaute er mich an und ich hörte ihn schlucken. Dann blinzelte er, stammelte wirres Zeug und verstummte als ich meine Stimme wieder gefunden hatte. „Es tut mir leid, oh mein Gott das wollte ich nicht. Nein so ist das nicht gemeint. Ich meine ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen…“ abermals verstummte ich. Wir Beide schauten nun schweigend auf unsere Hände und bearbeiteten unsere Fingernägel, während meine Gedanken wirr umher schwirrten. Warum?! Warum?! Jasmin du bist so unglaublich dämlich so doof wie du kann man ja wirklich nicht sein! Oh mein Gott! Ich hab wirklich ein Déjà-vu! Von meinem mit Abstand peinlichsten Erlebnis das ich bis jetzt sehr erfolgreich verdrängt hatte. Tja, das würde ich vermutlich nun nie wieder vergessen, resignierte ich deprimiert mit dem Wissen, das Severus mir das vermutlich ebenfalls nie vergessen würde. Mit einem Schaudern dachte ich darüber nach, wie ich als Erwachsene  Severus eines Tages wieder traf und er mich nur böse grinsend anschaute. Ich zog den Kopf ein und versank in weiteren Grübeleien. Eine Vorstellung schlimmer als die Andere. Erst Severus Stimme riss mich aus meinem Mentalen Gefängnis. „Lass es uns vielleicht einfach vergessen und nie wieder drüber sprechen. Okay?“ Und ich nickte eifrig. Eine bessere Lösung hätte ich mir nicht erträumen können und doch wünschte ich das es erst gar nicht passiert wäre. Denn Severus stand nun auf, auch er wollte scheinbar erstmal Abstand und eine Freundschaft konnte ich mir wohl jetzt erst recht abschminken. Doch der Junge überraschte mich abermals. „Wir sehen uns dann in Hogwarts…“ er wandte den Blick ab „… und wenn du magst kann ich dir dann das ein oder andere Beibringen.“ Mehr als ein Nicken und ein stockendes „Danke… Bis dann“ bekam ich nicht über die Lippen. Doch das war okay für Severus, denn er verschwand in der Menge ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich schaute ihm noch lange nach, ehe auch ich aufstand und zurück zu meiner Mutter ging, die im Tropfenden Kessel saß und vermutlich krank vor Sorge war. 03 Was ich dir schon immer sagen wollte --------------------------------------- “Ein Wettkampf unter den Klassen?” Unisono erklangen die Stimmen als Aizawa und All Might verkündete, was Direktor Nezu entschieden hatte. “Richtig. Ihr solltet mehr mit der anderen Klasse unternehmen und euch so auch auf spontane und unbekannte Fähigkeiten einstellen können. Es wird ein Turnier geben Klasse A gegen Klasse B und nur eine Klasse wird siegreich hervorgehen.” Während All Might das alles erklärte, vergrub sich Aizawa förmlich mehr in seinen Schlafsack. Er wirkte nun noch mehr Raupe als sonst und vor allem noch desinteressierter. “Es geht vielmehr darum das Class B geäußert hat, das Class A eine Sonderbehandlung erhält und sie euch zeigen wollen, dass sie euch in nichts nachstehen. In Sachen richtiger Verbrechensbekämpfung haben einige von euch schon mehr Erfahrung sammeln können als es für einen Schüler eures Jahrganges üblich ist. Das ganze wird medial sicher genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen”, erklärte Aizawa in einer monotonen Tonlage, die nicht zeigte ob er begeistert von der Idee war oder nicht. Aber das war bei Aizawa sowieso schwer zu sagen, denn er war pragmatisch genug um hinter allem noch einen positiven Mehrwert zu sehen. “Right, die Auslosung wird heute Nachmittag erfolgen und das Turnier beginnt am Samstag. Dort werden die ersten 22 Kämpfe erfolgen. Die 22 Gewinner kommen weiter und werden am Montag gegeneinander antreten.  Wobei die Verlierer von Kampf Nummer zehn gegen den elften Teilnehmer kämpft und sich so eine Chance auf ein weiterkommen sichert. Am selben Tag werden die verbliebenen fünf gegeneinander antreten. Wobei die ausgeschiedenen in diesen Kämpfen die Chance haben werden um ihre Platzierung zu kämpfen. Um Platz drei, Platz 4 und Platz fünf. Wobei der Verlierer des zweiten Kampfes gegen den fünften teilnehmer des Turniers antreten wird. Der Gewinner kämpft mit dem Verlierer des ersten Halbfinal Kampfes um den dritten Platz. Der Verlier des dritten Kampfes und der des vierten Kampfes streiten dann um Platz vier und fünf.” Momos Hand schoss blitzschnell in die Höhe, kaum das All Might eine Pause machte. “Ist das nicht etwas unfair? Was ist mit dem gewinner des dritten Platzes? Hat der keine Chance auf den Sieg?” “Derjenige der im Kampf um den dritten Platz gewinnt hat die Chance gegen den Zweitplatzierten zu kämpfen und ihm so seinen Platz streitig zu machen. Gewinnt er, kann er gegen den Erstplatzierten antreten und ihm den Platz nehmen”, erklärte Aizawa, wobei sich sein Gesicht verzog. Er schien nicht ganz glücklich mit diesem Prinzip zu sein. Angesichts der Menge an Schüler und der Tatsache das wir nie eine nur gerade Anzahl an Teilnehmern haben würden, nachdem die ersten 22 Schüler ausgeschieden waren. 44 Schüler waren eine bescheidene Anzahl. Das man da keine wirklich zufriedenstellende Lösung finden konnte, war fast schon verständlich. “Wie werden die Paarung ausgelost?”, fragte Momo schließlich. Eine Frage die verständlich war. Denn gerade weil Class B, allen voran Neito, nicht gut auf die Class A zu sprechen war, würde es schwer werden einen Kompromiss zu finden, der für alle gut war. “Morgen werden je elf Mitglieder aus Klasse A und Klasse B ihren Gegner per Zufall ziehen. Dafür werden die Klassenlehrerstunden beider Klassen zusammenlegen. Solltet ihr bedenken bezüglich eines Gegners haben, werden wir sehen, inwieweit wir das berücksichtigen können. Wobei wir schon einige Paarungen hätten, bei denen wir eine erneute Ziehung durchgehen lassen.” Aizawas Blick glitt zu Kirishima. Jeder wusste genau wieso. Nicht nur das Teruteru und Kirishima gute Freunde geworden waren, einen Kampf hätte man bei beiden wohl erneut wieder mit einem Armdrücken entscheiden können. Beide waren nicht nur stur, sondern auch hart. “Die Wahrscheinlichkeit, dass eben jene Paarungen aber zu beginn aufeinander treffen sind gering, also don’t worry.” All Might präsentierte einen hochgereckten Daumen und zeigte ein strahlendes Lächeln. Er schien sich fast schon auf dieses ganze Turnier zu freuen. Ich hingegen konnte seine Euphorie nicht wirklich teilen. Oft genug hatten man mir in der Vergangenheit demonstriert, dass ich in einem Kampf absolut keinen Blumentopf gewinnen konnte. Einzig in Teamtags hatte ich eine realistische Chance mal Podestluft zu schnuppern. Sobald ich aber auf mich alleine gestellt war, war ich einfach chancenlos. Demnach konnte ich mich nicht wirklich dafür begeistern, was mich erwarten würde. **~~** Gemeinsam standen in der Sporthalle. Zwei Klassen je 22 Schüler, standen dort, nach Klassenbuch geordnet. Aus Klasse A war Aoyama der erste der seinen Gegner zog. Die Wahl wurde sofort angezeigt. Ich saß förmlich auf heißen Kohlen. Ich war nervös, ob ich selbst gezogen wurde oder jemanden ziehen musste. “Neito Monoma.” Mit einem selbstsicheren Grinsen ging Neito vor an die Box. Doch bevor er seine Hand in die Box steckte, drehte er sich um und sah zu uns. “Mal sehen welcher Unglücksrabe jetzt erfährt, dass er verlieren wird.” Er lachte laut, bekam aber von seinem Klassenlehrer einen Klaps, was ihn endlich dazu bewegte seinen Griffel in die Box zu stecken. Er ließ sich Zeit, wühlte gefühlt eine halbe Ewigkeit in der Box rum und schien abzuschätzen ob ihm der passende Ball in die Hand gekommen war. “Kann der Knilch nicht einfach ziehen?”, murrte Bakugo und ich konnte das Britzeln kleiner Explosionen hören. Doch nicht nur er war ungeduldig. Besonders jene die ihren Gegner noch nicht wussten, waren gespannt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der eigene Name gezogen wurde, war groß. Und schließlich, nach endlos erscheinenden Sekunden, zog er einen Ball mit einer Nummer. Aizawa nahm ihm diesen aus der Hand. Seine Mimik verzog sich kein bisschen, so dass man kaum abschätzen konnte, was er gerade dachte. “Okamoto Erenya”, verkündete er schließlich und mein Name wurde unter Neitos gehangen. Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, was das genau bedeutete und sah schließlich zu Neito, der zufrieden zu mir lächelte. Immerhin einer von uns schien mit seinem Gegner zufrieden zu sein. **~~** Der Vorbereitungsraum war ruhig und das Wasser, welches ich in einem Becher in meiner Hand hielt, schlug Wellen. Ich war nervös und fragte mich ernsthaft, ob ich gegen Neito gewinnen konnte. Zwar war seine Fähigkeit Copycat jetzt nicht unbedingt die offensivste, wenn er sich aber zuvor gut vorbereitete und die Fähigkeit eines Kameraden lieh, dann konnte ich einpacken. Fünf Minuten würden reichen. Fünf fucking Minuten würden mir das Genick brechen. Als es an der Tür klopfte, zuckte ich zusammen, so dass etwas Wasser über den Becherrand schwappte. Vorsichtig wurde die Tür aufgeschoben als ich zu etwas Papier griff und mit Papier das Malheur beseitigte. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wer reinkam und ich war ehrlich erleichtert. “Hey Daelis”, begrüßte ich meine Freundin und Geschichtslehrerin. “Hey. Ich dachte du brauchst vielleicht etwas Motivation, damit du es in die nächste Runde schaffst.” Daelis grinste mich breit an, als sie zu mir kam und mir einen Beutel voll Schokolade hin stellte. “Gerade bin ich zu nervös um Schokolade zu essen. Ich glaube die erste Runde wird meine letzte Runde.” “Wirklich? Du gibst so schnell auf? Ich dachte du wärst etwas euphorischer Neito endlich mal so richtig zeigen zu können wo der Hammer hängt. Immerhin belästigt er dich schon die ganze Zeit.” Ich wusste ja, dass Daelis Recht hatte, aber im Angesicht der Tatsache, dass ich noch nie einen Sieg davongetragen hatte, wurde mir doch schon mulmig. “Beim Sportfest habe ich auch nur dank Hilfe einigermaßen gut abgeschnitten. Aber das hier ist eine ganz andere Nummer.” Ich konnte gar nicht so schnell gucken wie Daelis mich im Arm hatte und an sich drückte. Dabei strich sie mir sanft mit der Hand über den Kopf. “Das wird. Du schaffst das, solange du nicht aufgibst. Auch wenn ich nicht alles gut heiße, was du machst, will ich doch nicht, dass du gegen diesen Schmierlappen verlierst. Wenn es sein muss, spuck ihn an!” Ich wand mich aus Daelis Armen und sah sie angewidert an. Als ob ich jemanden anspucken würde. Um Gottes Willen. “So etwas solltest du als Geschichtslehrerin nicht sagen”, murrte ich und erhob mich von meinem Platz. “Als eine deiner besten Freundinnen, darf ich das. Also was wirst du tun?”, fragte Daelis mich und grinste breit an. “Rausgehen und hoffen mich nicht ganz so schlimm zu blamieren?”, fragte ich unsicher und brachte damit meine Gefühle zum Ausdruck. “Du wirst den Boden mit ihm wischen”, sagte Daelis und klang dabei mehr so als wollte sie es mir befehlen, statt zumuten. Der Becher Wasser war schnell runter gespült, die Schokolade unangetastet. Die würde ich nach dem Kampf brauchen, soviel war mir klar. Egal warum. Entweder würde ich meine Fähigkeiten vollkommen über beanspruchen oder ich wäre am Boden zerstört und bräuchte einfach Trost. Schokolade war da doch ideal. Als ich in Richtung des Ausgangs ging, sah ich Shinsou, wartend dort stehen. “Und schon aufgeregt?”, fragte er und grinste dabei neckend. Doch das Grinsen schwand, kaum, dass er mir in die Augen sah. Er seufzte, ging auf mich zu und blieb vor mir stehen. “Das wird ein Kinderspiel. Kein Grund nervös zu werden. Wir haben schon schlimmeres überstanden. Die Aufnahmeprüfung, unseren ersten Probekampf gegen Kirishima und Bakugo, der Angriff auf das USJ, das Sportfest. Willst du mir ernsthaft sagen, dass die Krabbelhand dir jetzt Angst macht, nachdem du dich auf schlimmere Dinge gestürzt hast?” Mir war es schon etwas unangenehm das direkt von Shinsou zu hören. Noch dazu hatte er Recht. Ich hatte keine Zweifel wenn es darum ging Bakugo den Marsch zu blasen oder sich auf einen wütenden Nomu zu stürzen. Aber jetzt in einem Kampf gegen Neito, der wahrscheinlich auch gegen jeden anderen hätte laufen können, war ich einfach nur nervös. Und zweifelte an mir. “Du brauchst ihn einfach nur mit deinen Pheromonen vollpumpen, ihm zu signalisieren das er aufgeben soll und dann hast du gewonnen.” Ich seufzte, nickte aber und sah ihn an. “Wir sehen uns dann wohl in der nächsten Runde.” Shinsou nickte und machte Platz so dass ich nach draußen gehen konnte, dahin wo der Ring aufgebaut worden war. Neito stand bereits am Rand von diesem und grinste mir entgegen. Dabei öffnete und schloss er seine Hand, als wollte er damit etwas andeuten. Mir lief ein Schauer über den Rücken, bei dem Gedanken, dass er sich scheinbar freute, gegen mich antreten zu können. “Als nächstes treten Neito Monomia aus Klasse B und Erenya Okamoto aus der A Klasse an. Sag, Eraser, was denkst du über die Paarung?” Ich konnte klar und deutlich Pres Mics Stimme durch Lautsprecher hören. Er schien aufgeregt und obwohl er schon einige Kämpfe leidenschaftlich moderiert hatte, war er kein Stück weit heißer. “Es wird in der Tat ein interessanter Kampf. Allerdings werden hier eher weniger Fähigkeit noch Kampffertigkeiten das ganzen entscheiden.” “Gesprochen von einem wahren Experten. Allerdings hilft das unseren Zuschauern nicht einzuschätzen wer glorreich aus dieser Runde hervorgehen wird.” Für mich war eines klar. Der Sieger stand schon fest und ich selbst sah mich nicht auf dem Treppchen. Mit mulmigen Magen stieg ich in den Kampfring und sah mich Angesicht in Angesicht mit Neito gegenüber. “Eigentlich hatte ich mir einen solchen Moment etwas privater und persönlicher vorgestellt, da aber die restlichen Klasse A Idioten immer um dich herum schwirren wie die Biene um den Honig, muss ich mich wohl hiermit zufrieden geben. Niemand der uns mehr stört.” Neitos Haltung war lässig, selbst als Midnight den Kampf eröffnete und ich in Kampfposition ging. “Oh du nimmst das wohl wirklich ernst. Nun, dann reden wir, nachdem das vorbei ist. Wir haben dann ja noch fünf Minuten.” Ich blinzelte kurz, als Neito plötzlich vor meinen Augen verschwand. Ich hatte es doch gewusst, er hatte sich vor unseren Kampf noch irgendeinen Quirk geliehen. Ich sah mich um, so gut ich konnte um. Wollte meine Verteidigungshaltung aber nicht lösen. “Was ist da passiert? Wo ist Neito hin?”, hörte ich President Mic sagen. Gemurmel von Zuschauerrängen drang zu meinen Ohren. “Wie es scheint, hat er sich vor dem Kampf einen passenden Quirk organisiert”, kommentierte Eraser. “Ist das nicht gegen die Regeln?” “Es ist laut Regeln nicht untersagt, sich entsprechend vorzubereiten.” Ich zuckte zusammen, denn plötzlich spürte ich einen sanften Schlag gegen meinen Arm. Reflexartig wandte ich mich um und schlug aus, doch just in diesem Moment erblickte ich Neito nah an mir. Er hatte mit seiner Hand meinen Arm umklammert, und grinste mich auf die wohl creepigste Weise an, die er bisher getan hatte. “Du solltest dich entspannen. Wir wissen beide du kannst nicht gewinnen.” Etwas änderte sich an seinem Lächeln, es wurde sanfter, schöner. Mein Körper entspannte sich, ich fühlte mich eingehüllt in einem seltsamen Duft. Ich fühlte mich auf einmal wie in Watte gepackt, eingehüllt in Wärme. Meine Beine gaben unter mir nach, meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Ja, warum sollte ich es versuchen, wenn wir alle wussten, dass ich nicht gewinnen konnte? Ich konnte einfach… nachgeben. “PHEROMONSCHLEUDER! WAG DIR JETZT NICHT EINFACH SO AUFZUGEBEN!” Eine Explosion ertönte und ließ meine Wattewelt splittern. Eine Explosion gefolgt von einer Stimme, die selbst President Mic übertönen konnte, wenn er es wollte. Ich hörte sie stumpf, obowhl ich nicht viel wahrnehm. Sie erhöhte die Frequenz meines Herzschlags. Und während die Wattewelt versuchte sich zu regenerieren. Während ich Neito ansah, konnte ich sehen wie dieses hübsche Lächeln sich zu einer grausigen Maske verzog. Wieder und wieder. Es stimmte etwas nicht. Das war mir klar. Neito hatte mich berührt… Neito hatte mich… Er hatte… Sein Gesicht wich zurück, sein Griff löste sich von mir. Ein mauvefarbener Nebel hüllte mich ein und verbreitete sich auf dem Kampffeld. Dazwischen waren zinkgelbe Nebelschwaden, die darüber versuchten hinwegzulappen. “Eraser, was passiert da? Erenya scheint immer noch ausgeknockt und dennoch weicht Neito zurück?” Der Schleier um meine Sinne legte sich langsam. Zurück blieb nur Wut. Wut auf Neito, Wut auf diese Fratze, die mich nicht nur bestohlen hatte, sondern auch dachte er könnte mich mit meinen eigenen Waffen schlagen. Doch noch größere Wut verspürte ich auf mich, weil es Bakugo sein musste, der mich einigermaßen wieder zur Besinnung brachte. Das nervte. Neito nervte. Tag für Tag an dem er versuchte mich zu berühren und noch mehr an Tagen an denen er sich über meine Klassenkameraden lustig machte, Mist über mich erzählte. Wie so ein Vorpubertärer Zwerg. Ich sah zu meinen Händen hinab und sah die mauvefarbigen Nebel aus meinen Fingern dringen. Ich folgte der Nebelspur, fasziniert und doch verwundert, denn diese Spur hatte ich noch nie gesehen. Und der Nebel führte zu Neito, verschlang auf ihrem Weg zu ihm seinen zinkgelben Nebel. “Neito hat Erenya zwar mit ihrem eigenen Quirk erwischt, hat aber nicht bedacht, dass sie vielleicht einen größeren Widerstand dagegen hat. Durch den negativen Effekt ist es Erenya gewohnt emotional zu werden und selbst wenn es für viele nicht den Anschein hat, wahrt sie eine gewisse Fassung. Das macht sie