Kizuna III von Salada (Ewigkeit) ================================================================================ Kapitel 8: Akt II - Beben -------------------------     Niemals hätte ich gedacht, mich mal als Anführerin zu sehen. Doch es steht einfach zu viel auf dem Spiel, als unsicher zu sein. Die Nacht ist angebrochen und wir werden morgen laut Azumis Aussage das Schlachtfeld erreichen. Die dämonische Aura die ich bereits jetzt schon wahrnehmen kann und mit jedem Schritt ins Unermessliche zu steigen scheint, lässt mich das Schlimmste erahnen. Noch ein Grund mehr tapfer zu bleiben und mit allem zu rechnen.   Den Rastplatz, welchen wir uns für heute Nacht ausgesucht haben, könnte man aufgrund der Größe wohl eher als Truppenquattier bezeichnen. Während meine Schritte mich langsam durch die wild gemischte Menge an Youkai und Menschen führen, spüre ich, wie ich von zahlreichen Augenpaaren verfolgt werde. Es ist lange her, dass ich solche stechenden Blicke spüren durfte und irgendwie kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen, als sich in meiner Brust ein Gefühl von Nostalgie und Vertrautheit breit macht. Jetzt bin ich froh, dass ich bei Sesshoumaru auch mit solchen Umständen konfrontiert worden bin. Noch vor einem Jahr wäre ich das reinste Nervenbündel schlechthin gewesen.   Inu Yasha geht hinter mir, lässt mich die Führung übernehmen und die Befehlsübergabe, die mir plötzlich irgendwie auferlegt worden ist.   Oder wohl eher habe ich sie mir einfach genommen.   Als Gefährtin von Sesshoumaru, trotz der sich abgespielten Ereignisse sehe ich es als meine Pflicht an ihn und das Land zu unterstützen. Und auch wenn ich selbst nicht weiß, wie er auf die bunte Mischung seiner Unterstützung reagieren wird, so gehe ich dennoch eher das Risiko ein ihn zu kränken, anstatt diesen Krieg zu verlieren. Zwei Lords gegen einen und einer, der sich nicht dazu geäußert hat. Die Chancen stehen somit wahrlich schlecht. Vor allen, dass wir sowohl von Osten, als auch von Süden angegriffen werden. Wir sind eingekreist und damit deutlich im Nachteil.      Doch wenn ich durch die Reihen sehe, Dämonen, Menschen und sogar den ein oder anderen Hanyou erblicke, festigt sich die restlich gebliebene Hoffnung in mir, dass wir das alle irgendwie heil überstehen werden.  Mein Blick streift über die gefüllte Lichtung, welche sich im Scheine von Lagerfeuern und Fackeln zeigt.     "Sind wir… mehr geworden?", wende ich mich an den Hanyou hinter mir, als mir die Größe der Truppe merkwürdig vorkommt.    "Ja. Über diese Arme wird viel geredet und auf unserem Wege bis hierher haben sich einige weitere angeschlossen."    "Achso", murmle ich abwesend, während ich weiter durch die Reihen gehe, den ein oder anderen Neuankömmling entdecke und ihm höfflich zunicke. Zwar sind die Augen der Dämonen immer noch kritisch und teilweise auch mit Abneigung gefüllt, doch wagt es sich keiner, mir nicht seinen Respekt zu zollen.       Gut so.   Ich brauche nicht ihr vollstes Vertrauen, Verständnis oder Wohlgesonnen. Das ist es nicht, was ich von ihnen verlangen kann und auch gar nicht möchte.   Allein ihre Treue zu dem Westen und ihren Willen für diesen zu kämpfen ist hierbei erforderlich.       Nicht mehr und nicht weniger.       Jeder Krieger, der an unserer Seite stehen wird, ist einer, der unseren Feind ein Stück mehr in die Knie zwingen kann.      Und mag diese Armee noch so verkorkst und falsch in den Augen der anderen Lords sein, so wird sie dennoch keinen Unterschied darin machen, wie mächtig sie sein wird.       Denn obwohl diese derartige Mischung so manche Skepsis und Verunsicherung hervorrufen mag, bin ich davon überzeugt, dass morgen auf dem Schlachtfeld Geschichte geschrieben wird.       Und wer weiß…  Vielleicht mag sie sogar der Beginn einer neuen Ära für das Zusammenleben von Youkai, Hanyous und Menschen sein...          .  .  .      Ihr Körper ist derart angespannt, so wie ich es zuletzt unter dem starken Yoki der Lords gesehen habe.  Zwar verwehrt mir ihre schwarze Mähne den größten Teil ihres Rückens, doch sehe ich dennoch die verhärteten Muskeln hervorblitzen. Zudem schimmert ihr Reiki unruhig hin und her. Es ist ein Anblick, den ich ungerne so hinnehme, doch fehlt es mir selbst schwer im Hinblick auf diese vielen Auren entspannt zu sein. Doch bevor ich sie dazu bitten kann, sich bei unseren Freunden schlafen zu legen, weht mir eine Brise um die Nase, die mich irritiert die Augenbrauen verziehen lässt.   Kagome bleibt stehen und scheint ebenfalls verwirrt. Dann, aus heiterem Himmel, bricht  plötzlich die Wolkendecke auf und ein riesiger Hund saust herab.  Mein Atem stockt mir fast im Halse, doch meine dämonische Hälfte macht mir sofort klar:  Das ist nicht Sesshoumaru!      Und dennoch…  Etwas ist komisch an diesem Geruch.        Aufruhr geht durch die Runde und hinter mir höre ich Schritte und das Klappern eines Mönchsstabs.     "Inu Yasha, ist das-?"    "Nein.", unterbreche ich Sango direkt, welche neben mir zum stehen kommt.     Kagome ruht sich nicht, doch ihre Aura ist derart ruhig und konzentriert, dass es mich unruhig auf ihren Rücken blicken lässt.    "Kagome-"  "Ich weiß.", sagt sie leise, doch ich kann es trotzdem hören. "Er ist es nicht."    Und da verschwimmt die Gestalt des Hundes in einen dünstartigen Nebel, welcher zielstrebig vor der Miko auf dem Boden aufschlägt. Schützend stelle ich mich neben die Schwarzhaarige, bereit an zu greifen, wenn nötig.  Hinter dem auflösenden Nebel kommt eine Youkai zum Vorschein, welche mir mit ihrem Anblick zum zweiten mal den Atem raubt.    "Sie sind-", flüstert die Miko und die weißhaarige lächelt.    "Sesshoumaru's Mutter. Es freut mich, die Gefährtin meines Sohnes persönlich kennenlernen zu dürfen.", spricht sie mit ruhiger Stimme, doch macht keine Anstalten sich mit ihren Worten respektvoll zu verbeugen.  Und sofort schreit etwas in mir auf, dass diese Youkai viel eher einer Schlange gleicht, als diese Azumi. Doch ein Blick auf die Miko neben mir, sagt mir, dass von der Frau keine Gefahr aus geht.     "Ich wollte euch lediglich informieren, dass ich mit meinen Kriegern so lange wie möglich versuche den Süden des Landes zu schützen.", sagt sie mit einem Lächeln, bevor sie es hinter ihrem großen Kimonoärmel versteckt.  Die Atmosphäre ist angespannt, als alle mit angehaltenem Atem das Geschehen beobachten. Kagome mustert die ältere Yokai genau, lässt sie nicht einmal aus den Augen. So wie ich sie einschätze wägt sie ab, ob sie ihr trauen kann oder nicht. Ich zu meinem Teil kann die eingebildete Hündin keinen Deut leiden, doch ihr Geruch bestätigt mir, dass sie nicht lügt. Sie ist ohne Zweifel Sesshoumarus Mutter. Als hätte die Miko an meiner Seite ähnliche Bedenken sieht sie prüfend zu mir. Ich bestätige mit einem Nicken, dass keine Fälschung vor uns steht.   “Herrin”, kam es da von hinten und Azumi trat hervor, kniete sogleich nieder.       Die ältere Dämonin nickt und blickt dann wieder Kagome mit ihrem viel zu falschen Lächeln entgegen. Ihre Hand wandert dabei zu ihrer Kette.      “Mein Meidostein”, fing sie an und deutete auf die blaue Fläche in der goldenen Umrandung. “verrät mir, dass euch etwas besonderes verbindet.” Ihr Blick schnellte zwischen mir und der Miko hin und her. “Und das dieses euer Leben in gewisse Weise auch verlängert.”      Als ich aus dem Augenwinkel Kagomes fragenden Blick auf mir bemerke, kann ich nichts anderes machen, außer diesen zu erwidern. Der Schmuckstück an der Youkai leuchtet kurz auf und die Dämonen blickt wissend in das Gestein.      “Sollte euer Leben in Gefahr sein, gäbe es nichts, womit man euch retten könnte.”  