Dear Mister Merman von _Supernaturalist_ ================================================================================ Kapitel 1: Lieber Herr Meermann ------------------------------- Dear Mister Merman Die blauen Flecken waren schon einige Tage da. Klare Muster auf ihren Unterarmen, wie die Blumen auf ihrer weißen Bluse, die sie an diesem Tag trug. Die Neusten waren noch recht dunkel, mit klaren Linien. Die Älteren dienten da als Kontrast, mit all ihren braunen und gelben Tönen. Sie waren überall auf ihrer hellen Haut verteilt. Diese Flecken waren Namis kleines, wohlgehütetes Geheimnis. Doch sowieso waren sie nicht mehr als eine Erinnerung, etwa so wie das Tattoo, dass sie stolz auf ihrer Haut, dort an der linken Schulter, trug. Beides Male, tief in den Schichten ihrer Haut. Beides trug sie verborgen unter langen Ärmeln, nun schon seit einiger Zeit. … beides waren Zeichen der Liebe… „Fahrschein, bitte!“, rief da eine grummelige Stimme und ein alter Schaffner betrat das Abteil, in dem sie ganz allein saß. Hastig zog sie die Ärmel wieder bis zum Handgelenk, suchte dann schnell nach dem gewünschten, gelben Schein, reichte ihn dem alten Mann. Brummend besah er das kleine Stück Papier, blickte dann die junge Frau von oben her an. „Endstation, ja? Sonntag zurück?“ „Ich mache einen kleinen Ausflug mit meinen Freunden. Machen wir jedes Jahr zu dieser Zeit…“, erzählte sie ihm rasch, wusste aber nicht genau, warum sie es tat. Normalerweise sprach sie nicht viel, das sie genau wusste, dass er es nicht mochte. Weil er schnell eifersüchtig wurde. „Mhm…“, brummte der werte Herr Schaffner, aber nur wenig beeindruckt, stanzte ein Loch in die obere, linke Ecke des Fahrscheines. „Fahrschein aufheben. Und pünktlich sein.“ „Natürlich…“, wisperte sie, erzählte ihm fast sogar von dem Arzttermin, den sie extra um eine Woche verschoben hatte und am Montag anstand. Doch sie hielt sich zurück – sowieso begann da wieder das schreckliche Dröhnen und Drücken in ihrem Kopf, schlimmer noch als jede Migräne, die sie kannte. Der Grund für den bevorstehenden Arztbesuch… „Viele sind aber schon da geblieben. Am Meer… Wollten nicht zurück“. Sie sagte nichts, nahm nur ihren Fahrschein wieder entgegen und verstaute ihn wieder in ihrer Tasche – eine schöne aus Leder, die sie von ihrer Schwester zum letzten Geburtstag bekam. Der alte Mann ging dann einfach. Ließ sie allein und die junge Frau lehnte ihren Kopf gegen die Scheibe, sah hinaus und hoffte schon bald das Meer einmal zu sehen. Schließlich hatte sie es doch schon als Kind so sehr geliebt und zu jeder Zeit war da ein unerklärliche Sehnen gewesen, dass sie hierher ziehen wollte. Ja, ein wenig freute sie sich ja auf die bevorstehenden Tage… Nami war froh, dass sie telefonisch sich einen Tisch reservierte – hier auf der Fähre, die vom Festland zur kleinen Insel am Horizont fuhr. Zur Zeit waren doch Ferien und wunderschönstes Wetter – Familien und Alleinreisende waren ebenso auf dem Weg in den Urlaub, wie sie es war. Manche für ein paar Tage, manche vielleicht auch länger. Sie wollte nicht stehen, während der Zeit der Überfahrt. Außerdem konnte sie sich so schon einen Platz an der Sonne sichern, konnte selbst noch die Damentoilette aufsuchen, um sich aufzufrischen und um das neue Make-Up auf der Haut ihrer Unterarme auszuprobieren. Sie musste nicht hasten, konnte ihre Arbeit gründlich verrichten. Von einer leichten Parfümwolke umgeben und mit gut sitzendem Make-Up – im Gesicht und auf den Armen, saß sie schon bald wieder an ihrem Tisch, trank genüsslich den Cocktail – natürlich ohne Alkohol, da ihre Kopfschmerztabletten sich schlecht damit vertrugen – und beobachtete die wuselnden Menschmassen, wie sie auf dem kleinen Schiff hin und her liefen, um verzweifelt noch einen Platz zu finden. Ein wenig amüsierte es sie, doch sie schaffte es gekonnt ihr Lächeln zu verstecken. Wer wüsste denn schon, wie die Leute hier sonst reagieren würden und er mochte es doch nicht, wenn sie so sehr von etwas belustigt war. Erst als ihr Handy vibrierte, ließ sie ihren schweifenden Blick auf ihre Tasche fallen, schluckte einen schweren Kloss ihre Kehle hinunter. Die Vibration ihres Handys hatte schon immer etwas Drohendes. Beängstigend sogar. Es erinnerte Nami zu jeder Zeit an ein gefülltes, wütendes Wespennest, das zu brechen drohte. Mit zittrigen Händen reichte Nami hinüber, öffnete mit gar scheuen Fingern den Verschluss und fasste in ihre Tasche hinein, um das kalte, schwarze Gerät hinauszuholen. Fast hätte sie das Mobiltelefon bei der zweiten Vibration fallengelassen – doch behielt sie mit aller Kraft noch die Beherrschung. Dann seufzte sie erleichtert, sah den Namen auf ihrem Display aufleuchten und entsperrte schnell ihr Handy, um der Nachricht zu antworten – schließlich war es doch nur ihre Freundin Robin, die ihr schrieb, suchend nach einem Platz und – in der zweiten Nachricht – wo sie sich denn befinde. Hastig antwortete Nami ihr, wollte auch gar keine Zeit verlieren, da sie sich sehr über das Wiedersehen mit ihren Freunden freute. Die Nachricht war schnell abgeschickt. Eine Zweite schickte sie noch rasch an ihn, falls er sehen würde, dass sie in diesem Gewissen Nachrichtendienst online war, ohne ihm zu schreiben. Er würde sich doch Sorgen machen, fragen, warum sie ihm nicht die Liebe mit nur einer kleinen Geste bewiese – mehr würde er doch gar nicht verlangen. Ja… vielleicht verwehrte man ihm zwar eh das Handy – wer wüsste den schon, wie lange ihn die Polizisten wegen einer nichtigen, winzigen Schlägerei festhielten – sie aber konnte guten Gewissens sagen, dass sie an ihn dachte. Es würde ihn glücklich stimmen und er würde ihr zeigen, wie sehr er sie liebte. … und die Liebe war doch so etwas Schönes… „Da ist ja die Hexe!“, hörte sie da plötzlich eine ihr bekannte Stimme brummen und als sie aufblickte – in der gleichen Bewegung noch hastig ihr Handy verstaute – sah sie gleich ihre zwei Freunde neben sich stehen. Robin – die sie gleich in eine feste Umarmung zog und Zorro, der nur seine Augen verdrehte und zur Begrüßung irgendwelche Wörter knurrte. „Schön dich zu sehen – und hör nicht auf den kleinen Griesgram – er hat sich auf dem Parkplatz verlaufen-“ „Habe ich nicht!“ „-und ich musste ihn erst einmal wieder einsammeln. Schön dich wieder zu sehen!“, sagte die schöne Schwarzhaarige noch während sie Nami fest drückte, ging auch nicht auf die Beschwerde ihres Freundes ein. „Es ist auch schön, euch wieder zu sehen…“, wisperte Nami voller Wehmut, so leise, dass die beiden es aber nicht verstehen konnten. „Und jetzt setzt euch und bestellt euch etwas! Die Getränke hier sind gut!“ Nur wenige Augenblicke später saß Robin auf der harten Holzbank neben ihr und der junge Mann auf einem Stuhl, den er noch irgendwo auftreiben konnte, an der Stirnseite des Tisches. Sogleich hatte die schöne Schwarzhaarige die Hand ihrer Freundin ergriffen, als sie das funkelnde Kleinod an ihrem Finger sah, und betrachtete den Ring mit kritischer Genauigkeit. Zorro pfeift mit gespielter Beeindruckung und lehnte sich auch hinüber, um das Geschehen genauer zu betrachten. „Ihr seid verlobt?“, fragte Robin mit einem sanften Lächeln. „Dann wird es mal langsam Zeit, dass wir deinen Liebsten kennenlernen, nicht?“ „Dass der es überhaupt so lange mit die aushält!“, murmelte Zorro und Nami verdrehte die Augen, als sie dies hörte. „Danke – wir sind sehr glücklich und er sorgt sich sehr um mich! Nur leider ist er zur Zeit verhindert-“ Ihr Freunde mussten ja nicht wissen, dass er mit der Polizei des Öfteren zu tun hatte – vor allem in der letzten Zeit hatten sich die Ereignisse gehäuft. „-und er ist ziemlich schüchtern, wenn er neue Leute kennenlernen muss…“ Er war einfach nicht der Typ, der Fremde gern an sich heranließ. Und Freunde hatte er doch genug. Seine Gang, wie er seine engsten Freunde immer nannte, waren wie seine Familie und reichten ihm vollkommen. Und die steckten selbst ab und an in allerlei Schwierigkeiten, aus denen er sie herausboxen musste. Dass er ihre Freunde irgendwann mal kennenlernte… ja… Vielleicht zur Traumhochzeit, die er ihr versprochen hatte – dann könnten ihre Freunde ihn dann kennenlernen. „Ah, ich verstehe! Du bildest dir den Typen nur ein!“, rief Zorro gleich mit einem breiten Grinsen in die kleine Runde, genau in dem Moment, als der Kellner nun die Getränke der beiden Neuankömmlinge brachte. „Es gibt keinen Kerl, der es schließlich mit die länger, als für fünf Tage aushalten würde!“ „Ein wenig mehr Taktgefühl, Zorro. Du kennst schließlich den jungen Mann gar nicht!“, säuselte Robin, ließ dann endlich Namis Hand los, die sie gleich unter dem Tisch versteckte. „Er wird gewiss ganz besonders sein, wenn Nami so an ihm festhält!“ „Genau, Zorro! Ich nehme an, dass dir das Thema wohl nur ein wenig ungemütlich wird! Schließlich sehe ich an Robins Finger noch keinen Diamantring! Also? Wann stellst du ihr diese gewisse Frage?“ Der junge Mann begann nach Luft, wie ein Fisch auf dem Lande, zu schnappen, während Robin leise kicherte. „Whoooo! Naaaaammiiiiiiii~!“, hörte sie da das Rufen, als sie mit Robin und Zorro die Seebrücke entlang schlenderte, um hinüber zu der kleinen Promenade zu gelangen. Sofort sah sie einen kleinen Teil der bunten Bande, die sie ihre Freunde nannte und mit denen sie schon so viele Abenteuer – während der Schulzeit und dem Start ins Arbeitsleben – erlebte. „Du bist hier, Du bist hier!“, hörte sie nur, bevor sie sich in einer kräftigen Gruppenumarmung wiederfand, irgendwo zwischen den drei Chaoten Ruffy, Lysop und Chopper. „Wir dachten schon, du würdest nicht kommen!“ „Sie hat viel zu tun, Jungs! Jetzt gebt ihr doch ein wenig Platz zum Atmen!“ Robin hatte in Allem vollkommen Recht – vor allem begann ihr Kopf wieder so schrecklich zu pochen, als dass sich die junge Frau nichts sehnlicher wünschte, doch noch eine Tablette mehr genommen zu haben. „Außerdem bin ich jetzt hier – und das ist doch Alles, das zählt, nicht?