zwar nicht immun gegen die Pheromone anderer, aber sie kann sich schneller ihrer Wirkung entziehen. Und gerade jetzt schlägt sie zurück, würde ich vermuten.” Ich hörte Erasers Analyse. Eine Lüge, das wusste ich, immerhin verdankte ich meine Klarheit Bakugo. “Neito… du mieser… Du nervst. Du nervst so krass. Ständig willst du mir nahe sein, ständig mich anfassen nur um an meine fucking Fähigkeit zu kommen. Du willst sehen was sie kann, dann kann ich dir das gerne demonstrieren!” Ich schaltete meine Gravitationsschuhe aus und erhob mich. Noch immer war meine Sicht dezent vernebelt, doch die farbigen Nebel, besonders der zinkgelbe wies mir den Weg. Ohne zu zögern lief ich auf Neito zu, auf die Masse die versuchte dem mauvefarbenen Nebel auszuweichen. “STIRB!”, schrie ich, als ich ausholte. Neito wich aber meinem Schlag aus, doch ich reagierte entsprechend dem Wirbel, stellte ihm ein Bein und nahm ihm so den Boden unter den Füßen. Ich spürte wie er nach mir griff, versuchte mich mitzuziehen. “FASS MICH NICHT AN, DU CREEP!” Ich holte mit der Faust aus, schlug blindlings zu, spürte nur noch die Nase an meinen Knöcheln. Etwas Nasses, dass sie bedeckte. Ich löste meine Hand aus seinem Gesicht, sah aber immer noch, dass er mich berührte, dass er sich an mich klammerte. “Du beschissene Copycat. Wenn du nicht gleich loslässt, wird dir hören und sehen vergehen. Du interessierst mich nicht. Ich will nichts von so einem Typen der sich scheinbar nur besser fühlt wenn er andere triezt. Was ist dein Problem? Kleiner Schwanz? Dann kauf dir ne Penispumpe!”, murrte ich und drückte meine Hand in sein Gesicht. Ich pumpte ihn mit allem voll, was ich noch hatte, stieß Warnungen und Drohungen in Form der Pheromone aus, die ich beherrschte. Und schließlich ließ er los. “Und jetzt bleib liegen, du Spinner!” Ich kämpfte gegen die Wut an, die versuchte mächtiger zu werden, als ich von ihm abließ. Denn sonst hätte ich ihm wahrscheinlich diesen Blick aus dem Gesicht geprügelt, mit dem er mich ansah. Angst. Brutale, panische Angst. Ich atmete schwer, nahm Abstand von ihm, allerdings ohne ihn aus den Augen zu lassen. Mein Herz raste und Neito blieb liegen. Ich wollte lachen, wie eine manisch verrückte. Doch gleichzeitig hasste ich mich dafür, dass meine Emotionen Überhand genommen hatten. “Erenya hat gewonnen, Neito liegt regungslos am Boden” Ich hatte mich so weit abgeschottet wie möglich. Zurückgezogen an einem Ort von dem ich hoffte, dass man mich nicht fand. Das Klassenzimmer. Vielleicht nicht das beste Versteck, aber doch das Beste, dass mir im Moment eingefallen war. Ich saß an meinem Platz, die Schokolade in der Hand, triefend in Selbsthass, während ich mir ein Stück in den Mund schob. Das Blut an meinem Knöchel war immer noch da, getrocknet, und erinnerte mich daran, dass ich mich hatte gehen lassen. Ich hasste das. Vielleicht hasste ich es auch nur, weil ich meine Fähigkeit schon wieder übermäßig benutzt hatte. Ich knabberte an der Schokolade, als die Tür aufgeschoben wurde und ich Daelis erblickte. Ohne inne zu halten, so als wäre sie sich absolut der Tatsache sicher gewesen, dass ich hier war, kam sie auf mich zu. “Ich sagte zwar spuck ihn an, aber das war auch okay. So schnell griffelt Neito nicht mehr an dir rum”, erklärte sie und grinste dabei wie Honigkuchenpferd. Ich hingegen traute mich nicht mal sie anzusehen und starrte stattdessen auf die Schokolade, wobei mir die Tränen kamen. “Nein, nein, nein, nicht weinen. Du darfst von mir aus manisch lachen aber nicht weinen!”, erklärte Daelis sofort und kam zu mir gelaufen um mich in Ihre Arme zu ziehen. Ich konnte nicht viel Gegenwehr aufbringen und kuschelte mich an sich, während Daelis mir ein weiteres Stück Schokolade an die Lippen hielt. Ich schnappte danach, aß das Stück und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich spürte, die Nässe die sich in Daelis Oberteil zog und war gerade ehrlich froh, dass jemand aus meiner Welt hier war. Das ich das doch nicht alleine ertragen musste. “Daelis-sensei, der Direktor sucht Sie!” Die Tür wurde aufgeschoben und ich erkannte eindeutig die Stimme von Kirishima. Es war peinlich, hier in den Armen der Geschichtslehrerin zu flennen, auch wenn diese als Vertrauenslehrerin für solche Fälle verantwortlich war. Nichtsdestotrotz wollte ich nicht unbedingt, dass Kirishima mich flennen sah. Ich vergrub mein Gesicht also noch tiefer an Daelis Brust und betete zu Gott, dass er mich nicht sah. “Ah, Kirishima-kun, gutes Timing. Pass bitte auf Ere- ich meine Okamoto-san auf. Sie ist noch etwas durch den Wind wegen ihres Sieges.” Ich konnte das Lächeln in Daelis Stimme hören und Wut kroch hoch. Immerhin wusste ich genau warum sie tat was sie mir gerade antun wollte. Diese miese Shipperin. “Uhm, klar kein Problem. Sie können auf mich zählen, Sensei.” Wie immer klang Kirishima euphorisch und Daelis eiste sich förmlich von mir los, wobei es sich eher so anfühlte, als hätte sie mich mit einem Brecheisen von sich getrennt. Fast schon fluchtartig ging sie zur Tür, schob Kirishima rein und schloss die Tür hinter sich. Das war unangenehm. Kirishima sah zu der Tür, ich versuchte meine aufgequollenen, verheulten Augen zu verbergen und steckte mir heimlich ein weiteres Stück Schokolade in den Mund. “Das war ein echt super Kampf. Hätte nicht gedacht, dass du so hart zu hauen kannst”, erklärte Kirishima und setzte sich an dem Tisch links von mir. “Er ging mir auf die Nerven. Immer will er mich anfassen, mir nahe sein… Fast genauso wie du, wenn du immer forderst mit mir zu trainieren.” Mit einem Grinsen, rückte Kirishima ab. Es wirkte neckend, scherzend, in keinster Weise böswillig. “Muss ich nun fürchten, dass du mir auch die Nase brichst?”, fragte er verspielt, wobei ich näher rückte und ihn ernst ansah. “Wir wissen beide, dass dich der Gedanke, dass ich das versuchen könnte schon hart macht.” Kaum dass mir die Worte über die Lippen gekommen waren, errötete Kirishima. Und nicht nur er, auch ich konnte spüren wie mir die Wärme in die Wangen schoss wegen dieser Zweideutigkeit. “Ich meine… also… ja, du bist anstrengend, manchmal, aber nicht wirklich so schlimm. Eigentlich… also eigentlich mag ich dich. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass du nicht ständig wegen meiner Fähigkeit mit mir trainieren willst. Es ist mir unangenehm.” Ich sah Kirishima direkt in die Augen, so dass er merkte, dass mir das wirklich wichtig war zu sagen. Ich hatte wirklich nichts gegen ihn, aber hin und wieder war seine Euphorie anstrengend und das obwohl ich ihn irgendwie mochte. Und… nun hatte ich ihm das gesagt. Das Rot auf meinen Wangen nahm an Intensität zu. Ich hasste diesen Moment in dem ich zu emotional wurde. Viel zu emotional. Als es neben mir knisterte, sah ich auf und erkannte, wie Kirishimas Hand sich in meiner Schokoladentüte vergrub. Entsetzen machte sich breit. Panik. Das war meine Schokolade. Ich folgte der Hand, die sich ein Stück heraus fischte. Ich sah zu wie er sich das Stück in den Mund steckte und just in diesem Moment kam Wut in mir auf. Das war meine Schokolade. Meine alleine und ich wollte sie wieder. Da Kirishima mir so nahe war, packte ich ihn mit der Hand am Nacken, zog ihn zu mir und presste meine Lippen auf seinen. Ich schmeckte sie Süße der Schokolade, merkte aber auch, wie sehr ich ihn überrascht hatte. Und dennoch erwiderte er, übte Druck mit seinen Lippen auf meinen aus und ergab sich vollkommen den stärkeren Pheromonen, die mein Körper schuf. 04 Powermäßige Schlafhilfe -------------------------- Das Abendessen, welches uns Midnight so großzügig zubereitet hatte, hatte meinen Magen weitaus mehr gefüllt, als ich es am Anfang vermutet hätte. Auch war es sehr lecker, was gleichzeitig dazu führte, dass ich mich ein wenig schlecht fühlte. Immerhin war ich eigentlich eine junge Frau Ende 20 und doch konnte ein kleines Fohlen besser kochen als ich. Naja, dafür bin ich für den Abwasch zuständig, dachte ich mir und drehte ich mich erneut von einer Seite auf die andere. Zwar war ich pappsatt und auch müde, aber dennoch war mein Kopf noch zu aktiv, um überhaupt ans Einschlafen zu denken. Wie immer ließen sich meine Gedanken nicht abschalten und so rollte ich auf der Matratze meine üblichen Runden. Doch hatte ich hier weder meinen Freund, noch ein Handy mit Youtube zur Verfügung, über das ich mir irgendein tolles ASMR-Video hätte anhören können. So musste ich es auf die normale Art versuchen, was aber wie immer nicht mit Erfolg gekrönt ist. Ich konnte nur von Glück reden, dass ich meine Armbanduhr im Dunkeln nicht sehen konnte. Nachdem ich es eine gefühlte Ewigkeit versucht hatte, stieg ich genervt aus meinem Bett und verließ Midnights Zimmer so leise wie möglich. Ich erhoffte mir, dass mein Kopf durch einen kleinen Spaziergang durch die riesige Höhle zu ein wenig mehr Ruhe kommen würde. Außerdem wäre mir der Ort dann vertrauter - denn wie immer fällt mir der erste Schlaf an einem unbekannten Ort regelmäßig sehr schwer. Da es mir jedoch überall zu dunkel war, nahm ich mir eine Lampe, welche schwach ihr helles Licht in einem ganz kleinen Radius verteilte. Eigentlich war es für mich und meine paranoide Fantasie zu wenig, aber mehr hatte ich auch nicht zur Verfügung. Nachdem ich mich in der einen oder anderen kleinen Sackgasse umgesehen hatte, kam ich zu der Stelle zurück, an welcher ich in diese Welt gefallen war. Ich hielt die kleine Lampe hin, um ein wenig mehr erkennen zu kennen; viele durchsichtige Kristallsplitter reflektierten das schwache Kerzenlicht, welches aus der Lampe schien. Ich wusste gar nicht, dass Kristalle auf diese Art kaputt gehen können. Oder lag es an der Magie, die mich hierher gebracht hatte? Oder ist es am Ende nur irgendein billiges Glas? Vorsichtig scharrte ich mit dem Huf an den Kristallen herum, doch sie fühlten sich weder scharf noch sonderlich gefährlich an. Fasziniert betrachtete ich die kleinen Splitter und überlegte mir, was man daraus alles machen konnte, als mich eine Stimme hinter meinem Rücken zusammenzucken ließ. "Du bist noch wach? Warum bist du hier, hier ist es zu gefährlich!", konnte ich Gari reden hören. Kaum hatte ich mich von meinem kleinen Schock erholt, drehte ich mich zu ihr um und sah ihr kurz ins Gesicht. Ob sie nun besorgt oder sauer oder beides war, konnte ich nicht so richtig erkennen. Während ich Gari weiterhin beobachtete, trat ich von einem Huf auf den anderen. "Ja, ich bin noch wach ... ich hab Einschlafprobleme, besonders an fremden Orten", gab ich schließlich zu und versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. Immerhin war das ein Problem, welches ich bereits als Kind gut kannte, ein Problem, für das ich nur wenige Hilfen kannte. Gari schwieg, nun konnte ich ihren Gesichtsausdruck gar nicht mehr deuten. Schließlich trat sie auf mich zu. "Also dachtest du, dass ein kleiner Spaziergang dabei helfen würde ... das ist eine gute Idee. Dennoch solltest du nicht hier sein, es ist einfach zu gefährlich für dich. Wer weiß, was noch an dunkler Magie in dieser Ecke noch vorhanden ist", sagte sie und sah sich dabei um. So langsam gefiel mir ihr Ton nicht, er hatte einen leicht besserwisserischen Ton an sich, welcher sich darum bemühte, besorgt und mütterlich zu sein. Es war mir bereits die ganze Zeit über aufgefallen, aber so richtig bemerken tue ich ihn erst jetzt. Kurz musste ich an Hermine aus dem ersten Harry Potter Film denken, schob den Gedanken jedoch wieder zur Seite. Bald würde ich die Höhle verlassen und dann müsste ich mir nicht mehr so viele Gedanken um Gari machen. Oder um die Amnesie, die ich vorgetäuscht hatte. "Ich bin einfach dorthin gelaufen, wohin mich meine Hufe getragen haben, ich habe ehrlich gesagt nicht so wirklich aufgepasst, wo sie hingehen", sagte ich, einfach, um etwas zu sagen und auch, weil mir weiter nichts anderes mehr einfiel. Garis Seufzen konnte ich mehr hören als sehen, sie nahm die Lampe aus meinem Huf und deutete mir an, ihr zu folgen. "Wenn es so ist, dann musst du wirklich mehr darauf aufpassen, wohin du läufst. Wer weiß, wo du dann endest, nur, weil du mit dem Kopf in den Wolken bist. Nun folge mir, ich kann dir gegen die Schlaflosigkeit helfen", sagte sie, ging ein paar Schritte voran und winkte mich mit ihrem Huf heran. Da ich im Dunklen so blind bin wie es nur möglich ist, folgte ich Gari mit wackeligen Schritten, bis ich sie und das Licht eingeholt hatte. Sie führte mich zurück zu Midnights Zimmer, Dort angekommen. setzte ich mich auf ihre Anweisung hin auf meine Matratze, während sie wieder in den Flur hinaus verschwand. Nach ein paar Minuten kam sie wieder und hatte eine Tasse dabei, welche sie mir reichte. "Trink es am besten in einem Schluck aus. Da sind beruhigende Kräuter und Beeren drin, die werden dich gleich einschlafen lassen wie ein kleines Fohlen", sagte sie und sah mich eindrücklich an. Zwar gefiel mir ihre Art nach wie vor nicht, doch gegen einen solchen Trank hätte ich nichts. So nahm ich die Tasse und leerte sie in einem Zug. Wie erwartet war der Geschmack ziemlich bitter, aber wenn es helfen würde, nahm ich das nur zu gerne in Kauf. Nicht, dass ich irgendwelche Alternativen gehabt hätte. "Gut, dann hätten wir das auch. Am besten legst du dich gleich hin, so schnell, wie mein Trank wirkt, so schnell kannst du dich nicht fallen lassen, ohne dir wehzutun", sagte sie und ich spürte bereits, wie mein Gehirn immer tauber wurde. Wie mein Hirn langsam weggefegt wurde. So ging ich ihrem Rat nach und legte mich in eine bequeme Position. Dass ich kein Kuscheltier oder derartiges bei mir hatte, störte mich im Gegensatz zu meinem vorherigen Einschlafversuch absolut nicht. "Ich glaube, ich könnte wirklich gleich einschlafen ... vielen Dank, Gari. Du bist echt gut, was sowas angeht. Du kannst dich wirklich um andere Ponys kümmern und weißt genau, was du da machen musst. Außerdem kannst du einen ganz guten Schlaftrank machen, das ... ja, das war jetzt echt bitter nötig", konnte ich gerade noch herausbringen, bevor das Gespräch aus meiner Sicht in eine seltsame Richtung drehte. Ich begann Gari von seltsamen Getränken wie Bier und Wodka zu erzählen; und Gari nickte nur, so, als würde sie wissen, von was ich gerade redete. Auch versuchte sie mir den Unterschied zwischen einem "Sex on the Beach" und einer "Bloody Mary" zu erklären, aber so richtig konnte ich ihre Worte nicht erfassen. Das war dann doch etwas zu kompliziert für mein müdes Hirn. Am nächsten Morgen wachte ich frisch erwacht auf, wie aus einem tiefen Schlaf und ich stellte fest, dass ich in einen tiefen Schlaf geraten war. Verwirrt versuchte ich das Gespräch in meinen Kopf zurückzubekommen, die Tatsache, dass ein Pony etwas über Alkohol von Menschen wusste, ließ mich nicht los. Schließlich kam ich zu der Überzeugung, dass ich davor wohl eingeschlafen und von dem Fortlauf des Gesprächs nur geträumt haben konnte. Alles andere wäre unmöglich. Zufrieden, dass es mit dem Schlaf doch noch geklappt hatte, rieb ich mir den Schlafsand aus den Augen und begann mich zu strecken. Anschließend sah ich zu Midnights Bett herüber, doch dieses war leer. Ich sah mich um, konnte aber keinen Zettel oder derartiges entdecken. "Gut, dann gehe ich sie mal suchen", sagte ich zu mir selbst und verließ Midnights Zimmer ein weiteres Mal. 05 One day in Seireitei ----------------------- Die Welt wurde grau. Ich hebe eine Augenbraue und schaue um mich. Neben mir stehen Blätter eines Baumes, die eigentlich vom Baum fallen sollten, in der Luft, als hätte man die Zeit stehen gelassen und die Farbe am Computer auf schwarz/weiß gestellt. Das war mir definitiv neu. Ich kenne zumindest niemanden mit so einer Fähigkeit. Ein Papierschmetterling schwebt mir vor die Augen und instinktiv fange ich ihn in meinen Händen auf. Er entfaltet sich von selbst und präsentiert mir seinen geschriebenen Inhalt: „Dein Glanzmoment! Präsentiere dein persönliches Talent vor einem oder mehreren MSP-Gefährten. Vielleicht bringt es gar die Lösung auf ein akutes Problem? Oder Zeige dich von deiner romantischen Seite und lade jemanden auf ein Date ein. Am Ende musst du denjenigen küssen.“ Stoned starre ich auf die Schrift des kleinen Stücks Papier. Die Welt um mich herum gewinnt wieder an Farbe und das Rascheln von Blättern sagt mir, dass sich die Uhr begonnen hat, weiterzudrehen. Ein frustrierter, sehr langer Seufzer verlässt meine Lippen. Also zu Punkt eins: Ich bin gerade alleine in Seireitei unterwegs, kein Gefährte weit und breit, um mich rum wahrscheinlich sogar deutlich mehr Gegner und ich mittendrin ohne ein persönliches Talent außer Augen, die sich von selbst manchmal zu ihren regenbogenfarbenen Kollegen für gephotoshoppte Wallpapers verwandeln und wieder zurück. (Anm.: um das zu verstehen, müsst ihr Dye bis Kapitel 9 lesen; #Schamlose Eigenwerbung) Erst mal, definieren wir das „akute Problem“. Was ist ein akutes Problem was ich gerade habe? Theoretisch meine gesamte Existenz in Bleach, aber ich würde das nicht als Problem sehen, sondern eher als Abenteuerreise. Was noch? Das Rukia umgebracht wird?! Aber um das zu lösen bin ich überhaupt hier! Ein weiteres wäre: Ich habe keine reelle Chance gegen irgendeinen der Gegner, die sich mir früher oder später in den Weg stellen werden, falls es zu einem Kampf kommt. Beziehungsweise, es wird ganz sicher zu einem kommen, ich bin in einem Shonen-Action. Die bestehen basically aus Kämpfen. Je zerstörerischer, desto besser. Zerrissene Klamotten? Hell yeah! Bei Frauen schwierig, weil die können schlecht badass oben ohne rumrennen, aber ihr wisst was ich meine. Persönliche Talente außer der Fähigkeit die ich entwickelt habe, indem ich von Ichigos Seelenenergie geleecht habe? Da muss ich schon echt überlegen. Also ich bin ausgestattet mit einer gesunden Portion Grundparanoia von Geburt an. Außerdem ist mir der Hang dazu, alles unnötig overzuanalysieren noch gegeben, wie man unschwer erkennen kann. Bringen sie die Lösung zu meinem momentanen akuten Problem? Zweifelhaft. Ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass ich gerne Blitze schießen oder Wasser kontrollieren als Fähigkeit haben wollte. Oder vervielfachte Geschwindigkeit oder so. Irgendwas Cooles eben halt! Oder zumindest irgendwas, was mir eine Rolle hier gibt, die mich auf eigenen Beinen stehen lässt. Argh, ich hasse es Leute nach Hilfe zu fragen, ich bin der „Ich-mach-so-viel-es-geht-alleine“-Type Mensch! Also zurück zu unseren Talenten, ich glaube nicht an Talent übrigens, ohne hier jetzt eine philosophische Diskussion lostreten zu wollen. Wobei Talent hier eine Definitionsfrage ist und je nach Definition glaube ich, dass es das dann schon gibt. Lange Rede, gar kein Sinn, ich erinnere an das überanalysieren. Wenn es nach etwas ginge, was ich mir mehr oder minder erarbeitet habe: der Abi-Abschluss und meine Mappe zum Zugang in den Kunststudiengang. Technically haben mir meine Eltern fast drei Sprachen fließend mitgegeben, wenn man will, also Japanisch ist ein Segen, aber ich habe ja seitdem ich in Bleach bin Deutsch verlernt!!einself!! Bringt mich hier Englisch weiter? Wohl kaum. Außer bessere Noten als alle anderen japanischen Mitschüler nicht wirklich, nein. Meine Liebe zu Zeichnen? Außer dass ich vielleicht vor Rukia flexen könnte, auch nicht wirklich. Wobei ich glaube, dass Tatsuki actually besser ist als ich in diesem Manga, was dem auch den persönlichen Talentstatus damit abeignet. Abi? Hilft mir auch nicht, will ja nicht in irgendeine Bleacheigene Akademie oder so. Und soweit ich mich erinnere gehört Kontrolle der Seelenenergie nicht zum Kurrikulum der allgemeinen Hochschulreife. Ich mach gerne Sport und betrachte mich als etwas sportlicher als der Durchschnitt, wenn ich mir die Arroganz erlauben darf, das ist aber bei dem momentanen Bevölkerungsdurchschnitt Fast-Food-sei-Dank nicht gerade eine Glanzleistung. In Bleach, wo ich umgeben bin von Leuten mit übermenschlicher kognitiver Ausstattung, ist es aber ein Witz und damit auch kein Talent mehr. Und das wars mit meinen Talenten. Option zwei kommt absolut nicht in Frage. Never! Ever! Abgesehen mal davon, dass in diesem Stadium fast jeder mein Gegner ist und mich deutlich lieber tot sehen würde, bin ich nicht besonders gut mit Dates. Könnte daran liegen, dass ich nie auf einem war. Neben dem würde ich gerne auf das Küssen verzichten, ich habe immer noch weniger angenehme Erinnerungen an meinen Ersten, danke, der kam nämlich ohne Ansage, absolut unerwartet und ohne dass ich Einfluss auf ihn hatte. Ich weiß, absolut unromantisch. Außerdem bin ich Romantiker aber nicht romantisch. Also ich schwärme gerne bei anderen, aber bei mir selbst bin ich eher realistisch emotionstot. Dazu kommt, keine Dates ohne dass ich eine feste romantische Beziehung in Betracht ziehe und das wiederum braucht viel Zeit. Da ich per Definition alle hier maximal drei Monate kenne und das gilt nur für die Karakurafraktion, also Orihime (sollte ich mich mal irgendwann als lesbisch neu entdecken), Ichigo, Chad und Ishida, ist es viel zu kurz, um sich gut genug zu kennen, geschweige denn über ein Leben zusammen nachzudenken. Orihime und Ichigo kommen außerdem noch nicht in Frage, denn sie sind mehr oder minder an sich gegenseitig vergeben und da gibt es bei mir kein „Wenn“ und „Aber“. Ich war nie verliebt, also kann ich nicht wissen ob ich das wirklich so konsequent durchziehen würde, wenn meine Hormone meinem Hirn einen Streich spielen, aber bisher habe ich mir fest geschworen, vergebene Leute sind No-Go. Keine Diskussion. Lacht über mich, ich bin mit konservativen Werten aufgewachsen und vertrete sie auch. All diese Zwischendinger aus Jux sind nicht so mein Fall. Also sieht die zweite Option sogar noch schwieriger aus als die Erste. Mit einem weiteren Seufzer falte ich das Papierchen zusammen und stecke es mir irgendwo in die Tasche meines Shihakusho und trabe weiter. Vielleicht ergibt sich ja im Laufe der Zeit etwas? Vorher versuche ich lieber mein ursprüngliches Ziel zu erreichen: den weißen Turm in dem Rukia gefangen ist. Hier um die Ecke, da um die Ecke, irgendwie muss man doch zu diesem dummen Turm kommen?! Meine Tarnung scheint ungewöhnlich gut zu funktionieren, denn die Shinigami, die links und rechts an mir vorbeihuschen, würdigen mich keines Blickes. Mehrere Gänge weiter und ich finde mich vor den Barracken der vierten Division wieder. Daran zu erkennen, dass eine gigantische Vier in Schriftzeichen auf dem Gebäude prangt. Ich könnte vielleicht irgendwo die falsche Abzweigung genommen haben, flaut es mir. Ich will gerade umdrehen, als mich plötzlich eine sehr vertraue Vorahnung überkommt. „Oh nö, nicht jetzt“, schießt es mir durch den Kopf und ich betrete kurzerhand das Gebäude auf der Suche nach einer Toilette. Eine Frau sein hat einmal im Monat eben echt einen Nachteil. Nach einigem Herumirren wo mich Gott sei Dank wieder keiner beachtet, finde ich auch die Toilette und unterdrücke ein weiteres Stöhnen. Es ist wohl anscheinend nicht nur in der Menschenwelt so, dass Frauentoiletten häufig überfüllt sind und alle immer zu zweit auf Toilette gehen, in der Geisterwelt hat sich das anscheinend auch durchgesetzt. Ohne lange zu überlegen mache ich das, was ich immer tue: Ohne mit der Wimper zu zucken betrete ich die Männertoilette und laufe bis nach hinten zu den Kabinen durch. Wie immer sagt keiner was. In der Schule ist das nicht so einfach, weil ich da den Rock der Mädchenuniform trage, aber hier im Kimono? Kein Problem für mich. Erst mal alleine, bestätigt sich meine Befürchtung: Ich habe meine Tage. Gott sei Dank habe ich vorgesorgt, wie bereits erwähnt, Planung ist das halbe Leben, und kruschte in meinem Rucksack nach meinen Binden. Problem gelöst. Dummerweise gibt es in der Männertoilette nur keine Sanitärmülleimer, wieso auch. Wobei halt, ich habe Glück, es gibt einen normalen Mülleimer für leere Toilettpapierrollen. Ich zucke mit den Schultern und entsorge umweltgerecht meinen Müll und verlasse die Kabine wieder, wasche mir die Hände und sehe zu, dass ich verschwinde, als mir an der Tür ein bekanntes Gesicht entgegenkommt. Ishida hatte die Toilette betreten und starrt mich verwundert an. Kann ich ihm auch nicht übelnehmen, ich stehe auf der falschen Seite der Wand, wenn man es ganz pingelig nimmt. Bevor die zwei, drei anderen diesen komischen Zusammenstoß bemerken können, schiebe ich mich ignorant an ihm vorbei und verlasse so schnell es eben geht die Toilette und das Gebäude der Heilerkompanie. Jetzt Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen ist wirklich unklug mit so vielen potentiellen Gegnern um mich herum. Endlich draußen, will ich aufatmen, als mich die ungewöhnlich graue Umgebung wieder stutzen lässt. Die Shinigami um mich herum stehen wie festgefroren auf dem Platz vor den Barracken und ich werde an die Situation von vor etwa einer halben Stunde bis Stunde erinnert, wo die Zeit schon mal stehen geblieben war für alle außer mich. Schon wieder? Ich hole den Schnipsel Zettel von eben hervor mit der Befürchtung, mir würde noch eine Aufgabe erteilt werden, aber als ich es entfalte, sehe ich die zweite Option verblassen und kurz darauf das Papier sich ganz auflösen. Die Farbe kommt zurück und die Shinigami beginnen sich auch wieder zu bewegen. Alles läuft weiter, als wäre nie etwas passiert. Heißt das…ich habe die Aufgabe bewältigt? Anscheinend oder? Ich grummle missmutig und stakse meines Weges. Fazit: Mein akutes Problem war die Suche nach einer Toilette, weil ich meine Tage bekam, mein Talent ist, dass mich die Leute sowieso immer in die Männertoilette schicken wollen nur weil ich kurze Haare habe und gerne praktische Kleidung trage und mich beobachtet hat Ishida dabei, wie ich von meinem Talent, in der Männertoilette nicht aufzufallen, Gebrauch mache. Das ist ein wirklich unzufriedenstellendes Ende, wenn ich das mal so sagen darf. Ich freue mich weder über das „Talent“ was mir angedichtet wurde noch darüber, dass Ishida davon mitbekommen hat. Ich darf mich sicherlich auf komische Fragen in Zukunft gefasst machen, danke. Ich muss gestehen, die Aufgabe hatte wirklich so geklungen, als ob ich ausnahmsweise mal aus einer Situation so halbwegs heldenhaft rauskommen würde, aber weit gefehlt. Nichts dergleichen. Wirklich toll. Unbefriedigt folgte ich also meinem eigentlichen Ziel: Rukia suchen. 06 Finstere Nacht der Ewigwälder -------------------------------- Eines Nachts schlief ich unruhig, drehte mich um und dabei bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich machte die Augen auf und sah die Höhle, in der wir übernachteten. Auch Nicole, doch... Ich erschrak und sah mich genauer um. Frubberl war nicht mehr da. Wir hatten es doch vor kurzem gefangen und nun? Ich machte mir Sorgen, lief etwas im Kreis herum und dachte nach, was ich als nächstes tun sollte. Nicole wollte ich nicht wecken und Frubberl? Ich ging aus der Höhle hinaus und dachte mir, wenn sie irgendwo hin ist, dann sicher wieder zurück in den Wald um nochmal Abschied zu nehmen. Der Angriff mit den Zubat ließ mir keine Ruhe. Ich musste sofort aufbrechen und ging alleine zurück in den Ewigwald. Nachts wirkte der Wald düsterer und unheimlicher, aber ich war hier, weil ich Frubberl finden musste. Ich sah mich um und konnte schlafende Pokemon entdecken, zum Teil auch ein paar Staralili und Bidizas sowie Zirpurze und Haspiror. Ich lief weiter zu dem Ort, wo wir Frubberl in der Lichtung fanden. Zur meiner Enttäuschung war sie leer. Keine Spur von Frubberl, schoss es mir durch den Kopf. Ich drehte mich um und ging langsam zurück, während ich mir die Umgebung weiter ansah. Ein eiskalter Schauer jagte mir den Rücken runter und ich bekam das Gefühl, als würde ich beobachtet werden. War es dieses Pokémon mit den goldenen Augen? Ich drehte mich um als plötzlich ein Nebulak vor mir flog und mich mit einer Schlecker Attacke erwischte. Ich geriet in Panik und floh. Unwissend wo ich gerade hin flüchtete und ohne ein Ziel lief ich immer weiter in der Hoffnung, das es mir nicht folgte. Ich sprang über die Wurzel eines großen Baumes hinweg und ehe ich mich versah, rutschte ich einen steilen Hang hinab. Unsanft landete ich auch meinem Bauch. Ich rappelte mich langsam auf und sah vor mir ein altes verlassenes Gebäude. Ich ging näher heran und sah es mir genauer an. Das Holz war sehr morsch und es wirkte eher wie eine Ruine als eine Villa. Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich in meinen Augenwinkel ein kleinen Schatten sah, der fast so aussah, wie der von Frubberl. Ich konnte nicht anders und musste mich vergewissern, ob es wirklich unser kleiner Freund war. Ich ging hinein, das Holz unter meinen Pfoten knarrte und hinter mir schloss sich die Tür. Gefangen in einem Geisterhaus, in den mir jeden Moment die Decke auf den Kopf krachen könnte. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich Frubberl finden und dann nichts wie weg von hier, aber so einfach würde dies wohl sicher nicht funktionieren. Ich sah mich um. Mit jedem Schritt knarrte der Boden unter mir. Zusagen, dass ich keine Angst hätte wäre gelogen, doch ich tat das für Frubberl. Ich musste es einfach tun, denn ich trug die Verantwortung. Nicht nur für Nicole sondern auch für ihr Team. Weil... weil ich sie gern hatte. Ich tapselte vorsichtig durch den Raum, der Boden knarrte unter mir und ein kalter Luftzug wehte durch ein kaputtes Fenster. Dabei sah ich ein Esszimmer. Der Tisch war gedeckt, alles lag schön ordentlich und die Kerzen flogen auf dem Tisch... Die Kerzen flogen? Ich war erschrocken und lief direkt zur nächsten Tür, als die Kerzen auf mich zu kamen. Schnell warf ich die Tür ins Schloss und bemerkte, das die Wand wackelte... Etwas im Esszimmer zersprang hinter dieser. Es hörte sich nach Porzellan an. Nicht nur die Kerzen sondern auch die Teller wollten mir an den Kragen. Ich ging ein paar Schritte rückwärts. Gerade als ich mich umdrehen wollte sprang die Tür auch, aber... Der Tisch war abgeräumt. Es gab keine Anzeichen von Scherben oder sonstiger ungewöhnlicher Ereignisse. Entweder wollte mir mein Kopf einen Streich spielen, jemand wollte mich erschrecken oder die dritte Möglichkeit: Ich werde verrückt... Ich drehte mich nun um und sah nun Messer direkt vor meine Nase schwebend zu mir gerichtet. Mein Herz blieb ein Augenblick lang stehen, als ich vor schreck den Atem anhielt. Ich schloss kurz meine Augen. als ich sie wieder öffnete waren die Messer spurlos verschwunden und vor mir erstreckte sich die Küche. Keine schwebenden Messer oder andere mysteriöse Dinge, die mich umbringen wollten. Spielte mir mein Kopf einen Streich? Ich sah mich vorsichtig um, wobei ich Angst um mein Leben hatte. Es könnte jeden Moment zuende gehen. Ich ging am Kühlschrank vorbei, als er gerade anfing zu zappeln und sich bewegte. Vor Schreck wich ich aus und knallte mit meinem Kopf gegen ein Schrank. Ich rieb ihn mir mit mein Pfoten und sah nochmal genauer hin. Doch... In den Moment fiel etwas weißes über mich hinüber und gleich danach wurde es Dunkel. Ich geriet in Panik, als mir meine Sicht versperrt wurde. Schnell rannte ich aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich war gefangen, gefangen in der Dunkelheit. Nach ein paar Minuten begriff ich erst, dass ich in einem Sack fest steckte. Nicht nur irgendein Sack, es war ein Mehlsack, welcher vom Schrank runter fiel. Ich kroch hervor und wirbelte dabei das Mehl auf. Es kitzelte mich in der Nase und konnte nicht anders als ein kleines: "Chu!" und dabei Funken von mir zu geben. Natoll, mein ganzes Fell ist voller Mehl, dachte ich mir. Missmutig schüttelte ich mich um es aus meinem Fell zu bekommen. Ein Großteil fiel von mir, aber ich fühlte mich noch immer dreckig. Irgendwie musste ich mich sauber machen, denn ich wollte nicht als Geist herum irren und dabei Frubberl zu erschrecken. Ich rieb mit meinen Pfoten die letzten Mehlkörner aus meinem Fell heraus und konnte nun endlich weiter gehen. Zurück ins Esszimmer wollte ich nicht. Ich nahm die andere Tür und befand mich wieder dort, wo ich mit der Suche angefangen hatte. Ich befand mich wieder im Eingangsbereich, das Glück war bis jetzt nicht auf meine Seite. Die Treppen wollte ich als nächstes hoch steigen, doch mit jedem Schritt knarrte sie und ich hatte Angst, sie würde unter mir zusammen brechen. Fast oben angekommen senkten sich die Stufen und ich rutschte sie hinab. Ich sah den Boden auf den ich landen würde doch dieser zog sich zurück und öffnete eine Falltür. Ich fiel hinab, schloss dabei die Augen und landete auf etwas weichem. Ich öffnete meine Augen und war umgeben von Kissen und Kuscheltiere. Ein Pikachu und Evoli als Plüschtier hatten meinen Sturz abgefedert. Ich sah mich um. Es wirkte kindlich eingerichtet mit einer kleinen Rutsche und Bälle... Die Wände waren bunt. Ich drehte mich um und sah zerfetzte Stofftiere von Knospi und Schwalbini. Ich ging etwas zurück und fiel von den anderen beiden Stofftieren runter. Ungeschickt landete ich auf meinem Hinterkopf. Mit einem leichten Stöhnen stand ich wieder auf meinen Pfoten. Ich schüttelte mich, doch etwas schien nicht in Ordnung zu sein. Aus den Poképuppen von Pikachu und Evoli kam Blut. Es tropfte aus den Augen, hinab auf den Boden.Panisch suchte ich ein Ausgang doch es war nichts zu sehen. Nur Wände und Gemälde... War das die Lösung? Ich nahm mein Mut zusammen und sprang gegen eines der Gemälde, Mit einem beherzten Satz sprang ich geradewegs auf das Gemälde zu und verletzte mich wieder am Kopf. Das war keine Lösung, nur ein weiteres Missgeschick. Au... Ich will doch nur zu Frubberl, dachte ich mir. Ich sah kurz zu den Stofftieren hinüber und... Sie waren wieder auf ihre ursprünglichen Plätze. Selbst das Blut war verschwunden und keine Spur... Langsam dachte ich wirklich, dass ich verrückt wurde. Ein Klicken ertönte und eine Wand drehte sich. Endlich entkam ich aus diesen Raum und befand mich nun in einem Wäschekeller. Laken hangen über Spannseile und die Waschmaschine lief. Aus irgendeinen Grund hatte ich das Gefühl, dass mich nichts mehr verwundern kann. Ich sah mich um und suchte nach einem Ausgang, als die Waschmaschine laut rappelte. Kurz erschrak ich mich und suchte weiter ohne mir die Waschmaschine genauer angeschaut zu haben. Ich fand eine Treppe, gerade als ich dorthin ging, drückte mich eine Wasserfontäne gegen die Wand. Geschwächt, sah ich zu der Waschmaschine. Sie sah nun anders aus, eher Rötlich und eine Spitze auf der Oberseite der Waschmaschine. Erneut schoss eine Hydropumpe auf mich zu. Ich stand schnell auf und lief weg, dabei rutschte ich auf den nassen Boden herum und es erwischte mich noch an meinen Schweif. Ein rutschiger Boden, starke Attacken und dazu noch im Typnachteil? Ich sah schnell ein, dass Kämpfen kein Sinn gemacht hätte und mir blieb nichts anderes übrig als die Flucht zu ergreifen. Ich rannte im Zickzack umher und entkam über die Treppe. Es war für mich nun klar das Rotom hier war, aber wer spielte sonst noch Streich mit mir oder... In dem Augenblick fiel es mir wieder ein, Frubberl war noch hier und... Ich wollte mir nicht einmal vorstellen was mit ihr war. Sofort suchte ich weiter nach Frubberl. Jedes einzelne klicken oder klirren lies ich außer acht, solange es nicht zu mir flog. Alle anderen Formen von Rotom kannte ich und wusste worauf ich achten musste. Ich lief schnell die Treppe hinauf, dabei hörte ich ein lautes knacken. Meine Befürchtungen, dass die Treppe einbrechen könnte, war zu dem Zeitpunkt eine Untertreibung. Die Decke der Ruine stürzte ein, ich rannte schnell weiter in das nächstbeste Zimmer was ich sah. Es hörte auf zu krachen. Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Zunächst bemerkte ich es nicht, aber ich war nicht allein. "Hey, geht es dir gut?" Ich erschrak ein weiteres mal und sah vor mir ein Pokemon. Es hatte schwarzes Fell, mit blauen Abzeichen und sah aus wie ein Zorua. "Beruhige dich, es ist alles gut." Bei diesen Worten wurde ich wütend und konnte nicht anders als mich bei ihm ab zureagieren. "Mich beruhigen? Mich beruhigen! Messer die mich töten wollen, Teller die auf mich zu fliegen, ein Verrücktes Spielezimmer, ein Rotom was mich mit einer Hydropumpe fertig macht und eine zu instabile Decke... Willst du mich dabei Verarschen oder was?!? Das Zorua wirkte eingeschüchtert und zudem auch noch etwas niedergeschlagen. Er drehte sich etwas zur Seite und sah eine Wand an. "Du, Rotom? Ich glaube wir haben es schon wieder übertrieben." An der Wand erschien nun auch ein Rotom und sah auch ein wenig niedergeschlagen aus. "Es tut mir leid dich angegriffen zu haben." Nun sah auch wieder Zorua zu mir hinüber. "Und mir tun die Illusionen leid." "Moment mal, was?" Ich kam jetzt nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ich kenne es nur das Zoruark die Illusionen perfekt auf die Umgebung anpassen kann, aber Zorua? "Du hast die Illusionen gemacht?" Zorua wirkte etwas traurig als ich ein Geständnis von ihn hören wollte. "Ja, das war ich. Meine Illusionen kann ich höchstens eine Minute aufrecht erhalten, wenn es die Umgebung betrifft." Das würde einiges erklären, doch ich musste ja noch zu Frubberl. "Habt ihr zufällig ein Frubberl gesehen?" Rotom und Zorua sahen mich fragend an, ehe Rotom etwas einfiel. "Ein Frubberl? Ich meine es wäre hinten im Garten." Erleichtert sah ich sie an. "Danke." Schnell lief ich zum Garten hinaus, doch die Villa war so groß, dass ich erst ins Schlafzimmer und danach ins Badezimmer geriet. Draußen angekommen sah ich ein kleinen Schuppen, viele Blumen und Sträucher, aber Frubberl war nicht zu sehen. Ich ging in den Schuppen hinein, meine letzte Möglichkeit. Ich musste Frubber wieder zurück bringen und war nun so weit gekommen. Es war ein, für mich, gewöhnlicher Schuppen mit Regalen und Gartengeräten. Aber von Frubberl keine Spur. Enttäuscht sah ich mich weiter um. Vielleicht hat sich Frubberl nur versteckt? Mit neu gefasstem Mut suchte ich den Schuppen ab und sah eine Truhe. Ich musste einfach nachsehen und öffnete die Kiste. Was sich dadrin befand, konnte ich einfach nicht glauben. Es war ein kleines Stück Holzkohle. Es sah auf den ersten Blick nicht besonders aus, aber irgendwie empfand ich es als wertvoll. Es gab mir die Möglichkeit, meine Feuerattacken zu verstärken, aber von Frubberl war keine spur zu sehen.  Ich steckte mir die Holzkohle in meinen Schweif und ging. Gerade als ich heraus kam sah ich Frubberl und ging zu ihr hin. "Frubberl, ich habe mir Sorgen gemacht." Sie sah mich traurig und erschöpft an. "Ich... ich wollte mich noch einmal verabschieden... und habe mich verlaufen." Ich entschloss Frubberl auf mein Rücken zu tragen und ging mit ihr den ganzen Weg zurück zur Höhle. Nicole schlief immer noch seelenruhig und ich hatte mein kleines Abenteuer gehabt. Auf eine weiteres Abenteuer konnte ich wirklich verzichten, doch ich war heilfroh, dass sie wieder in Sicherheit war und setzte sie sanft von meinem Rücken ab. Ich spürte etwas in meinem Herzen, was ich ihr sagen wollte. "Frubberl... bitte sag mir nächstes mal Bescheid, wenn du irgendwo hingehst. Sonst mach ich mir große Sorgen, weil... Wir kennen uns noch nicht lange, aber ich habe dich wirklich gern." Mit diesen Worten legte ich mich um Frubberl herum. Ich spürte wie Frubberl langsam warm wurde, sich an mich ran kuschelte und zu mir sagte: "Ich hab dich auch gern." 07 Freaky Friday ---------------- Ich grummelte, als ich auf den Trainingsplatz stapfte. Wenn ich denjenigen in die Finger bekam, der mich der heutigen Trainingsgruppe von Luche Lazarus zugeteilt hatte, würde der sein blaues Wunder erleben. Und wenn es der Kommandant persönlich war. Das einzig Positive an der Sache war, dass Luche genauso erbost über die Einteilung zu sein schien, wie ich. Zumindest verriet mir das sein Gesichtsausdruck, als er mich entdeckte. „Na, Kröte?“, begrüßte er mich. „Na, Arschloch?“, erwiderte ich. Wir funkelten uns an. Tredd, der neben ihm stand, verdrehte die Augen gen Himmel und verzog sich. Zum Glück war die heutige Trainingseinheit nur bis zum Mittag angesetzt, nach dem Lunch gab es zwei Freistunden, bevor es nachmittags zu einem Außeneinsatz ging, für den nur die erfahrenen Gleven eingeteilt waren, soweit ich wusste. „Hast du bei der Gruppeneinteilung geschlafen?“, fragte ich rundheraus. „Sei bloß still, sonst gibt’s einen Satz hinter die Löffel!“, keifte Luche. Ich verschränkte die Arme und sah ihn erwartungsvoll an. Da er ein altgedientes Mitglied der Königsgleve war und im Rang direkt unter Kommandant Drautos stand, war es an ihm, sich eine geeignete Trainingsmethode für den heutigen Tag zu überlegen. Ich hasste ihn zwar, aber andererseits wollte ich das Training so schnell wie möglich hinter mich bringen. Und das ging am einfachsten, wenn wir konzentriert bei der Sache waren, anstatt uns die Köpfe einzuschlagen. Luches Gesichtsausdruck weichte sich auf. Er musterte mich. „Also, das Warpen hast du ja mittlerweile drauf. Schon mal Warpen und Magie kombiniert?“ „Äh, nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Dass man beides gleichzeitig ausführen konnte, war mir tatsächlich neu. Im Film hatte ich das nie bewusst wahrgenommen. Interessiert sah ich ihn an. „Also hör zu“, fing Luche an. „Das Wichtigste, wenn man Magie und Warpen kombinieren will, ist auch hier die richtige Koordination von ...“ „Auge und Hand?“, schoss ich wie aus der Pistole. Er sah mich schief an. „... Ja. Unterbrich mich gefälligst nicht, wenn ich dir schon was erkläre. Beim normalen Warpen hast du immer nur dein Kukri, um das du dich kümmern musst. Es ist Nahkampfwaffe und Hilfsmittel zum Warpen. Wenn du zeitgleich Magie wirken willst, hast du nur noch eine Hand für dein Kukri, die andere für den Magieflakon. Hast du das soweit verstanden?“ „Ja. Mit anderen Worten, ich muss aufpassen, dass ich weder mein Kukri, noch den Magieflakon aus Versehen fallen lasse?“ „Genau! Du kapierst ja doch ziemlich schnell.“ Ich verzichtete darauf, etwas auf seine Spitze zu erwidern. „Kannst du’s einmal vormachen?“, fragte ich stattdessen. „Ich zeig es dir nur einmal, okay?“ „Ja.“ Ich trat einige Schritte zurück. Luche brachte sich in Stellung und warpte los. Interessiert verfolgte ich, wie er einmal zur Spitze des Felsenturms warpte, einen mit Feuer gefüllten Magieflakon zu einem der anderen Felsen warf und wieder zurückkam. „Hast du gesehen?“ Ich nickte. „Also, jetzt will ich das Gleiche von dir sehen.“ Ich atmete einmal tief durch, griff nach meinem Kukri und schnallte mir einen Eisflakon vom Gürtel. Kukri in der Rechten, Flakon in der Linken, warpte ich drauf los. Weniger elegant natürlich, als Luche, aber ich schaffte es, ohne Schwierigkeiten und halbwegs ansehnlich wieder auf dem Boden zu landen. Wider Erwarten sah mein Lehrmeister wenig begeistert aus. „Gar nicht schlecht“, gab Luche letztendlich zu. Triumphierend grinste ich ihn an. „Dann können wir ja ins Freistiltraining übergehen“, grinste er zur Antwort. Meine Mine verfinsterte sich. Ohne ihn eines weiteren Kommentars zu würdigen, stapfte ich einige Meter weg, nahm Kukri und Magieflakon und fixierte ihn. Doch so schnell konnte ich gar nicht schauen, so flott war er weg. Ich warpte ebenfalls drauf los, um nicht von ihm überrascht zu werden. Die ersten Male gelang es keinem von uns, den jeweils anderen zu treffen. Nach mehreren Warpversuchen musste ich mich hinter einem der Felsen verstecken, um wieder zu Atem zu kommen. Ich nahm den nächsten Magieflakon zur Hand. Gerade, als ich wieder loswarpen wollte, tauchte ein Schatten über mir auf. Instinktiv warf ich meinen Flakon nach oben und traf. Die Wucht des Zaubers war so groß, dass ich auf den Boden geschleudert wurde. Etwas, oder jemand, landete krachend auf mir und mir blieb die Puste weg. Eine satte Staubwolke wurde aufgewirbelt. Ich hustete und prustete, Luche, der quer über mir lag, hustete und prustete ebenfalls. „Verdammte Kröte!“, fluchte er. Ich rollte mich herum und lag plötzlich auf dem Rücken. Der Staub legte sich langsam wieder. „Verdammter Arsch!“, erwiderte ich. Und stutzte dann. Hatte ich das grad wirklich gesagt? Oder hatte Luche das gesagt? Ich hustete noch einmal herzhaft. Das Husten klang gar nicht nach mir. Zögerlich drehte ich den Kopf zu der Stelle, an der ich von Luche runter gerollt war. Und stutzte dann. Anstatt den nervigen Blondschopf vor mir zu haben, starrte ich in mein eigenes Gesicht. „Äh ...“ Juno kämpfte sich in eine sitzende Position. Sie ließ die Augen nicht von mir. „Äh ...“, wiederholte ich. Langsam riss sie ... ich ... die Augen auf. „ÄH!?“, sagten wir beide. Die Person, die aussah, wie ich, fing an, mir ins Gesicht zu greifen. „He!“, meinte ich aufgebracht und wich zurück. Stattdessen fing sie, Juno, ... ich, jetzt an, mir selbst im Gesicht rumzufummeln. Zog an den langen Haaren und starrte entsetzt den Zopf an. Ich griff mir ebenfalls in die Haare. Besonders lang waren sie nicht. Ich griff noch mal nach ihnen und schielte nach oben, erkannte, dass sie blond waren. „Äh ...“ Juno ohrfeigte sich gerade. „Scheiße!“, fluchte sie dann. Ich sah ihr perplex dabei zu, wie sie sich auf die Füße kämpfte. Und mich dann wütend ins Visier nahm. „Das ist deine Schuld, du Göre!“, blaffte sie. Doch mehr, als einem weiteren „Äh“ bekam ich nicht raus. Juno kam auf mich zu und zerrte mich in die Höhe. „Verdammt, was hast du angestellt?“ „Ich hab nur den Magieflakon geworfen“, erwiderte ich lahm. Juno starrte mich an. Ich konnte die Rädchen hinter ihrer Stirn förmlich knattern hören. Und begriff erst jetzt, dass ich mich vielleicht selber einmal in Augenschein nehmen sollte. Ich sah an mir herab. Eine herkömmliche Königsgleven-Uniform für Männer, nichts Weltbewegendes. Ich, Juno, trug die auch. Stattdessen wandte ich mich erneut meinen Haaren zu. „Hör auf, die Frisur kaputt zu machen!“, schimpfte Juno mit mir. „Äh ...“ Sie ... ich ... sah mich, wie ich mich auf dem Platz umsah, mich am Oberarm packte und mich zu den Umkleiden zerrte. Verstohlen blickte sie sich immer wieder nach allen Seiten um. Sie schleifte mich ins Gebäude und vor den nächsten Spiegel. Ich kippte nach hinten weg, als ich mich im Spiegel sah. Juno ... Luche schaffte es nicht, mich aufzufangen, beugte sich besorgt über mich, als ich wieder mit dem Rücken auf dem Boden lag. Er ... sie sah mich besorgt an. „Kneif mich bitte mal.“ Luche ... ich zögerte keinen Augenblick. „AU! Das hat weh getan!“, beschwerte ich mich. „Und glaubst du’s jetzt?“ Ich starrte mir ins Gesicht. „Hilf mir bitte auf.“ Zwei Minuten später befingerte ich mich immer noch im Gesicht, posierte vorm Spiegel, ungläubig darüber, dass ich scheinbar mit Luche Lazarus den Körper getauscht habe. „Macht’s Spaß?“, fragte er. Luche bekam den genervten Gesichtsausdruck in meinem Gesicht viel besser hin, als ich selber. Beleidigt zog ich eine Schute. „Ey!“ Ich wollte gerade etwas erwidern, als die Tür zur Umkleide aufging. Wir rissen beide die Köpfe herum. Crowe stockte, irritiert. „Luche! Was machst du in der Damenumkleide?“ Ich spürte, wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Obwohl ich eigentlich jedes Recht hatte, hier zu sein. Nur nicht dann, wenn ich in Luches Körper steckte. „Ich musste was mit ihm besprechen“, hörte ich hinter mir. Luche, also der, der gerade in meinem Körper steckte, hatte blitzschnell geschaltet. „Und das muss unbedingt auf der Damenumkleide sein? Juno, ich weiß ja, dass du manchmal komische Neigungen hast, aber Männer in der Damenumkleide müssen nun wirklich nicht sein.“ „Ich weiß, entschuldige.“ Juno-Luche bugsierte mich auf den Gang hinaus. „Das war knapp“, meinte er-sie. „Was machen wir jetzt?“ „Komm mit.“ Wir gingen einige Meter weiter, vorbei an der Tür zu den Herrenumkleiden. Zum Glück wollte mein Körper nicht da rein. Luche führte mich noch weiter und dann ums Eck. Ich hatte noch nie geschaut, was am Ende des Gangs lag. Jetzt sah ich, dass es nur eine schnöde Ecke war, in der ein Putzwagen stand. Wir steckten die Köpfe zusammen. „Wir sollten das, was wir vorhin gemacht haben, noch mal ausprobieren“, hörte ich meine Stimme sagen. „Noch mal so einen Warpunfall? Einmal hat mir gereicht.“ „Hast du einen besseren Vorschlag?“ Ich funkelte ihn-mich wütend an. „Das ist alles nur wegen deiner blöden Attacke passiert“, knallte ich ihm an den Kopf. „Ey, hab ich den Magieflakon senkrecht nach oben geworfen, oder du?“ „Wenn du nicht so blöd angegriffen hättest, hätte ich ihn gar nicht werfen müssen.“ „Sicher, dass ihr zwei kein Problem miteinander habt?“ Wir zuckten zusammen. Crowe hatte sich unbemerkt genähert, vermutlich wegen unseres kleinen Wortgefechts. „Ich muss nur was mit ihr klären“, hörte ich mich mit Luches Stimme sagen. „Juno, stimmt das?“ Keine Antwort, zumindest keine, die ich hören konnte. „Gut, wie du meinst. Lass dich nicht von ihm ärgern, okay?“ „Ja.“ „Steht unser gemeinsames Mittagessen nachher noch?“, fragte sie dann. „Ja.“ Crowe wandte sich wieder an die Juno, die in Luches Körper steckte. „Übrigens, Drautos hat dich vorhin gesucht. Du sollst in sein Büro kommen.“ „Der Kommandant?“, fragte ich erschrocken. „Hat er gesagt, was er will?“ „Nein. Vielleicht die Schichteinteilung durchgehen? Was weiß ich, geh zu ihm und frag.“ „Okay. Sonst noch was?“ Crowe schüttelte den Kopf, wandte sich um und verschwand. Ich drehte mich wieder zu meinem eigenen Körper um. „Scheiße“, war mein einziger Kommentar. „Scheiße“, pflichtete Luche mir bei. „Shit, was mach ich denn jetzt?“ Luche griff mich am Oberarm und zerrte mich noch weiter in die Ecke. Dann steckten wir die Köpfe zusammen. „Scheiße, was mach ich denn jetzt?“, wiederholte ich ängstlich. „Drautos merkt das doch sofort, wenn du nicht du bist.“ Luche seinerseits war leichenblass. „Na ja es hilft wohl alles nichts. Da wirst du ran müssen und so tun, als wärst du ich. Möglichst glaubwürdig natürlich.“ Ich sah ihn-mich besorgt an. „Du weißt schon, dass ich dich bisher hauptsächlich als Arschloch kennen gelernt habe“, meinte ich leise. Luche machte ein Gesicht, als würde er gleich wieder explodieren, beherrschte sich aber. „Also hör zu, ich weiß nur einen Grund, warum er mich jetzt sehen will. Euch Neulingen hat man das aus gutem Grund nicht gesagt.“ Er schaute ziemlich verlegen, ehe er fortfuhr: „Das, was wir als Außeneinsatz für die altgedienten Gleven für heute angekündigt hatten, ist eigentlich ein unerwarteter Test für euch Neulinge. Mir wurde schwarz und weiß, heiß und kalt, als ich das hörte. Ein Spontantest für die Kadetten, ohne dass sie etwas davon wussten? Was dachte sich der Kommandant dabei? „Drautos weiß, dass ich mit dir beim Training bin, er hat das selber so heute morgen entschieden. Da er mich jetzt scheinbar so kurzfristig sehen will, gehe ich davon aus, dass es mit dem Test heute Nachmittag zusammen hängt. Oder die Niffen schieben ihre Truppen mal wieder herum, worauf wir antworten müssen. Das ist die einzig andere Möglichkeit, die mir einfällt.“ Ich hörte angestrengt zu. „Also wie jetzt? Wir Kadetten werden in einen Praxistest geschickt, ohne dass wir vorher darüber informiert werden? Ist das nicht höchst verantwortungslos?“ Ich war selbst überrascht, wie gefasst ich angesichts der neuerlichen Informationen klang.“ „Nein, ist es nicht. Niflheim kündigt seine Manöver in der Regel nicht an, das sind alles unvorhergesehene Einsätze. Juno, was hast du denn gedacht, was die Königsgleve ist? Eine Paradearmee?“ „Scheiße, ein Testeinsatz?! Gegen die Niffen?“ Ich fühlte, wie mir der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Luche schien weniger besorgt zu sein. „Gegen die Niffen nicht, Drautos würde nie im Leben einfache Kadetten in eine ernste Kampfhandlung schicken. Der erste Praxistest gestaltet sich in der Regel anders.“ „Wie denn?“, hakte ich nach. „Nun ja ...“, druckste er herum, erzählte es dann aber doch. Ich wurde noch blasser. „Gott, kannst du nicht mitkommen zu Drautos?“, bettelte ich. „Ich krieg das nie und nimmer hin ...“ „Spinnst du? Du weißt doch, dass er euch Neulinge in der Regel nicht sehen will.“ „Scheiße!“ „Hör zu, wir machen das so ...“ Er griff an mein Ohr. „Au!“, beschwerte ich mich. „Entschuldige.