Evolition von Charly89 (Hoenn und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 30: Willkommen ---------------------- Eine ehrfürchtig Stille breitet sich aus und alle Augen sind auf das Clanoberhaupt gerichtet. Sie lässt ihren Blick gewichtig über die Pokémon schweifen, als ob sie sicherstellen will, dass die Aufmerksamkeit vom jedem bei ihr ist. „Wir haben uns hier versammelt“, beginnt sie schließlich und scheint mit jedem Wort mehr zu strahlen, „um Scharte in unserer Mitte willkommen zu heißen. Vom fernen Glaziola-Clan beschritt er einen Weg, der ihn eigentlich zum Flamara-Clan führen sollte. Aber ein Wink des Schicksals zeigte ihm und uns, dass es eine andere Möglichkeit gibt. Mit den Tugenden unseres Clans ausgestattet, mit Mut, Entschlossenheit und Stärke, entschied er selbst, dass er ein strahlendes und stolzes Mitglied in unseren Reihen werden möchte.“ Ich merke, wie mir die Tränen kommen, als Cleos Mutter und Lucy meinen Bruder hereinführen. Scharte ist mit gelben und weißen Blüten geschmückt, die die Farbe seines neuen Clans repräsentieren. Es sticht in meinem Herzen, gleichzeitig freue ich mich für ihn. Es ist schwer das alles, diese ganzen widersprüchlichen Gefühle, irgendwie zu erklären oder zu fassen zu bekommen. Ein kleiner Wirbelsturm scheint alles immer wieder durcheinander zu bringen. Mir kommen mehr und mehr die Tränen und ich muss schniefen, und dann kurz leise lachen, als ich sehe wie mein Bruder aufgeregt und gleichzeitig schrecklich nervös zwischen den Blitzas steht. Sein Blick huscht hektisch hin und her, von den versammelten Pokémon zu Leonore, zu Lucy, zu Cleos Mutter wieder zu seinem neuen Clan. „Willkommen!“, tönt es plötzlich aus der Versammlung. Dann das nächste Pokémon und dann immer mehr und mehr. „Willkommen“ Wieder und wieder. Es wird ein richtiger Singsang, der von den Wänden widerhallt und zu einem kräftigen, wellenartigen Kanon anschwillt. Plötzlich beginnen erst einzelne, dann immer mehr Blitzas zu leuchten. Sie scheinen sich aufzuladen. Ich habe ja nun schon einige Male gesehen, wie es aussieht, wenn sie sich für eine Elektro-Attacke aufladen; dass hier ist irgendwie anders, heller und weicher. „Woah“, tönt es neben mir ängstlich. Schnuff legt den Rückwärtsgang ein und verkriecht sich halb unter Chilli. Unruhig beobachtet er das Geschehen aus seiner Deckung heraus. „Keine Angst“, schmunzelt Chief, ohne den Blick von dem Spektakel abzuwenden. Ein freudiges Funkeln ist in seinen Augen zu erkennen und eine leichte Nostalgie. Chilli beugt sich zu meinem Bruder, der zwischen ihren Vorderpfoten hockt. „Das ist ungefährlich“, flüstert sie. „Und gleich wird es ganz toll werden, versprochen.“ Aus ihrer Stimme ist die Begeisterung deutlich herauszuhören. Irritiert runzle ich die Stirn. Was wird toll? Aber bevor ich fragen kann, beginnen die Pokémon zu singen und die ersten Blitze zischen gen Höhlendecke. Ich sehe zu meinen Brüdern, die genauso perplex und irritiert wirken wie ich. Im nächsten Moment gehen mir die Augen über vor Erstaunen. Die Blitze sind augenscheinlich koordiniert und scheinen dem Gesang zu folgen. Ich habe den Eindruck, dass die Lichtbögen und Blitze und die daraus resultierenden Schatten, richtige Formen und Figuren nachbilden. Und, dass das irgendwie zum Text gehört. Ich verstehe aber kein Wort, da es sich um eine Art Fremdsprache zu handeln scheint. Mit den Licht- und Schatteneffekten und der eigenwilligen Sprache fühle ich mir irgendwie an Druiden erinnert, keine Ahnung warum. Das Lied ist sehr melodisch und kraftvoll und hört sich toll an, aber ich verstehe inhaltlich leider nichts. Als die Lichtshow vorbei ist umringen die Blitza und Evoli meinen Bruder. Sie heißen ihn jeder persönlich