Kizuna III von Salada (Ewigkeit) ================================================================================ Kapitel 3: Akt I - Fühlen -------------------------     Es ist bereits dunkel und Inu Yasha ist noch nicht zurückgekehrt.    Nichts wirklich Ungewöhnliches, da es momentan unruhige Zeiten sind und er, auch wenn er es nicht zugeben möchte, beunruhigt ist.  Seine mittlerweile eingespielten Patrouillenrundgänge sind unbewusst Routine geworden und ziehen sich, je nach Atmosphäre unterschiedlich in die Länge. Ich habe die Vermutung, dass seine dämonische, instinktgesteuerte Hälfte ihn mehr dazu antreibt, als sein eigentliche menschlicher Verstand. Während des Tages alleine, kann ich immer häufiger beobachten, wie sein Blick die Umgebung abgrast, seine Ohren nach fremden Geräuschen lauschen und seine Nase nach Feinden wittert. Hätte es nicht zwischenzeitig eine Maß erreicht, in welchem es ungewöhnlich häufig auftritt, wäre es mir mit Sicherheit nicht mal aufgefallen.    Ich habe lange überlegt, ob ich ihn darauf ansprechen soll, doch letzten Endes sehe ich keinen Sinn darin. Die Situation ist nicht zu ändern und die Energie, mich mit seinen Instinkten auseinander zu setzen, fehlt mir auch.  Stöhnend schließe ich kurz die Augen und lasse meine verkrampften Schultern passend zu meinen Gedanken mehrmals kreisen. Energie ist momentan ein seltenes Gut. Auch wenn mir körperlich nichts fehlt, wache ich fast jeden Tag auf und fühle mich einfach nur erschlagen.  Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich mich für einen Burnout Kandidaten halten… Doch von was bitte sollte ich überarbeitet sein?  Die Tätigkeiten einer Miko geben mir momentan als Einziges das Gefühl mich überhaupt ablenken und entspannen zu können.  Frustriert schmeiße ich ein Stück Feuerholz in die Flamen und beobachte die rote Hitze dabei, wie sie sich ihr frisch gewonnenes Opfer einverleibt. Die Wärme brennt mir dabei im Gesicht und lässt mich den plötzlich kühlen Zug in meinen Nacken zu allzu deutlich spüren. Das Rascheln des Vorhangs verrät mir, das der Hanyou seinen Rundgang beendet hat.        "Und? Irgendetwas auffäll-", ich stocke, als ich mich leicht nach hinten drehe und über die Schulter blicke.        Was zum-?   Mein Herz setzt aus.   Meine Lungen verweigern ihre Arbeit.    Mein Mund wird trocken.       Vor mir steht nicht Inu Yasha.   Silbernen Haare und die goldenen Augen.   Ja.   Aber kein Inu Yasha.     "Sessh-", mir bleibt der Rest seines Namens im Halse stecken, als er innerhalb einer Sekunde vor mir ist, mir vor Schreck der Arm weg knickt und ich mit einem dumpfen Knall auf den Rücken aufschlage.    Seine monströse Gestalt ergreift instinktiv die Gelegenheit und baut sich angsteinflößend über mir auf. Eine seiner Strähnen gleitet über seine Schulter, streift meine Wange und entfacht ein Kribbeln in meinem Körper, welches bis dahin aus geblieben ist.    Ich zucke automatisch zusammen, während ich gleichzeitig abermals den Atem anhalte und auf mein innerstes horche. Doch scheinbar hat dieser Kontakt nicht ausgereicht, um Kizuna zurückkehren zu lassen. Stattdessen überzieht ein Beben meinen gesamten Körper, welcher eindeutig von der extremen Fassungslosigkeit über dieser plötzlichen Situation hervorgerufen wurde.        Was macht er hier?        Mein Adrenalinrausch wird noch weiter angeheizt, als sich auch Angst mit einmischt, bei dem Gedanken, er könne das zu Ende bringen, was Inu Yasha noch vor einigen Wochen verhindern konnte. Sein dominantes Auftreten würde eindeutig dafür sprechen. Sogleich ich versuche die Kontrolle meiner Muskeln zurück zu erlangen, um vor dem mächtigen Wesen zurück zu weichen realisiere ich, wie ausweglos meine Situation bereits ist.    