“ Ohne mich eines Blickes zu würdigen, hatte er mein Headset umgestellt, griff dann nach dem, das er am Ohr hatte. Nachdem er einige Einstellungen auch an diesem Gerät vorgenommen hatte, reichte er mir meines wieder. Ich schob es mir zurück auf das Ohr. „Okay, pass auf. Ich hab sie jetzt so eingestellt, dass ich mithören kann. Das funktioniert aber nur dann gut, wenn du mit Drautos alleine bist. Wenn noch andere Leute im Zimmer sind oder bei zu lauten Hintergrundgeräuschen hab ich Schwierigkeiten, dich zu verstehen.“ Ich nickte. „Kannst du mir Anweisungen geben?“ „Ja. Ich kann dir aber nur einmal sagen, was du antworten und tun sollst, sonst wirkt es unglaubwürdig. Du musst also gut aufpassen. Und ich hoffe, dass wir die Frequenz für uns alleine haben ...“ „Scheiße, das klappt doch nie!“ Luche schaute genauso besorgt drein, wie ich mich fühlte. „Wird schon schief gehen. Tu einfach so, als wärst du ich. Wenn er was bemerkt oder komisch schaut, ignorier es und mach einfach weiter.“ „Gott ey, du hast gut reden. Ich hab mich bei der Königsgleve eingeschrieben, nicht bei der Schauspielschule!“ „Na ja, es hilft ja nichts. Jetzt los, er wartet nicht gerne.“ Ich sah Luche noch einmal weinerlich an, drehte mich um und stiefelte davon. Auf halber Strecke musste ich mich daran erinnern, mit der entsprechenden Körperhaltung durch den Gang zu laufen, Nase oben, aber nicht zu weit. Zumindest immer dann, wenn mir Neulinge entgegenkamen. Dummerweise war einer von ihnen mein Kumpel Lucius und ich verhaspelte mich fast dabei, als ich ihn aus Gewohnheit grüßen wollte. Er sah mich irritiert an, hatte aber anscheinend so viel Respekt vor mir, also Luches Körper, um sich einen Kommentar zu verkneifen. Ich atmete einmal tief durch, als er weg war, und ging weiter. Drautos‘ Büro lag ebenfalls im Erdgeschoss, aber am anderen Ende des Gebäudes, mit Blick auf die Hauptstraße und den kleinen Platz davor. Mir liefen sonst nicht viele Leute über den Weg und der Bereich vorm Büro des Kommandanten war verlassen. „Okay, bin da“, meinte ich. „Klopf einmal an und geh dann rein. Er ist das so gewohnt“, rauschte es aus meinem Headset. Ich tat, wie geheißen. Drautos sah nicht einmal auf, als ich eintrat. Ich blieb etwa einen Meter vor seinem Schreibtisch stehen, nahm Haltung an und schwieg. Der Kommandant war auf ein Blatt auf seinem Schreibtisch fixiert. Von meiner Position aus konnte ich nicht erkennen, was es war. „Ah, Luche, da bist du ja“, meinte Drautos, als er zwischendrin aufblickte. Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, aber ich ließ mir nichts anmerken. „Wie läuft’s mit den Grünschnäbeln?“ Luches Antwort kam umgehend in mein Ohr und ich versuchte, sie so professionell wie möglich wiederzugeben: „Gut. Die Basics haben sie inzwischen im Blut, beim Freistil könnte der ein oder andere aber noch etwas mehr lernen.“ Ob er damit gezielt mich meinte, oder es sich um eine generelle Einschätzung handelte, war mir schleierhaft. „Hm, ging dieses Mal ja richtig schnell im Vergleich zu sonst.“ Wieder bekam ich Informationen über das Headset. Wieder antwortete ich, so gut ich konnte: „Sir, wir haben dieses Mal vielleicht einige Ausnahmetalente dabei, die die anderen mitziehen.“ Drautos verschränkte die Arme. „Gut. Und bist du heute mit Ofilius weitergekommen?“ Ich bekam fast einen Hustenanfall. Der Kommandant legte den Kopf schief. Ich musste mich beherrschen, damit mir das Blut nicht ins Gesicht schoss. „Stimmt was nicht?“, hakte Drautos nach. „Nein Sir, ich komm nur gerade vom Training mit ihr.“ Was ja der Wahrheit entsprach und wofür ich nicht mal einen vorgesagten Text von Luche brauchte. „Und?“ „Äh, wie und?“ Ich war verwirrt. Luche hatte über das Headset ebenfalls nichts gesagt, und auch sonst hörte ich nichts aus dem kleinen Gerät. Ob Luche überhaupt noch in der Leitung war, war mir schleierhaft. „Du meintest letztes Mal, dass wir sie gegebenenfalls aussortieren müssen, sie wär wohl die Einzige in dieser Gruppe von Nachwuchsgleven. Nach deinem Bericht zu urteilen, sind die Rekruten soweit, um erstmals auf die Welt da draußen losgelassen zu werden. Ich muss an der Stelle wissen, ob jeder von ihnen dazu in der Lage ist, sich in freier Wildbahn zu verteidigen. Nach deiner jüngsten Einschätzung hab ich mir Gedanken gemacht und hielt es für sinnvoll, sie heute ausnahmsweise direkt mit dir trainieren zu lassen. Hat sie sich mittlerweile verbessert?“ „Äh ...“ Innerlich kochte ich vor Wut. Was sollte ich darauf sagen? War ich wirklich so schlecht, dass ich mich nicht als Königsgleve eignete? Ich hatte eigentlich geglaubt, mich durch das Training in den vergangenen Wochen stark verbessert zu haben. In Anbetracht der Tatsache, dass ich quasi erst mitten in der Grundausbildung eingestiegen und nicht von Anfang an dabei war, hielt ich dies für eine achtbare Leistung. Ich war stärker und ausdauernder geworden, beherrschte inzwischen den Nahkampf mit Kukris ziemlich gut, wobei ich natürlich in einem ernsthaften Kampf nicht gegen eine der Altgleven ankommen würde, aber trotzdem. Hielt man, Luche, mich für so schlecht, dass ich die Einheit würde verlassen müssen? Oder lag diese Einschätzung nur daran, dass er mich schon auf dem Kieker gehabt hatte, noch bevor ich überhaupt in Lucis gelandet war? Drautos räusperte sich vernehmlich. „Sir? Wir sollten sie wenigstens am ersten Praxistest teilnehmen lassen. Aussortieren können wir sie hinterher immer noch.“ Der Kommandant zog eine Augenbraue nach oben. „Wenn du das sagst. Dann kannst du den Grünschnäbeln die frohe Kunde heute beim Mittagessen überbringen. Nachmittags geht’s für sie in die freie Wildbahn.“  *** „Bist du völlig übergeschnappt?“, keifte Luche, der noch immer in meinem Körper steckte. „Fick dich!“, antwortete ich rundheraus. Es war kurz vor Mittag und ich eigentlich auf den Weg zur Kantine, als Luche mich abgefangen und in einen unbenutzten Besprechungsraum gezerrt hatte. Obwohl ich, also er, eigentlich mit Crowe zum Mittagessen verabredet war. Aber besser so, statt dass er Crowe irgendwelchen Scheiß erzählt. ‚Oder dass sie ihm erzählt, was ich über ihn lästere‘, dachte ich. Jetzt funkelten wir uns wieder an. „Bist du wirklich der Meinung, dass ich nicht zur Gleve tauge, oder hast du das Drautos nur erzählt, weil du mich auf dem Kieker hast?“ „Herrgott, Juno, meine Aufgabe ist es, zu jedem Neuling eine Einschätzung abzugeben“, erklärte Luche. „Ich bin schließlich Drautos‘ Stellvertreter, wie du vorhin selbst meintest. Da er nicht selber mit euch trainiert, obliegt es mir, eine valide Einschätzung abzugeben. Glaubst du etwa, du bist die Einzige, die ich für unfähig halte?“ Gekränkt sah ich in mein eigenes Gesicht. „Ich scheine ja die einzige Ausnahme der Gruppe zu sein, die die Regel bestätigt.“ Ich hörte mich mit meiner Stimme seufzen. „Jetzt bin ich wieder der Böse, war ja klar“, hörte ich meine Stimme resigniert sagen. „Juno, ist dir vielleicht schon mal in den Sinn gekommen, dass meine Einschätzung auch eurer eigenen Sicherheit dient? Dort draußen seid ihr auf euch allein gestellt. Davon müsst ihr immer ausgehen, trotz dass die Gleven in Teams losgeschickt werden. Es kann immer vorkommen, dass du von deiner Mannschaft getrennt wirst, oder jemand verletzt ist und du alleine kämpfen musst. Wir müssen uns Hundertprozent auf euch verlassen können. Denn auch wenn wir eine Kampftruppe sind, steht unsere eigene Sicherheit immer an oberster Stelle.“ Immer noch gekränkt sah ich ihn an. Seine Erklärung klang schlüssig, weshalb es mich umso mehr schmerzte. „Es wäre bei weitem höflicher gewesen, nicht bis zum letzten mit deiner Einschätzung zu warten. Dann hätte ich mir die vergangenen Wochen hier sparen und mir stattdessen eine andere Arbeit suchen können. Hätte mir und euch Zeit erspart“, erwiderte ich pampig und drehte mich um. Ich wollte den Raum verlassen, aber Luche hielt mich am Oberarm zurück. „Verdammt, Juno, heulst du jetzt?“ „Was erwartest du denn? Glaubst du, es ist schön zu erfahren, dass die ganzen Extratrainingseinheiten, die Crowe mit mir nach Feierabend absolviert hat, scheinbar völlig umsonst waren?“, erklärte ich, kurz vorm Heulkrampf. Irritiert sah er mich an. „Crowe hat mit dir trainiert?“ „Ja, stell dir vor. Klingt das so unglaubwürdig?“ „Wie oft?“ „Mehrmals die Woche“, grummelte ich. Er rieb sich am Kinn. Ich wandte mich wieder um und öffnete die Tür. „Jetzt warte doch!“ Luche kam mir hinterher und wollte mich wieder zurück in den Raum schieben. Ich stemmte mich gegen ihn, was mir wider Erwarten ziemlich leicht fiel. Ich schob es darauf, dass ich in seinem muskulösen Körper steckte. Trotzdem hatte er mich in Windeseile wieder in dem Raum und versperrte mir jetzt noch dazu den Weg nach draußen. „Wag es bloß nicht, in meinem Körper heulend da rauszulaufen!“ „Wenn ich heule, ist es deine Schuld!“ Ich verschränkte die Arme und sah auf ihn, meinen eigenen Körper, herab. Er sah mich verbissen an. Ich konnte ihn förmlich denken hören. Und meinen Magen, der mittlerweile lautstark vor Hunger knurrte. „Na schön, hör zu. Vielleicht hab ich eine Lösung für das Problem“, fing Luche an. „Ich schau, dass ich dich heute durch den Praxistest bringe. Dadurch gewinnst du erst einmal Zeit. Dafür lässt du die Trainingseinheiten mit Crowe bleiben und trainierst stattdessen mit mir.“ Ich war baff. Luche hatte sich mir gegenüber immer nur wie ein Arschloch benommen und jetzt wollte er mir auf einmal helfen? Dem Frieden traute ich nicht. „Also was sagst du?“, fragte er, nachdem ich fünf Minuten lang geschwiegen hatte. „Ich finde es ja nett, dass du mir helfen willst, aber haben wir nicht gerade ein ganz anderes Problem?“ „Darum können wir uns danach kümmern.“ „Können wir? Ich finde, es ist gerade unser Hauptproblem, wenn ich ehrlich sein soll.“ Luche legte den Kopf schief. „Vielleicht ist es auch nur deshalb passiert, damit ich dir helfe?“, konterte er. „Haha, sehr witzig. Ich versteh nicht, warum du mir überhaupt helfen willst.“ „Weil mein Training anders gestrickt sein wird als das von Crowe, das kann ich dir versprechen. Crowe ist üblicherweise nicht hart genug zu euch ...“ Ich schluckte. „Wenn du es so sagst, klingt es wie eine Drohung.“ „Ist es auch. Wenn wir das heute durchstehen und noch dazu so viel Glück haben, dass wir unsere Körper wieder tauschen, dann wirst du die nächsten Wochen keinen freien Abend mehr haben.“ Mir klappte die Kinnlade nach unten. „Jetzt guck nicht so. Für mich bedeutet das schließlich auch weniger Freizeit.“ „Ja. Aber warum willst du mir jetzt auf einmal helfen? Versteh ich nicht.“ „Vielleicht, dass du auch einfach endlich mal lernst, dass ich kein Arschloch bin?“ „Aha.“ Ich klang wenig überzeugt. „Ansonsten kannst du natürlich auch einen konstruktiven Vorschlag bringen. Irgendwelche Ideen?“ „Nein. Aber noch mal zurück zu dem Einsatz heute. Wo werde ich dann sein? Also ich als du? Mit Drautos auf irgendeiner Anhöhe die Übung überwachend? Ich glaube kaum, dass ich dich so gut imitieren kann, dass es ihm nicht auffällt. Das hat vorhin nur geklappt, weil es nur zehn Minuten waren. Wenn ich ein paar Stunden mit ihm rumstehen muss ...“ „Dann müssen wir unseren kleinen Unfall von vorhin wiederholen, wir beten dafür, dass wir unsere Körper dadurch wieder getauscht bekommen, und du darfst selbst zum Praxistest antreten.“ Ich grummelte ihn an. „Was machen wir, wenn sich unser Körpertausch mitten im Einsatz rückgängig macht?“ „Dann spurte ich los zu deiner letzten Position und rette dich, wenn es sein muss.“ „... Du machst mir ja Freude.“ „Ich bin für jeden konstruktiven Vorschlag offen.“ „Scheiße!“ „Kriegen wir schon hin. Du hast dich vorhin in Drautos Büro ziemlich gut geschlagen.“ Mein, sein Gesicht hellte sich auf. „Ehrlich?!“ „Ehrlich“, gab er verlegen zu. „Und jetzt komm mit, du musst mir und den anderen ja noch verkünden, dass es für uns heute zum Praxistest geht.“ „Scheiße, du hast Recht!“ „Und hör auf, ständig ‚scheiße‘ zu sagen! Ich sag das nicht, jedenfalls nicht so häufig.“ Luche griff mich am Arm und zog mich nach draußen auf den Gang. ***   Ich saß am Steuer eines der Einsatzbusse und lenkte ihn zur Coernix Tankstelle an der Cauthess Umgehungsstraße. Drautos saß neben mir auf dem Beifahrersitz und ich hatte entsprechend Schweißtropfen auf der Stirn. Einerseits, weil das Steuer des Kleinbusses gewöhnungsbedürftig war. Andererseits, weil wir uns anschwiegen, seit wir die Mauern Insomnias verlassen hatten. Luche war über das Headset auf der anderen Leitung und hörte unser Schweigen. Doch würde der Kommandant etwas sagen, würde er mir nicht helfen können. Wenn ich, also mein körperliches ich, in dem anderen Bus plötzlich anfing, scheinbare Selbstgespräche zu führen, sorgte das nur für zusätzliche Verwirrung. So war die Stille zwischen mir und dem Kommandanten vermutlich doch ganz nützlich. Luche hatte mir zuvor erzählt, dass der Außeneinsatz für Neulinge üblicherweise darin bestand, drei Kujatas fertig zu machen. Ich war blass geworden bei der Erinnerung an die überdimensionierten Rindviecher. Selbst im Spiel war eines allein kein leichter Gegner. Mit Noctis und seinen Freunden traute ich mich frühestens dann an eines heran, wenn der Prinz Level 50 oder so erreicht hatte. Entsprechend froh war ich, dass ich jetzt in Luches Körper steckte und das Spektakel aus der Entfernung verfolgen konnte. Vorausgesetzt natürlich, es blieb bei unserem kleinen Malheur. Die Tankstelle war wenig besucht. Ich parkte den Bus halbwegs ordentlich vor dem Wohnwagen, und wir stiegen aus. Der Trupp aus dem zweiten Bus gesellte sich zu uns. Insgesamt zwölf Neulinge trollten sich auf dem Parkplatz, begleitet von Drautos und mir. Luche hielt sich im Hintergrund, begleitet von Diane und Lucius, die von unserem kleinen Unfall ebenfalls nichts wussten. Jetzt musste ich nicht nur Luche möglichst glaubwürdig schauspielern, sondern er musste wahrhaftig so tun, als sei er ich, damit meine Freunde keinen Verdacht schöpften. Verstohlen warfen wir uns einen Blick zu, ehe ich einen digitalen Feldstecher aus unserem Bus kramte. Derweil hatte Drautos Ordnung in die Bande gebracht. Respektvoll haben sie Haltung vor dem Kommandanten angenommen, Luche dabei aufrechter als alle anderen. ‚Seit wann hab‘ ich so eine große Oberweite?‘, dachte ich irritiert. ‚Und mein Zopf sieht auch anders aus ...‘ Der Kommandant sagte einige Worte zum Einsatz und schickte die Neulinge dann los. Ich nickte meinem eigenen Gesicht noch einmal zu, Luche nickte unauffällig zurück, und wandte sich dann um, um den anderen Glevenkadetten zu folgen. Ich gesellte mich zu Drautos, sich abseits zu halten, würde nur Verdacht erregen, hatte Luche mir zuvor eingeschärft. Von den voll ausgebildeten Gleven, die eine halbe Stunde vorher ebenfalls hierher losgeschickt worden waren, um zur Not eingreifen zu können, war weit und breit nichts zu sehen. Ich ging davon aus, dass sie sich irgendwo versteckt positioniert hatten. „Hast du dich mit Ofilius angefreundet?“, fragte Drautos aus dem Nichts heraus, an einen der Busse gelehnt und der Meute interessiert hinterherblickend. Ich zuckte zusammen. „Nein, Sir, wie kommt Ihr darauf?“, fragte ich erschrocken. „Weil sie ständig in deine Richtung schaut. Läuft da was? Luche, du weißt hoffentlich noch, wie ich zu Beziehungen am Arbeitsplatz stehe ...“ Mir war gleichzeitig heiß und kalt. Was sollte ich denn bitte jetzt sagen? „Eh, Sir ...“ „Hm?“ Ich schwieg beklommen. „Oder war etwas im Training?“ „Eh, nein, Sir. Das Training war nur etwas ... intensiver, als sonst.“ „Mhm?“ „Na ja, wir hatten einen kleinen Unfall ...“, erklärte ich. „Oh, aber doch hoffentlich nichts Ernstes, oder?“ „Nein, Sir, vielleicht werde ich ein paar blaue Flecken davon tragen, aber das war es auch schon.“ „Ach so. Das ist gut zu hören. Wär‘ ja nicht auszudenken, wenn du plötzlich verletzungsbedingt ausfallen würdest.“ „Danke, Sir.“ „Dann müsste ich all den Papierkram selber machen, du weißt ja, wie sehr ich das hasse.“ „Ja, Sir.“ Ich fragte mich, ob das der einzige Grund war, warum Luche Drautos‘ Stellvertreter war. Weil er den Papierkram gut erledigte? Umgehend hatte ich ein schlechtes Gewissen. Der Kommandant wird Luche ja wohl nicht nur deshalb als Stellvertreter ausgewählt haben, sondern weil er ihm vertraute. Ich schluckte. Weil er ihm blind vertrauen konnte, vielleicht? Unweigerlich glitten meine Gedanken zu dem Putsch, durch den König Regis sein Leben verlieren würde. Ob der Verrat des Kommandanten und eines Teils der Gleve schon im Gange war? In den wenigen Wochen, die ich hier war, hatte ich keine Anhaltspunkte dafür finden können. Andererseits konnte ich mich als einfache Kadettin auch nicht so frei bewegen und überall herumschnüffeln, um mehr herauszufinden. Selbst eine voll ausgebildete Gleve würde dabei unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „LAZARUS!“ Ich zuckte wie ein Kaninchen zusammen und fuhr zu Drautos herum. „Hörst du mir überhaupt noch zu?“, fragte der Kommandant aufgebracht. „Äh ... entschuldigung!“ „Also nicht, was ist eigentlich mit dir los?“ „Bin noch durcheinander von dem Unfall heute morgen.“ „Ah ja, hast du dich durchchecken lassen?“ „Sir?“ „Beim Arzt, habt ihr euch durchchecken lassen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist?“ „Äh, nein, Sir.“ Drautos legte den Kopf schief. „Wenn die Übung vorbei ist, geht ihr zum Arzt!“ „Aber ...“ „Lazarus! Das war ein Befehl!