“ Die Drei nickten eifrig, trieben die Neuankömmlinge voran, begannen von Diesem und Jenem zu erzählen und stellten allerlei Fragen. Ein wenig fühlte sich Nami schon dadurch in die Vergangenheit versetzt und sie war froh, doch auf diese kleine Reise mitgekommen zu sein. Es war ein kleines Ferienhaus, dass sich die Gruppe gemietet hatte. Nur wenige Meter vom Strand entfernt, mit kleinem Pool hinter dem Haus und mit genug Schlafmöglichkeiten für alle. Gleich als sie ankamen, wurden Nami, Robin und Zorro auch von Brook und Franky begrüßt, die im Haus geblieben waren, um sich um den Grill, die Getränke und die Beleuchtung zu kümmern, damit alles vorbereitet war. Es war wirklich schön und Nami hatte sie alle unglaublich vermisst. Nur kurze Zeit später – als das Gepäck in den Zimmern verstaut war – fanden sich alle beim Pool ein, suchten sich Getränke und begannen in alten Zeiten zu schwelgen. Ein wenig wehmütig musste Nami feststellen, dass sie sich alle doch irgendwie verändert hatten. Waren reifer geworden. Hatten ihre Traumberufe eingeschlagen. Hatten Partner und Lysop verkündete stolz, dass er bald Vater wurde. Die Männer jubelten gleich, als sie das hörten, der Hüne Franky, gab dem jungen Mann sogar einen kräftigen Klaps auf die Schulter, sodass der Langnasige alle Mühe hatte, nicht voller Schmerzen aufzuschreiben. Doch Lysop blieb standhaft, hob nur sein Bier in die Höhe und verkündet mit Strahlen in den Augen, dass sie alle zur Geburt des Kindes eingeladen waren und dass es darauf anzustoßen galt. Auch die Anderen erhoben die Gläser und Flaschen – auch Nami streckte ihren Arm in die Luft, das Glas nun, wie die der anderen, hoch über ihren Köpfen. „Damit willst du anstoßen?“, fragte Brook – der mittlerweile ein doch recht bekannter Musiker war – als er den Inhalt des Gefäßes bemerkt. „Mit Wasser? Yohoho…“ „Ist etwas bei dir kaputt?! Kein Alkohol?!“, fragt nun auch Franky, selbst wesentlich irritiert. „… schwanger…~“, hörte sie da jemanden im Hintergrund säuseln und sie glaubte, dass es Chopper sein musste. Sie aber schnaubt nur, verengt die Augen. „Man muss nicht immer Alkohol trinken, um Spaß zu haben!“, verteidigte sie sich gleich, öffnete dann noch schnell den Mund, um noch mehr darauf zu erwidern, doch hielt sie schnell inne – schließlich konnten ihre Freunde doch nicht wissen, dass ihre Medikamente Alkohol in jeglicher Form verbaten. Und dass er es doch auch nie mochte, wenn sie nach Wein, oder Bier und dergleichen stank… Und schwanger – nein, das war sie nicht. Er wollte kein Kind, das hatten sie schon öfter besprochen. Doch… nun war er nicht hier, würde auch gar nichts davon mitbekommen. Und ein Gläschen mit Wein war doch gewiss in Ordnung – gerade zu solch einem Anlass – nicht? So schüttet die junge Frau kurzer Hand das Wasser in die Topfpflanze neben ihrem Stuhl und schüttet sich stattdessen etwas von dem Rotwein ein. „Besser?“, fragte sie an alle gewandt und hob rasch wieder ihr Glas in die Höhe. Sie alle nickten, nur Robin runzelte ein wenig die Stirn, sagte dazu aber nichts, da sie alle doch dann eh schon auf den Nachwuchs anstießen. Es war spät und Nami konnte – nein – wollte nicht schlafen. Sie wollte die Ruhe genießen. Dem Rauschen des Wassers lauschen. Und die salzige Brise spüren. Zeit nur für sich haben. … nur einmal wenigen Minuten dem Alltag entkommen… Doch es war schwer – ihr Kopf schmerzte und pochte und drückte und ihr war schwindelig. Manchmal auch schlecht. Vielleicht hätte sie nichts trinken sollen. Nicht das Glas Wein und später die Flasche mit Bier. Vielleicht hätte sie nicht einmal herkommen sollen – er würde enttäuscht sein, wenn er die Wahrheit erfuhr, dass sie nicht ihre Schwester besuchen war. Ja und vielleicht hätte sie auch den Arzttermin nicht auf Montag verschieben sollen – dann wüsste sie doch gewiss schon mehr… Unerlässlich trugen sie ihre nackten Füße voran. Durch den Sand und immer weiter – wenn sie wollte, könnte sie einmal die Insel umrunden und wäre bei Sonnenaufgang wieder am Ferienhaus. Ihre Freunde würden nicht einmal bemerken, dass sie weg war. Leise seufzend ging sie den hölzernen Steg hinauf, der sie zur Promenade führte. Bei ihrer Ankunft sah sie viele kleine Geschäfte und Restaurants hier, die vor Leben nur so wimmelten. Doch nun war es komplett still – keine Menschenseele war mehr zu sehen. Die Läden und Lokalitäten abgeschlossen, die Fenster verdunkelt. Als sie das sah, schätzte sie die Zeit – es war vielleicht 2 Uhr morgens. Vielleicht sogar schon drei. Und vielleicht – ganz vielleicht – sollte sie zurück gehen und sich selbst schlafen legen. … vielleicht… Wieder begann sie zu laufen – hinüber zur Seebrücke, wo einige kleine Boote vor Anker liegen. Von der Fähre war nichts mehr zu sehen – Nami schätzt, dass diese wieder zum Festland gefahren sein musste. Angetrieben vom Mondschein ging sie weiter hinaus, hielt erst inne, als es vor ihren Füßen kein Holz mehr gab. Es hat etwas Schönes. Diese Einsamkeit und die Stille. Fern weg vom Trubel der Stadt zu sein. Am nächsten Tag nicht aufzustehen, um arbeiten zu gehen. Einfach hier zu sein – hier am Meer im Mondschein. In der Ferne sah sie noch einige Felsen, die aus dem Meer ragten. Doch nicht mehr, nur noch die Reflexion des runden Himmelskörpers. Gern wäre sie hineingesprungen. Einfach abgetaucht und geschwommen, bis sie den Horizont erreichen würde. Doch in ihrem Zustand würde es wohl kaum die beste Idee sein… besonders jetzt, mitten in der Nacht. Es gab kein Licht, an dem sie sich orientieren könnte. Keine Lampe. Nur der Mond, der auch schon in den nächsten Minuten von weißen, dicken Wolken eingefangen wurde und alles ein wenig mehr in Dunkelheit tauchte. Ein gutes Zeichen, um zu gehen, stellte sie für sich selbst fest, drehte sich um und- -sah etwas Glänzendes im Wasser. Sofort hielt die junge, schöne Frau inne – denn dem Glanze war sie schon immer sehr verfallen gewesen und blickte hinab in das dunkle, kühle Nass. Doch zu ihrer Enttäuschung war dieses Mal nichts zu sehen – erklärte sich selbst nur ein wenig für verrückt. Dann – ein Platschen auf der anderen Seite des Stegs – einem Geräusch, dem sie rasch nachging. Doch wieder war sie nur von der Leere gegrüßt – auch wenn sie sich sicherer war, als noch Momente zuvor, dass dort etwas gewesen sein musste. Sie war schließlich niemand, der sich einfach etwas einbildete. Trotzdem war es ein unbehagliches Gefühl, das sie da heimsuchte und hastig drehte sie sich um, erschrak aber je, als es ein Fisch war, der die Sicherheit des Landes suchte, aus dem Wasser sprang und genau auf ihren nackten Füßen landete. Angetrieben von der Panik und den kalten, feuchten Schuppen des Getiers, machte sie einen Satz zurück und da ihre Füße weder Holz, noch Halt, fanden, fiel sie nun in die nassen Gefilde der schwarzen Tiefe. Sie sank für einige Meter, als sie begriff, was genau da vor sich ging, hinab und ohne Halt, ihr trunkener Verstand verarbeitete erst spät das Geschehen – nur einige Sekunden sagte ihr dieser, dass dies wohl ihr Ende sei, bevor die Instinkte für sie übernahmen und handelten. Angetrieben durch Adrenalin – weggetrieben durch die starken Strömungen im Hafen – begann sie zu strampeln. Hinauf, zu dem einzigen Licht, das sie dort sah, hinauf zum matten, wolkenbedeckten Licht des Mondes. Keuchend durchbrach sie die Oberfläche des Wassers. Keuchend stellte sie fest, dass sie kaum die steinigen Felsen der Ferne von den mickrigen Häusern beim Pier unterscheiden konnte. In guter Hoffnung, in die rettende Richtung des Strandes zu schwimmen, trieb sie sich selbst an. Auch wenn der Schwindel sie hinab ziehen wollte. Wie die kalten, großen Wellen des Meeres. Und die eisigen Strömungen aus der Tiefe. Es wurde immer schwerer – das Ziel schien ihr mit jedem Moment ferner. Wasser strömte ihr in die Augen, den Mund und die Nase. Brannte salzig in ihrem Hals, bald schon in der Lunge. Ihre Muskeln schmerzten. Die Müdigkeit holte ihre Glieder ein. Sie versuchte zu schreien. Nach Hilfe. Nach Rettung. Doch die nächste Welle zerrte schon an ihr, zog sie wirbelnd mit hinab in die Tiefe. Auch die Nächste. Und die darauf. An die Oberfläche gelangte sie nicht mehr. Die Luft ging ihr aus. Sie begann zu sinken, wie ein Stein. „Nein…“, hörte sie da plötzlich eine Stimme, nicht mehr als ein Flüstern. Doch sie klang nicht einmal wie die Stimme, die ihr sonst stets Vernunft einreden wollte. Nicht, wie die Stimme ihrer Gedanken. „…, so darf es nicht sein! Das ist viel zu früh!“ Immer mehr Benommenheit kam über sie. Die Lungen brannten, schrien gar nach Luft. Doch sie schaffte es einfach nicht mehr zu kämpfen – ergab sich ihrem Schicksal. Kaum bemerkte sie die kalte, glitschige Haut, die sich gegen sie drückte. Weniger noch die Bewegungen, die sie zum Land zurück brachten. Sie rang keuchend nach Luft. Einmal. Zweimal. Spuckte Wasser. Bäumte sich auf. Stöhnte vor Schmerzen, sank dann ermattet gegen den Sand, auf dem sie lag. Ihre Augen waren verklebt, durch Salz und Wasser, doch sie versuchte sie zu öffnen. Benommen – Ja. Das war sie noch immer. Dennoch konnte sie den Schatten sehen – den Schatten ihres Retters. Er kauerte noch über ihr. Beobachtete sie genau, auch wenn sie die Umrisse von seinem Gesicht nicht einmal erkannte. Doch er war da – da war sie sich ganz sicher. „… Danke…“, hauchte sie und mit letzter Kraft versuchte sie zu seinem Gesicht hinauf reichen, wollte die Wange des Mannes streicheln, der sie vor dem Tod bewahrt hatte. Das tat sie auch - ihre Fingerspitzen strichen über die eisige, nasse Haut. Ganz sanft. Voller Zärtlichkeit. Ihr wurde erst später bewusst, dass sie Ihn mit dieser Tat eifersüchtig gemacht hätte, doch im Augenblick des Moments war es ihr vollkommen gleich. Ja – sie hätte sogar zugelassen, dass ihr Retter sie küsste, als er sich vorsichtig über sie beugte, sein nasses Haar in ihr Gesicht fiel und sein Atem – nein! Da war kein Atem! – ihre Lippen benetzte. Sie war doch eh zu schwach zum protestieren gewesen. Doch abrupt ließ er von ihr ab. Blickte hinauf und hinter sie – irgendwo in die Ferne. Sie hörte das Knirschen des Sandes. Das Platschen des Wassers – und er war verschwunden. „Oh Gott – Nami! Da bist du ja!“, hörte sie da jemanden rufen – bekannte Stimmen, irgendwo in der Ferne. „Wir dachten schon, dir wäre etwas zugestoßen!“ „Mir geht es wirklich gut!“ flüsterte sie voller Protest, eingehüllt in einen dicken Bademantel und versteckt unter einigen Decken. „Und wie gesagt – ich bin spazieren gewesen, bin auf dem Steg ausgerutscht und ins Wasser gefallen. Der Kerl, der mich gerettet hat, war bestimmt ein Rettungsschwimmer!“ „Ich habe angerufen, um deinen Retter ausfindig zu machen – es gibt keinen, der Nachts um 3 Wache schiebt und in der letzten Nacht eine junge Frau gerettet hat!“, wiederholte Robin noch einmal, wie schon Momente zuvor. Etwas, was Nami nicht verstehen konnte und nicht wollte. „Und Fußabdrücke im Sand gab es auch nicht!“, kam es nun auch von Chopper, der noch immer Namis Handtasche nach den gewünschten Schmerzmittelchen durchsuchte. „Er kann nicht einfach so verschwunden sein!“ „Er ist ins Wasser gesprungen! Ich habe es euch doch gesagt!“ „Ins Wasser…“, murmelten die beiden Ungläubigen im Chor, sie aber zuckte nur mit den Schultern – sie wusste doch schließlich, was sie gehört hatte. „Ich mache mir wirklich Sorgen, Nami… Nicht dass du einen Schlag auf den Kopf bekommen hast! Und der strahlende Retter war in Wirklichkeit ein perverser Lustmolch, der sich nur an deiner Hilflosigkeit bereichern wollte!“, entkam es der schönen Schwarzhaarigen voller Empörung. „Robin hat Recht!