Das Licht der Finsternis von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 1: Hikari ----------------- „Mach dir keine Sorgen, Miyako-san … Du kannst doch nichts dafür … Nein, ernsthaft … Natürlich ist es traurig, aber wir können nun mal nichts ändern … Ja, mache ich. Gute Besserung dir!“ Mit einem langgezogenen Seufzer legte Hikari den Hörer auf und ging dann ins Wohnzimmer, wo Takeru auf dem Sofa saß. „Lass mich raten, Miyako hat ebenfalls abgesagt?“, fragte ihr Freund und blickte von seinem Handy auf.  Hikari nickte.  „Magen-Darm-Grippe, anscheinend hat sie was Schlechtes gegessen. Sie schafft es keine fünf Minuten, ohne auf die Toilette zu müssen“, berichtete sie von Miyakos Anruf. Takeru war vor fünf Minuten angekommen, ihre Mutter hatte ihn reingelassen, ehe sie sich auf den Weg zum Einkaufen machte.  Hikari seufzte erneut. Dabei hatte sie diesem Tag doch so sehr entgegengeblickt. Es war das fünfjährige Jubiläum, seit Daisuke und die anderen das erste Mal in der Digiwelt gewesen waren. Aber das Treffen stand dieses Jahr unter keinem guten Stern. Ihr Bruder und die anderen hatten zu viel Stress mit der Uni und keine Zeit für ein Treffen, und außerdem sollten die sechs unter sich bleiben.  Iori war der Erste gewesen, der abgesagt hatte. Sein Großvater hatte vor einigen Tagen einen Schlaganfall erlitten und er wollte sich um ihn kümmern.  Und nun war Miyako erkrankt.  „Denkst du, Daisuke und Ken kommen noch?“, fragte Takeru, als Hikaris Handy mit einer eingehenden Nachricht vibrierte. Kurz darauf vibrierte auch das Handy von Takeru.  Daisuke hatte eine Nachricht in ihren Gruppenchat geschickt.   [12:23] Daisuke Tut mir wirklich Leid, Leute. Aber ich schaff‘s nicht zu kommen.  Ken geht nicht ans Telefon. Ich fahr jetzt zu ihm und kümmer mich um ihn.  Wir sehen uns ein anderes Mal, okay?   „Oh.“  Takeru blickte auf, nachdem er eine kurze Antwort getippt hatte. „Also sind es nur wir beide, wie es aussieht?“  „Naja, Tailmon und Patamon sind auch noch dabei“, erinnerte Hikari ihn und deutete auf die beiden Digimon, die träge auf dem Balkon lagen und die Sonnenstrahlen genossen. „Aber denkst du, mit Ken-kun ist alles in Ordnung?“  „Mach dir keinen Kopf um ihn“, meinte Tailmon plötzlich. Hikaris Digimon hatte bemerkt, dass seine Partnerin etwas bedrückte und war wieder ins Wohnzimmer gekommen, Patamon flatterte dem Katzendigimon hinterher und machte es sich auf seinem Lieblingsplatz, Takerus Kopf, gemütlich.  „Tailmon hat Recht“, meldete es sich zu Wort. „Immerhin ist Daisuke doch bei ihm.“  Als Hikari sie alle vor Wochen zu dem Picknick in der Digiwelt eingeladen hatte, hatte Ken nur zugesagt, weil Daisuke ihn darum gebeten hatte. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie geahnt, dass er nicht kommen würde. Er hatte sich auch die letzten vier Male vor den Treffen gedrückt. Dass er sich nun doch zurückzog, war verständlich. Trotzdem tat es ihr leid, ihn nicht sehen zu können. Sie waren alle zu sehr beschäftigt in letzter Zeit und Ken lebte auch noch knapp eine halbe Stunde Zugfahrt von ihnen entfernt, sodass sie ihn generell noch weniger als die anderen sahen. Abgesehen von Daisuke, der so gut wie jedes Wochenende bei seinem besten Freund verbrachte.  „Wollen wir das Picknick abblasen?“, fragte sie nun betrübt. Dabei hatte sie sich so sehr darauf gefreut.  „Oder, wir könnten auch nur zu viert gehen?“, schlug Takeru nervös vor. Er wusste, wie sehr sich Hikari auf dieses Treffen gefreut hatte und er mochte es nicht, wenn sie deprimiert war. Aufmunternd berührte er sie am Ellenbogen. „Tailmon und Patamon waren seit unserer Weihnachtsfeier nicht mehr in der Digiwelt.“  Ihre beiden Digimon nickten zustimmend. Ihre Digimon lebten nun schon seit Jahren in der realen Welt. Um zu verhindern, dass weitere Digimon in die Menschenwelt kamen und die Grenze zwischen der realen und der digitalen Welt nicht noch mehr zu gefährden, hatten sich die Kinder zusammen mit Gennai darauf geeinigt, die Tore nur zu bestimmten Tagen zu öffnen. Einer davon war der Tag, an dem Daisuke, Miyako und Iori das erste Mal die Digiwelt bereist hatten.  