willkommen und drücken ihre Freude über seine Entscheidung aus. Mir kommen direkt wieder Tränen bei dem Anblick. Himmel, bin ich nah am Wasser gebaut heute. Einen Augenblick habe ich den Impuls zu Scharte zu gehen, der ein wenig überfordert mit allem wirkt. Ich will ihm beistehen und ihm helfen, wie ich es eigentlich tun würde. Aber im nächsten Moment ist da Cleo. Sie hat sich durch den Pulk gewühlt und hockt jetzt stolz an seiner Seite. Sie erzählt allen von der Nacht des Angriffs, wie mein Bruder ohne jede Kampferfahrung ganz allein ein Kaumalat platt gemacht hat und wie gut und schnell er neue Attacken lernt. Offensichtlich ist sie sehr stolz auf ihn und lässt jeden daran teilhaben. Ich schwanke zwischen Lachen, Würgen und ein wenig Eifersucht. Ich muss Grinsen, weil Scharte extrem verlegen wirkt wegen Cleos Lobhudelei. Gleichzeitig kommt mir die Galle hoch, weil Cleo halt einfach Cleo ist. Und ja, mein Schwester-Mutter-Herz verkraftet den Anblick, wie da jemand anders „meinen Platz“ einnimmt, nur sehr, sehr schwer. Wahrscheinlich hauptsächlich wegen Punkt zwei, ziemlich sicher sogar. „Es muss sich gut anfühlen, endlich angekommen zu sein“, flüstert es schwermütig neben mir. Verdutzt drehe ich den Kopf und sehe Sam, der plötzlich wieder neben mir hockt. Ich blinzle verwirrt, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. Außerdem wirkt er irgendwie anders; melancholisch und in sich gekehrt. Im nächsten Moment dreht er den Kopf zu mir und lächelt, als wäre die Traurigkeit eben nie da gewesen. „Ich freu mich schon bald zum Flamara-Clan zu gehören.“ Er grinst frech und wirkt so, wie ich ihn kennengelernt habe. Mir wird flau im Magen und im Herzen. Ich bemühe mich meine Mimik im Griff zu behalten, um ihm nicht zu zeigen, dass ich Mitleid habe. Ich war so mit mir und meinem Gefühlschaos und innerlichen Ärger beschäftigt, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe, was es für Sam bedeutet zu gehen und vor allem warum er sich so entschieden hat. Niemand verlässt leichtfertig seine Familie, so wie Scharte sich ja auch schwer tut mit allem. Da Sam aber die ganze Zeit so gewirkt hat, als wäre das alles kein Problem für ihn, habe ich nicht darüber nachgedacht. Mir fallen Chillis Worte wieder ein: „Alle Optionen zu kennen macht die Entscheidung nicht einfacher.“ „Was war das für ein Lied?“, mischt sich Schnuff plötzlich von der Seite ein und unterbricht meine Gedanken. „Das Lied ist uralt“, erklärt Sam. „Die Sprache spricht und versteht eigentlich niemand mehr. Wir nennen sie die Alte Sprache.“ „Ihr singt ein Lied, ohne dass ihr wisst worum es geht?“, frage ich ungläubig nach. Sam lacht und schüttelt den Kopf. „Ganz so ist es nicht. Der Inhalt wurde und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Es geht um den Mut und die Kampfkraft der Blitza. Um das, was unseren Clan auszeichnet und jedes Mitglied anstreben sollte“, erklärt er mit leichter Wehmut in der Stimme. „Deswegen wird es bei allen Zeremonien gesungen, auch zur Begrüßung der Neugeborenen und neuer Mitglieder. Sie sollen dadurch mit den Tugenden des Clans geweiht werden und man bittet dadurch Arceus sie zu segnen und zu leiten.“ Mir läuft kurz ein Schauer den Rücken hinunter, bei der Erwähnung des Schöpfer-Pokémons. Und ein absurder Gedanke formt sich in meinem Kopf: hat jemand mit einem Gebet dafür gesorgt, dass ich hier bin? Hat jemand Arceus um Hilfe bei etwas gebeten, wofür er mich dann hierher gebracht hat? Aber wer? Und die wichtigste Frage ist immer noch: wofür? Was ist so wichtig, dass es diesen immensen Aufwand dafür braucht? „Hey“, ruft es erstickt. Wir drehen alle unsere Köpfe und sehen Scharte, der sich zu uns durchkämpft. Er wirkt überfordert und glücklich. Die Blüten sind ganz durcheinander und teilweise abgefallen; mein Bruder sieht aus, als hätte er eine wilde Party gehabt. „Habt ihr das gesehen? Das war ja krass!