“ Ich zog den Kopf ein. Da hatte ich mich und Luche ja in einen schönen Schlamassel gebracht. Wenigstens hatte Drautos das Thema Beziehung am Arbeitsplatz fallen lassen. Ich sah auf die Ebene hinaus, auf der es vor Magieflakons nur so zuckte. Die Neulinge schienen sich ziemlich gut zu schlagen, eines der Kujatas war bereits am Boden und rührte sich nicht mehr. Leider konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen, wer von meinen Kollegen sich gut schlug und wer eher nicht, aber ich betete für Diane und Lucius. Bei Luche machte ich mir keine Sorgen, rechnete aber damit, dass er, also mein Körper, am nächsten Tag einen fiesen Muskelkater haben würde. Luche würde alles aus ihm herauskitzeln. „Dein Mündel stellt sich gar nicht mal so schlecht an ...“, meinte Drautos und reichte mir den Feldstecher. „Äh, mein Mündel? Ofilius?“ „Wer denn sonst? Oder habt ihr doch was miteinander ...?“ „Wir haben gar nichts miteinander!“, erklärte ich lauter, als ich beabsichtigt hatte und lief hochrot an. Ich spürte Drautos‘ Blick auf mir. „Ah ja ...“, war sein einziger Kommentar. Ich sah durch das Fernglas. Tatsächlich, Luche hängte sich ordentlich rein und gab dem Kujata, das noch den fittesten Eindruck machte, Saures. Diane und Lucius unterstützen ihn nach Leibeskräften und gingen immer wieder auf die Extremitäten des Rindviehs los, während Luche sich eher auf den Kopf konzentrierte. „Trainierst du heimlich mit ihr?“, fragte Drautos. „Äh, nein, Sir.“ „Mhm. Erinnert mich aber ziemlich an deine Art zu kämpfen, wenn ich ehrlich sein soll.“ Ich nahm den Feldstecher wieder vom Gesicht. „Ach, die schaut sich das Meiste nur ab, hab ich das Gefühl.“ „Mhm, ist das so?“ „Ja. Manche sind im Kopieren halt besser als im Trainieren.“ „Und darum wolltest du sie aussortieren?“ Der Kommandant sah mich schief an, aber ich ignorierte ihn. Wir konzentrierten uns wieder auf den Kampf, der sich dem Ende neigte. Die Kadetten brachten das letzte Kujata zu Fall und machten sich auf den Weg zurück zu uns. „Sehr schön, ich glaub, so eine vielversprechende Nachwuchstruppe hatten wir lange nicht mehr.“ Ich nickte unmerklich. Die Neulinge überwanden die Straße und warpten zu uns vor die Busse. Sie schnauften und schwitzten zwar etwas, aber das war in Anbetracht ihrer Gegner wohl auch nicht verwunderlich. Nur Luche sah nicht so aus, als hätte er sich groß angestrengt. Er hatte keine erkennbaren Schweißperlen auf der Stirn. ‚Wie macht er das?‘, fragte ich mich. Als der Kommandant sich vor sie hinstellte, nahmen die Glevenkadetten wieder Haltung an. „Rührt euch!“, befahl Drautos umgehend. Sie lockerten sich wieder etwas, bis auf Luche. Ich versuchte, ihm zuzunicken, damit er sich ebenfalls entspannte. Wenn ich in seinem Körper nicht „scheiße“ sagen durfte, musste er in meinem locker stehen, wenn der Kommandant das befahl. Auch wenn es nicht seine Art war. Er schien mich nicht zu bemerken, aber Lucius stupste ihn dann mit dem Ellbogen in die Seite. Luche sah verwirrt zu ihm, entspannte sich aber merklich. „Kadetten, gut gemacht! Kujatas gehören selbstverständlich nicht zu unseren Hauptgegnern, der heutige Test sollte lediglich euren Kampfgeist und euer Teamwork zutage fördern. Diejenigen unter euch, die sich nach diesem Test unsicher sind, ob die Königsgleve tatsächlich den richtigen Job für sie bietet, empfehle ich, eine Nacht darüber zu schlafen. Die Auswertung des Tests erhaltet Ihr morgen von Leutnant Lazarus persönlich. Je nach Ergebnis könnt ihr euch entscheiden, ob ihr weitermacht, oder nicht. Wegtreten!“ Ich zuckte unmerklich. Da stand mir ja eine lange Nacht bevor, wenn ich für zwölf Gleven Einsatzberichte und Bewertungen tippen musste. Überhaupt, wie sahen die Dinger aus? Und woher würde ich die Information bekommen, ob sich einer gut angestellt hatte, oder nicht? Vom Kommandanten? Ich verfluchte mich dafür, nicht besser aufgepasst zu haben. Vielleicht hatte ich nachher beim Aussteigen eine Möglichkeit, mir Luche zu krallen und ihn dazu zu befragen. Gedankenverloren stolperte ich zum Bus und kroch auf den Fahrersitz. Die Rückfahrt nach Insomnia verlief ereignislos. ***   „Kröte, warum hast du nicht besser aufgepasst?“, hörte ich meine Stimme niedergeschlagen säuseln. „Woher sollte ich denn wissen, dass allein meine Bewertung in die Ergebnisse einfließt“, ereiferte ich mich. „Das ist doch völlig sinnfrei!“ Luche erwiderte nichts darauf. Sobald wir in der Hauptstadt angekommen und Drautos sowie die Kadetten sich getrollt hatten, hatten wir uns davon gemacht. Diane und Lucius hatten schief geschaut, als Luche ihnen erklärt hatte, er, sie hätte noch etwas Privates zu erledigen. „Kannst du die Dinger nicht für mich schreiben?“, fragte ich. „Dein Glück, dass ich schon davon ausging, dass es so kommt. Also hör zu, du tippst und ich diktier dir, was du schreiben sollst.“ „Okay. Dann müssen wir nur einen möglichst ungestörten Ort finden.“ „Warum? Du hockst dich an meinen Schreibtisch, und ...“ „In deinem Büro? Vergiss es!“ „Warum?“ Luche war ehrlich verwirrt. „Es sieht vielleicht blöd aus, wenn Drautos uns schon wieder gemeinsam sieht ...“, erklärte ich. Seine Verwirrung wich Besorgnis. „Hat er was gemerkt?“ „Na ja, er fand mein Verhalten heute Nachmittag wohl seltsam. Und er glaubt, wir hätten eine Affäre ...“ Luche packte mich am Kragen. „Was hast du angestellt, Ofilius?“, fragte er bedrohlich leise. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich hab gar nichts angestellt, aber ihm ist aufgefallen, dass du vorhin häufiger zu mir geschaut hast ...“ Er wurde blass und ließ mich wieder los. „Shit!“ „Sei doch froh“, meinte ich lapidar. „Was wirklich los ist, weiß er nicht.“ „Na toll! Und du meinst, Gerüchte darüber, wir hätten was, sind so viel besser?“, fragte er. „Äh ... Drautos ist eine Klatschbase?“ „Nein“, versicherte mir Luche. „Aber die Berichte in meinem Büro tippen is‘ nicht mehr. Ich sitz‘ direkt vor seinem und mit den Berichten werden wir etwas länger beschäftigt sein, er wird dann schon Feierabend machen. Gott, wenn er uns wieder gemeinsam sieht ...“ „Können wir es nicht wieder über das Headset machen?“, schlug ich vor. Er brummte undamenhaft, was ich als Bestätigung wertete. „Im Schreiben bin ich nicht schlecht.“ Was nicht mal gelogen war. Das Tippen an Schreibmaschine oder Computertastatur lag mir im Blut, hatte es von der Pike auf in der Schule und später in meiner Ausbildung gelernt und schrieb auch zum Privatvergnügen häufiger mal. Und da sich das hiesige Alphabet nicht von demjenigen unterschied, das ich von zuhause kannte, vermutete ich, dass eine Gewöhnung an eine etwas anders gestaltete Tastatur nicht so schwer sein würde. „Das will ich für dich hoffen, ich will nämlich nicht die ganze Nacht damit zubringen.“ „Dann sollten wir uns beeilen“, meinte ich. „Sollten wir“, stimmte Luche zu. Wir wandten uns um, nur um in Diane hinein zu laufen. Wir blieben überrascht stehen. „Äh, Luche und Juno, was macht ihr hier?“, fragte sie irritiert. „Nichts“, war meine prompte Antwort. Luche stupste mich in den Rücken. „Jedenfalls nichts, das dich etwas anginge“, fügte ich ruppiger hinzu, als Diane es verdient hatte. Sie hatte allen Grund, verdutzt zu sein. Luche und ich waren keine Freunde, das war kein großes Geheimnis innerhalb der Gleve. Und Diane wusste, dass ich mit ihm so meine Schwierigkeiten hatte, wenn auch nicht, warum. Wenigstens würde sie jetzt also nicht auf den Trichter kommen, dass wir eine romantische Beziehung miteinander hätten. „Na ja, ist auch egal, ehrlich gesagt.“ „Schön.“ Diane sah mich abschätzig an, ehe ihr Blick zu Luche wanderte, der in meinem Körper steckte. „Juno, steht unser Mädelssaunaabend heute noch?“ Ich stockte. War das heute? „Mädelssaunaabend?“, hörte ich dann auch meine eigene Stimme sagen, piepsig. „Mädelssaunaabend!“, bestätigte Diane. „Wir haben es doch auf heute geschoben, weil es dir letzte Woche nicht so gut ging, erinnerst du dich nicht mehr?“ Doch, natürlich erinnerte ich mich. Ich hatte meine Periode bekommen und wollte in dem Zustand einfach nicht eine Sauna. „Außerdem wollten wir doch mit Crowe beratschlagen, was wir Libertus schenken könnten. Er hat doch nächste Woche Geburtstag und kümmert sich immer so rührend um uns.“ „In der Sauna?“, hakte ich nun selber, mit Luches Stimme, nach. Diane warf mir nur einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder meinem Körper zuwandte. „Äh ...“, hörte ich meine eigene Stimme. „Jetzt sag nicht, dass du heute auch nicht kannst!“ Ich traute mich nicht, mich zu meinem eigenen Körper umzudrehen. Luche war vermutlich kurz vor einem Ohnmachtsanfall, zumindest stellte ich mir das so vor. „Äh, ich äh, ... muss noch was erledigen ... Kann ich n-nachkommen?“, hörte ich meine Stimme stammeln. Diane wirkte enttäuscht, nickte aber. „Aber beeil dich bitte, ja?“ „Ja ...“ Meine Freundin warf uns nacheinander einen Blick zu, drehte sich um und ging. „Mädelssaunaabend?“, hörte ich es keine zwei Sekunden später leise hinter mir. Ich drehte mich puterrot zu Luche um. „WAS?!“ „Ihr Mädels trefft euch abends in der Sauna?“, wollte er wissen. „Ja, ab und zu. Gibt’s ein Problem damit?“ „Crowe trifft sich da mit euch?“ Ich verschränkte die Arme. „Muss ich da hin?“ „Err ... Na ja wir wollten uns das Geschenk für Libertus überlegen.“ „Warum hast du das letzte Woche nicht machen können?“, fragte Luche. „Weil ich letzte Woche meine Blutung hatte, Schlauberger, wie sieht das denn aus, wenn’s unten rot rausläuft?“ Luche wurde blass. „Keine Sorge, die kommt nur einmal im Monat. Weißt du eigentlich gar nichts über Frauen?“ „Äh ... soll ich da jetzt hingehen oder soll ich ihr absagen?“, fragte er mich stattdessen. Ich seufzte. „Ist wohl besser, wenn du hingehst. Die sind eh schon alle misstrauisch.“ „Scheiße! Ich kann doch nicht in die Damensauna ...!“ „Warum? Du bist doch momentan auch eine Dame? Müsstest dich nur mehr wie eine verhalten, damit es nicht auffällt ...“ „Ey, ich werd‘ eine langjährige Kollegin und wer weiß wen noch nackt sehen ...!“ Er wirkte leicht panisch. Ich legte den Kopf schief. „Also, du stürzt dich mit Feuereifer in jedes Gemetzel, das die Niffen dir bieten, aber vor nackten Frauen hast du Angst?“, hakte ich nach. „Nackten Kolleginnen!“ „Man wickelt sich ein Handtuch um ...“ „Ein Handtuch? Und wenn was runter rutscht?“ „Gott, Luche, jetzt sag mir nicht, dass du in deinem Leben noch nie eine nackte Frau gesehen hast ...!“ „Doch, aber doch nicht ein komplettes Rudel aus nächster Nähe!“ „Da sind auch Männer drin ...“ Luche machte ein Gesicht. „Nein, keine Kollegen! Darauf achten wir“, fügte ich schnell hinzu. Er atmete inzwischen schwer. „Luche ...“, beschwörte ich ihn. „Tief durchatmen ... Weißt du, es wird gar nicht auffallen, wenn du vor Scham rot wirst. Immerhin bist du in einer Sauna, da kriegt jeder schnell einen roten Kopf von der Hitze.“ Er beugte sich nach vorne und stützte sich mit den Händen auf den Knien ab, versuchte aber, ruhiger zu atmen. Allmählich beruhigten sich seine Nerven wieder. „Du meinst wirklich, ich soll da hingehen?“ „Ja ...“ Obwohl mir nicht wohl bei dem Gedanken war. „Ich war noch nie in einer Sauna ...“ „Oh, na ja. Dann mute dir am Anfang nicht zu viel zu. Setz dich auf eine der unteren Bänke, da ist es weniger heiß. Außerdem kannst du jederzeit während eines Aufgusses raus gehen, wenn dir schwummrig wird. Und denk bitte dran, dich vorher zu duschen und dich immer aufs Handtuch zu setzen.“ „Eh, du kennst dich ziemlich gut aus mit Sauna.“ „Ja, wie gesagt, ich geh öfters mal in eine. Auch gerne mal alleine, tatsächlich.“ „Mhm, so genau wollte ich es jetzt nicht wissen ...“ „Können wir dann? Es wäre gut, wenn du noch relativ rechtzeitig hin kommst.“ „Dann sollten wir uns schnell an die Berichte setzen. Wenn ich in der Sauna hocke, kann ich dir nicht helfen.“ „Dann los.“ Wir machten uns auf den Weg. Wo Luches Büro lag, wusste ich. Er hatte erklärt, sich in der Trainingsarena in eine versteckte Ecke zu verkrümeln und mir von dort aus zu diktieren. Ich solle nur jeden Kadettennamen nennen, damit er wusste, um wen es ging. Drautos hatte zwischendrin den Kopf rein gesteckt und sich verabschiedet. Mir war regelrecht ein Stein vom Herzen gefallen, als der Kommandant weg war und Luche in meinem Körper einige Augenblicke später auftauchte. Ich hatte nur noch einen Bericht zu schreiben, meinen eigenen. Luche sah sich die schon beschriebenen Blätter an. „Ich muss zugeben, gar nicht schlecht, Kröte.“ „... Ich bin keine Kröte“, erwiderte ich leise. „Nein. Also hopp, weg da, mach Platz!“ „Huh? Aber ich bin doch noch nicht fertig ...“ Luche scheuchte mich von seinem Stuhl. „Was ist denn jetzt?“ „Deinen Bericht werde ich selber schreiben. Sonst schreibst du noch irgendwas rein, was ich gar nicht diktiert habe. Oder diskutierst mit mir oder sowas.“ „Stimmt doch gar nicht!“, beschwerte ich mich. Luche ignorierte mich jedoch und tippte drauf los. Mir fiel auf, dass er im Schreiben etwas langsamer war als ich, aber ich sagte nichts. Zehn Minuten später hatte er den Bericht fertig und legte ihn zu den anderen. Ich versuchte, darauf zu schielen und etwas zu erkennen, aber er griff schnell nach dem Stapel und beförderte ihn aus meiner Reichweite. Ich grummelte. „Du wirst es auch nicht früher als alle anderen erfahren.“ „Danke für deine gute Bewertung von Diane und Lucius“, entgegnete ich. „Ist mein Job, die Leute vernünftig zu bewerten.“ „Umso mehr interessiert mich, was du bei mir geschrieben hast.“ „Vergiss es! Und jetzt ab mit dir, ich muss noch in eine Sauna, wie du sehr wohl weißt.“ Ich sah ihn schief an. „Vorhin hast du noch so ausgesehen, als müsste ich den Krankenwagen rufen. Woher der Sinneswandel?“ „Ich hatte mittlerweile Gelegenheit, darüber nachzudenken“, brummte Luche. „Eigentlich kann es ja nur von Nutzen sein, etwas Privates über dich zu erfahren.“ „Ok, ich glaub, ich sag doch ab“, meinte ich und wollte zu meinem Handy greifen. Luche hielt mich davon ab. „Vergiss es, nach dem ganzen Theater, was ich mit dir heute schon mitmachen musste, hab ich eine Belohnung verdient.“ „Hallo? Ich hab die Berichte getippt und bei Drautos Gerüchte ausgebügelt, die erst gar nicht entstanden wären, wenn du heute nicht die ganze Zeit zu mir geschaut hättest!“, konterte ich. „Und? Ich bin nicht derjenige, der eine Verabredung zum Mädelssaunaabend die Woche davor verschoben hat“, sinnierte er süffisant. Am liebsten wär ich ihm an die Gurgel gesprungen. „Komm schon, ein bisschen Spaß hab ich mir verdient.“ Ich sah in pikiert an. „Hör mal, es ist nicht so leicht, den ganzen Tag jemand anderen zu spielen.“ „Ich musste dich ja auch vertreten! Aber da fällt mir ein, was machst du jetzt eigentlich noch? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.“ „Bin eigentlich mit Nyx, Pelna und Libertus zum Körbe werfen verabredet, aber das werd‘ ich absagen!“ „Huh?! Was soll das denn jetzt?“ „Es ist schon schwer genug, wenn ich vor Crowe und deiner Freundin dich spielen muss, noch dazu nackt. Meinst du, Nyx und die anderen merken nicht, dass ich nicht ich bin, wenn du in meinem Körper steckst und keine Körbe triffst?“ „Du Arsch! Soll ich mich also abends in deine Bude hocken und Däumchen drehen?“ „Du kannst auch fernsehen und dir eine Pizza bestellen, aber nicht von meinem Geld. Gern geschehen!“ Luche packte die Berichte in einen abschließbaren Schrank, machte einen Schlüssel von seinem Bund ab und reichte ihn mir. „Hier. Wo ich wohne, weißt du ja. Wehe, in meiner Bude sieht es aus wie im Saustall, wenn ich wiederkomme!“ Ich sah ihn empört an. „Ich soll mich in deine Wohnung hocken und du machst dir einen schönen Abend in der Sauna?“ „Hey, das mit der Sauna war nicht meine Idee!“ Wir funkelten uns angriffslustig an. „Falls es morgen immer noch so ist, wie jetzt, wiederholen wir unseren Warpunfall von heute Vormittag“, meinte ich bestimmt. „Auf jeden Fall!