Betretene Stille herrschte über der Lichtung und ich bin mir nicht ganz sicher, was ich  mit dieser Aussage anfangen sollte. Tenseiga ist nicht mehr und welche andere Möglichkeit, gäbe es ein Leben aus dem Totenreich zu holen?   Kagome trat einen kurzen Schritt nach vorne.      “Vielen Dank für die Informationen und Ihre Unterstützung. Mögen wir alle möglichst ohne Schaden diesen Krieg überstehen.”      “Huh?”, kam der belustigte Laut auf der Dämonen. “So eine naive Hoffnung kann auch nur ein Mensch innehalten.”      Tss. Diese Tussi.   Trotz ihrer Worte verbeugt sie sich leicht, ehe sie in Wolken-ähnlicher Form in den Himmel schießt und in Hundegestalt verschwindet.       Wieder überkommt Stille die Lichtung, während alle noch verstohlen in den Himmel starren.       “Was könnte sie gemeint haben?”, fragte Azumi sogleich Kagome, während sie sich aufrichtet.   “Ich weiß es nicht.”, antwortet die Miko ohne ihren Blick von der einkehrenden Nacht zu nehmen, doch ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass sie sehr wohl eine Vermutung zu haben schien. Ihre Schweigsamkeit nehme ich vorab in Kauf, will einen Moment abwarten, welcher uns etwas mehr Privatsphäre bietet. Vielleicht ist das der Grund, wieso sie ihre Überlegungen nicht mit uns teilt….        ------------------------------------------------       „Wie geht es ihm?“     Aus irgendeinem Grund schaff ich es einfach nicht, ihr in die Augen zu sehen.  Ich kann kaum abschätzen ob es daherkommt, dass ich leichte Scham ihr gegenüber empfinde, da ich mich in erster Linie nicht nach ihrem Befinden erkundigt oder aber ich Angst vor ihrer Antwort habe.      „Er stolz und stark, wie eh und je.“     Ihre Antwort lässt mich nun doch hochblicken. Abschätzend betrachte ich ihre Augen, suche darin nach dem, was sie unausgesprochen gelassen hat. Das „aber“ dahinter hat man nämlich deutlich gehört.     Sie verschränkt die Arme vor der Brust und setzt ihre sture Mimik auf, während sie mich ebenfalls kritisch mustert.    „Ich habe dich gesehen.“, ihr Blick richtet sich über das Lagerfeuer hinweg, „mit dem Hanyou.“     Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht deutliche Abneigung gegenüber Inu Yasha zu empfinden, doch war ich mir nie sicher ob es wegen seiner Herkunft oder wohl eher wegen dem Verhältnis der beiden Brüder bedingt ist. Doch gerade jetzt benutzt sie das Wort „Hanyou“, wie das schlimmste Schimpfwort auf der Welt.  Ich folge ihrem Blick und sehe, dass Inu Yasha uns sehr wohl belauscht. Seine Bernsteine sind zu schmalen Schlitzen verengt auf die Hebi gerichtet. Ich wende mich der besagten Schlangenfrau wieder zu. Kurz überlege ich, mich zu rechtfertigen, aber sie hat Recht mit dem, was sie sagt und gesehen hat. Dafür gibt es keine Entschuldigung.  Irritierenderweise werden ihre Gesichtszüge nach kurzer Zeit wieder weich.     „Und dennoch kann ich ihn nicht vollständig an dir riechen.“     Ich muss schlucken bei ihrem offenherzigen Kommentar, welches sie ausspricht, als wäre es das Normalste der Welt und ich bin teilweise erleichtert, dass sie die Tatsache, die dahintersteckt, nett umschrieben hat.     Ich kreise mit den Stäbchen gedankenverloren durch den Reisbrei, welche mit dampfenden Schwaden antwortet. Bei dem Gedanken, dass Inu Yasha ebenfalls ihren Satz gehört hat, würde sich normalerweise von Scharm und Mitleid geplagt sein. Doch nachdem wir beide verstanden haben, dass das zwischen uns keinen Sinn mehr hat und wir den Gedanken an ein „Wir“ endgültig abhacken konnten, geht es mir und ich glaube auch ihm wesentlich besser.  Um meine Gedanken Bestätigung zu schenken lasse ich meine Augen zum besagten Hanyou gleiten, welcher mich, als er meinen Blick bemerkt ebenfalls ansieht. Dann zieht er eine seiner Mundwinkel zu seinem frechen Grinsen in die Höhe. Ich gebe ebenfalls ein belustigtes Schnaufen von mir, bin zugegeben erleichtert über seine Reaktion, auch wenn ich nicht abstreiten kann, dass dieses neue Verhältnis zwischen uns noch etwas gewöhnungsbedürftig ist.    