Ich bin alleine in dieser kleinen Hütte, vor mir das wahrscheinlich mächtigste Wesen des westlichen Reiches und ich, menschlich und momentan völlig unbewaffnet. Das Wissen über meine heiligen Kräfte ist nutzlos angesichts der Tatsache, dass sie bei ihm schlichtweg wirkungslos sind.   Schwer schluckend akzeptiere ich meinen Zustand, blicke ihm jetzt fest in seine stechend gelben Augen, um mein vorzeitiges Ende wenigsten mit Würde entgegen zu sehen. Mein Mund wird noch eine Spur trockener, als ich seine wilden, nach Wald und Freiheit, schmeckenden Duft erhasche und ich seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüre.  So abnormal meine Gedanken mir jetzt auch erscheinen, bei Kami… ich habe ihn vermisst.  Auch wenn Angst, Unsicherheit und Panik von mir besitzt genommen haben, aber ich kann nicht leugnen, auch eine gewisse Freude zu empfinden.     Innerlich könnte ich mich dafür prügeln.   Kagome, dieser Dämon wollte dich umbringen.    Er wollte dich tot sehen.        Ja, verdammt.        Und dennoch.        Der Gedanken, dass ich auch meinen Teil zu dieser verfahrenen Situation beigetragen habe ist mittlerweile nicht mehr zu verdrängen. Ich habe ihn aufs Äußerste gereizt, habe seine Autorität vor seinem Personal untergraben und mich seinen Anweisungen wiedersetzt. Zur Krönung des Ganzen habe ich in diesem ganzen Desaster, während seines emotionalen Zustandes das Band zwischen uns, die mich eigentlich schützende Verbindung gekappt und somit mein sicheres Todesurteil unterschrieben. Rückblickend wären meine Aktionen allesamt katastrophal gewählt. Doch diese Kurzschlussreaktionen sind nun mal menschlich.     Die ungewöhnlich anhaltende Stille lässt meine Aufmerksamkeit zurückkehren. Bisher hat sich keiner von uns gerührt, keiner hat nur einen Laut von sich gegen oder gar geblinzelt.    Allein unsere beiden, leicht beschleunigten Atemzüge und das prasselnde Feuer sind Hinweise darauf, dass die Zeit nach wie vor weiter läuft.    Leicht irritiert versuche ich ihn einzuschätzen, doch die gewohnt leichte Einteilung seines Gemütszustandes stellt sich Dank des Fehlens von Kizuna plötzlich als größere Herausforderung dar. Sein ausdrucksloser Bick sagt mir nichts, seine Aura ist lediglich geprägt von dämonischer Macht und Dominanz. Egal wie häufig ich mit meinen Augen sein Profil scanne, bleibt mir weiterhin verwehrt, seine Intensionen einschätzen zu können. Ich kann es einfach nicht.   Ich fühl mich hilflos. Schwach.       Kami, was geht hier nur vor?       Wenn mich sein Anblick nicht alleine schon dermaßen aus dem Konzept bringen würde, würden es jetzt spätestens die ganzen Fragen in meinen Kopf tun. Seine Gestalt, ein einziges Fragezeichen, macht mich wahnsinnig.    Das Gefühl, ihm plötzlich so fern zu sein, obwohl er nur wenige Millimeter vor mir ist zerreißt mich.        Was denkt dieser Daiyoukai, der mich vor kurzem noch umbringen wollte gerade?       Ich weiß es nicht.   Werde es wahrscheinlich auch nie genau wissen.       Außer...       Meine Lippen formen sich zu einer schmalen Linie, als sich mir der nächste Gedanke in den Kopf pflanzt, wie hässliches Unkraut. Doch unvermeidlich kann ich die Neugier bei dieser Nähe zu ihm kaum unterdrücken, kann die Idee nicht einfach wieder Beiseite schieben, als wäre es ein Ding der Möglichkeit. Doch nach gefühlten unzähligen Minuten des Wartens erschleicht sich mir der Gedanke, dass der Hundedämon auf der Lauer liegt. Er macht weder den Anschein mir etwas zu Leide zu tun, noch mich anderweitig zu berühren.    Er wartet.  Auf was auch immer.    Und es macht mich zunehmend nervös. Seine Körperwärme fängt an meine eigene zu umschlingen, mir zu schmeicheln und mich in wolligen Wellen zu umkreisen. Ich schlucke den angesammelten Speichel hörbar runter, ermahne mich um Fassung, versuche meine zuckenden Finger still zu halten.        "Sesshoumaru", versuche ich es vorsichtig.        Keine Reaktion. Er ist immer noch über mir gebeugt, seine schmalen Iden auf mich geheftet.      Ich beiße mir auf die Lippe und überlege fieberhaft nach einer Möglichkeit dieser misslichen Situation zu entkommen. Zugleich regt sich in der hintersten Ecke meines Herzen ein Teil, den ich akribisch versuche zu ignorieren, als meine Augen überseine porzellan-ähnliche Haut wandern. Ich traue mich kaum, mich überhaupt zu rühren, da jeder Millimeter verheerende Folgen mit sich bringen könnte. Doch vielleicht ist es genau dieser Zustand, der mein Herz so unentwegt zum schlagen bringt. Es wäre nichts Ungewöhnliches, nichts Schreckliches, wenn die Erkenntnis, dass mir seine Nähe, je länger wir so verweilen zunehmend gefällt, mich gar in Hochstimmung versetzt, dahinter stehen würde. Ein Umstand der mich insgeheim erst schockiert, dann mehr und mehr verärgert, aber zweifelsohne besteht. Ich habe sogar den Eindruck, dass selbst meine sich hebende Brust sich dem Lord entgegenstreckt, geradezu expandiert, um vielleicht den Kontakt zu seinem Körper zu finden.        Ich würde lachen, wenn das Ganze nicht so verfahren wäre, wenn nicht so viel auf dem Spiel stehen würde.        Aber eigentlich willst du es doch.       Kurz stutze ich, habe ich doch den Anschein, dass plötzlich, nach so langer Zeit die alt bekannte Stimme Kizunas in meinen Ohren wiederhalt.    Doch bei genauerem hinhören bin ich mir sicher, dass es meine eigene Stimme ist.    Die, die ich so vehement versuche zu unterdrücken.        Ich stöhne lautlos, als seine Augen mich immer noch ruhig anblicken, jetzt mehr als deutlich auf eine Reaktion meinerseits warten.    Nervös hebe ich meine zitternden Finger und führe sie langsam zu seinem Gesicht. Mein pochendes Herz lässt meine Bewegungen unruhig wirken und zerknirscht ziehe ich die Lippen zwischen die Zähne.        Nur noch ein Stück.       Die plötzliche Euphorie überrollt mich so stark, dass ich überrascht nach Luft schnappe und abermals kurz zögere.        Soll ich wirklich?      Es gibt kein zurück mehr, wenn Kizuna abermals von uns besitzt ergreifen würde.    Der Tatsache bewusst, blicke ich von meiner Hand zu seinen Augen und versuche seine Meinung zu dem ganzen einzufangen. Doch nach wie vor finde ich lediglich Monotonie in seinem Gesicht. Ein Zustand der mich zugleich anspornt, wie auch innehalten lässt.   Ihm wäre es also recht, wenn Kizuna wieder da wäre?   Nach all dem was passiert ist?       Ich kann weder spüren, wie er denkt, noch fühlen, ob sich mit der nächsten Bewegung schlagartig alles ändern wird.        Ich habe so lange gebraucht, um dieses verdammte band zu überwinden, um von ihm los zu kommen.    Mein Leben im Dorf ist harmonisch und stabil.       Aber du bist nicht glücklich.        Die Erkenntnis ist hart und brutal und sofort schleicht sich ein schlechtes Gewissen in mein Herz, wenn ich an all die Zuwendung und Liebe denken muss, die ich von dem Hanyou und meinen Freunden in diesen schweren Zeiten bekommen habe.    Kann ich das wirklich alles vergessen und wieder zurück?    Zurück zu einem Leben, welchem ich so dringlich entsagen wollte?       Als ich Tränen in meinen Augenwinkeln spüre, die sich langsam lösen und meine Haut kitzeln, wünsche ich mir, wie so häufig in letzter Zeit, dass das alles nicht so schwierig wäre.    Ein Leben welches mich nicht ständig zerreist. Aber wahrscheinlich bin ich es lediglich, die sich selbst im Wege steht.       Ich schließe kurz die Augen, horche in mich hinein.    