Hikari lächelte leicht. Sie vermisste die digitale Welt ja auch, aber auf der anderen Seite fühlte sie sich mies, wenn sie alleine mit Takeru und ihren Digimon in die Digiwelt reiste, während ihre Freunde und deren Digipartner nicht dabei waren. Und dann war da noch dieses ungute Gefühl in ihrem Unterbewusstsein, das sie seit Tagen plagte. Ein leichter Stich in ihrer linken Brust, der plötzlich auftrat und genauso schnell wieder verschwand. Sie konnte es sich nicht erklären und hatte es deshalb niemandem erzählt. Immerhin wusste sie ja noch nicht einmal, ob es etwas mit der Digiwelt zu tun hatte. Es herrschte nun schon seit Jahren Frieden. Dieses Gefühl konnte so viel bedeuten und musste nicht einmal mit der digitalen Welt zusammenhängen. „Sie würden bestimmt nicht wollen, dass wir ihretwegen auf dieses Picknick verzichten“, meinte Takeru. Seine Finger strichen sanft über ihren Unterarm, auf dem sich eine leichte Gänsehaut bildete. Er zeichnete Kreise auf ihren Handrücken und sah sie dann aufmunternd an.  Hikari lächelte sanft.  „Und außerdem würde ich gerne ein paar Stunden mit dir alleine verbringen“, gestand er leise und Hikari errötete. „Also, ohne, dass wir befürchten müssen, dass wir jeden Moment gestört werden können.“  „Mama ist einkaufen“, meinte Hikari zögernd. „Und oniichan ist den ganzen Nachmittag mit Lernen beschäftigt, der wird so schnell nicht wiederkommen.“  „Aber deine Mutter wird sicher keine Stunden beim Einkauf brauchen und sei ehrlich, du würdest doch eigentlich liebend gerne in die Digiwelt gehen.“  Sie schluckte nervös, als er sie mit ernstem Blick ansah. Natürlich wollte sie in die Digiwelt reisen. Sie war so lange nicht mehr da gewesen. Und er hatte recht, seit sie vor ein paar Wochen ein Paar wurden, hatten sie nicht wirklich Zeit für sich gehabt. Sie beide hatten ihre Beziehung geheim halten wollen, doch das hieß auch, dass sie vor den anderen immer noch so taten, als wären sie nur gute Freunde. „Hikari?“ Patamon streckte sich ihr entgegen – und rutschte dann von Takerus Kopf direkt in ihre Arme, die sie gerade noch rechtzeitig ausgestreckt hatte, um das Digimon aufzufangen. „Willst du etwa nicht mit uns in die Digiwelt gehen?“  „Natürlich will ich mit euch in die Digiwelt gehen“, meinte sie schmunzelnd, während Takerus Digimon sie mit flehenden Augen ansah.  „Hast du etwa Angst mit Takeru alleine zu sein?“, überlegte es laut.  „Oh, wirklich?“ Takeru grinste listig und trat dann einen Schritt auf sie zu. „Hikari, du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben.“  „Dummkopf!“, schalt sie ihn kichernd. „Wer sollte vor dir schon Angst haben?“  „Also gehen wir in die Digiwelt?“ Patamon klatschte begeistert in seine Pfoten.  Hikari seufzte und nickte dann. Sie konnte einem Digimon noch nie einen Wunsch abschlagen. Und das Picknick abzusagen, hieß auch, dass Patamon und Tailmon nicht in die Digiwelt gehen würden. Tailmon hatte seit Tagen von nichts anderem mehr geredet. „Juhu!“ Patamon flatterte aufgeregt zum Laptop, den Hikari auf dem Esstisch aufgestellt hatte.  Takeru sah sie lächelnd an. Er war noch immer so nah. Wenn sie sich vorbeugte, dann würde sie ihn küssen. Und wenn sie ehrlich war, dann wollte sie ihn wirklich gerne küssen.  Sie warf einen Blick zu den beiden Digimon, die sich gerade über etwas unterhielten und ihren Partnern keine Aufmerksamkeit schenkten. Auch wenn sie beide wussten, dass Hikari und Takeru nun mehr als Freunde waren, als Digimon hatten sie kein Verständnis von Romantik. Und sie fand es merkwürdig, mit Takeru Zärtlichkeiten auszutauschen, wenn Tailmon oder Patamon dabei war.  Also beugte sie sich vor und drückte sanft ihren Mund auf seinen. Ehe er den Kuss erwidern konnte, hatte sie sich auch schon wieder zurückgezogen.  Aus dem Kühlschrank holte sie die Frischhalteboxen mit dem Schokoladenobst, dass sie und Tailmon gestern Nachmittag zubereitet hatten.  Dann stellten sich die Vier vor dem Laptop auf.  Takeru legte eine Hand auf ihre, Tailmon ergriff die andere Hand.  „Los geht’s!“, rief Hikari laut und hielt ihr D-3 ausgestreckt, um das Tor zur Digiwelt zu öffnen.  Der Laptop strahlte ein blendendes Licht aus und sog die beiden Teenager zusammen mit ihren Digimon ein. Hikaris Herz klopfte aufgeregt, während sie durch den Datenstrahl reisten.  Sie blickte zu ihrer Seite, wo Tailmon sich befand. Ihr Digimon sah sie fröhlich lächelnd an, doch Hikari runzelte die Stirn. Kam es ihr nur so vor oder war Tailmon unnatürlich blass?  „Hikari-chan?“, fragte es verwundert, als es den Gesichtsausdruck seiner Partnerin bemerkte.  Sie wollte gerade etwas sagen, als Tailmon sich in Pixel auflöste.  Dann kam sie hart auf dem Boden der Digiwelt an. Sie waren in einer Schlucht gelandet, an beiden Seiten waren sie von weißen Steinwänden umgeben, so hoch, dass sie den Rand nicht sehen konnten. Ein paar Schritte entfernt von ihnen floss ein dünner, fast ausgetrockneter Fluss. Panisch sah sie sich um. Takeru und Patamon standen noch immer neben ihr.  „Tailmon?“ rief sie laut. Doch von ihrem Digimon war weit und breit keine Spur. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)