“, blubbert er los, nachdem er es endlich zu uns geschafft hat. Wir lachen und strahlen uns an. Schnuff, Scharte und ich kuscheln uns einem Moment aneinander. Wir verdrängen, was uns wohl bald bevorsteht einfach noch ein wenig. „Ich wünsche dir vom Herzen alles Gute“, sagt Chief mit einem warmen Lächeln und stupst meinen Bruder. Chilli tut es dem Clanoberhaupt gleich und berührt Scharte kurz mit der Nase. „Pass gut auf dich und meinen alten Clan auf.“ Mein Bruder lächelt breit mit Tränen in den Augen, bekommt aber kein Wort heraus und nickt einfach. I feel you, Bro, ich habe auch einen dicken Knoten im Hals. Die langsam aufkommende Stille in der Höhle unterbricht ein markantes Räuspern. Alle Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf die Anhöhe, auf der Leonore steht. Wieder, oder immer noch. Ich war so abgelenkt von allem, dass ich das grade nicht sagen kann. „Es gibt noch eine weitere Bekanntmachung“, beginnt das ehrwürdige Blitza. „Sam hat sich entschieden, den freigewordenen Pfad zu nutzen. Er wird unseren Clan verlassen und einer strahlenden Zukunft im Flamara-Clan entgegen schreiten.“ Ich habe den Eindruck einen Stein in meinem Magen zu haben. Mir fällt Sams traurige Stimme vorhin wieder ein. Und, mir fällt auf, dass viele Blitza und Evoli nicken oder wissende Blicke austauschen. Offenbar ist niemand überrascht über seine Entscheidung. Einen Moment habe ich das unbändige Bedürfnis meine aufkeimende Wut laut in die Runde zu brüllen. Zu rufen, dass sie sich schämen sollten einen der ihren wegzugeben, nur, weil er nicht in ihr Schema passt. Ich hole tief und angestrengt Luft durch die Nase und schlucke meine Worte hinunter, wo sie sich zu dem fetten Stein in meinem Magen gesellen. Natürlich weiß ich, dass es wichtig ist, dass dieser Clan hier wie ein Uhrwerk funktioniert; trotzdem grämt und schmerzt es mich. Mein Blick geht zu Sam, der unweit von mir zwischen zwei Blitza sitzt. Eines leckt ihm in mütterlicher Manier über den Kopf und das andere stupst ihn. „Es war bestimmt die richtige Entscheidung“, flüstert es mit rauer Stimme. „Egal was passiert, dass hier wird immer dein zu Hause sein.“ Ich drehe den Kopf weg und versuche nicht wieder in Tränen auszubrechen, während sich die Blitza und Evoli auf den Weg machen sich zu verabschieden. Bilder und Emotionen von unserem Abschied von Mutter und Missy suchen mich heim. Von der Traurigkeit und Verzweiflung die ich empfunden habe, als sie am Horizont immer kleiner wurden. Und auch die Gefühle, die mich mit meiner menschlichen Familie verbinden überrollen mich. Mein Mann, mein Kind – gefangen in einer Stase, weil ich hier in der Poke-Welt rumgurke. Sie können mich nicht vermissen; aber ich sie. Zu wissen, dass man nicht vermisst werden kann, fühlt sich seltsam falsch an, egal wie unsinnig das ist. Ja, Sam hat sich selbst dafür entschieden und wusste was passieren wird, aber leichter dürfte es deswegen nicht sein. Ich wusste auch was es heißt, hierher zurück zu kehren, trotzdem nagt es tief unten an meinem Herzen, dass ich meine menschliche Familie „zurückgelassen“ habe. Ich beginne mich wegen meinem Verhalten von heute zu schämen. Sam hat ebenfalls einen schweren Abschied vor sich gehabt und ich war so doof zu ihm. Lässt sich jetzt natürlich nicht mehr ändern, aber ich sollte mich bei Gelegenheit bei ihm entschuldigen. Ich sehe zu Sam und sehe viele betroffene Gesichter um ihn herum. Augenscheinlich werden ihn einige hier vermissen. Ich höre, wie einige Evoli, darunter Gai und Cleo, sich mit bedrückter Stimme verabschieden und ihm alles