“, pflichtete Luche mir bei. Wir verließen sein Büro. ***   Ich stand splitterfasernackt vor dem Spiegel in Luches Wohnung und betrachtete mich aus allen Winkeln. Seine Wohnung war unverschämt groß, wie ich fand, größer, als ich Nyx‘ Wohnung aus dem Film in Erinnerung hatte, aber da hatte man auch nur ein großes Zimmer gesehen. Luches Wohnung lag halbwegs verkehrsgünstig, befand sich in einer höheren Etage eines Wohnkomplexes und blickte auf einen nach Westen ausgerichteten Balkon hinaus. Unweit befand sich ein kleiner Park. Ich seufzte, wenn ich an meine eigene Bruchbude dachte und daran, was Luche wohl dazu sagen würde. Zum Glück hatte ich meinen Goldfisch tags zuvor noch gefüttert, bevor ich mich auf den Weg ins Glevenhauptquartier gemacht hatte. Und vielleicht war Luche meinem Fisch gegenüber ja umsichtiger als mir gegenüber. Nachdem ich in seine Bude gekommen war, hatte ich die Kampfstiefel und die Jacke ausgezogen und war zunächst in der Küche verschwunden, um die mitgebrachte Fertigpizza in den Ofen zu schieben. Sie hatte nicht lange gebraucht, um Aufzubacken und halb verhungert hatte ich mich darüber hergemacht. Danach hatte ich ein ausgiebiges Bad genossen, war aber immer wieder irritiert, dass mir meine Möpse fehlten, ich stattdessen aber etwas zwischen den Beinen hängen hatte. Ziemlich viel, wie ich mit einer gehörigen Portion Schamesröte festgestellt hatte. Ich versuchte, nicht so genau darüber nachzudenken, und starrte an die Decke des weiß gefliesten Bads. Sogar ein Fenster hatte es, Frechheit! Ich betete wirklich dafür, dass ich aus diesem Albtraum in einem Traum am nächsten Morgen aufwachen und alles so wie immer sein würde. Dass der Körpertausch nie stattgefunden hätte und dass Luche, also der echte Luche, jetzt nicht gerade in meinem Körper steckend in der Damensauna saß und erfuhr, was wir in der Regel so alles über die Männer schwatzten. Am meisten sorgte ich mich dabei um Diane. Ich hoffte, dass es dieses Mal wirklich hauptsächlich um das Geschenk für Libertus ging. Wenn Diane wieder davon anfing, wie heiß sie Luche fand ... ‚Obwohl, wenn Crowe dabei ist, hält sie sich zurück‘, überlegte ich. Trotzdem war mir unwohl bei dem Gedanken, dass meine Freundin vielleicht zu viel ausplaudern könnte. Was würde Luche nur denken, er musste ja glauben, dass wir alle verrückt waren. Ich wusch mich in der Wanne und beendete das Bad, nur um dann gedankenverloren vor dem Spiegel stehen zu bleiben und mich, Luches Körper, zu betrachten. Diane hatte Geschmack, das musste man ihr lassen. Oder vermutlich einfach nur den richtigen Riecher, was gut gebaute Typen betraf. Ich beschloss, die Sauna die Tage selbst einmal aufzusuchen. Wenn alles wieder richtig war, ich wieder in meinem Körper, Luche in seinem, ganz allein vor sich hingammeln und sich einen schönen Tag machen. Unabhängig davon, welches Ergebnis Luche nun in den Bericht geschrieben hatte. Ob er mich tatsächlich durchkommen lässt und die folgenden Wochen mit mir trainiert? Ich schluckte schwer. Seine Drohung, jeden Abend mit mir zu trainieren, hatte ich vollkommen vergessen. Was sollte ich Diane und Lucius erzählen, warum ich abends plötzlich mit Luche statt mit Crowe trainierte? Dass Crowe heimlich mit mir trainierte, wussten sie. Aber wie sollte ich Luche erklären? Noch dazu tagtäglich, wie er es angekündigt hatte? Ich warf die Hände über den Kopf. Das wurde ja alles nur noch komplizierter, statt einfacher. Vor allem, wie sollte ich es Diane erklären, dass ich ihren heimlichen Crush zum Training traf? Nur er und ich? Das würde sie nie verstehen. Von Drautos und seinem Wahn, wir hätten eine Affäre, ganz zu schweigen. Deprimiert stapfte ich ins Wohnzimmer hinüber und ließ mich nackt, wie die Götter Luche geschaffen hatten, ins Bett fallen. Am nächsten Tag erwachte ich mit einem fiesen Brummschädel. Etwas hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Ich drehte den Kopf herum, doch das Etwas wollte einfach nicht verschwinden. Ich grummelte unter der Bettdecke und rollte mich herum, nur um vollends aus dem Bett zu fallen. „Au! ... S’s aber kalt hier!“ Ich rollte mich auf den Rücken. Und stellte dann verdattert fest, dass ich in meiner eigenen Wohnung war. Wie eine Rakete schoss ich hoch und flitzte zur Eingangstür, an der seit geraumer Zeit jemand die Klingel putzte. Ich riss die Tür auf, nachdem ich einmal durch den Spion gelinst hatte, griff nach Luches Kragen und zog ihn in meine Wohnung. „Und?“, fragte ich ihn entgeistert. „Du Kröte!“, erwiderte er. „Es war nicht abgesprochen, dass du dich nackt ins Bett legst!“ „Und es war nicht abgesprochen, dass du an meine Möpse gehst!“, konterte ich. Er lief rot an. „Ich bin nicht an deine Möpse gegangen!“ „Doch! Meinst du, mir ist nicht aufgefallen, dass du die gestern ausgestopft hast, damit sie größer aussehen?“, warf ich ihm vor. „Huh? Beim Test? Ich hab gar nichts dergleichen, mich nur aufrechter gehalten, als du. Solltest du auch mal probieren, ist gesünder für die Wirbelsäule!“ Wir funkelten uns an. „Arsch!“ „Kröte!“ Luche verschränkte die Arme. „Was redet ihr eigentlich immer über mich, wenn ihr euren Saunaabend macht, huh?“ „Geht dich nichts an!“ Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich leicht. „Habt ihr euch ein schönes Geschenk für Libertus überlegt?“, fragte ich stattdessen. Zu gerne hätte ich gewusst, was gestern Abend in der Sauna besprochen worden war. Vor allem über die Männer. Dass das Thema angeschnitten worden war, hatte mir Luches Reaktion verraten. Aber keine Einzelheiten, die würde er vermutlich auch nicht rausrücken, zumindest nicht, solange ich ihm die Infos liefern würde, die ihn interessierten. Ich hatte also keinen blassen Schimmer, was das Geschenk für Libertus sein würde und ob ich irgendeinen Auftrag deswegen zum Erledigen bekommen hatte. „Arsch! „Kröte!!“ Am liebsten wollte ich ihm an die Gurgel springen, doch bevor es dazu kam, läutete sein Handy. Luche warf einen Blick drauf. „Scheiße, wir müssen los!“, meinte er und schob mich ins Schlafzimmer zurück. „Wieso, wie spät ist es?“, fragte ich, während ich meine Glevenausrüstung zusammensuchte. „Halb neun, beeil dich, Juno!“ „Scheiße! Halb neun? Hast du nicht auf die Uhr geschaut, als du hergekommen bist?“ Noch nie hatte ich die Uniform so schlampig wie heute angezogen. In Windeseile waren wir das Treppenhaus hinunter und zur nächsten Bushaltestelle geflitzt, ehe Luche entschied, dass wir mit Warpen doch schneller zum Glevenhauptquartier kommen würden. Trotzdem waren wir fast eine halbe Stunde zu spät, als wir in den Besprechungsraum kamen, in dem Drautos mit den anderen Prüflingen bereits wartete. Ich zog den Kopf ein und flitzte am Kommandanten vorbei zu meinem Platz zwischen Diane und Lucius, während Luche Aufstellung neben Drautos bezog und anfing, über den Praxistest vom Vortag zu schwadronieren. Drautos‘ hochgezogene Augenbraue entging mir nicht. 08 Blind Date ------------- „Ich bin wieder da.“ „Willkommen zurück“, rufe ich aus der Küche und lasse das Wasser ab. Ich schnappe mir das Geschirrtuch, um meine Hände zu trocknen, bevor ich ins Wohnzimmer trete. „Wo warst du den ganzen Morgen? Wir haben ohne dich gefrühstückt. … Blumen? Hast du einen Verehrer?“ Ukyo tritt aus dem Flur, in voller Montur bekleidet. Verunsichert sieht er auf den Strauß Rosen, den er in der Hand hält. Dann wieder zu mir. „Nein, das …“ „Hast du etwa eine heimliche Geliebte?“, stichle ich weiter. Ich denke unweigerlich, dass sie für Hanna sein müssen. Aber dass Ukyo ihr Blumen kauft und so offensichtlich mit heim trägt, sieht ihm nicht ähnlich. Nicht, wie ich ihn kenne. „Nein. Die … die sind für dich.“ „Für mich?“ Ich grinse nicht länger. Irritiert starre ich auf die Rosen, rot und noch nicht ganz erblüht. Wer sollte mir Rosen schenken? „Also, Ukyo … Das ist zwar lieb von dir, aber ich dachte, wir wären nur Freunde?“ „Was, nein! Die sind nicht von …!“ „Was ist denn los?“, kommt Orion hinzu und sieht fragend zwischen uns her. „Ukyo hat mir Rosen geschenkt.“ „Die sind nicht …!“ „Ehrlich?“ Orion scheint genauso überrascht wie ich. Er sieht auf die Rosen, dann zu Ukyo hoch. „Ukyo, magst du Shizana so sehr? Ich dachte immer, jemandem Rosen zu schenken, bedeutet … Warte, bist du etwa …?!“ „NEIN!“ Ukyo brüllt förmlich. Sein Gesicht ist bis zu den Ohren errötet. Er schüttelt vehement mit dem Kopf. „Es ist nicht das, wonach es aussieht. Ich sagte doch, die sind nicht von mir! Sie sind für dich, aber sie sind nicht von mir! Mann, wieso müsst ihr mich ärgern …“ Mir tut fast leid, dass Ukyo so leidend dreinblickt. Ich frage mich kurz, ob wir wirklich zu gemein zu ihm waren. „Sorry.“ Ukyo reicht mir den gebundenen Strauß, schützend gehüllt in einen schlichten Papierbogen. Sein rosiger Duft breitet sich vor mir aus, nimmt den gesamten Raum für sich ein. „Von wem sind die?“ „Da steckt eine Karte drin“, sagt Ukyo. Ich blinzle fragend und greife in den Trichter hinein. Nach kurzem Suchen werde ich fündig und ziehe das Kärtchen heraus, lese ihren Inhalt. „Was steht da? Von wem sind sie?“, drängt Orion voll Neugier. „Keine Ahnung“, sage ich und zucke die Schultern. „Da steht nur: »Triff mich heute 15 Uhr im ‚Meido no Hitsuji‘. Ich warte auf dich.« Das ist alles.“ „Kein Name?“ „Kein Name.“ „Ist das ein Date? Hast du einen Verehrer?“ Orion verlangt nach der Karte und ich gebe sie ihm. Er scheint zu überlegen, schüttelt dann aber den Kopf. „Die Schrift kenne ich nicht. Denkst du, dass es Luka ist? Er würde so etwas machen, meinst du nicht?“ „Schon“, überlege ich. „Aber er hätte mir auch einfach eine Nachricht schreiben können. Oder anrufen können. Oder mir irgendwo auflauern. Wäre ja nicht das erste Mal.“ „Wirst du hingehen?“, fragt er weiter. Ich zögere einen Moment. „Ich weiß nicht, von wem die Blumen kommen. Ich arbeite im Meido, jeder dort kennt mich. Wenn es nicht Luka ist, könnten Gerüchte entstehen je nachdem, wer es ist. Und wenn er es doch ist, sorgt das nur wieder für Tumult. Aber wenn er es nicht ist und es herauskriegt …“ Ich mag mir gar nicht vorstellen, was die Folge wäre. So besitzergreifend wie Luka sich gibt, wird er gewiss eine Szene machen. Ich überlege, ob ich ihn seit meiner Zeit je so richtig eifersüchtig erlebt habe. „Vielleicht solltest du nicht gehen“, meint Orion zweifelnd. Ich sehe zu Ukyo. „Von wem hast du die Blumen? Irgendjemand muss sie dir doch gegeben haben“, konfrontiere ich ihn. „Das … kann ich nicht sagen“, weicht er mir aus und hebt seine Mütze vom Kopf. In einer beklommenen Geste streicht er sich über den Schopf. „Aber mir wäre auch wohler, wenn du nicht gehst. Das Ganze ist irgendwie …“ „Irgendwie?“, hake ich nach, doch Ukyo beendet den Satz nicht. Er windet sich in Ausflüchten, die immer verhaspelter werden. Irgendwann flieht er aus der Befragung, brüllt etwas von „Warum immer ich?!“ und verschanzt sich in seinem Zimmer. Orion und ich bleiben ratlos zurück. Wir debattieren noch einige Zeit die Für und Wider, finden aber keine wirklich zufriedenstellende Antwort auf diese drängende Frage: Gehen oder nicht gehen, was wäre die klügere Wahl?   Um fünf vor drei betrete ich das »Meido no Hitsuji«. Toma ist es, der mich empfängt, und an einen freien Tisch führt. Wie es scheint, hat niemand nach mir gefragt, und auf mich warten tut auch keiner. „Was tust du hier? Hast du heute nicht frei?“, bemerkt Toma und reicht mir die Karte. Eigentlich unnötig, ich kenne unser Menü vollständig auswendig. „Ich versuche, etwas herauszufinden“, sage ich und lege die Karte unbeachtet zur Seite. Prüfend sehe ich mich um. Ein paar Gesichter kommen mir bekannt vor, Stammgäste und dort drüben sitzen einige Mädchen vom Fanclub. Oh Gott, ist Ikki etwa auch da? Das ist schlecht, ganz schlecht! „Ich bin verabredet“, knirsche ich missmutig. „Oh, wirklich? Etwa mit Luka-san?“ ‚Das weiß ich nicht‘, will ich sagen, unterlasse es jedoch. Still hoffe ich, dass er es ist. Das würde mir einige Fragen ersparen. Toma erkundigt sich nach meinen Wünschen, und ich bestelle einen Cappuccino. Es ist seltsam, mich von ihm bedienen zu lassen und live zu erleben, was ich sonst nur beobachte. Ich muss lachen, als er mich mit „Herrin“ betitelt, und auch er lächelt verlegen. Doch es hilft nichts, Waka würde es nicht dulden, würde er mich gesondert behandeln. Sawa bemerkt mich, und kurz darauf auch Mine. Sie gönnt mir nur einen missbilligenden Blick, während Sawa ohne Umschweife auf mich zusteuert. „Was machst du denn hier? Du hast heute doch frei, dachte ich“, überfällt sie mich. „Hi Sawa“, grüße ich und lächle verkrampft. Das ist ja noch viel schlimmer, als befürchtet. „Habe ich auch, aber ich bin verabredet. Frag mich nicht … Ich weiß selbst nicht, mit wem und warum.“ „Ist das etwa … ein Blind Date?!“, platzt sie heraus. Ich muss sie erinnern, ihre Stimme zu senken. „Was, echt jetzt? Oh Mann, und dann auch noch ausgerechnet hier? Und du weißt nicht, wer es ist?“ „Nein“, sage ich und seufze. „Aber derjenige sollte bald hier sein. Sofern er mich nicht versetzt, oder alles nur ein Scherz ist … Wir sind zu um drei hier verabredet. Hat schon jemand nach mir gefragt?“ Sie schüttelt den Kopf, dann hören wir, wie jemand die Tischglocke bedient. Wir sehen zu dem Herren und warten, doch Mine lässt sich nicht blicken. Nach einem Moment seufzt Sawa, verspricht gleich zurück zu sein, und verschwindet zu dem wartenden Gast. Derweil bringt Toma mein Getränk. Ich bedanke mich und rühre in der Tasse herum, nehme einen ersten, tastenden Schluck. Die Wärme trägt dazu bei, dass ich mich ein wenig entspanne. Wer mag mein ominöses Date nur sein? Während ich Sawa bei der Arbeit beobachte, überlege ich still, welche Kandidaten in Verdacht stehen. Kento erscheint mir unwahrscheinlich, Shin gleich noch viel weniger. Eigentlich sieht es keiner meiner Bekanntschaften ähnlich, dass er oder sie rücklings, auf so verhaltene Weise, aus eigenem Antrieb heraus … Ein Schatten lässt sich auf den freien Platz mir gegenüber nieder. Ich höre das wohlige Seufzen, sehe in ein bekanntes Gesicht, und schaffe es nicht, die Bedeutung hinter allem auf Anhieb zu verstehen. „Hach, geschafft. Mann, war das aufregend! Ich hätte fast nicht von allein hergefunden, haha. Oh, tut mir leid. Bin ich zu spät? Ich bin zu spät, oder? Wollen wir vielleicht erst bestellen? Oh, das hast du bereits. Und, schmeckt es gut?“ Mein Gegenüber lacht ausgelassen, beinahe kindlich. Ich brauche einen langen Moment, um zu begreifen, was vor sich geht. Aber … das vor mir, ist doch … „Niel?!“ Der Geisterkönig lacht übers ganze Gesicht. Ordernd hebt er den Arm, nicht ahnend, wie falsch dieses Verhalten hier ist. „Was kannst du empfehlen? Ich kenne mich mit menschlicher Nahrung nicht besonders gut aus. Gibt es hier Schwarzen Tee, mit viel Zucker? Kuchen ist auch lecker! Orion hat mich darauf gebracht. Entschuldigung, junge Dame?“ Mine steht bei unserem Tisch, verwirrt, wie ich sie nie zuvor gesehen habe. Gewohnt hält sie Notizblock und Stift bereit, scheint aber unsicher, wie sie auf meine Begleitung reagieren soll. Ich räuspere mich. „Niel … In diesem Café ruft der Gast nicht nach der Bedienung, jedenfalls nicht mit Worten. Die Bedienung nimmt den Gast in Empfang und führt ihn an einen Platz. Wenn der Gast etwas wünscht, läutet er mit der Glocke.“ Unterstreichend weise ich auf das goldene Tischglöckchen, welches mittig vor uns steht. „Oh!“, bemerkt Niel seinen Fehler und erhebt sich abrupt. „Ich bitte um Verzeihung. Es ist mein erstes Mal an so einem Ort. Ich war mir dieser Gepflogenheiten nicht bewusst“, erklärt er und verneigt sich, was es nur schlimmer macht. Mine steht ratlos da, versucht ihn mit Winken und Wedeln zu beruhigen. Ihr Lächeln wirkt krampfhaft. Ich bitte sie, uns etwas Zeit zu geben. Als sie außer Sicht ist, neige ich mich zu Niel herüber. „Was machst du hier? Sag nicht … Waren die Blumen etwa von dir?“ Na klar! Jetzt, da ich es ausgesprochen habe, macht alles einen Sinn. Ich frage mich, wie ich nicht darauf hatte kommen können! Blumen. Niel arbeitet in einem Blumengeschäft. Ukyo. Er hat regelmäßig Kontakt zu ihm. Und er war nicht begeistert gewesen. Natürlich nicht, es ist Niel, verdammt nochmal! „Haben sie dir gefallen?“, fragt er und zeigt sein stolzestes Lächeln. „Ich habe die Schönsten gewählt, die ich im Geschäft hatte! Ukyo hat gesagt, Rosen drücken Verehrung aus. Und wenn es um Dates geht, sind sie unverzichtbar. Sag, hat es geklappt? Haben sie ihre Botschaft an dich übermittelt?“ „Was soll das Ganze?“, herrsche ich ihn an, bemüht, meine Lautstärke im Griff zu behalten. „Ein Date, wir beide? Wer hat dich denn auf so eine Idee gebracht? Ukyo? Nein, das glaube ich nicht … Seit wann haben Götter überhaupt Dates? Könnt ihr damit überhaupt etwas anfangen? Und dann auch noch ausgerechnet hier … Ich arbeite hier, wie du weißt! Was denkst du, was die anderen denken, wenn ich …“ Ich halte mich an. Niel besieht mich mit einem Blick, so unschuldig wie der eines Kindes. Nur dass er ein Mann ist, augenscheinlich zumindest. Ich erinnere mich, dass ich ihm unrecht tue. Woher soll er auch wissen, was er verbockt hat? Und warum es für mich so schlimm ist? Ich kann nicht erwarten, dass er solch komplizierte Zusammenhänge versteht. „Tut mir leid.“ „Ist schon in Ordnung“, meint er und lächelt versöhnlich. Seine Hand sucht nach der meinen. „Verrate mir, was habe ich falsch gemacht? War es falsch, die Blumen zu schicken?“ „Naja …“ „Hätte ich sie dir persönlich bringen sollen? Ukyo hielt das für keine gute Idee. Er wollte mir erst nicht helfen, sie an dich zu überbringen. Aber als ich ihn an unsere schönen gemeinsamen Zeiten erinnert habe, war er doch einverstanden. Wir haben uns schon so oft gegenseitig geholfen! … Hm, aber vielleicht hätte ich es diesmal besser doch selbst tun sollen.“ „Das ist nicht das Problem“, will ich erklären, stoppe jedoch im nächsten Atemzug. Dort vorne, beim Tresen, steht Ikki. Oh nein, zu spät, er hat uns entdeckt. Toma steht bei ihm und erzählt irgendwas, wobei er unmissverständlich in unsere Richtung nickt. Kurz darauf setzt sich Ikki in Gang, steuert direkt auf uns zu. Ich will augenblicklich im Boden versinken. „Welch angenehme Überraschung“, grüßt er und lächelt auf eine Art, die mich betroffen wegsehen lässt. „Ich habe nicht erwartet, dich heute zu sehen. Was führt dich an deinem freien Tag auf die Arbeit? Und darf man fragen, wer der gutaussehende Herr an deiner Seite ist?“ Ich registriere am Rande, wie Ikki sich höflich verneigt. Er spielt seine Rolle vorbildlich wie immer, aber etwas verrät mir, dass seine Haltung gespannt ist. Niel stellt sich ihm vor. Ich bin erleichtert, dass er nichts weiter zu seinem Wesen und seinen Absichten ergänzt. Danach wendet er sich zur Speisekarte und überlegt untertont. „Hm, was würde sich in dieser Situation eignen? Ah, ich weiß! Wir hätten gern den »Servant’s Strawberry Love«-Eisbecher für Zwei. Das ist doch für ein Date angemessen, oder nicht?“, fragt er und sieht zu mir. Ich hebe meine Tassen vors Kinn. „Mir ist nicht wirklich nach Eis“, murmle ich gegen den Rand. Still wünsche ich, einfach im Boden zu versinken. „Ich bedaure zutiefst“, spricht Ikki im höflichen Ton, „aber der Küche stehen im Moment keine Kaltspeisen zur Verfügung. Es gibt ein Problem mit den Kühlsystemen.