Stille, dann ein Summen, dann eine Flüstern, bis die Stimme ganz klar in meinem Ohren schwingt.        Du liebst ihn.       Ich atme aus, zitternd unruhig, aber entschlossen.      Als ich meine Augen öffne und seinem Blick fest begegne, hebe ich meine gesunkene Hand abermals um die wenigen Zentimeter zu seiner Haut zu überwinden, während die Zeit für diesen einen Augenblick anfühlt, als würde sie still stehen.     Und dann…       “Kagome?”       Irritiert blinzle ich und erblicke die nackte Holzdecke im matten Feuerlicht. Meine Hand streckt sich dem Nichts entgegen.   Aus dem Augenwinkel sehe ich Inu Yashas rote Gestalt zucken. Die Erkenntnis, die kalte harte Realität schlägt plötzlich auf mich nieder, wie ein dreckiger Felsbocken.    “Kagome?”, wiederholt sich der Hanyou, als ich anfange zu schluchzen und meine immer noch erhobene Hand zittert. Mit ein paar tiefen Atemzügen lege ich mir meinen Unterarm über die Augen, weiß jedoch, dass der Halbdämon dennoch meine Tränen bemerken wird.    “Schon gut.”   Ich schlucke schwer und schniefe.    “Nur ein böser Traum.”         …             Ich versuchte den Traum zu vergessen und für eine kurze Zeit schien das auch zu klappen. Die ersten Wochen vergingen ohne Probleme und der Winter findet zu einem stabilen, eintönigen Rhythmus zurück. Dabei wurde es zu einem kleinen Ritual, dass Sango und ich uns ab und zu, zu den heißen Quellen stahlen, um wenigsten kurzzeitig der eisigen Kälte zu entgehen.  Und auch heute hat mich Sango mit Kiara abgeholt. Zu meinem Erstaunen, wusste Inu Yasha bereits Beschied.  “Er ist sehr aufmerksam geworden, wenn es um dich geht.”, holt mich Sango aus meinen abschweifenden Gedanken. Sie sieht mich über den Dunst des warmen Wassers hinweg an. Ihr Gesicht ziert ein verständnisvolles, ehrliches Lächeln. Mir ist bewusst, dass ich das Gespräch mit ihr, nachdem ich diesem seit mehreren Wochen aus dem Weg gegangen bin, nicht länger meiden konnte. Bisher hatte sie es vermieden, irgendetwas tiefgreifenderes anzusprechen.  “Wie war dein Tag heute?”, “Ist das Baby von Shizune nicht süß?” oder “Du bist heute wieder richtig fleißig.” waren oberflächliche Sätze, mit denen sie mir meinen Freiraum ließ.   “Ja”, antworte ich ihr und lächle ebenfalls, überlege, wie weit ich selbst die Initiative in dem Gespräch ergreife und vertiefen soll.  “Er hat sich sehr zum Positiven verändert.”  Vielleicht konnte ich das Thema eher auf den Hanyou lenken anstatt bei Gefühlen zu landen, die ich nicht beschreiben oder gar in Worte fassen kann. Noch nicht... “Es scheint, als habe er auch seinen Kindskopf etwas ablegen können, was?” Sie zuckt mehrmals mit den Augenbrauen nach oben und ich lache.  “Hätte mir das jemand noch vor ein paar Jahren gesagt, hätte ich das nie geglaubt.”, stimme ich ihr zu.  “Naja, du bist ihm halt sehr wichtig, Kagome.” Mein Mund beendet das so seltene Grinsen in meinem Gesicht und findet zu den stumm zusammen gepressten Lippen zurück, die sich jedes Mal auftuen, sobald es um etwas ging, was mir unangenehm war. In meiner Zeit, bei ihm, musste ich nie über Gefühle sprechen, wenn ich es nicht wollte. Innerlich hätte ich nie gedacht, diese Tatsache einmal zu vermissen. Sango scheint meine Reaktion richtig zu deuten, denn sie räuspert sich leicht gerötet und lächelt dann etwas aufbauend, wollte mich wissen lassen, dass es ok ist, nicht darüber zu reden.  Ja. Im Palast musste ich nicht über mich sprechen. Weil es niemanden interessierte.  Doch hier war das anders...  “Er … ist mir auch sehr wichtig.” Ich weiß ich sollte dankbar für die Freundschaft zu Sango sein, aber … es war nur so schwierig darüber zu sprechen... vor allem, weil ich niemanden verletzten will.  “Es ist sicher nicht leicht nach Kizuna sich über seine Gefühle im Klaren zu sein, oder?” Sango rückt etwas näher. Ich tippe Unterwasser nervös meine Zeigefinger aneinander.  “Ja, es ist... schwierig. Manchmal gibt es Momente, da bin ich mir sicher, dass das, was ich fühle echt ist und im nächsten Augenblick hinterfrage ich alles wieder. “  Ich lasse niedergeschlagen die Schultern sinken. Die Hand der Dämonenjägerin legt sich mitfühlend sofort auf diese.  “Macht dir nicht so sehr einen Kopf darum, was echt oder unecht sein könnte. Wenn es sich gut anfühlt und es dich glücklich macht, dann ist es gut, so, wie es ist.” Ihre Hand fährt über meinen angespannten Muskel.  “Ich kenne niemanden, Kagome, der es mehr verdient hätte, glücklich zu werden.” Mein Lächeln stirbt bei Ihrer Aussage.    “Doch”, und meine Augen wenden sich traurig von ihren ab.   “Inu Yasha hätte es.”       ------------       Der Spruch: “Zeit heilt alle Wunden” war etwa, was jemand mit einem gebrochenen Herzen, nie gerne gehört hat. Aber selbst in meinem Fall konnte ich nicht abstreiten, dass es stimmte.    Ich fühle mich besser.    Nicht gut, aber deutlich besser, als noch vor ein paar Wochen.    Und während mir diese Tatsache bewusst wird, weiß ich im gleichen Moment auch, welcher Hauptursache dahinter steckt. Ich habe wieder eine Aufgabe in meinem leben. Ich helfe den Menschen, ich genieße das Zusammensein mit meinen Freunden und füge mich in die Rolle der nächsten Miko des Dorfes ein. Mein Dasein hat endlich wieder einen Sinn.   Und mit dem Sinn kommt auch die Hoffnung und der Mut nach vorne zu blicken.    Und mit dem Mut folgen auch Taten.    Sanft lasse ich mich gegen die warme Schulter des Hanyous sinken, während wir auf einem umgefallen Baumstamm sitzen und die letzten Sonnenstrahlen genießen. Der kommende Frühling lässt nun auch den restlichen Schnee langsam und allmählich schmälzen und hüllt das Bild vor uns in frischen und fröhlichen Farben, nimmt die Winterdepression mit sich.  Etwas hatte sich geändert.  Es waren nur Kleinigkeiten, aber für mich bedeuteten sie einen Fortschritt.    Eine Besserung.    Ob ein sanftes Streichen über den Rücken oder ein neckendes Stupsen mit dem Ellenborgen… Es waren Kleinigkeiten, die aber gleichzeitig so wichtig waren. Immer noch war die Spannung zwischen uns greifbar und auch nicht definierbar. Wir wussten beide nicht recht, was das zwischen uns war, was sich da aufbaute und an das wir uns festhielten. Wussten nicht ob es überhaupt das Richtige war, an das wir uns klammerten.  Ich für meinen Teil konnte nur sagen, dass es sich gut anfühlte, dass es mir half zu mir zu finden und ich es schätze, zu wissen, dass ich mich an schlechten Tagen stützend an jemanden lehnen konnte.    Es waren kleine, unsichere und ungewisse Schritte.  Aber es waren Schritte und das war alles, was zählte.      ------------------     Und mit eine Mal kamen die Träume wieder. Um genau zu sein ist es nur ein Traum, der mich heimsuchte. Nur ein Dämon, der mich in meinem Schlaf qäult.  Und es macht mich langsam, aber sicher wahnsinnig.  Als hätte meine Seele Antikörper gegen diese aufkommenden Gefühle zu dem Hanyou entwickelt, foltert er mich mit diesem Traum, der immer gleich endet.  Imme auf diese schreckliche, unbefriedigende Weise endet, indem ich es nie aber auch nie schaffe, meine Hand an seine Wange zu legen.  Und es macht mich wütend und traurig. Ich-   „Kagome? Alles in Ordnung?“, fragt der Halbdämon, der nun neben mir auf die Lichtung tritt. Natürlich hatte er meine Veränderung bemerkt, mein Ablehnung und Abwesenheit zu spüren bekommen. Doch bisher hat er es vermieden mich darauf anzusprechen, war weiterhin nur für mich da gewesen, hat seine Ratlosigkeit hinten angestellt.   Für mich.    