Gewöhnungsbedürftig, aber gut.    Mit nun mehr Appetit widme ich mich meine Schüssel, während ich aus dem Augenwinkel beobachten kann, wie sich die Hebi deutlich interessiert nach vorne lehnt und ihren Kopf in ihre Handfläche stützt. Ihr Ellenbogen findet dabei halt auf ihrem kurzen breiten Oberschenkel. Generell kann ich sagen, dass sie sich kaum verändert hat. Ihre Figur ist nach wie vor eher klein, etwas kräftiger, aber keineswegs dickleibig. Ihre Haare trägt sie immer noch in einem schönen elegant geflochtenen Zopf. Allein ihre Kleidung hat sie gegen einen schlichten Kimono getauscht, über welchem eine dunkelgraue Rüstung angebracht ist. Sie schützt lediglich ihre Brust, sowie ihre Schultern. Ihre Beine bevorzugt sie wohl eher mit möglichst viel Freiheit.  Ihre vollen dunklen Lippen zucken leicht, als sie meine, wohl doch mittlerweile auffällige Musterung bemerkt.     „Ich hätte nicht gedacht, dass du ihm helfen willst. Nicht nachdem, wie ich dich zuletzt gesehen habe...“     Sie zieht eine ihrer dicken geschwungenen Augenbraue in die Höhe, während ich mich an den letzten Augenblick mit ihr erinnere. Damals war ich panisch, nahezu heimgesucht von Todesangst und getrieben von unsagbaren Schmerzen. Ich muss wahrlich keinen schönen Anblick abgegeben haben.  Ich nicke mit einem leichten Lächeln und fahre mir etwas zerstreut durch die Haare.     „Ich hatte viel Zeit nachzudenken und … festzustellen, was richtig und falsch ist. Was ich will und was ich brauche.“     „Du hast keine Angst auf ihn in zu treffen?“     „Durchaus.“, ich schlucke und spüre tatsächlich die leichte Nervosität bei dem Gedanken.     „Aber wenn er mich lässt, werde ich ihn so gut es geht unterstützen. Auch ohne Kizuna. Er hat uns schließlich auch im Kampf gegen Naraku geholfen, auch wenn es ihm wahrscheinlich viel mehr um seine Ehre gegangen war.“, Inu Yasha gibt einen spottenden Laut von sich und ich blicke ihn ermahnend an, „Egal wie es für mich ausgehen sollte, aber ich bin fest entschlossen ihm beiseite zu stehen und diesen Krieg zu beenden. Ich habe sicher an dem ganzen Desaster auch meinen Beitrag geleistet. Und wenn es nur-“     „Es geht ihm schlecht.“, unterbricht mich die Schlangenfrau hart und ihre Miene versteinert sich plötzlich, als wenn sie ihre sichere Maske abgesetzt hätte.     Ich schüttle verständnislos mit dem Kopf und sie sieht seufzend zu Boden.     „Er leidet, Kagome. Man sieht es ihm zwar nicht direkt an, aber sein Wesen ist unruhig und geschwächt. Auch wenn das Fehlen von Kizuna scheinbar keinen körperlichen Einfluss auf dich hat, aber auf ihn...“     Sie zieht ihre vollen Lippen zwischen die Zähne und schweift mit dem Blick zum Feuer, als ob sie in Gedanken sich sein Bild vor Augen rufen müsste. Ich dagegen bin immer noch sprachlos und bevor ich überhaupt über eine Reaktion meinerseits nachdenken kann tritt Inu Yasha bereits an meine Seite.     „Du willst sagen Sesshoumaru ist schwächer, als vorher?“     Der giftige Blick der Schlange paart sich mit einem schnellen Zucken ihrer Zunge, die sie in einem Anflug von Anspannung zwischen ihre Lippen hinausgleiten lässt.     „Bist du froh darüber?“     Inu Yasha hebt seine geballte Faust, wie zur stummen Drohung.     „Und wenn es so wäre?“     Als die Hebi aufspringt, tue ich es ihr sofort gleich und stelle mich zwischen die beiden Streithähne.    „Schluss damit.“     Mein Reiki schnellt aus und fegt über Beide hinweg, lässt die Energien in Form von blauer Energie sichtbar werden, während ein Zischen dieses Szenario begleitet. Azumi sieht mich mit einer Mischung aus Stauen und Strecken an, während Inu Yasha knurrt und sich, deutlich beleidigt, abwendet. Ich stöhne genervt, ehe ich mich wieder der Schlange zuwende und meine Energie beruhige.     „Erzähl mir alles, was du weißt.