“ stimmte ihr Chopper zu. „Wir sollten lieber die Polizei alarmieren!“ Genervt verdrehte Nami ihre Augen – nicht zuletzt, weil ihre Kopfschmerzen sie nun fast um den Verstand brachten und Chopper die Tabletten noch immer nicht gefunden hatte. „Hier wird keine Polizei kontaktiert! Der Typ, der mich gerettet hat, war sehr vernünftig und hatte nichts Übles im Schilde!“ Für einen kurzen Moment erinnerte sie sich, wie er sich über sie lehnte, sein kalter, nasser Körper streifte ihren, sein Gesicht so nach dem ihren. Doch es war Anders – es hatte sich nicht falsch und verboten angefühlt. „Deswegen würde ich ihm auch lieber danken! So ein Kerl gehört nicht ins Gefängnis – ich sage es euch! Wahrscheinlich ist er nur schüchtern und will nicht im Rampenlicht stehen. Und-“ Sie hielt inne, als sie sah, dass Chopper endlich ihre Tabletten aus der überfüllten Handtasche herausholte. Sein geschulter, fachkundiger Blick fiel natürlich sofort auf die Beschreibung, welche auf die kleine Dose geklebt war. Seine Augenbrauen zogen sich voller Sorge zusammen und der junge Mann presste seine Lippen auf einander. Nami wusste, dass es kein gutes Zeichen war, wenn er etwas so betrachtete, weswegen sie hastig vom Sofa aufstand, zu ihm ging und ihm die Tabletten aus der Hand riss. „Chopper…“ sagte sie voller Ruhe, wissend, dass ein Tumult in ihrem Freund ausgebrochen war. „Wofür nimmst du die?“, erkundigte er sich, schaffte es aber nicht, aufzublicken, um zu ihr zu sehen. „Die werden eigentlich nur von Fachärzten verschrieben. Meist Neurologen. D-das ist starkes Zeug. Und eine hohe Dosis. U-und… du hast dazu wirklich Alkohol getrunken?“ „Es war nur eine Ausnahme…“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. „Und mir fehlt nichts! Nur ein wenig Migräne-“ „Die sind viel zu stark für eine gewöhnliche Migräne, Nami…“ Sie hörte Robin schlucken. „Was verheimlichst du uns?“ Ihre Freundin wollte nach ihrem Handgelenk greifen, um sie zu beruhigen. Doch Nami zog es gleich weg, wollte erst gar keinen Kontakt zu lassen. Das Atmen wurde schneller. Das Drehen begann einmal mehr. Voller Panik griff sie nach einem Kleid aus ihre Koffer, stürmte zur Tür und sah nicht zurück. „Ich geh duschen!“, rief sie noch, bevor sie verschwand, „Und kein Wort zu den Anderen – oder ich verschwinde noch heute! Und wenn ich selbst zum Festland schwimmen muss!“ Es war schön spät. Die Sonne drohte bereits unter zu gehen. Rückblickend konnte Nami sagen, dass es ein schöner Tag war. Es wurde viel gelacht. Manche ihrer Freunde hatten sich zu einem Spiel mit dem Volleyball zusammengefunden. Es gab gutes Essen und sie liebte es einfach mal die Sonne zu genießen. Die Frage, warum sie ihr langärmliges Kleid anbehielt, ignorierte sie gekonnt. So wie die Blicke ihrer beiden Freunde, die mehr wussten, als ihr lieb war. Und das Verlangen, zurück zum Pier zu gehen, um nach ihrem Retter Ausschau zu halten. Trotzdem wollte sie ihm danken. Hätte der Fremde sie nicht gefunden, so hätte sie das kurze, ungewollte Abenteuer im Wasser nicht überstanden. Zudem weigerte sie sich zu glauben, dass der Kerl wirklich etwas Übles im Schilde geführt hatte. Unbemerkt von den Anderen hatte sie also eine leere Flasche aus dem stätig wachsendem Müllsortiment genommen. Und einen Zettel aus dem Notizbuch, dass sich stets in ihrer Tasche versteckte. Dazu einen Kugelschreiber. Es war nur eine kleine Nachricht, die sie da schrieb. Sie fing mit nicht mehr als „Lieber Mister Meermann,“ an und endete mit nicht weniger als ihrem Namen. Sie bedankte sich knapp für das Geschehen. Weigerte sich aber, mehr von sich preiszugeben. Vielleicht hätte sie ja Glück und diese Nachricht würde ihren Retter erreichen. Ins Wasser warf sie die Flasche, als ihre Freunde sich bereits auf den Weg zum Ferienhaus machten. Salate und Grillfleisch gab es noch in Massen und der vergangene Abend war so schön zu Ende gegangen – warum sollte man es nicht wiederholen? „Eine Nachricht für deinen Retter?“, hörte Nami ihre Freundin fragen, die Stimme schwer von Skepsis, der Blick auf das schwimmende Objekt gebannt. Nami antwortete ihr nicht. Blieb einfach stumm, drehte sich um und begann ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, hörte nur ein Seufzen ihrer Freundin. „Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Sonst hast du nie etwas vor mir verheimlicht. Und jetzt… jetzt glaube ich, dich nicht einmal mehr zu kennen!“ „Mir geht es gut…“, brummte Nami verstimmt und sah, wie ihre Freunde schon vorausgegangen waren. Nur Chopper wartete noch in einiger Entfernung. Der Blick traurig, aber bestimmt. „Mir geht es gut! Kein Grund sich Gedanken zu machen. Nur Stress mit der Arbeit. Und… all so etwas… Deswegen die Migräne und dagegen die Schmerzmittel!“ „Und was ist mit deinem Freund? Deinem Liebsten?“ „Dem geht es gut – danke der Nachfrage!“ „Dann zeig mir deine Arme!“ „Meine Ar- was haben die damit zu tun?!“ „Ich weiß, was ich gesehen habe. Als du dich gewaschen hast. Den Bademantel anzogst…“ Nami sschüttele nur den Kopf. Wollte dazu nichts sagen. Und konnte es auch einfach nicht. Stattdessen drehte sich die junge Frau einfach um und ging. Sie mied die beiden. Chopper und Robin. Auch zu den Anderen hielt sie eine eisige Stimmung. Die Lust zum Heitersein und zur Geselligkeit war ihr vergangen. Und ein wenig wünschte sie, sie wäre nie mitgekommen. Wenn er es erfuhr, würde es ihm eh missfallen… Schlafen konnte sie kaum. Und es war nicht der Lärm des Gesangs, der Musik und des Gelächters. Auch als diese verlangen, blieben noch ihre Gedanken, rotierend und wirbelnd in ihrem Kopf, bis sie aufstand und gleich drei der Tabletten auf einmal nahm, in der Hoffnung, sie würden ihr helfen. Das taten sie aber kaum. So war es zum Sonnenaufgang, als sie beschloss, das Bett zu verlassen, um Joggen zu gehen, so, wie es früher immer getan hat. Ihm würde es doch eh gefallen – schließlich liebte er doch den Gedanken, wenn sie ihre wundervolle Form behielt. Vielleicht würde die frische Luft ihr auch helfen, wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Der Strand war noch leer zu dieser Zeit. Die letzten Fußspuren durch das Spiel der Gezeiten weggespült. Algen und Treibholz sammelten sich hier stattdessen und warteten beseitigt zu werden. Es kümmerte sie aber nicht. Nein… Ihre Schritte trieben sie im weichen Sand voran. Vorbei an der Promenade und der Seebrücke und noch weiter hinaus. Die junge Frau wusste, dass sie sowieso noch mehr als genug Zeit hatte, da es noch einige Stunden dauerte, eh ihre Freunde erwachten. Und bis dahin würde sie schon lange zurück sein, vielleicht sogar schon geduscht haben. Bald schon erreichte sie einige Felsen und ein Schild verriet ihr, dass der Badestrand hier sein Ende fand – wohl war die Strömung hier zu stark, ddasspitze Gestein zu gefährlich. Trotzdem ging sie vorsichtig weiter – wollte wissen, ob es jenseits der steinigen Formation noch mehr Strand gab, an dem das Laufen sich lohnen würde. Dass es verboten war, weiterzugehen, konnte sie schließlich nicht lesen. Doch schon bald gestand sie sich ein, dass ihr Weg hier sein Ende fand, die Küste immer steile wurde. Immer höher und gefährlicher und einen zweiten, ungewollten Ausflug in das Wasser wollte sie nicht unternehmen. Sie kehrte um, richtete noch einmal einen wehmütigen Blick gen Horizont und hielt dann kurz inne, als sie meinte, beobachtet worden zu sein. Doch… Nein… das konnte nicht sein. Dort, im Wasser, würde niemand stehen oder schwimmen können. Es war einfach zu gefährlich und Nami konnte sich nicht vorstellen, dass jemand so lebensmüde war – all den Warnungen zum Trotz. Dennoch wurde sie von ihrer eigenen Neugier übermannt und vorsichtig kletterte sie von Stein zu Stein, bis sich nur noch Wasser vor ihr erstreckte und sie an ihrem Verstand zu zweifeln begann. Niemand war zu sehen – und guten Gewissens konnte sie sagen, dass das Wasser hier viel zu klar war, als das sich jemand verstecken konnte. Etwas Unwirsches brummte sie unter ihrem Atem, drehte sich zum Gehen und- Da war er. Ein Mann. Mit bleicher Haut und blondem Haar. Mit Augen so blau, wie das Meer, das ihn umgab und die Augenbrauen gedreht, als wären sie Strudel der Tiefe. Er sagte nichts. Versteckte sich nur halb hinter einem Felsen, sein Unterkörper noch im Wasser, während seine nasse Haut im Licht das Morgens glänzte. Sie erstarrte, so, wie er es wohl auch tat. Keuchte leise und eine Hand schnellte zu ihren Lippen, damit sie nicht schrie. „Scheiße!“, entkam es ihr dennoch. „Du Vollidiot! Warum erschrickt du mich so?!“ Er antwortete nicht. Starrte sie nur stumm an. Verengte die Augen und schien über ihre Worte nachzudenken. Sie schluckte. Unbehagliche Gefühle machten sich in ihr breit und hastig kletterte sie zurück auf den nächsten Felsen – weg vom Meer und weg von ihm. Falls er ihr folgen würde, müsste er schließlich erst einmal auf den Stein gelangen und bis dahin könnte sie bereits das Weite suchen. „Gut – ich weiß nicht, was du da machst, aber lass dich nicht davon abbringen! Die Warnungen hast du bestimmt gelesen und ich nehme an, dass du weißt, was du da machst. Man sieht sich!“ Einmal mehr wollte sie gehen. Schnell, zurück zu dem Ferienhaus und zu ihren Freunden. Doch es war ein Geräusch, dass sie wieder aufhielt – das von Glas auf Stein. Als sie wieder zu ihm blickte, sah sie, dass er eine Flasche auf den Felsen vor sich gestellt hatte. Eine Nachricht war in ihr und Nami erkannte gleich, dass dies ihre Flaschenpost war. Der junge Mann deutete auf sie. Dann auf die Flasche. Schließlich auf sich. Sie nickte vorsichtig, überquerte die Steine, um zu der Flasche zu gelangen. Der Verschluss fehlte. Das Papier darin war feucht und in nassen Fetzen konnte sie die Nachricht daraus bergen. Sie schmunzelte, als sie die erste Zeile las und blickte zu dem Schönling, der noch immer zur Hälfte im Wasser und hinterm Felsen versteckt war. „Willst du mir sagen, dass du mein werter Retter bist? Mein Herr Meermann?“ Er nickte, ein Lächeln überzog seine schmalen Lippen und sie betrachtete ihn genauer. Denn ja… er hatte die Statur des Schattens, der sich im fahlen Mondlicht über sie beugte. Es war also gut möglich, dass es die Wahrheit war. Sie wollte eigentlich nicht einmal daran zweifeln. Irgendetwas an ihm war doch so vertraut, als wäre er ein alter, langvermisster Freund. „Dann… Danke… Du hast mir das Leben gerettet! Ich… ich würde mich gern revanchieren. Wie wäre es mit einem Bier – es gibt da ein paar gute Bars an der Promenade. Aber ich denke, dass du das schon mitbekommen hast…“ Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Dann schüttelte er den Kopf. „Okay… kein Bier. Einen Cocktail? Oder lieber ein Abendbrot? Brunch? Was möchtest du? Und du weißt schon, dass du mit mir sprechen kannst – das würde alles ein wenig leichter machen!