Wut und Trauer wird zu Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und plötzlich reißt anscheinend der letzte drünne Faden an logischem Denken, als ich mich völlig überstürzt zu dem Hanyou umdrehe und mich gegen ihn fallen lasse. Instinktiv fängt er mich auf, schließt seine starken Arme dabei um mich. Mit leichten Tränenschimmer blicke ich ihn an, strecke mich ihm entgegen, noch bevor vor mir selbst zurückweichen konnte.   Als seine Lippen auf die meine Treffen lege ich sämtliche Konzentration in diese Berührung. Jedes noch so kleine Detail will ich mir einprägen und nie mehr vergessen. Sein Geruch nach frisch gefallenen Laub gemischt mit frischem Quellwasser. Das Gefühl seiner leicht rissigen Lippen, die über meine kratzen und dennoch eine Zärtlichkeit übertragen, die man nicht für möglich gehalten hätte. Seine harte Brust, die sich an meine drückt, während seine Krallen meinen Rücken entlangwandern. Doch noch während mir meine Sinne all diese Feinheiten bewusst machen, fällt mir auf, was mich dennoch hier dran so immens stört. Das starke, wilde Schlagen meines Herzens bleibt aus. Das Kribbeln in den Fingerspitzen ist nicht da. Die vielen Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen nicht. Ich fühle nichts. Gar nichts. Und das ich noch schlimmer, als das Gefühl der Schuld, auf das ich mich wenigstens vorbereitet hätte. Es würde wenigstens einen Anfang bedeuten. Ob Scham, Reue oder schlichtweg ein Selbstvorwurf, wäre immerhin noch besser, als das. Immer noch besser, als nicht zu wissen, wo man ansetzten kann.  So ein Mist.   Anscheinend war es egal. Egal was ich tat, es würde wohl nicht darauf hinauslaufen, das ich glücklich werde. Ich kann nicht zurück und anscheinend kann ich wegen diesem Traum auch nicht nach vorne.  Was bleibt mir jetzt also? Vielleicht wäre es gut, sich nicht auf sich selbst zu konzentrieren. Vielleicht wäre es gut, jemanden anderen in seinen Fokus zu setzen. Denn was bleibt mir schließlich auch noch übrig, als wenigstens jemanden glücklich zu machen, der es so, so sehr verdient hat?   Was bleibt mir anderes übrig, als irgendwie weiter zu machen?   Auch wenn es für mich keinen Sinn mehr haben könnte.            Aber bekanntlich „stirbt die Hoffnung ja zuletzt“…         -----------------------------------------------       Der Winter neigt sich dem Ende und langsam kommt Farbe zurück in die Welt. Es würde mich kaum kümmern, würde ab jetzt nicht die Zeit eine Rolle in meinem Leben spielen. Trotz des bevorstehenden Kriegs, habe ich Azumi vor ein paar Tagen in ihr Dorf geschickt. Ohne jeglichen Widerstand ist sie dieser Aufforderung nach gekommen, schien teilweise sogar erleichtert darüber. Mein Wesen ist unruhig. Ich könnte es auf die plötzlich entwickelte Rastlosigkeit meines Dämons schieben, jedes Mal wenn es um die Menschenfrau ging. Doch ich bin mir bewusst, dass nicht länger nur mein inneres Biest so empfindet.    Empfindet.   Wieder ein Wort, welches vorher keinerlei Bedeutung für mich inne wohnte. Es ist unverkennbar, wie stark Kizuna sich bereits vorgefressen hat. Welches Chaos das Resultat aus dem allen ist. Unwillkürlich gleitet mir der Rücken meines alten Herren in Gedanken vorüber, kurz bevor er sich dazu entschlossen hatte sein Leben für das eines Weibs und eines Halbblutes zu geben.    Vater.    Mir war durchaus bewusst, das Kizuna ihn damals befallen hatte, doch habe ich es als Lappalie abgestempelt. Heute werde ich wieder eines besseren belehret… Mein Kiefer spannt sich an, als ich versuche die Erinnerung zu vertreiben.  Schluss damit. Ich werde nicht genau das gleiche Schicksal teilen, wie dies meines Vaters. Kizuna ist Geschichte. Somit ist das Thema nicht länger zu bedenken.  