“     Es sind seltene Momente, in denen ich meine Aufforderungen ohne Widerspruch geltend mache.  Doch nachdem unsere Aufruhe die volle Aufmerksamkeit der halben Dämonen- bzw Menschenschar um uns herum auf sich gezogen hat, kann ich mir keine Nettigkeiten leisten. Azumi blickt sich kurz um, ehe sie sich ergeben wieder hinsetzt und mich kurz mustert. Als ich ebenfalls meinen Blick umherschweifen lasse, wenden sich die vielen Augenpaare nach und nach wieder ab und widmen sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten. Erst, als ich sicher bin, dass sich die Lage wieder entspannt hat, setzte auch ich mich und blicke die Hebi eindringlich an. Inu Yasha währenddessen setzt sich im Schneidersitz direkt neben mich und signalisiert damit mehr als deutlich, dass auch er wissen will, was Sache ist. Azumi kaut erst unsicher auf ihrer Unterlippe, ehe sie wieder betreten ins Feuer blickt.     „Es begann bereits, nachdem du uns verlassen hattest. Sein ganzer Körper hatte gezittert, nahezu gebebt immer wieder in einzelnen Schüben. Er hatte sich sofort in seine Räume zurückgezogen. Naoki hatte versucht auf ihn einzureden. Schließlich war es riskant, in solch einem Zustand den anderen Daiyoukais entgegen zu treten. Er hatte vorgeschlagen die Verhandlungen aufgrund von innerländlichen Angelegenheiten zu verschieben, doch Lord Sesshoumaru-sama hat darauf bestanden, dass alles so ablaufen sollte, wie es geplant war.“    Sie verschränkt die Arme vor der Brust, sodass man genau erkennen kann, was sie von seinem Verhalten hält. Mir selbst kommt ihre Beschreibung nur allzu bekannt vor. Bereits damals konnte ich sehen, wie sich der Inhalt des Fläschchens auf mich und so wie es scheint auch auf ihn ausgewirkt hat. Wir beide sind wohl zu diesem Zeitpunkt an unsere Grenzen gestoßen…     „Auf jeden Fall“, holt mich Azumi aus meinen abschweifenden Gedankengängen, „wurde natürlich auch während den Verhandlungen über deinen Verbleib diskutiert. Schließlich hattest du als Gefährtin anwesend zu sein.“     Ihr Blick bohrt sich nur eine Millisekunde auf unangenehme, nachtragende Weise in den meinen.     „Sesshoumaru hat lediglich angedeutet, dass dieses Bündnis zwischen euch aufgehoben wurden ist und du nicht länger in dem Palast anwesend sein wirst. Doch natürlich beließen es die Lords nicht dabei. Vor allem Fusakeru war außer sich und hat nicht lockergelassen.“     Oh, Kami, dieser Panterdämon.     Unruhig wische ich mir den Pony von der mittlerweile schweißnassen Stirn. Allein meine Fantasie reicht mir schon völlig aus, um mich in noch mehr Aufruhe zu versetzen, wenn ich über die möglichen Varianten nachdenke, mit der die Schlange fortfahren könnte.    „Naoki meinte, dass der Lord dieses Theater jedoch schnell beendet hat, indem…“, ihr Blick fällt jetzt einen Moment zögernd auf mich.    „Indem er was?“, fällt Inu Yasha ungeduldig dazwischen und die Mimik der Schlange verdunkelt sich sofort.    „Mach Platz.“     Nostalgie umhüllt mich, als ich das vertraute Knallen neben mir nur einen Moment nach meinem Ausruf wahrnehme kann und ich seufze, sogleich das Gemecker des Hanyous folgt. Azumi Gesichtsausdruck erhellt sich spürbar und im nächsten Moment prangt auf ihrem Gesicht ein Grinsen, welches ihrer Rasse mehr als gerecht wird. Ich hebe auffordern die Augenbraue, während sie sich kurz räuspert und vergebens versucht ihre Belustigung zu unterdrücken.     „Indem er andeutete, dass dies nichtmehr möglich sei. Da dein Blut noch überdeutlich an seiner Klaue zu riechen war, war unmissverständlich klar, worauf er anspielte. Selbst wir haben einige Zeit in diesem Glauben gelebt.