“ Mit einem Finger zeigte er nach oben, aus dem Wasser hinaus. Dann auf seine Kehle, bevor er den Kopf schüttelte. „Verstehe…“ – das tat sie nicht – „Bist du ein Taucher? Wassersportler? Gibt es so etwas wie einen Kodex, dass ihr nicht reden dürft, wenn ihr im Wasser seit? Dann komm einfach raus. Ich beiße schon nicht.“ Sie lächelte sacht und hielt ihm ihre Hand entgegen. „Ich stehe tief in deiner Schuld und irgendwie muss ich die doch begleichen…“ Gar zögerlich kam er herangeschwommen. Musterte sie, dann ihre Hand. Strich sich schüchtern das blonde Haar aus den Augen, bevor seine kalte, nasse Hand nach der ihren griff und sie ihn hinauf half, auch wenn er stark genug erschien, als das er es wohl allein schaffen würde. Als er dann aber vor ihr saß, sah sie verwirrt auf den unteren Teil seines Körpers. Nicht auf die Beine…nein… …auf einen silbernen Fischschwanz, der zu Teilen noch im Wasser hing. Sie fing sich aber schnell und sagte wissend: „Ah! So eine Flosse habe ich schon mal im Fernsehen gesehen. Mermaiding hieß das… Wusste gar nicht, dass auch Männer das betreiben! Sieht sehr echt aus – das muss ich schon zugeben! Irre… diese Schuppen!“ Zögerlich reichte sie nach ihm. Strich über das Schuppenkleid, wo sie seine Knie vermutete. „Wie viel kostet so was? Wurde die maßgeschneidert. Sieht sehr eng aus!“ Ihre Fragen prasselten auf ihn ein. Doch sie bekam einfach keine Antwort. Kein Wort. Ein wenig empört blickte sie ihn stattdessen wieder in die Augen. „… du bist wirklich nicht sehr gesprächig, was?“ Seine Lippen presste er wieder aufeinander. Eine kleine Falte bildete sich zwischen seinen Augen. Dann wiederholte er noch einmal die Zeichen: Er deutete nach oben. Auf seine Kehle. Schüttelte den Kopf. Nami legte nur den Kopf schief, verstand noch immer nicht so recht, was er ihr damit sagen wollte. Und er schien es zu bemerken und seufzte geräuschlos. Deutete noch einmal auf sich. Dann hinaus aufs Meer. „Ich will dich doch gar nicht lange aufhalten…“, murmelte sie und verdrehte die Augen. „Ich will nur freundlich sein… Also…?“ Er sah sie nur an, seine tiefen, blauen Augen nahmen die ihre gefangen. Dann reichte er ganz vorsichtig nach ihrer Hand und führte sie hinauf zu seinem Hals. Legte sie auf die Seite, wo sie drei kleine Narben spürte. Lange, dünne Linien, die sich zu öffnen schienen, als er seine Brust hob und senkte. „Was ist das?!“, fragte die junge Frau gar angewidert und zog hastig ihre Hand weg. „Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du Kiemen hast?!“ Doch – genau das wollte er sagen. Drehte sich von der einen, dann zur anderen Seite, damit sie die schmalen Schlitze an seinem Hals sah. Links und rechts, je drei Stück. Ihr Hirn begann zu arbeiten, doch jede noch so logische Erklärung schien ihr so unendlich absurd – auch wenn sich das eine mit dem Anderen zusammenfügen wollte. Trotzdem konnte und wollte sie sich die Wahrheit nicht eingestehen. „Ich bin verrückt geworden – das ist es!“, wisperte sie, mehr zu sich selbst, als an den jungen Mann gewandt. „Du kannst unmöglich ein Meermann sein… Das ist einfach unmöglich!“ Hastig schüttelte er den Kopf, griff nach ihren Händen, damit sie nicht aufstehen konnte, um ihn zu verlassen. Hob seine Flosse aus dem Wasser, die ebenso silbern glänzte und doch auch ein wenig durchsichtig war, sodass das Sonnenlicht hindurch scheinen konnte. Er wedelte mit ihr in der Luft. Deutete auf diese. Dann wieder auf sich und hinaus aufs Meer. Nami war einfach zu geschockt, um zu antworten. Stattdessen war er es, der handelte – rasch vom Felsen sprang und wieder hinein ins Nass. Grazil und unter der Oberfläche umher schwamm, die Felsen mit Leichtigkeit umkreist, bis er wieder zu ihr kam und seinen Kopf vor ihr aus dem Wasser reckte. Zuversichtlich nickte er. Und lächelte. Brachte seine Flosse hinter sich nach oben und wedelte mit ihr, als würde er ihr winken. „Du kannst unmöglich echt sein. Meerjungfrauen und dergleichen gibt es nur im Märchen…“, entkam es ihr atemlos, als sie zum Rand des Felsen krabbelte, um sich vor die stumme Gestalt zu knien. „Und doch bist du hier… Du… bist echt…“ Sie hatte ihn nicht nur gesehen. Nein – sie hatte seine kalte, klamme Haut gespürt. Die rauen Schuppen seines Fischschwanzes. Die Kiemen an seinem Hals. So etwas konnte sie sich doch nicht einbilden… Bevor er sie aufhalten konnte, tat sie das einzige, was ihr jetzt noch vernünftig erschien: Sie stand auf und ging, so schnell sie nur konnte, wieder zurück zum Ferienhaus. „Chopper…?“, wisperte sie leise, stand neben ihrem kleineren Freund, der eben wieder ins Haus gegangen war, um sich noch eine Schale Cornflakes zu holen. Die anderen waren noch draußen, aßen ihr Frühstück. Verblüfft darüber, dass sie das Gespräch mit ihm suchte, sah er sie mit großen Augen an, blieb aber noch still, da er sowieso noch den Löffel im Mund hatte, als er sich gerade Milch in die Schale goss. „…zu den Tabletten?“, fragte sie vorsichtig und warf noch einmal einen unsicheren Blick über ihre Schulter und nach draußen, um sicher zu gehen, dass keiner ihrer anderen Freunde ihnen folgte. „Welche Nebenwirkungen können auftreten, falls ich mal eine – ganz aus Versehen – zu viel genommen habe. Oder eben mit Alkohol kombiniert habe…“ „Hat dir das dein Arzt nicht gesagt?!“, fragte der junge Mann voller Schock, als er den Löffel aus seinem Mund nahm, um das bunte Getreide mit der Milch zu verrühren. „Ganz schön leichtsinnig! Verschreibt ein Medikament und zählt nicht einmal alle Nebenwirkungen auf! Und so etwas nennt sich dann noch Arzt!“ Ja – sie wusste genau, dass Chopper einer der Ärzte war, der seinen Beruf äußerst ernst nahm und stets von seinen Berufsgenossen das Gleiche verlangte. Deswegen war sich Nami auch sicher, dass sie bei ihm genau an der richtigen Stelle war. „Ich habe nur Angst, etwas nicht richtig zu beachten. Ich nehme sie erst seit einigen Tagen-“ Das war eine Lüge, doch Chopper musste jetzt nicht die Wahrheit kennen. „Doch du hast recht – sie sind sehr stark und mit denen sollte man nicht scherzen!“ Er nickte voller Zustimmung. „Ich habe ein leichtes Schmerzmittel stets in meinen Reisekoffer. Gehört nun einmal in jede gute Reiseapotheke hinein! Wenn es dir besser geht, dann kannst du die gern nehmen! Rechtzeitig angewandt, helfen die auch gegen die Schmerzen einer Migräne.“ Sie lächelte, auch wenn sie kaum daran glaubte, dass diese simplen Schmerzmittel ihr wirklich helfen könnten. „Danke… Und… die Nebenwirkungen von meinen? Kennst du die aus dem Kopf?“ „Ich kenne nicht alle Studien dazu – aber… Übelkeit, Schwindel und Fahruntüchtigkeit sind wohl die häufigsten. Ebenso wie innere Unruhe. Bluthochdruck und depressive Gedanken. Ganz selten auch Schlafstörungen und, bei Männern, Unfruchtbarkeit.“ „Und Halluzinationen?“ „Halluzinationen? Nami – du machst mir wirklich Angst! Aber nein – Halluzinationen gehören nicht dazu. Vielleicht bei einem von hunderttausenden Patienten – aber um mir da sicher zu sein, müsste ich das noch einmal nachlesen!... Soll ich denn das noch einmal nachlesen?“ Hastig schüttelte Nami ihren Kopf und lächelte. „Nein - ich wollte nur noch mal Sichergehen! Ist ja nicht so, als würde ich Meerjungfrauen im Wasser sehen! Trotzdem nehme ich das Angebot an und nehme mal vorübergehend deine Tabletten. Vielleicht helfen die ja auch!“ „Wenn nicht, kommst du einfach nächste Woche in meine Praxis und ich gebe dir genau das, was du brauchst!“ Da war er wieder. Nicht nur der Schmerz in ihrem Kopf – der da war und schlimm wie eh und je, vielleicht nur ein wenig gemindert durch die Tabletten, die Chopper ihr gab. Doch diese versuchte sie gekonnt zu ignorieren. Nein… Er war es – der schöne, blonde Seemann, von dem sie gehofft hatte, dass er nur ein Produkt von Stress, Medikamenten und Alkohol war. Er war da, schwamm in gewisser Ferne vor ihnen im Meer. Sein silbernes Schuppenkleid schimmerte unter dem Wasser und in der Sonne. Und manches Mal streckte er seinen Schopf hinaus, um zu ihr zu sehen. Nur wenige Zentimeter und nicht sichtbar für alle anderen hier. Doch sie kannte sein Geheimnis. Sie wusste, dass er real war. Jeder andere Mensch würde meinen einen Sonnenstich abbekommen zu haben – beim zweiten Blick war er doch eh stets wieder verschwunden. „Was is’n da draußen?“, fragte Ruffy, der neben ihr saß – eingegraben im Sand und nicht mehr von ihm sichtbar, als nur sein Kopf und sein großer, gelber Strohhut. „Fische? Wir können ja welche fangen – vom Grill schmecken die auch gut!“ Sie schmunzelte, als sie das hörte, reichte dann nach einer Getränkedose mit Strohhalm und reichte sie ihm, seine Lippen erhaschten den schmalen Halm und er nahm einen kräftigen Zug. „Du würdest auch wirklich alles auf den Grill schmeißen, was nicht bei drei auf den Bäumen wäre, oder?!“ „Ich mag mein Fleisch!“ „Darin änderst du dich wohl nie, oder?“ „…, warum sollte ich kein Fleisch mehr mögen?“ Sie zuckte mit den Schultern und ihre Augen erhaschten wieder ihren Seemann, der noch einmal seinen Kopf aus dem Wasser streckte – dieses Mal versuchte sie ihn gekonnt zu ignorieren. „Da hast du wohl recht…“, sie sah auf den Kopf ihres Freundes hinab. „Gut, dass sich manche Dinge nie ändern…“ „Alt werden wir alle – das ändert sich… Hast du noch etwas zu Essen? Ich bin am verhungern!“ „Sicher, dass ich Franky und Lysop nicht Bescheid sagen soll, dass sie sich wieder ausgraben?“ „Ich will nur was essen – hier unten ist es zumindest schön kalt!“ „… und den Sand wirst du noch wochenlang überall finden…“, murmelte sie, während sie in der Gefrierbox nach einen Snack für ihren Freund suchte – einen Schokoriegel fand und ihn auspackte. Diesen steckte sie dann Ruffy einfach in den Mund – der das gesamte Ding gleich genüsslich zu kauen begann. Sie seufzte. „Habe ich mich wirklich so sehr verändert?“, fragte sie vorsichtig und wartete auf eine Antwort, bis der junge Mann aufgekauft hatte. „Verändert?“ „Ja! Bin ich irgendwie anders geworden?“ So gut er konnte, musterte Ruffy sie von unten, bis oben, schüttelte dann den Kopf. „Nö! Siehst noch aus wie gestern.“ „Das meinte ich nicht! Ob ich mich in letzter Zeit verändert habe!“ Sie glaubte, dass er mit den Schultern zuckte. „Weiß ich nicht! In letzter Zeit haben wir uns ja nicht oft gesehen.“ „Naja-“ „Und du bist ja auch nicht in unseren ganzen Gruppenchats! Und ich habe ja sowieso deine Nummer gar nicht. Und deine Adresse. Und wo du seit dem letzten Jahr arbeitest, weiß ich auch nicht. Und wenn wir uns alle treffen, ins Restaurant gehen, oder ins Kino, kommst du ja auch nicht mit. Und deinen Verlobten kenne ich nicht. Und das eine Mal, als ich dir zugewunken habe – da am Bahnhof – hast du gar nicht zurück gewunken…“ Seine Worte trafen sie wie ein Schlag in die Magengrube. Dinge, die sie zwar wusste, aber nie wirklich wahrgenommen hatte. Dinge, die sie tat, weil er nur eifersüchtig wurde, wenn er nur davon erfuhr, dass sie so viele Freunde hatte. Wobei… Freunde war doch wohl kaum das richtige Wort. Nein…, für diese Leute war sie doch nur noch eine Fremde… „Ist ja auch egal!