“ „Oh, dann …“ Niel blättert in der Karte herum. Ich weiß, dass mit Ikkis Aussage sämtliche Partnermenüs aus der Wahl fallen. Auf wirklich jedem findet sich Eis oder Sahne, und sei es nur als süßer Dekor. „Wenn ich meine Empfehlung aussprechen dürfte“, meldet sich Ikki zu Wort. „Unsere Küche bereitet hervorragende Soufflés, wahlweise in süß oder herzhafter Version. Ich persönlich kann das Schokoladensoufflé nur wärmstens empfehlen. Mit etwas Bananenmousse on top ist es für den süßen Geschmack kaum zu überbieten.“ „Ist es wirklich so gut?“, fragt Niel an mich gewandt. Ich nicke verwirrt. Seit wann empfehlen wir Toppings zum Soufflé? Das hat mir noch niemand gesagt und ich bin mir sicher, im Menü steht auch nichts davon. Ist das wieder so ein Probelauf, den Waka überzeugt als „strategischer Taktikwechsel“ beschreit? Möglich wäre es wohl, aber irgendwie bezweifle ich es. „Ken hat Windbeutel gemacht“, zwinkert Ikki mir verheißungsvoll zu. Augenblicklich ist alles vergessen. Windbeutel von Kento! Oh, will haben, will haben! „Gut, dann vertraue ich dir. Ich nehme ein Soufflé. Und du …?“ „Vielen Dank. Ich werde Eurem Wunsch umgehend nachkommen“, spricht Ikki und verbeugt sich galant. Schon ist er verschwunden. Was war das jetzt gewesen? „Hier ist es nett“, sagt Niel und lächelt mich an. „Ein schöner Ort um zu arbeiten. Du hast hier viele Freundschaften geschlossen, nicht wahr? Ukyo auch. Als wir zusammen waren, waren wir oft hier gewesen. Nicht direkt hier, aber an diesem Ort. Er schafft so viele schöne Erinnerungen.“ Ich nicke bestätigend. Eine Weile schwelge ich in Gedanken, erinnere mich an meine Zeit in dieser Welt zurück. Es erscheint mir ewig her, dass sie mir fremd war. Dass all das nicht mehr als ein Spiel war, eine Visual Novel dazu, mit einigen Fortsetzungen und Specials, die mir alle vertraut waren. Doch jetzt ist alles real, nichts ist fiktiv. Ich wüsste zu gern, von welchen Erinnerungen Niel da explizit spricht. „Erzähl, wie geht es dir? Bist du mit deiner Suche nach Antworten schon weitergekommen? Oh, das ist bestimmt kein Thema für ein Date, richtig? Hm, worüber spricht man bei einem Date? Hm, hm … Ah, ich weiß! Erzähl mir etwas über dich! Was ist dein Lieblingsessen? Welche Blumen magst du am liebsten? Magst du lieber Bus oder Bahn fahren?“ „Moment mal“, unterbreche ich ihn. Ich bemühe mich, möglichst ernst dreinzusehen. „Zum Ersten: Das hier ist kein Date. Zum Zweiten: Wie kommst du nur auf dieses Thema? Haben Götter nichts anderes zu tun, als auf Dates zu gehen? Weißt du überhaupt, was ein Date ist?“ „Wenn zwei Liebende Zeit miteinander verbringen?“ „Da haben wir’s schon! Wir sind keine Liebenden, wir … Du bist … Ich habe einen Freund“, sage ich und hadere kurz, wen ich damit eigentlich meine. Meinen Freund in der realen Welt, oder Luka, der hier aus-welchen-Gründen-auch-immer mein ‚Freund‘ ist. „Kann man deswegen kein Date haben?“, fragt er unschuldig. Darauf habe ich keine Antwort. „Man sollte es nicht“, nuschle ich kleinlaut. Das scheint mir verlogen, immerhin habe ich hier einen Freund, obwohl ich in einer realen Beziehung bin. Mit der ich glücklich bin – war, wie auch immer. Aber das habe ich mir ja nicht ausgesucht! „Also war es falsch?“, meint Niel mit trauriger Stimme. Als ich ihn ansehe, wirkt er zutiefst deprimiert. „Ukyo meinte auch, das sei nicht richtig. Aber er sagte auch, ein Date zu haben sei mit das Schönste der Welt. Und weil er so glücklich gewirkt hat, wollte ich wissen, wie das ist. Ich wollte es so gern verstehen. Aber es war falsch, dich zu fragen, nicht wahr? Ich wusste nicht, dass die Person, die man fragt, eine so große Rolle dabei spielt.“ Ich will beleidigt sein, kann es aber nicht. Es ist immerhin Niel, der hier vor mir sitzt. Dass er solche Dinge nicht versteht, die für uns ganz banal sind, scheint mir irgendwie logisch. In einer aufbauenden Geste greife ich seine Hand. Sie ist warm, wie die eines Menschen. Vor mir sitzt nicht der Gott, wie ich ihn im Spiel kenne. Der Niel mir gegenüber ist ein Mensch. Ein ganz gewöhnlicher Mensch mit seinen Lücken und Schwächen, wenn auch einige mehr als bei anderen Leuten der Fall. Wir lächeln uns an. „Vielen Dank für die Geduld“, bricht Ikki dazwischen und stellt sich neben uns auf. Toma ist bei ihm und tut es ihm gleich. „Für den Herrn ein Schokoladensoufflé mit Mousse on top. Auf Empfehlung des Hauses servieren wir einen Eiskaffee Schoko dazu. Für die verehrte Dame, mit besonderem Gruß aus der Küche, ein Windbeutel mit Kirschfüllung.“ Mir läuft regelrecht das Wasser im Mund zusammen, als Toma den Teller vor mir lächelnd platziert. Ikki serviert parallel, und die Gerichte sehen nicht minder vorzüglich aus. Ich greife nach der Gabel und will mir den ersten Happen voll süßer Sahne zu Gemüte führen, als es mir auffällt. Ikki und Toma stehen weiterhin bei uns. Obwohl ihre Arbeit getan ist, rührt sich keiner vom Fleck. Hinten beim Tresen bemerke ich Mine und Sawa, die gebannt in unsere Richtung sehen. Und beim Durchgang zur Küche, uff, observieren Kento und Shin und tuscheln sich zu. Der Verdacht schlägt auf mich ein wie ein Blitz. In einem Ruck springe ich auf und fasse Niel bei der Hand. „Warte! Lass mich probieren.“ Niel besieht mich fragend, sagt jedoch nichts. Etwas wackelig lenkt er den Löffel voll luftiger Masse in meinen Mund. Ein stechender Hauch steigt mir in die Nase. Ich lasse mir den Happen auf der Zunge zergehen, ganz vorsichtig nur, und wie gedacht: Ich schmecke eine scharfe, senfige Note heraus. Sie breitet sich ungehindert in meinem Mund aus, überdeckt die Schokolade schließlich komplett. Ich zwänge den Bissen hinunter. Ein höhnisches Brennen bleibt an Zunge und Gaumen zurück. „Wir gehen“, sage ich und wühle die Geldbörse hervor. Ohne weiteren Kommentar lege ich einige Yen auf den Tisch, schultere Mantel und Tasche und trete vom Tisch. „Mir ist etwas eingefallen, wo wir hingehen sollten. Die haben aber nicht lange geöffnet. Kommst du?“ Niel ist in Eile, meinen Worten zu folgen. Ich weise ihn an, vor mir zu gehen, schubse ihn geradezu vor mir her. Im Vorbeigehen sende ich einen vorwurfsvollen Blick durch die Runde. Einige meiner Kollegen sehen betreten zur Seite. Ich kann nicht fassen, was sie versucht haben. Aber das werden wir klären. Später, bei meiner nächsten Schicht im »Meido no Hitsuji«.   „Wo gehen wir hin?“ Gebremst von Niels Frage halte ich an. Ich halte ihn bei der Hand, um ihn hinter mir herzuziehen. Ein wirkliches Ziel habe ich nicht, wie ich bemerke. Ich wollte nur weg, schleunigst nur weg vom Café und irgendwohin, wo niemand uns kennt. Jetzt doch etwas verlegen lasse ich seine Hand los. Ich wende mich seitlich, ohne mich umzusehen, und streiche mir einige lose Haare aus dem Gesicht. „Hör mal, wegen dieser ganzen Date-Sache … Wir sollten nicht …“ Ich bringe den Satz nicht zu Ende. Niel sieht mich erwartungsvoll an. Ich weiß nicht, was er erhofft, aber es ist sicher nicht das, was ich im Begriff bin, zu tun. Was hatte er noch gesagt, vorhin im Café? Verdammt, das kann ich nicht bringen. Ich lächle versöhnlich. „Wir sollten das Date nicht so passiv gestalten. Dates sind schließlich dazu da, einander besser kennenzulernen. Wie wär’s, bummeln wir ein wenig durch die Stadt? Vielleicht finden wir etwas, das wir gemeinsam haben. Darauf könnte man aufbauen. Und vielleicht finden wir noch ein anderes nettes Café, in das wir uns setzen und ein wenig unterhalten können. Ohne die Aufsicht von Butlern, die einen zu vergiften versuchen.“ Niel reagiert fragend, stimmt aber zu, was uns beiden ein Lächeln beschert. Ich wende nichts ein, als er meine Hand nimmt und zielsicher voranführt. Er scheint eine genaue Vorstellung zu haben, wohin er uns führt, und ich lasse ihn machen.   Zu dem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass unser Date nicht so verlaufen sollte, wie wir es hofften. Ich bemerkte nichts von der auffälligen Frau, die vor dem »Meido no Hitsuji« just ihr Handy bediente. Ihr umsorgender Anruf galt der einzigen Person, die in diesem Chaos noch fehlte. Und jene war so gar nicht erfreut über das, was Rika erzählte. 09 Überraschung --------------- Ich nagte an meinen Fingernägeln, mittlerweile war ich mir nicht mehr so sicher, ob das eine so gute Idee war. Jeder kannte sein Temperament und das war alles andere als friedlich. Die Idee kam mir spontan, als ich seinen Onkel erneut traf. Natürlich hatte ich zuerst gefragt, ob er wirklich der Onkel war. Er war erstaunt, als er hörte, dass sein Neffe noch lebte. Ich erzählte ihm, was ich wusste. Er war schockiert gewesen, die Reaktion von ihm wirkte so echt, dass ich ihm glaubte, dass er wirklich nicht wusste, wie sein Bruder wirklich war. Warum seine Schwägerin starb. Er hatte mir erzählt, dass sein Neffe Anfang Herbst geboren wurde, also hatte ich beschlossen, eine kleine Feier zu organisieren, auch wenn dies hier ein sehr unbekannter Brauch war, zumindest unter der gewöhnlichen Bevölkerung. Adlige hingegen nutzten jede Möglichkeit, um zu feiern und mit ihrem Reichtum zu prahlen, in dem sie herrliche Bälle veranstalteten. Avram und seine Enkelin hatten mir bei den Vorbereitungen geholfen, genauso wie Keira, alle anderen waren skeptisch geblieben, wollten teilweise am liebsten gar nichts mit der Sache zu tun haben. Schließlich kannten Geralt und Eskel ihn seid er klein war und sie waren überzeugt, dass er keine Überraschungen mochte und alle aus seiner Vergangenheit hasste. Vesemir hingegen unterstützte mich zumindest moralisch ein wenig und hatte auch einen passenden Ort gefunden, wo die Feier stattfinden konnte. Er hatte sich strikt geweigert, es in Kaer Morhen zu machen, da so der Standort noch mehr Fremden offenbart werden würde. Er hatte es immer noch nicht überwunden, dass so viele Fremde mittlerweile wussten, wo die Festung war und dass ich einige vermeintliche Monster dorthin geführt hatte. Dabei ignorierte er die Tatsache, dass gerade diese dazu beigetragen hatten, die Wilde Jagd zu besiegen.     Aber für einen Rückzieher war es jetzt zu spät, es war alles organisiert. Das Essen verbreitete bereits einen verführerischen Duft und die Getränke waren dank der Zauber von Keira kalt gestellt. Die Musiker standen bereit und alle Gäste waren anwesend. Es fehlte nur noch das Geburtstagskind. Gaetan hatte dafür gesorgt, dass er die letzten Tage immer abgelenkt war und Keira war gerade dabei, die beiden aufzuspüren und hier her zu bringen. Die Katze hatte einen verdammt guten Job gemacht, ihn abzulenken und gleichzeitig einige Freunde aufzuspüren und sie einzuladen. So standen nicht nur die Hexer Wolfsschule hier, sondern ebenfalls ein paar der Katzenschule, die Zauberinnen Yennefer und Triss, Ciri fehlte natürlich ebenfalls nicht. Avram war mit seiner Enkelin Kyrill natürlich ebenfalls vor Ort. Auch Regis und Dettlaff waren aufgetaucht.   Eine schwere Hand legte sich auf meine Schulter, „Was ist los? Du siehst besorgt aus.“ Wurde ich angesprochen. Ich drehte mich nicht um, sondern lehnte mich einfach zurück an die Brust meines Hexers. „Ich hoffe, dass Eskel und Geralt nicht doch recht hatten und dies eine dumme Idee war.“ Seufzte ich. Er schlang seine Arme um mich, „Es wird schon zu keiner Katastrophe kommen. Außerdem weißt du, dass er gerne Zeit mit seinen Freunden verbringt und die sind alle hier.“ Beruhigte er mich ein wenig. Ich summte zustimmend und atmete tief durch. Letho hinter mir beugte sich ein wenig zu mir runter und hauchte mir einen Kuss in den Nacken. „Aber lass dir ja nicht in den Sinn kommen, solch eine Zirkus für mich veranstalten zu wollen.“ Murmelte er an mein Ohr. Jetzt drehte ich mich zu ihm um. „Wieso? Eine Feier hättest du dir auch verdient.“ Entgegnete ich. Er schüttelte den Kopf, „Die meisten würden dir da wohl nicht zustimmen, außerdem wäre es wohl eine sehr einsame Feier.“ Meinte er. „Das stimmt nicht, alle hier Anwesenden würden sicherlich auch zu einer Feier zu deinen Ehren kommen.“ Er schüttelte erneut den Kopf, „Nein, außerdem verbringe ich meine Zeit lieber mit dir alleine.“ Lächelte er. Ich wurde ein wenig rot, „Wenn das so ist, das lässt sich sicherlich arrangieren.“ Flüsterte ich. Bevor wir das Thema jedoch vertiefen konnten, hörten wir von draußen lauten Stimmen. „Was soll das Keira? Was sollen wir hier im Nirgendwo?“ Lambert meckerte. Sie waren also endlich da. „Keine Sorge mein Lamm, du wirst gleich sehen was wir hier machen.“ Konnten wir Keira hören, wie sie versuchte ihn zu beruhigen. Alle schlichen auf ihre Posten und versteckten sich in den Schatten. Nur Avram blieb im Kerzenschein stehen. Ich hielt den Atem an, als Lambert die Tür aufriss und die Scheune betrat. Seine schlechte Laune war deutlich in seinem Gesicht zu sehen. Verwirrt blieb er stehen, als er den alten Mann sah. Keira und Gaetan blieben hinter ihm. „Was zum, …?“ fluchte Lambert. Avrams Gesicht wurde weich, „Oh Lambert, mein kleiner Lambert. Wenn ich nur gewusst hätte, was mein Bruder, …“ langsam ging er auf den erstarrten Hexer zu. „Onkel Avi?“ fragte er ungläubig. Der alte Mann nickte sachte und ging mit einladend ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Jetzt kam auch wieder Bewegung in den Hexer. Er eilte auf den Mann zu und schloss ihn in seine Arme. „Onkel Avi, wie …?“ wollte er wissen und vergrub sein Gesicht am Hals des Mannes wissen. „Du hast sehr gute Freunde. Sie haben das für dich organisiert.“ Erklärte Avram. Das war unser Stichwort und wir traten aus den Schatten. Völlig verblüfft drehte Lambert sich um seine Achse und starrte uns an. Keira ging auf den Hexer zu, „Alles Gute zu deinem Geburtstag, mein kleines Lamm.“ Lächelte sie und zog ihn in einen Kuss. Einer der Hexer entzündete die restlichen Kerzen und Fackeln, die Musiker stimmten ein Lied an. Rittersporn war zwar beleidigt gewesen, dass ich es nicht zu ließ, dass er selbst spielte, aber ich konnte mich gut daran erinnern, wie Lambert sagte, dass er die Schnulzen von ihm nicht ausstehen konnte. „Siehst du, es ist alles gut.“ Murmelte Letho hinter mir. Ich nickte und war wirklich froh. Wir setzten uns alle an die Tische. Lambert, Keira und sein Onkel saßen in der Mitte. Die Musiker spielten eine ruhige Musik, während wir aßen.   Nach einer Weile, als der Alkohol schon deutlich floss, hörte ich zufällig, wie Avram Lambert eine Geschichte erzählte.Eine Geschichte von einem Hexenjäger, der Hexer verteidigte. „Du hättest sie hören sollen.Was sagte sie, ah ja, Hexer sind ebenfalls Menschen, oder sagt ihr zu einem gefleckten Pferd Kuh oder einer Ziege mit nur einem Horn Einhorn. …“ Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Händen, musste er das jetzt erzählen, fragte ich mich im Stillen.Doch dann hörte ich Lambert lachen. Ich spähte durch meine Finger hindurch. Er grinste in meine Richtung. „Oh ich kann mir gut vorstellen, dass sie glaubhaft einen Hexenjäger spielen kann.“ Dann fing er an zu erzählen, einige der Hexer kannten die Geschichte schon, wie ich mit ihm Rittersporn aus der nilfgaardischen Botschaft geholt hatte. Alle hörten gespannt zu und glücklicherweise wurde die Aufmerksamkeit recht schnell von mir auf Geralt gewechselt, als Lambert anfing Szenen aus dem Theaterstück nach zu spielen. Die Hexer lachten und auch Yennefer amüsierte sich prächtig über diese Geschichte, auch wen sie das bereits in meiner Erinnerung gesehen hatte.   Ich lehnte mich an meinen Hexer und lächeltezufrieden. „Du siehst glücklich aus.“ Murmelte Letho. Ich schaute zu ihm auf, „Ja, ich wünschte es könnte immer so friedlich sein.“ Gab ich zu. Er nickte, „Ja, es wäre schön, aber wenn alle immer nur friedlich und glücklich sind, kann man es nicht mehr schätzen, meinst du nicht auch?“ entgegnete er. Erstaunt sah ich ihn an, „Bist du unter die Philosophen gegangen?“ neckte ich ihn und er lachte leise. „Lass uns den Abend genießen.“ Murmelte er und stand auf, dabei zog er mich ebenfalls auf die Beine. Völlig überrumpelt ließ ich mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. „Komm, tanz mit mir.“ Flüsterte er mir ins Ohr und zog mich an seine Brust. Nun, wenn er tanzen wollte, würde ich ihm diesen Gefallen tun.Das Grölen und Pfeifen der anderen Hexer versuchte ich zu ignorieren, als sie uns entdeckten. Allerdings musste ich kichern, als einige von ihnen, ebenfalls von ihren Partnern zum Tanzen aufgefordert wurden. Lambert mit Keira, Geralt mit Yennefer, Eskel wurde von Kyrill aufgefordert und Triss hatte sich Gaetan geschnappt. Die übrigen Hexer der Katzen Schule lachten ziemlich darüber und scherzten, wie froh sie seien, keine Partnerin zu haben, die sie zu so einer Lachnummer machten. Zwischendurch fiel mein Blick immer mal wieder zu Vesemir, er saßan einem Tisch, ein Getränk in der Hand und schaute zu Frieden auf seine Wölfe. Er wirkte wie ein weiser Großvater auf einer Familienfeier.   Die zufriedenen Gesichter, das fröhliche Lachen es bewiesen mir, dass mein Eingreifen in die Geschehnisse hier, nicht immer zum schlechten verlaufen musste.   Die Feier ging bis in die frühen Morgenstunden und alle hatten ihren Spaß, als ich mich zum schlafen zurück zog, hatte ich gesehen, dass sogar einige am Tisch eingeschlafen waren, mit dem Bierkrug in der Hand. Aber auch das recht viele Gwentkarten überall zerstreut rumlagen, na wenn das nicht am nächsten Streit gab, wem denn nun welche Karte gehörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)