Ich unterbreche eine von Ungeduld geprägte Geste meiner Krallen, die über die Innenseite meiner Handflächen kratzen. Ich kann die Hebiyoukai schon wittern. Sie ist nicht mehr weit entfernt.    „Sesshoumaru-sama“   Ich wende mich dem Drachendämon zu und erlaube ihm damit meine Räumlichkeiten zu betreten. Auch wenn Naoki seine Gedanken sehr gut verbergen kann, spüre ich dieses mal genau, wie sehr ihm die Unruhe im Geiste herumspuckt.   „Es wurde mir berichtet, dass sich Lord Fuzakerus Truppen sammeln. Er plant definitiv einen Angriff.“   Seine Augen treffen mich und ich sehe seinen Kampfwillen ansteigen. Er hasste schon immer diese stinkende Katze. Und mir ist auch durchaus bewusst wieso.    „Berate dich mit deinen Leuten. Halte dich jedoch bedeckt.“   Als er nickt und sich gerade erhebt betritt die Schangenyoukai den Raum. Ihr Blick wandert kurz zu dem Drachen, dann zu mir.   „Sesshoumaru-sama“, flüstert sie verbeugt sich zugleich. Was mich jedoch wundert ist ihr unregelmäßiger Atem. Sie scheint gerannt zu sein.    „Kagome-sama… ist wohl auf.“ Sie beißt sich auf die Lippen und ich verenge meine Augen zu schlitzen um ihr Zögern sogleich im Keim zu ersticken.   Ich dulde keine Verschleierung.   „Und?“ Ihre Augen suchen sich einen Punkt auf dem Holzboden vor mir. Ihr Puls beschleunigt sich hörbar.   „Es scheint, als… versuche sie die Beziehung zu eurem Halbbruder wieder auf zu nehmen…“    Etwas rührt sich in mir, aber ich ignoriere es.    „Das tut nichts mehr zur Sache. Geht jetzt.“   Ich halte mitten in der Drehung meiner Person inne und werfe den Beiden noch mal einen prüfenden Blick zu, als sie sich wortlos erheben und sich untereinander skeptisch beäugen. Es ist mir ein Rätzel wieso sich die Youkai so verhalten. Der Drache zeigt leichte Anzeichen von Sorge bezüglich der Schlange. Es ist nicht das erste Mal, dass mir solch ein Verhalten auffällt.  Mehr, als lästig.    „Naoki.“   Der Dämon blickt mich an, in seinem Blick ein Glimmen von Scham und Reue.    „Nimm Azumi zu der Deinen.“   „Sesshoumaru-sama?“   „Ich entbinde Azumi aus Ihren Pflichten.“   Die Atmung der Beiden stockt mit einem Mal. Für einen Moment stellen sie beide mit ihrer Reglosigkeit meine Entscheidung in Frage, warten auf eine weitere Erklärung. Die Youkai regt sich als Erste. Ihr Kimono raschelt, als sie sich erhebt.   „Sesshoumaru-sama, wenn ich Euch in irgendeiner Form verärgert habe, dann…“   „Es stellt sich als eine Last heraus, dich während des Daisho an meiner Seite zu wissen. Naoki wird sich ab   sofort um dich kümmern. Ich dulde keine weiteren Ablenkungen.“   Ich drehe mich um und hoffe mit meinen Blick das Gespräch für beendet zu erklären. Ich hätte den Beiden etwas mehr Verständnis zugetraut. Es war schließlich offensichtlich, wie sie zueinander stehen.    Dachten sie wirklich, ich würde es nicht bemerken?  Lächerlich.   Naoki schaltet schnell, richtet sich auf und verbeugt sich, während mich die Schlange mit weit geöffneten Augen anblickt und dann lächelt.    „Kagome-sama hatte also Recht. Sie hat vermutet, dass Ihr so denken würdet.“    Damit verbeugt sie sich ebenfalls und verlässt zusammen mit dem Drachen meine Räumlichkeiten.    Das Weib hat davon gewusst?   Soviel Aufmerksamkeit hätte ich ihr nicht zugetraut. Doch die Tatsache, dass sie meine Einstellung dazu bereits erahnen konnte ist ein Faktum, dem ich noch weitaus weniger von ihr erwartet hätte. Ist es nur Kizuna geschuldet oder besitzt sie wirklich die Fähigkeit hinter die Facetten der Wesen vor sich blicken zu können?   Mit einem leisen Schnauben unterbreche ich meine Gedanken, die eh nichts, als Sinnlosigkeit hervorbringen werden.    Es spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr.       Es ist vorbei. 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