“ Hastig wischte sich Nami eine Träne von ihrer Wange, als sie das hörte und sah den Strohhutträger mit großen Augen an. „Egal?“, wiederholte sie nur und er nickte. „Wir haben alle viel zu tun! Und jetzt du bist ja auch hier! War ja auch eine schlaue Idee, dass Robin deine Nummer von deiner Schwester bekommen hatte! So kannst du ja jetzt mit hier sein! Und das ist es doch, was zählt!“ Nojiko… ja… der einzige Kontakt, den sie noch regelmäßig pflegte. Weil sie Namis Schwester war und er nichts dagegen hatte. Natürlich konnte Robin von ihr Namis Nummer bekommen – ihre Schwester wünschte sich doch schon so lange, dass sich etwas änderte. Dass sie ihn verließ und sich neue Arbeit suchte und den Kontakt wieder zu ihren Freunden aufnahm. Doch die Liebe zu ihm war einfach zu stark, beteuerte Nami immer. Und trotzdem fühlte es sich wie ein kleiner Lichtstrahl an, als Robin sie anrief und hierher einlud – auch wenn sie es ihm nicht erzählte, aus Angst, das Sorgen ihn einholen würden. Plante ihm von einem kurzen Ausflug mit Nojiko zu erzählen – wozu es nie kam, da er ja eh seine Auseinandersetzung mit dem Gesetz hatte. Vielleicht müsste sie ihm davon nicht einmal erzählen… „Du hast Recht – es ist toll, dass ich hier bin!“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln, drehte sich dann zu dem Rest ihrer Freunde, die tief in einem Volleyballspiel versunken waren und rief: „He! Bei der nächsten Runde will ich aber mitspielen!“ Sie jubelten, als sie das hörten, nur Ruffy protestierte: „Hey! Dann lass mich hier raus! Ich will auch mitspielen!“ Die Stimmung war wundervoll – lange schon hatte Nami sich nicht mehr so lebendig gefühlt, wie an diesem Abend. Sie war mit ihren Freunden in eine Strandbar gegangen, wo das Essen gut und günstig war. Musik wurde live gespielt und die Besucher hier sangen dazu, klatschten und tanzten. Alkohol – nur nicht für sie – floss in reichen Mengen und Geschichten aus der Vergangenheit erhoben sich, wie Gestalten aus einer Gruft. Es war schön und fühlte sich so unendlich richtig an – sie tanzte sogar einige Mal mit ihren Freunden, manchmal sogar allein. Sie hatte die Gesellschaft vermisst und zum ersten Mal in einer langen Zeit, dachte sie nicht darüber nach, wie er wohl darauf reagiert hätte. Doch heute wollte sie einmal nicht über ihn nachdenken… Vor einiger Zeit hatte der Sänger ihren Freund Brook bemerkt – kannte dessen Lieder und das Talent des langen Dürren. Freudestrahlend und mit viel Euphorie rief man ihn auf die Bühne und – Rockstar, wie Brook nun einmal war – sollte einige Songs für die Leute zum Besten geben. Das tat er auch und zum Erstaunen Aller schien der Bekanntheitsgrad ihres Freundes wohl doch größer zu sein, als alle dachten. So standen sie alle bei der Bühne, sangen und grölten mit ihrem Freund, bis sie aller heißer waren und noch darüber hinaus. Nur Nami hatte sich in einer kurzen Pause zurück zum gemeinsamen Tisch begeben, trank etwas und inhaliert die gute Laune und die frische Luft der Nacht vom Rande des Geschehens. Ja – sie war wirklich froh, hier zu sein. Ein Plätschern war es, das sie innehalten ließ und sie drehte sich um. Doch sie sah nur tiefste Schwärze, dort, wo die Scheinwerfer und Lampen keine Macht mehr hatten. Sie aber wusste auch, ohne ihn zu sehen, dass es ihr Meermann war, der irgendwo unten, im Wasser, sein Unwesen trieb. Ihr Herz pochte, wie will, in ihrer Brust und liebend gern wäre sie zurück zu ihren Freunden gegangen, hätte gern weiter mitgefeiert. Doch etwas Verbotenes zog sie weg – wie eine Sirene, die ihr Opfer suchte. Sie folgte dem stillen Rufen – nahm sogar einen Teller mit diversen Resten mit sich – und ging den hölzernen Pfad entlang, bis zum Pier. Eine Treppe führte hinab in die Tiefe und hinab in die Dunkelheit, zu einem niedrig gelegenen Steg, den normalerweise Fischer mit ihren kleinen Booten nutzten und nur wenige Zentimeter über dem Meer verlief. Gekonnt kletterte sie über die Absperrung, folgte der Treppe, dann dem Steg, suchte mit ihren Augen nach dem Silber seines Schuppenkleides, das ihn wieder verriet. Am Ende angekommen, blieb sie stehen, starrte hinunter in die Schwärze, die sie da sah, bis die Schwärze schon bald von seinem fahlen Gesicht ausgefüllt wurde. „Ich wusste, dass du hier bist…“, flüsterte sie, auch wenn sie kaum glaubte, dass jemand sie über die sanften Wellen und dem Lärm der Bars hinweg, hören konnte. „Du hast mich schließlich den ganzen Tag beobachtet, nicht?“ Er nickte und lächelte, griff dann mit seinen Händen nach dem Steg und zog sich aus dem Wasser hinaus, setzte sich zu ihr, auf die Kante. Seine majestätische Flosse behielt er aber im Nass. Sie tat es ihm gleich, zog ihre Schuhe aus und setzte sich an seine Seite, ließ selbst die Füße im Wasser baumeln. „Ich habe dir etwas zu Essen mitgebracht… Ich nehme an, dass auch solche, wie du, etwas essen müsst…“ Sie reichte ihm den Teller – die Hälfte ihres gebratenen Fisches war noch darauf und einige Pommes. Sie wusste nicht einmal, warum sie dies tat – wahrscheinlich nur als kleine, freundliche Geste. Gar irritiert blickte er auf die flache Scheibe in seinen Händen. Roch daran. Dann biss er direkt in den Teller. „Oh, nein, nein, nein! Das ist ein Teller! Man isst die Sachen, die darauf sind!“ Der Meermann ließ den Teller wieder sinken, ergriff dann flink – aber nur mit den Fingerspitzen – den Fisch und steckte ihn sich in den Mund, schmatzte als er ihn verschlang. Dann griff er nach einem der Kartoffelstäbchen, hielt sie vor seine Augen, um sie genau zu betrachten, steckte dann auch sie zwischen seine Lippen. Innerhalb von Sekunden war der Teller leer, Lippen und Finger abgeleckt. Hibbelnd saß er dann neben ihr. Deutete auf den Teller, dann auf seinen Mund und strahlte sie an. „Tut mir leid… mehr habe ich leider nicht… Beim nächsten Mal, ja? Ich hätte schließlich nie gedacht, dass so Meermenschen, auf Fettiges stehen…“ Oder dass sie mal mit einem Meermann sprach. Er nickte eifrig, drückte ihr dann den Teller wieder in die Hand, bevor er nach ihrer Hand griff und ungeduldig an ihr zog. Er deutete auch hinaus aufs Meer. „Was… ich? Soll ich mit dir ins Wasser?“ Ein weiteres Nicken und er ließ sich ins Wasser sinken, hielt aber noch an ihrem Arm fest. „Was?! Oh nein! Ich geh nicht bei Nacht schwimmen! Das Wasser ist doch jetzt viel zu kalt! Und es ist dunkel und-“ „Nami?“, hörte sie jemanden ihren Namen rufen und abrupt ließ er ihre Hand los, sank hinab in die Tiefe. Sie selbst wirbelte herum, sah dann einen dünnen, hochgewachsenen Schatten, der die Treppen zu ihr hinab stieg. „Robin?“, erkundigte sich Nami gleich, als sie die Stimme endlich erkannte. „Was machst du hier?“, fragten schließlich beide gemeinsam und in seinem Chor, lachten dann leise, als sie es hörten. „Ich suche dich… Du warst plötzlich verschwunden und Brook wäre doch so traurig, wenn du das große Finale verpasst!“ „Mhm… ja… das wäre schade. Ich war das ganze Jahr nicht bei seinen Konzerten.“ Robin antwortete nicht, ging nur still zu ihr und – nachdem sie aus ihren Flip Flops schlüpfte – setzte sich neben sie – auch wenn sie für einen kurzen Moment irritiert schien, da die Stelle noch recht feucht war. Dazu sagte sie aber auch nichts, griff dann nach der Hand ihrer Freundin und hielt sie fest umschlossen, auch, als Nami ihren Kopf auf die Schulter der Älteren senkte. „Bis heute kann ich noch immer guten Gewissens sagen, dass du meine beste Freundin bist. Und dass ich mich doch nur um dich sorge…“ Nami nickte, starrte dabei hinaus aufs Wasser. „Das letzte Jahr war etwas schwierig…“ „Er ist ein wenig schwierig, nicht?“ Sie antwortete nicht und Robin seufzte. „Wenn du reden willst, höre ich dir zu. Das tun wir alle – das weißt du doch…“ „Ja…“ „Gut… und willst du mir jetzt sagen, was du allein hier unten machst?“ „Nach meinem geheimnisvollen Retter suchen, natürlich!“ Robin lachte leise, als sie die Bestimmtheit ihrer Freundin bemerkte. „Er wird sich schon zeigen. Da bin ich mir sicher!“ Nami schmunzelte, als sie das hörte. „Bestimmt. Und zu deiner Frage – ich wollte nur etwas die Ruhe genießen. Und ich glaube, dass ich morgen in der Früh wohl wieder Joggen gehe – das tat mir heute auch sehr gut!“ „Na, wenn es sonst nichts ist, dann bin ich beruhigt. Und? Kommst du jetzt wieder mit hoch?“ Die Sonne war gerade erst aufgegangen und eigentlich war sie noch todmüde von der vergangenen Nacht – schließlich war sie doch erst spät ins Bett gegangen. Trotzdem zog es sie wieder hierher – zu den Felsen, wo sie das erste Mal mit dem Meermann sprach. „Hey… bist du da?“, wisperte sie, kniete auf einem der flachen Steine und hielt ihre Hand ins Wasser. Noch immer hoffte sie, dass er sie hörte – in der vergangenen Nacht, als sie mit Robin sprach. Doch gewiss war er nicht fern – womöglich hatte er sie eh vom Wasser aus die ganze Zeit beobachtet. Sie wurde auch nicht enttäuscht – denn schon sah sie den silbernen Schimmer im Wasser, der sich stetig und grazil auf sie zu bewegte. Gar zaghaft nahm er ihre Hand und tauchte auf, lächelte strahlend, als er sie sah. Und sie erwiderte das Lächeln, ebenso strahlend und leuchtend. „Ich wusste, dass du hierher kommen würdest!“, sagte sie mit Freude und ließ seine Hand los. „Auch wenn ich mir nicht so recht sicher bin, ob das hier wirklich eine so gute Idee ist…“ Rasch zog sie erst das Shirt über ihren Kopf, die Schuhe und Socken von den Füßen und schließlich die Hose über die Beine. Verwundert deutete er auf sie, dann auf seine Brust, bewegte in Verwunderung den Kopf. Sie blinzelte, sah an sich herunter und Strich über den Stoff ihres Bikinis. „Das?“ Er nickte. „Das ist ein Bikini und der bleibt an! Netter Versuch, Freundchen!“ sie musste sich das das Grinsen verkneifen, als sie sah, wie er schmollte, setzte sich aber sogleich wieder an den Rand des Felsens, ließ sich langsam hinab ins kühle Wasser gleiten. Sie sank nicht tief, denn er war bereits da, hielt sie mit Leichtigkeit über der Oberfläche. Gar verwundert war da sein Blick, als seine Augen auf ihren Oberarm fielen und er fixierte ihre Tätowierung. „Ein Tattoo…“, entkam es ihr gleich, als eine seiner Hände über das Blau, tief in ihrer Haut, strich. „Das ist Tinte, die mit einer Nadel in die Haut gestochen wurde…“ Seine Hand wanderte weiter, hinab zu ihrem Handgelenk und er hob ihren Arm, bis er auch dort die Haut sehen konnte. Ihr Herz blieb stehen und sie wollte sich seinem Blick entziehen – doch er war wesentlich stärker, als man vermuten konnte. „Das ist Nichts!