“     Sie streicht sich eine Strähne hinters Ohr und überschlägt die Beine, während sie mich schon fast entschuldigend anblickt. Doch das macht mir nichts. Es passt doch eindeutig zu Sesshoumaru, den anderen auf diese Weise meinen Tod zu präsentieren. Und auch wenn ich nicht weiß, ob er diese Äußerung nur für sein eigenes Wohlergehen aussprach, bin ich doch gerührt, dass er mich mit dieser Aktion unweigerlich aus der Schusslinie der Lord gezogen hat. Mein bescheuertes, sich nach Liebe verzerrendes Herz schlägt bereits bei der bloßen Vorstellung, er habe es für mich getan.   Ich bin wirklich eine Idiotin…     „Haben die Lords seinen Zustand bemerkt?“     „Naoki ist sich nicht sicher. Wenn er es vorher nicht gespürt hätte, wäre es ihm anhand seines Verhaltens nicht aufgefallen. Allein sein Wesen schwankte ab und an stark durch den Raum.“, knirscht sie mit den Zähnen.    “Doch die Kriegserklärung spricht wohl für sich.”    Wieder schüttle ich den Kopf.  “Ich verstehe das einfach nicht.”    “Tss. Wenn sie wirklich mitbekommen haben, wie geschwächt der Herr war... Wann wäre sonst eine ideale Gelegenheit in Sicht, den starken Westen anzugreifen?”    “Aber wieso? Was für ein Grund sollten sie haben?”    “Tss”, zischt Azumi abermals schlangenähnlich und schaut mich leicht spöttisch an. “Es sind machthunrige Dämonen von denen du da sprichst. Es wundert mich, dass der Lord des Nordes nicht ebenfalls den Krieg erklärt hat.”   Ein Bild des ruhigen und zurückhaltenden Lords der Bären gleitet innerlich durch meinen Kopf.     “Könnten wir ihn nicht bitten, uns zu unterstützen?”, versuche ich es, doch werde ich wieder mit einem skeptischen Blick beäugelt.     “Lord Tadashi würde nur im aller größten Notfall zu Gewalt greifen. Auf seine Hilfe kannst du nicht bauen.” Sie kichert leise. “Wahrscheinlich wartet er darauf, dass sie sie Lords gegenseitig abschlachten und er in aller Ruhe hinterher ganz Japan einnehmen kann.”    Entkräftet lasse ich die Schultern sinken, weiß einfach nicht, was wir noch an unserer Situation ändern können. Gedanklich spiele ich verschiedene Szenarien noch einmal durch, doch komme ich zu keinem Punkt der nennenswert wäre. Allein das dumpfe Dröhnen in meinem Schädel ist das einzige Resultat dessen.    “Wir sollten uns hinlegen und schlafen. Morgen werden wir jede Energie benötigen, die wir kriegen können.”, spricht der Hanyou neben mir, der mich musternd betrachtet. Die Kraftlosigkeit ist mir anscheinend ins Gesicht geschrieben.    Seufzend lege ich mich ans Lagerfeuer, blicke noch einmal durch die Runde zu meinen Freunden, die etwas abseits bereits schlafen.  Ich bete zu allen Kamis, dass ich sie morgen am Ende des Tages genauso gesund und wohlbehalten wiederfinden werde...    ----------------------------------------------    Der Morgengrauen zog sich noch übers Land, als wir in der Ferne Kampfe schreie ausmachen konnten.  Meine Finger verkeilen sich unweigerlich in Inu Yashas Schultern, als wir die letzten Meter in direktem Vormarsch vorpreschen.    Ich brauche keine Anweisungen zu geben. Bevor wir aufgebrochen sind, haben wir die Strategie und die mögliche Lage vor Ort erörtert. Die Menschen sollen sich vorerst zurückhalten und möglichst nur aus der Ferne oder in Gruppen angreifen. Azumi und die dämonischen Truppen werden die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen, indem sie versuchen die Feinde auf direktem Wege einzukreisen und zusammenzukehren, was den Angriff für die Menschen vereinfachen sollte.   Soweit der Plan. Nichts Überragendes, aber dafür, etwas besser umsetzbar, wenn man nicht weiß, worauf man sich gefasst machen muss.     Doch was mich wenige Stunden später am Schauplatz erwartet, war mehr, als das, worauf ich mich innerlich vorbereitet hatte.     Der Gestank von Rauch und verbranntem Fleisch ist das erste, welche mir vom Wind zugetragen wird. Doch das ist nur der schreckliche Vorbote, von dem, was sich mir einen Moment später offenbart. Mit einem einzigen Sprung überwindet der Silberhaarige die Baumkronen, welche die heile Welt von dem Schlachtfeld trennt. Unwillkürlich fühle ich mich bei diesem so abrupten Kontrast zurückgeschleudert in die Zeit, in welcher ich noch zwischen den beiden Welten hin und her reisen konnte. Doch das hier übertrifft diesen scheinbar harmlosen Vergleich.    „Oh Kami“, entfährt es mir hauchdünn.    Das Land liegt in Schutt und Asche. Das Schlachtfeld, so groß, dass es über den Horizont hinaus geht, erstreckt sich mit Tod, Feuer und Blut. Die Flammen züngeln an manchen Stellen Meterhoch, während andere Plätze tiefen Krater und massiven Felsbrocken säumen. Horden an Youkai fallen übereinander her, kaum zu erkenne, wer Freund und wer Feind ist.  Kriegsrufe, aufeinandertreffende Klingen und Todesschreie hallen über den Ort, bringen meine Nackenhaare in eine aufrechte Position und mein Blut zum Gefrieren.  Ich habe schon viel in dieser Epoche an Grausamkeit kennenlernen dürfen.  Aber das hier übertrifft alles.  Nach dem ersten Schock wandern meine Augen panisch über das Kriegsfeld.   Wo bist du?    Doch schnell erkenne ich, dass bei dieser Schar an Dämonen kaum eine Möglichkeit besteht, den Daiyoukai auszumachen. Körper fallen übereinander her, verschmelzen zu einer großen Menge und lassen Feine und Freunde unerkennbar werden. Erst bei genauerem Hinsehen sieht man den leichten Unterschied. Rüstungen und Waffen stehen in Kontrast zueinander. Rassen, dessen Herkunft unverkennbar ist, kristallisieren sich heraus. Die Massen toben gegeneinander, drücken und pressen. Dabei sieht man, dass eine Seite von beidem leicht unterliegt.  Unsere.    Mist.   Wieder suchen meine Augen panisch weiter.     Bitte! Es muss dir gut gehen!     Als Inu Yasha landet und mir damit die Übersicht über den Kampf genommen wird, spüre ich mich selbst in Panik verfallen.   Kami, ich bette, dass wir nicht zu spät gekommen sind.  Nur einen Moment gönne ich mir, nehme einen tiefen Atemzug und versuche mich zu sammeln, mich vorzubereiten auf etwas, von dem ich nicht weiß, für wen es gut oder böse enden wird.     „Wir müssen ihn finden.“     Ich sehe Inu Yashas Hinterkopf nicken, während er einen Arm von meinem Bein löst und Tessaiga zieht.     „Halt dich fest.“, sagt er und will erneut zum Sprung ansetzten, doch ich verkeile mich abermals in seiner Schulter.   „Warte.“     Ich blicke nach hinten, sehe die Dämonen und Menschen das Schlachtfeld betreten, die Waffen gezogen, die Kampfhaltung eingenommen.  Als ich meinen Bogen anhebe, wird es einen kurzen Moment, einen kleinen bedeutenden Augenblick unglaublich still.  Dann halt Kampfesgebrüll über den Platz und das Heer stürmt nach vorne.  Inu Yasha setzt zum Sprung an und begrüßt die feindlichen Truppen mit seinem Kaze no Kizu. Gleichzeitig höre ich die Freudesrufe der Dämonen aus dem Westen.  Die Erde erzittert hinter uns und ich erspare es mir mich um zu drehen, nur um damit noch mehr Schmerz und Wut zu erblicken, als mich bereits umgibt.  Ich unterdrücke auch den Drang mich zu übergeben, als mir ein Schwall anfaulendem Fleisch und Blut entgegenschlägt.  “Reiß dich verdammt nochmal zusammen”, fahr ich mich innerlich an und konzentriere mich darauf, den Hundedaiyoukai zu finden.    Dann schnellt ein heller, grüner Blitz über die Lichtung und lässt mein Herz kurz stoppen.    Bokuseiga.     „Inu Yasha.“     „Ja!“     Er erhöht das Tempo, schnellt durch die Feinde, wie ein Messer durch weiche Butter.  Dann in der Mitte des grauenhaften Schauplatzes kann ich einen einzelnen Youkai erspähen. Um ihn herum grüne Blitze, eine dreckige Pelzschlange, während sein Haar so rein und Silber leuchtet, als wären sie frisch gewaschen. Hätte die Tatsache allein, ihn nach über einem halben Jahr der Qual endlich wieder zu sehen nicht ausgereicht um mein Herz schmerzhaft schneller schlagen zu lassen, so hätte es spätestens der Umstand getan, dass er am Boden kniet und von Dreck und Blut befleckt ist.     Bei Kami.     