Gute wünschen. Eines der Blitza bringt seinen Respekt für Sams Entscheidung zum Ausdruck und meint, dass dieser Mut, auch schwierige Entscheidungen zu treffen, etwas ist, dass dem Clan eigen ist und er sich immer daran erinnern soll. Ich sehe wieder weg, ich ertrage das gerade überhaupt nicht. Mein Blick fällt auf Chilli, die sich in eine Ecke zurückgezogen hat. Sie sitzt allein dort und wirkt traurig. Mehr als offensichtlich kämpft sie mit ihren Emotionen. Die Zeremonie dürfte auch bei ihr Erinnerungen wecken. Und mit Sicherheit auch nicht die von der guten Sorte. Leon taucht in der nächsten Sekunde auf und nimmt sich ihrer an. Er drückt seine Stirn gegen ihre und redet leise auf sie ein. Im Hintergrund verstreuen sich einige der Pokémon und machen Platz. Es wird ein Festmahl aufgetafelt, dass einem schon beim Ansehen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Schnuff strahlt über das ganze Gesicht und im nächsten Moment knurrt sein Magen laut. Wir müssen alle lachen und die Stimmung hellt sich ein wenig auf. Während wir zum Essen laufen nutze ich die Chance und spreche Sam an. „Hör mal, wegen heute …“, murmle ich. Mein Blick geht kurz an ihm vorbei und ich sehe seinen Vater, der zu uns rüber sieht. Im nächsten Moment ziert ein mir bekanntes Schmunzeln, dass zwischen amüsiert und wissend liegt, dessen Gesicht. Ich straffe mich innerlich und lenke meine Aufmerksamkeit wieder zu unserem neuen Reise-Mitglied. „Tut mir leid, dass ich so … So … So blöd war heute.“ Sam mustert mich einige Sekunden und schmunzelt dann wie sein Vater eben. „Nicht weich werden“, zieht er mich auf und legt den Kopf schief. „Pfft.“ Spielerisch beleidigt strecke ich ihm die Zunge raus und schreite hocherhobenen Hauptes weiter. Als ich ihn hinter mir lachen höre wird mir etwas leichter ums Herz. „Zisch und Wusch, Blitz und Sturm, ein Blitza geht immer nach vorn“, singen meine Brüder und ich lachend mit. Die Party ist sehr ausgelassen. Offenbar handhaben es die Blitza nach dem Motto „Work hard, play hard“, denn es wird laut gesungen und gefeiert. Einige Songs, die zum Besten gegeben wurden sind sehr malerisch, beschreiben den Kraterberg am Horizont oder grüne, saftige Täler. Andere Lieder waren sehr typisch für den Clan: Große Schlachten und Kämpfe, stilvoll vertont. Andere sind eher simpel und lustig. Wie das jetzt gerade. „Kling und Klirr, Kinese und Fusion, ein Psiana ist immer auf Kollision“, singen wir recht sicher mit, weil der Song inzwischen zum fünften Mal durch die Höhle schallt. „Pling und Platsch, Tropfen und Wasser, nur ein Aquana ist noch blasser.“ Die Stimmung ist gelöst und heiter, gut genug, dass ich Cleos Gegenwart problemlos ertrage. Sie hat sich, natürlich ungefragt, zu uns gesetzt. Oder besser: sie hat sich wieder an Schartes Seite positioniert. Sam neben mir summt, singt aber nicht mit und wirkt etwas abwesend und gedankenverloren. Chilli scheint sich wieder gefangen zu haben und genießt die Feierlichkeiten ebenfalls; sehr zu Leons Freude. „Sand und Stein, Flamme und Smog, ein Flamara ist immer Snob. Mond und Stern, Spuk und Pauke, nur ein Nachtara macht keine Laute. Wasser und Stein, Eis und Schnee, ein Glaziola zwingt nur Sonne in die Knie.“ Der Song ist eigentlich ziemlich dämlich, aber die Melodie eingängig und das animiert zum Mitsingen. „Baum und Erde, Blatt und Solar, ein Folipurba ist floral. Mond und Schein, Schleife und Flaum, ein Feelinara ist nur ein Traum.“ Die Zeit vergeht wie im Flug und für uns ein wenig unvorbereitet wendet sich Chief an uns. An seinem Gesicht kann man bereits erahnen, was jetzt kommt. „Wir haben noch einiges an Weg vor uns“, sagt er schlicht und etwas gedrückt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)