“, flüsterte sie hastig und schaffte es dann doch sich schnell aus seinem Griff zu befreien. „Es hat nur mit meiner eigenen Dummheit zu tun!“ Sein Blick war zweifelnd, doch am Ende ging er schon gar nicht mehr darauf ein. Und das war auch gut so. Sie schwammen für eine lange Zeit. An diesem Tag und auch am Morgen des nächsten. Hinaus aufs Meer und zurück. Mehrere Runden um die Insel. Zu den Felsen, die mächtig und imposant aus dem Wasser ragten, dort am Horizont und dort legten sie stets eine Rast ein. Nami war beeindruckt, wie schnell der Meermann sich bewegte und ihr hätte klar sein müssen, dass sie nicht so leicht folgen konnte. So hatte er sie schnell gepackt, ihre Arme um seine Schultern geschlungen und so mit ihr gemeinsam durch das endlose Blau geschwommen – erst später hatte sie gemerkt, wie nahe sie ihm dabei doch gekommen war und wie schön es sich doch eigentlich anfühlte. Wie richtig… Der Meermann war ganz anders, als er. War sanftmütig und freundlich. Kein Druck lag in seinen Berührungen. Kein Zwang. Sein Lächeln war ehrlich und das Strahlen seiner meeresblauen Augen nahm sie stets in eine willkommene Gefangenschaft. Seit einigen Minuten nun sah sie ihm zu, wie er allerlei Kunststücke im Wasser vollführte. Hinaus sprang und sich in die Tiefen sinken ließ, nur um dann wirbelnd wieder hinaufzustürzen. Es war ein wahres Spektakel und gern hätte Nami die gleiche Freiheit erfahren. „Du bist wirklich unglaublich…“, wisperte sie, lag bäuchlings auf einem Felsen, stützte mit der einen Hand ihren Kopf und reichte mit der anderem, als er wieder zu ihr schwamm. Sanft strich sie über seine Wange, strich ihm das blonde Haar von der Stirn und schließlich wanderten ihre Finger hinunter zu seinem Hals. „Und ich wünschte, du wärst ein Mensch, dann…“ Schnell unterbrach sie sich selbst. Entzog ihm ihre Hand und setzte sich auf, umarmte ihre Knie und senkte ihr Kinn auf diese. Voller Sorge sah er sie, zog sich auf den Felsen hinauf und saß neben ihr, starrte sie aber nur stumm an, bis sie wieder zum Reden bereit war. „Das hier…“, flüsterte sie und hielt ihm ihren linken Arm hin, zeigte ihm einen braun-gelben Abdruck einer Gürtelschnalle. „…habe ich bekommen, als ich vor einigen Wochen Hundert Berry an eine gemeinnützige Organisation gespendet habe. Und das hier-“ Sie deutete auf drei blaue Striemen auf dem rechten Unterarm, „-sollte eine Lektion sein, weil er eifersüchtig war, da ich den Typen im Einkaufsladen angeblich schöne Augen gemacht habe. Und die Narbe hier? Das war ein Bügeleisen das am abkühlen war. Weil ich zum Abendessen ein Glas Wein getrunken habe…“ Sie könnte zu allen Malen die passende Geschichte erzählen. Alle waren tief in ihr Gedächtnis gebrannt und würden nie mehr verschwinden. Und zum ersten Mal erzählte sie jemanden davon. „Können Meermenschen Liebe verspüren? Und wenn ja – dann frage ich dich, ob sie so etwas auch mit denen machen, die sie lieben. Damit sie hören. Und lernen. Und ebenso bedingungslos lieben…“ Gar zaghaft strich er ihr langes, nasses Haar aus dem Gesicht, sein Daumen wischte die Tränen weg. Nahm dann ihre Hand, legte sie auf seine Brust und seine Stirn gegen die ihre. Atemlos gluckste sie, spürte das stete Pochen seines Herzens, das synchron zu dem ihren schlug. Sie verstand ihn und er musste nicht ein Wort sagen. „Das ist unfair…“, wisperte sie, nahm hastig ihre Hand von seiner Haut und schüttelte den Kopf. „… Warum kannst du kein Mensch sein? Ich würde mit dir überall hingehen – und dabei kenne ich dich doch nur wenige Tage. Und dass es dich gibt, kann ich ja sowieso nicht fassen…“ Als er das hörte, strahlte er von Ohr zu Ohr, zog an ihrer Hand und sie so einfach mit sich ins Wasser – auch wenn sie protestierend aufschrie. „Das war nicht wörtlich gemeint!“, keuchte sie, das Wasser fast eisig auf ihrer heißen Haut. „Und so weit schwimmen kann ich nicht! Ich habe keine Kiemen und muss zwischendurch atmen, falls du das vergessen hast!“ Er nickte eifrig und voller Euphorie. Hielt sich plötzlich die Nase zu, machte Anstalten abzutauchen und deutete dann auf Nami. „… so komme ich trotzdem nicht weit…“ Nun war er es, der die Augen verdrehte, wiederholte noch einmal die Zeichensprache, bis sie genervt seufzte. Zu verlieren hatte sie doch eh nichts… Also tat sie es, was er von ihr verlangte: Sie holte tief Luft, hielt sich die Nase zu – schloss noch schnell die Augen und tauchte ab – er folgte ihr sofort. „…vielleicht kenne ich einen Weg, wie du mit mir kommen könntest, doch-…“ Ihre Augen sprangen im kalten, salzigen Wasser auf und erschrocken zog sie Luft ein – obwohl da keine Luft war. Hustend stieß sie wieder durch die Wasseroberfläche und umklammerte das nächst Beste, das ihr Halt gab – den blonden Meermann, der mit ihr eben sprach. Er hielt sie über dem Wasser, tätschelte ihren Rücken, bis sie das Wasser ausgespuckt hatte und wieder atmen konnte. „Eine Vorwarnung wäre ja mal ganz nett gewesen, du Vollidiot!“, zederte sie und schlug ihn – wenn auch kraftlos – gegen die Schulter. Doch nun verstand sie endlich, was er ihr bereits versucht hatte zu sagen. Dass er nicht sprechen konnte. An der Oberfläche – ein wenig fühlte sie sich dumm, dass sie erst jetzt zu der Erkenntnis kam. „Entschuldige… ich… wir versuchen es nochmal, okay?“ Er nickte und sie holte tief Luft, bevor er wieder eintauchte und sie dieses Mal mit sich nahm. „Ich wollte dich nicht erschrecken…“, säuselte er und vorsichtig öffnete sie ihre Augen – der brennende Schmerz war auszuhalten, um sein Gesicht zu sehen, so nah, dass es ihr nur noch mehr den Atem nahm. Gern hätte sie etwas Sarkastisches darauf geantwortet – doch mit dem Sprechen war es schwierig. Sein Blick wurde trüb und eine kleine, sorgenvolle Falte bildete sich zwischen seinen Augen. Eine Hand legte sich an ihr Kinn, sein Daumen strich ihre Lippen. „Niemand sollte seinen Partner so behandeln, wie du behandelt wirst… Liebe ist etwas Schönes. Einzigartiges. Unbeschreiblich. Nicht voller Schmerz und Angst und Zorn. Ich hasse diesen Mann dafür. Unendlich… Und ich kann dir helfen. Ja… Es ist ganz einfach, eigentlich. Ich müsste dich nur küssen. Genau hier und jetzt…“ Sie nickte eifrig, reckte ihren Hals, damit sich ihre Lippen trafen, doch er entzog sich ihr. Seufzte mit Schmerz und Traurigkeit. „Doch du könntest nie mehr zurück. Für immer ein Kind des Wassers. An meiner Seite, aber für immer an das Meer gefunden. Und… du hast doch noch eine Welt dort oben. Menschen, die dich lieben…“ Ihre Lungen begannen zu brennen, gar zu schreien nach Sauerstoff. Doch sie wollte nicht hören, suchte seinen erlösenden Kuss. Er war es, der sie nach oben stieß, damit sie auftauchte und nach Luft schnappen konnte. Keuchend sah sie ihn an. „Und wenn ich hier glücklicher wäre?! Und frei? Und…. Und…“ Noch einmal holte sie Luft, tauchte unter die Oberfläche und er folgte ihr schnell. „Und wenn es nicht das ist, was dich ein Leben lang glücklich macht? Es gibt keinen Weg zurück… Natürlich – für mich gäbe es nichts Schöneres. Unser Volk verliebt sich nur einmal und das bis an unser Ende. Doch ich… ich kann warten… Ich tat es schon, als wir noch Kinder waren. Und wenn es noch weitere hundert Jahre wären – ich könnte damit leben…“ „… und dann war da noch die Geschichte, als du den Meerjungen erfunden hast! Von da an haben wir dich gar nicht mehr vom Meer wegbekommen!“ Nami hörte ihrer Schwester Nojiko genau zu – auch wenn das Telefonat schon fast zwei Stunden ging und ihr Kopf schmerzte und nach einer Pause bettelte. Doch sie musste es wissen – Warum sie das Meer schon immer so geliebt hatte. Warum sie stets in Tagträume versank und sich an fremden Stränden vorfand. Warum sie einwilligte mit ihren Freunden ein paar Tage auf dieser Insel zu verbringen, obwohl sie genau wusste, wie er reagieren würde, wenn er es herausfand. …warum es für sie nicht so verwerflich war, ihr Leben für den schönen, blonden Meermenschen hinter sich zu lassen. Nojiko erzählte ihr von den vergangenen Urlauben, die sie mit ihrer Ziehmutter stets am Meer verbrachten, bevor sie verstarb. Wie sie mit drei Jahren unbedingt das Angeln lernen wollte, damit sie sich Fische als Haustiere halten konnte – was doch ein recht kindlicher und naiver Gedanke gewesen sein musste. Wie sie fast täglich ins Aquarium, oder in das Meeresmuseum wollte. Wie sie Sand, Muscheln und Meerwasser in Gläser, Dosen und Taschen verstaut, um alles mit nach Hause zu nehmen. … wie sie als kleines Kind stets einen Aufstand machte, wenn sie wieder heimreisten… Doch bei diesen Worten wurde die junge Frau besonders hellhörig und musste gleich nachhaken: „Ein Meerjunge? Wie so eine Art Meerjungfrau?“ „Mhm… du trafst ihn – glaube ich – auch auf dieser Insel. Wie alt warst du da… fünf… vielleicht sechs Jahre…?“ Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte leise, als eine Erinnerung sie übermannte. „Du hast geschworen ihn mal zu heiraten! Daraus wird ja wohl nichts…“ „… hast du ihn auch gesehen? Den Jungen aus dem Meer?“, erfragte Nami voller Hoffnung. „Nein – natürlich nicht! Ich glaube ja auch bis heute, dass du dir den Fischjungen nicht ausgedacht hast, sondern es in Wirklichkeit der Junge aus dem Nebenzimmer vom Hotel war. Ich glaube der hieß Law…“ „Nur… eingebildet?“ „Äh – hallo?! Fischmenschen existieren nicht, falls es dir noch niemand gesagt hat? Gut – aber wahrscheinlich ist jeder Kerl, der zur Hälfte Mensch ist und zur anderen Fisch mehr Mann, als das Sackgesicht mit dem du dich verlobt hast!“ „Nojiko!“, keuchte Nami teils schockiert über die Ausdrucksweise ihrer Schwester, aber auch überrascht. „Ich sage nur die Wahrheit und da der gerade eh nicht da ist, kann ich dir auch mal die Wahrheit sagen, ohne Angst zu haben, dass er dir eine knallt! Weißt du – liebstes Schwesterchen – am Besten bleibst du einfach da. Und wenn du auf Kerle mit Flossen stehst, dann such dir einfach einen mit einem dicken, fetten Schwan-“ „Nojiko! Deine Ausdrucksweise ist wirklich wieder unter aller Sau!“ Sie beide lachten, auch wenn es in ihrem Leben doch nicht so viel zu lachen gab. Die Sonne ging unter und mit ihr lichteten sich die Schmerzen in ihrem Kopf. Sie wusste, was zu tun war – reichte zu dem Ring an ihrem Finger, hielt ihn in der Hand, holte aus und warf ihn weit über die Wellen hinaus. „Das macht man aber nicht mit seinem Verlobungsring!“, rief Lysop gar erschrocken und wedelte wie wild mit den Armen in der Luft. „Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt?!“ Nein – das war sie nicht. Sie war stolz auf das, was sie da gerade getan hatte. Fühlte sich befreit und als ob unglaubliche Last von ihren Schultern fiele. „An dem Ring war eh nichts echt! Kaum zu glauben, dass ich sowas überhaupt getragen habe…“ „Oh…“, murmelte der Langnasige und steckte seine Hände tief in die Taschen seiner Hosen. „Naja – dann heißt das wohl, dass ich keine Einladung zu deiner Hochzeit bekomme?“ Sie schielte ihren Freund von der Seite her gefährlich an und in Abwehr hob er gleich seine Hände hoch in die Luft. „Nur ein Witz! War gar nicht ernst gemeint.“ „Scheiße…“, wisperte sie in voller Verzweiflung, bevor sie noch einmal zu tauchen begann, suchte mit ihren Augen nach dem goldenen Kleinod auf dem Meeresboden, auch wenn ihr klar war, dass es keinen Sinn mehr hatte. Ein so kleines Ding, verloren im Spiel der Gezeiten. Warum war sie auch so dumm gewesen? So rücksichtslos… So blind… Er würde wütend sein. Ihr wieder eine Lektion dafür erteilen…wenn nicht noch Schlimmeres. Doch sich geschlagen gebend ging sie zum Strand zurück, wischte sich Tränen und Wasser aus den Augen, zitterte, als eine Brise über ihren Körper hinwegfegte. Die Sonne begann gerade aufzugehen, versteckte sich aber noch hinter einigen der Wolken. Es war kühler, als die Morgenstunden der letzten Tage. Ihr Kopf schmerzte und sie hatte kaum geschlafen. Ihre Gedanken hielten sie wach. Stundenlang und bis zum Morgen. Und nun war schon Sonntag, die Fähre würde bald kommen… Gedanken über den blonden Meermann. Gedanken und Erinnerungen von ihm. Ängste und Sorgen. Die Furcht das Falsche zu tun, wenn sie hier ihr Leben aufgab und dem sirenenhaften Rufen ihres Herzens folgte. All das wirbelte in ihrem Kopf umher. „Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst…“, schniefte sie, ließ den Kopf auf seine Schulter sinken, als ihr Meermann sich aus dem Wasser zog, um sich in den nassen Sand zu ihr zu setzen. Zaghaft griff er nach ihrer Hand und verflocht seine Finger mit den ihren. Legte seine Lippen sacht auf ihr Haupt. „Warum nur kannst du kein Mensch sein…?“ Er zuckte mit den Schultern, doch sein Seufzen wirkte traurig. „Wir könnten ein Haus am Meer haben. Wunderschöne Kinder, die am Strand spielen.“ Sie lachte leise, hob ihren Kopf, um ihn anzusehen. „Wir könnten eine Frühstückspension aufmachen, am Meer. Du könntest kochen und ich kümmere mich um die Gäste. Ziemlich verrückt, diese Gedanken, nicht?“ Er schüttelte den Kopf, lächelte sie voller Trauer an. „Aber du bist kein Mensch… Und ich… ich bin nicht so, wie du…“ Vorsichtig strich sie über sein Schuppenkleid, wusste sie doch nicht ob sie Neid, oder Traurigkeit verspürte. „Ich kann nicht mit dir gehen…“ Er nickte. Kaum merklich und mit gesenktem Blick – gewiss wusste er es die ganze Zeit. Dann hielt er ihr seine zweite Hand hin, öffnete die Faust und gab ihr den Inhalt Preis. Es war ihr Ring und er steckte ihn ihr an den Finger, hielt dann ihre Hand fest, damit sie sich ihm nicht entzog. „Du Vollidiot…“, entkam es ihr in ihrer Hilflosigkeit. „… in einem anderen Leben hätte ich zu gern Ja gesagt!“ Wieder ein Nicken und sie kniete sich neben ihn, warf die Arme um seinen Hals und drückte ihn fest an sich. „… du bist schließlich der Meerjunge von damals. Ich erinnere mich an dich! Und du hast mich schon damals gerettet, als ich zu weit auf das Meer hinausschwamm und fast ertrunken wäre. Dieses Mal vergesse ich dich aber nicht – versprochen!“ Noch ein Nicken und sein Griff wurde fester. Verzweifelter. Hilfloser… Es brach ihr fast das Herz. „Du sagtest, dass dein Volk sich nur einmal verliebt. Wie sieht es mit Menschen aus, die sich in Meerjungfrauen und Meermänner verlieben? Lieben die dann auch so – nur dieses eine Wesen, bis ans Ende unserer Tage?“ Er blickte zu ihr hinauf. Ließ sie los und reichte mit beiden Händen nach ihren Wangen, fing ihren Blick mit dem seinen ein. Doch er zuckte mit den Schultern – wusste er darauf keine Antwort. Doch seine Augen waren voller Hoffnung und Liebe zu ihr. Zu gern hätte sie sich ihm entgegen gestreckt, um die Lippen auf die seinen zu legen. Doch er war es, der einen Finger auf ihre zu legen, um sie zurück zu halten. „Ja…es ist unfair…“, flüsterte sie. Sie mied das Meer, bis sie die Fähre betraten. Nami konnte ihren Meermann einfach nicht mehr sehen – egal wie sehr das Sehnen sie zu ihm zog. „Aber dieses Mal warten wir kein Jahr, bis wir uns wiedersehen! Verstanden, junge Dame?!“, mahnte Franky sie mit einem belustigenden Zwinkern. „Und wegen deiner Migräne kommst du mal zu mir in die Praxis – Dienstag habe ich noch freie Termine!“ kam es auch von Chopper, der sie fest in die Arme schloss. „Dann schauen wir mal, dass wir dir etwas verschreiben können, das dir wirklich hilft!“ „Und zu meinem nächsten Konzert kommst du gefälligst auch mal! Du stehst auch ganz oben auf der VIP-Liste! Yohoho~“ „Ja, verstanden! Das mache ich alles!“, sagte sie mit meinem gespielten Lächeln, da sie noch nicht wusste, wie sie es schaffen würde, ihre Ängste ihm gegenüber zu überwinden. Doch vielleicht würde sich ihr Leben ja bessern, wenn sie ihm Parole bat, ihre Freunde öfter sah und ihre Kopfschmerzen endgültig besiegte. Vielleicht könnte sie dann auch die Liebe zu dem blonden Meermann vergessen und dem unergründlichen Sehnen nach dem Meer. „Ich werde euch alle vermissen! Und Lysop - zu der Babyparty bin ich ja wohl eingeladen, nicht?“ Sie lachten, standen sie alle noch gemeinsam am Hafen, doch schon auf dem Festland. Die Zeit verging so schnell, doch es war Zeit sich zu verabschieden. „Und du Zorro verlobst dich gefälligst bis zum nächsten Mal mit Robin, verstanden?!“ Der Mann brummte etwas Unwirsches unter seinem Atem, während Robin leise kicherte. „Und beim nächsten Mal winkst du, verstanden?“, protestierte Ruffy noch, der sie trotzdem voller Inbrunst umarmte. „Ich lade dich sogar auf etwas zu Essen ein, okay?“ „Tihihi – abgemacht!“ Doch die Zeit drängte. Busse kamen und Parkuhren liefen aus. Auch Namis Zug würde bald im Bahnhof einfahren. Sie alle verabschiedeten sich, gingen dann ihres Weges. Nur Nami verweilte noch einen Weg länger – blickte noch einmal voller Sehnen hinaus auf das Meer. Zu ihrem liebsten Meermann, der gewiss irgendwo dort draußen irgendwo war und sie beobachtete. Dann ging auch sie. Es war still, als sie in der gemeinsamen Wohnung ankam. Natürlich – er war noch nicht zurück gekehrt, hockte gewiss noch in der Zelle des städtischen Gefängnisses. Oder – und doch so wahrscheinlich – er war schon längst wieder frei, hatte das gemeinsame Geld versoffen und verkifft, lag seit Tagen irgendwo in der Ecke und vegetierte vor sich hin. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass er Raum, Zeit und sich selbst vergaß und in seiner eigenen Pisse aufgewacht war. Mit zusammen gepressten Lippen betrachtete sie ihren Ring, der kalt und schwer an ihrem Finger hing. Der so falsch war, wie die Liebe zu dem Mann, mit dem sie hier lebte. Ihr war kalt. Sie fühlte sich fremd in dieser Wohnung – fremd in ihrem eigenen Körper sogar und sie wusste, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte. Barfuß ging sie durch die Wohnung. Betrachtete die Bilder an den Wänden, auf den Kommoden. Bilder von ihnen beiden – glücklich, wie es für die Weld aussehen sollte. Das war sie nicht – war sie mit ihm nie gewesen. Auch nicht in ihrem Job… … vor allem nicht, seitdem sie die Kopfschmerzen hatte… Sie hätte beim Meer – bei ihm – bleiben sollen… „Hey Baby~“, hörte sie da plötzlich ein Lallen und langsam sah sie über ihre Schulter, wusste sie doch eh, wen sie da stehen sah. Sie hatte das Knacken des Schlosses nicht gehört und nicht seine schweren Schritte. „Mhm~ warst wohl im Sonnenstudio! Siehst zu schön braun aus! Dann lass mich doch mal sehen, ob dein ganzer Prachtkörper so schön ist! Komm doch her – ich habe dich doch so sehr vermisst!“ Sie ließ es zu, dass er mit ihr schlief. Mehr auch nicht. Bat ihm nur einen Körper, über den er sich beugen konnte. So war es nicht das erste Mal gewesen – sie hatte ihm schon oft eine Show geboten, wenn er betrunken war. Damit er ihr nicht mehr wehtat, als sonst. Nur dieses Mal war Anders. Dieses Mal hatte sie sich den schönen Meermann vorgestellt, der sie liebte und vielleicht mochte er ja Leidenschaft wahrgenommen haben, wo doch nur Liebe für einen Anderen herrschte. Doch er war zufrieden. Schlief schon kurz darauf grunzend neben ihr ein und belästigte sie dadurch den Rest des Abends nicht mehr… „Entschuldigen Sie, Miss?“, wisperte da sie Schwester im weißen Gewand. „Frau Doktor möchte Sie jetzt sprechen…“ Nami seufzte leise, ging dann stumm in das Zimmer der Ärztin, wollte sie doch den Termin nicht mehr absagen, auch wenn Chopper sie am nächsten Tag erwartete. Sie hoffte nur, dass Frau Doktor die Röte auf den Wangen nicht mitbekam, die ihre schamhaften Gefühle zu dem blonden Meermann verrieten. „Und sie haben schon ein paar Tage das Präparat nicht mehr genommen?“, fragte die alte Frau gar erstaunt. „Und die Schmerzen?“ „Ein befreundeter Arzt gab mir andere Tabletten, da ich zu große Angst wegen der Nebenwirkungen hatte…“ „Die hatten wir doch ausgiebig besprochen, nicht?“ „Schon… doch… ich hatte Sorge unter Halluzinationen zu leiden und-“, diese Worte verließen schneller ihre Lippen, als ihr lieb war und die Alte sah sie gar erstaunt an. „Halluzinationen? Mir ist dazu keine Studie bekannt…“ „Die anderen Tabletten halfen trotzdem und... Hier sind sie!“ Nami hatte schon seit einigen Augenblicken nach den Schmerzmitteln von Chopper gesucht und als diese in der Handtasche fand, legte sie diese direkt auf den Tisch, vor die Ärztin. Diese betrachtete die kleine Schachtel mit kritischem Blick, schüttelte dann den Kopf. „Und Sie hatten dadurch keine Schmerzen mehr?“ „Nun… Nein… nicht wirklich, aber-“ „In Ihrem Fall hätten die alle Mal wie ein billiges Placebo gewirkt…“ „In… meinem Fall?“ Die Ärztin seufzte, ihre alten Augen wurden glasig und grau. „Ich fürchte, dass die Testergebnisse nichts Gutes verheißen. Mit einer Therapie können wir ihre Lebenszeit noch ein wenig verlängern, aber-“ Geweint hatte sie etwa für eine Stunde. Dann waren die Tränen versiegt. Hatte der Ärztin gesagt, dass sie sich melden würde und war dann einfach gegangen. Nach Hause, da sie doch eh nicht wusste, wo sie hin sollte. Zu ihrer Überraschung hatte er seine Freunde eingeladen, die betrunken und zugedröhnt im Wohnzimmer saßen und irgendwelchem Sport im Fernseher zusahen. Er selbst saß in der Küche, eine Flasche von dem starken Zeug zu seiner Linken und drei feine Linien aus weißem Pulver zu seiner Rechten. „Da bist du ja! Dann können wir ja richtig feiern, dass ich wieder frei bin, nicht?! Die Jungs sind auch schon da!“ Angewidert verzog sie das Gesicht, wich seinen Armen aus, die sie fangen wollten, damit er sie zu sich zog. Doch sie war flink und schon schnell im Bad verschwunden. Schloß ab und setzte sich auf den Rand der Badewanne, wartete, bis sein Klagen verklang und er sie vergaß. Einmal mehr hatte sie die Wahl – sie konnte sich dem Schicksal hingeben und entweder in diesem Drecksloch von einer Wohnung versauern, oder im Krankenhaus. Es war doch nur die Frage der Zeit. Oder… Hastig nahm sie ihr Handy in die Hand. Suchte auf ein paar Seiten nach Fahrzeiten. Buchte ein Ticket – dieses Mal nur für eine Richtung. Dann rief sie eine Nummer an, die sie schon vor langer Zeit hätte wählen sollen. Sprach leise und schnell, bevor sie auflegt und noch einige Zeit abwartete. Stand dann auf und verließ wieder das Bad. Er saß wieder in der Küche. Es waren nur noch zwei Linien da, die Flasche zu seiner linken halb geleert. Mit einem gezielten Griff zog sie sich den Ring vom Finger, warf in achtlos auf die zweite weiße Linie. „Bist du bescheuert?!“ „Nein, bin ich nicht. Und es ist aus! Ich gehe. Dieses Mal endgültig!“ Er schlug sie. Eine kräftige Ohrfeige, die den Kopf zur Seite warf. Es verschlimmert die Schmerzen und die Angst kroch wieder in sie hoch, doch dieses Mal wollte sie ihr nicht nachgeben. Sie zuckte nur kurz zusammen, als sie das Blut spürte, dass über ihre Lippe floss. „Du dummes Stück bist doch ohne mich vollkommen aufgeschmissen. Ich bin der Einzige, der dich glücklich macht. Und der es dir richtig besorgt! Und auf dich achtet! Und-“ „Scheiße, da draußen sind die Cops!“, fluchte einer seiner Freunde und sie war damit vollkommen vergessen – Beweise für eine Festnahme gab es schließlich genug. Nami war auch gar nicht überrascht – sie was es doch, die am Handy die Polizei rief. Als sie ging, wischte sie sich noch das Blut von Lippe und Nase, doch hielt sie den Kopf hoch erhoben. „Fahrscheine, bitte!“, rief der griesgrämige Schaffner, als er ihr Abteil betrat, hob verwundert eine Augenbrauen, als er sie sah, nahm aber stumm den Fahrschein entgegen. Sie hielt noch immer ein Taschentuch gegen ihre blutende Nase, die Arme vollkommen entblößt, die blauen Flecken sichtbar. Ja – sieh sah furchtbar aus, hatte aber keine Scheu es zu zeigen. Nicht aus Mitleid – Nein – weil sie stolz war, zumindest einen Kampf gewonnen zu haben. Hastig stanzte er ein Loch in die linke, obere Ecke. „Endstation, ja? Dieses Mal nicht zurück?“ „Ich weiß, wo ich hin gehöre. Ich gehöre zum Meer. Ich bin eh todkrank, also warum nicht sterben, wo es schön ist? Viele sind doch eh schon dort geblieben und wollten nicht zurück…“ „Mhm…“, brummte er nur desinteressiert und reichte ihr den Schein. „Die Fähre legt aber heute nicht mehr ab. Ist zu spät!“ „Ist okay – ich habe schon meine Wege…“ „Und’s regnet auch noch…“ sie sah nach draußen und stellte fest, dass der Mann natürlich Recht behielt. Doch sie zuckte mit den Schultern. „Das ist okay. Nur eine Frage – Gibt es dort einen Briefkasten, oder sollte ich doch auf Flaschenpost umsteigen? Wobei ich nicht glaube, dass die sonderlich zuverlässig ist, oder?“ Es regnete. Schüttete wie aus Eimern, fast so, als hätte es die schönen, sonnigen Tage nicht gegeben. Die Wolken über ihr waren schwarz, wie das Meer, das stürmisch vor ihr lag. Ihr Herz bebte. Schlug ihr bis zum Hals. Dröhnte In den Ohren – wie der Schmerz in ihrem Kopf, der sich anfühlte, als würde er platzen. Und doch war sie bereit – wusste sie doch, was zu tun war. Ihre Tasche ließ sie einfach in den Sand fallen. Auch die Schuhe ließ sie zurück. Und das Kleid an ihrem Körper. Bestimmt ging sie den Wellen entgegen. Schauderte, als das kalte Wasser sie umhüllte. Erst nur die Füße. Dann die Hüften. Bis zur Brust. Und mit der nächsten Welle tauchte sie ab, schwamm dem offenen Meer entgegen. Kämpfte gegen die Fluten. Gegen den Sturm. Ließ sich treiben und sank dann tief hinab. Die Dunkelheit umgab sie vollkommen. Die Kälte. Die Leere. „Nein…, so darf das nicht sein“, drang da ein Flüstern an ihre Ohren, so weit entfernt und doch ganz nah bei ihr. Der silberne Schimmer war da, auch wenn die Kraft sie verließ und sie ihre Augen nicht mehr offen halten konnte. Doch sie fürchtete sich nicht, als das Wasser ihre Lungen füllte und sich ihr Verstand vernebelte. Denn er war da und jetzt würde alles gut werden… Warme Lippen drückten sich gegen ihre. Liebevoll und voller Leidenschaft. Entfachten ein Feuer tief in ihr, brennend durch jede Pore ihres Seins, durch die Glieder und die Fingerspitzen. Beim nächsten Atemzug holte sie tief Luft und sie fühlte sich befreit. Gar schwerelos – auch wenn sie ihre Beine nicht mehr spürte. „… du bist bei mir…“, flüsterte er, zärtlich und nicht mehr als ein Hauchen. Nami aber schlug die Augen auf und auch wenn es dunkel war, so wusste sie doch genau, wo sein Gesicht doch war. „Ja…“, antwortete sie atemlos. „Wollen wir nach Hause?“ Noch einmal sah sie nach oben, hinauf zur Oberfläche. Doch dort hin zog es sie nicht mehr. Nein, denn hier, im Meer, war es, wo sie hin gehörte. „Gern~“, seufzte sie wohlig, zog ihn dann aber schnell in noch einen kleinen Kuss – schließlich hatten sie sich doch so lange davon abgehalten. „Ich bin bereit, nach Hause zu gehen…“ „Ah…“, sagte einer der Polizisten, als eine junge Frau mit blauem Haar auf ihn zugeschritten kam. „Sie sind die Schwester?“ Nojiko nickte, schluchzte leise, als sie das Absperrband sah und Markierungen in der Ferne. Und dort – nur wenige Meter vor ihr lag Namis Kleid, die Schuhe und die Handtasche – diese kannte die junge Frau genau, da sie diese Nami zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. „Wir gehen von einem Unfall aus. Wobei vieles auf einen Suizid hinweist. Sie wussten, dass ihre Schwester ein Opfer häuslicher Gewalt war?“ Nojiko reagierte nicht, starrte noch immer auf alles, was von ihrer kleinen Schwester übrig war. „… und wir sprachen mit ihrer behandelnden Ärztin. Lange hatte sie auch nicht mehr zu leben und… hören Sie, wir wissen, dass das schwer ist und wenn sie einen Seelsorger brauchen, dann-“ „Nein… es… es ist schon gut… Ich… ich glaube zumindest, dass sie einen schönen Tod hatte. Sie hat das Meer doch immer so sehr geliebt… Schon als kleines Kind! Wo ist sie denn?“ „Wer?“ „Meine Schwester! Ihr Körper – irgendwas…“ Irgendetwas, das sie zu Grabe tragen konnte. „Wir haben sie noch nicht gefunden. Es wird auch schwer sein – bei dem Sturm der vergangen Nacht und den Strömungen und-“ „Dann ist sie auch nicht tot!“ stieß Nojiko in ihrer Wut und in ihrer Verzweiflung hervor. „Dann ist sie nicht tot…“, flüsterte sie noch einmal, leise und schwach. „Wir verstehen, dass sie aufgewühlt sind… Auf diesen Weg die eigene Schwester zu verlieren, ist nicht leicht und-“ Sie hörte nicht mehr zu. Starrte einfach nur hinaus aufs Meer, sagte nichts. Es war Stunden später, als sie schließlich im Hafen saß, ohne Kraft und ohne jede Hoffnung. Konnte nicht glauben, was da geschehen war – mit ihrer kleinen Schwester, die sie doch sonst immer zu beschützen wusste. „Nojiko?“, fragte da plötzlich jemand hinter ihr – eine Stimme, die sie schon lange nicht mehr hörte. Gar benommen drehte sie sich um, sah eine schlanke Frau mit schwarzem Haar, die früher so oft Gast in ihrem Haus gewesen war – fast täglich, um Nami zu besuchen. In der Ferne stand auch ihr Freund, doch sein Blick – in seiner eigenen Form schmerzlich verzerrt – wich dem ihren stets aus. „Robin…“, schluchzte die Frau, wischte sich mit dem Handballen die Tränen aus dem Gesicht und ließ sich von der Schönen in die Arme nehmen. Brauchte die Nähe einer Bekannten und von jemanden, der Nami ebenso liebte, wie sie. Zorro gesellte sich ebenfalls bald zu den Frauen. Wenig später trafen auch Ruffy, Lysop und Chopper, Brook und Franky ein. Irgendwer brachte Bier, das Nami früher immer getrunken hatte. Irgendwer die Orangen, die sie immer so sehr liebte. Sie erzählten sich alte Geschichten. Sie schmunzelten über langvergessene Anekdoten. Trauerten über eine verlorene Freundin. Es war schön und Nami hätte dieses Zusammentreffen sehr gefallen. „‘Tschuldigung!“, rief da jemand hinter ihnen und die kleine Trauergesellschaft drehte sich zu einem alten Mann, der mit einer Schaffneruniform und nicht ganz so griesgrämigen Blick vor ihnen stand. „Ihr seit die Freunde von der toten Frau vom Strand?“ Für manchen mochte dies taktlos klingen, doch wahrscheinlich wusste der Mann seine Worte einfach nicht besser zu verpacken. Er wartete auch nicht lange auf eine Antwort, kam heran und reichte Nojiko ein Bündel mit Briefen, tippte mit dem Finger seiner alten Hand darauf. „Hat sie mir gegeben und ich sollte die der Schwester und den Freunden geben. Gab halt keinen Briefkasten hier im Hafen – sagte ich ihr. Und sie hat mich lieb gefragt, ob ich das für sie übernehme. Die Briefe geben, wenn ihr alle hier seit. Verstehe jetzt auch, warum sie sich sicher war, dass ihr alle hier auftaucht.“ Ein trauriges Lächeln zuckte kurz über seine alten Züge. „Sagte, dass es so wohl schneller geht. Hätte sonst die Flaschenpost genommen, hat sie gesagt…“ Mit gesenktem Kopf ging er dann einfach, ließ die kleine Gesellschaft wieder für sich. „Briefe?“, fragte Franky und schniefte voll Schmerz. Nojiko nickte, begann sie dann zu verteilen. „Für jeden einen…“ Auf jeden Brief stand ein Name. Auf jeden Brief hatte sie mit zittrigen Händen eine Flaschenpost im Wasser – mit nicht mehr, als einem Kugelschreiber – gemalt. Für jeden waren es die letzten Worte, die sie persönlich nie an ihre Freunde richten konnte. Sie lasen alle in Stille, sagten aber nichts zu dem Inhalt, doch es schien – zumindest für den Moment – den Schmerz ein wenig zu lindern. Als Nojiko ihre Zeilen zum dritten Mal gelesen hatte, drückte sie nur den Brief gegen ihre Brust, starrte hinauf aufs Meer. Nein… sie würde nicht alles verstehen. Da würden immer unbeantwortete Fragen bleiben. Doch… vielleicht ging es Nami ja wirklich besser, dort wo sie war. Ja… vielleicht war das Meer genau der richtige Ort für sie gewesen, nun der richtige Zeitpunkt. So sehr hatte sie doch das Meer geliebt – schon damals als Kind. Schon damals hatte sie genau gewusst, dass es der kleine Meerjungen war – mit Flosse und im Wasser lebend – den sie einmal lieben würde. Heiraten, wenn es nur ginge. Ja… vielleicht passte genau dieser Meermann auch auf ihre Schwester auf, so, wie sie es hier, unter den Lebenden, nie geschafft hatte. „Selbstmörder kommen nicht in dem Himmel“, seufzte Robin traurig und doch auf ihrer sonst so makabren Art. „Wobei es ihr bestimmt auch in der Hölle blendend geht“. „Nein…sie wollte nie in den Himmel. Sie wollte immer nur ins Meer… Und dort geht es ihr bestimmt sehr gut… Ich weiß es…“ Und wer wusste es schon – doch vielleicht wurden sie alle genau in diesem. Moment beobachtet. Von einer Meerjungfrau und einem Meermann, die dort lebten – irgendwo draußen auf dem Meer… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)