Es genügt ein Blick um mir zu zeigen, wie schlecht es um ihn steht. Denn das Bild, den Lord des Westens kniend vorzufinden, habe ich bisher nur in den aller schlimmsten Momenten meines Lebens mitansehen dürfen.  Doch dieses Mal stellt sich mir die schmerzhafte Frage: War ich das? Ist das meine Schuld?  Nie hätte der stolze Dämon vor seinen Feinden gekniet.  Nie wäre er so einer Schwäche erlegen.  Außer es steht wirklich schlimm um ihn.     „Scheiße.“     Inu Yashas Stimme ist gefüllt von Wut und leichter Panik, als er ebenfalls die Situation realisiert. Er hebt Tessaiga empor und ich spüre seine mächtige Energie, als seine Klinge verdächtigt funkelt und beim nächsten Schwerthieb hunderte Diamanten über die Lichtung fegen lässt. Die Feinde werden zerschmettert, bevor sie den Lord erreichen können, welcher langsam seinen Kopf in unsere Richtung dreht und seine bernstein-farbenden Augen fast sofort die meine finden.  Tränen sammeln sich, als mich der Hanyou schließlich einige Meter vor dem Daiyoukai absetzt und ich ungehalten los sprinte.  Nichts könnte mich jetzt aufhalten.  Nicht einmal die Angst davor, dass er mich abweisen könnte.  Himmel, ich habe mich so nach ihm gesehnt, wollte ihn so lange schon wiedersehen, ungeachtet davon, wie absurd diese Logik erscheint, nachdem, was alles passiert ist.  Und jetzt bin ich dem so nahe.     „Sesshoumaru“     Seine Augen sind weit aufgerissen und rot gesprenkelt. Ein Anblick der mich fliehen lassen sollte, aber stattdessen strecke ich meinen Arm nach ihm aus.  Erst als er nach vorne schnellt, direkt auf mich zu, schnappe ich erschrocken nach Luft und stoppe. Doch egal, was ich jetzt tun würde, ich bin dem Daiyoukai bereits restlos unterlegen.  Im Hintergrund höre ich Inu Yasha entsetzt meinen Namen rufen, gibt meinen ängstlichen, verstörenden Gedanken nur noch mehr Nahrung.  Lässt mich zögern, lässt mich zweifeln.     Aber er kann doch nicht wirklich…     Seine, mit Blut verschmierte Klaue streckt sich zu mir aus, während sich sein Maul öffnet und seine spitzen Fängen entblößt.  Meine Kehle schnürt sich zu und abermals nehmen Tränen mir die Sicht.     „Sesshoumaru, bitte-“     Doch weiter komme ich nicht.  Die Luft zum Atmen wird mir abgeschnitten, vollends genommen.  Alles wird einen kurzen Augenblick ganz still, nur mein wild klopfendes Herz verrät, dass ich noch nicht Tod bin.  Das ich noch lebe.     Meine Lippen zittern, beben geradezu vor dem plötzlichen, so unerwarteten Gefühl, welches auf mich einwirkt. Sanfte Haut presst sich auf meine. Ein bekannter Duft, so intensiv durch diese eindringliche Nähe, umhüllt mich. Und noch ehe ich es überhaupt wirklich realisieren kann, reagiert mein Körper von ganz alleine und erwidert den sanften und zugleich energischen Kuss des Daiyoukais. Bevor ich es hinterher bereue, öffne ich meinen Mund und lecke über seine zarte Haut bettle geradezu um Einlass, gebe ihm alles, was mir möglich ist, zu geben. Er öffnet seine Lippen langsam und zögernd. Sogleich ich die Chance bekomme koste ich ihn, kann immer noch nicht glauben, was hier gerade passiert. Fast könnte ich diese Gefühle mit einem Schleudertrauma vergleichen. Von Angst und Panik hin zu Verlangen und überdimensionales Glück. Auch wenn sich seine milde Süße mit dem metallischen Geschmack von Eisen und Blut mischt kribbelt mein gesamter Körper bei dieser Zärtlichkeit.     Dann löst er sich.  Viel zu schnell.  Viel zu abrupt.     Immer noch gefangen und leicht wehleidig öffne ich die Augen und sehe in die seinen. Er hat sich nicht völlig von mir abgewendet, blickt mich stattdessen mit einem festen Ausdruck an, hält etwas inne, was ich auf skurrile Art sofort identifizieren kann.   Eine Mischung aus Entschlossenheit, Erleichterung und Genugtuung.    Es ist alles, was ich in diesem Moment brauche, um zu wissen, dass wir ok sind.  Dass, was auch immer kommen mag, wir das zusammen durchstehen werde.    Mein euphorisches Herz schlägt mit nun mehr Willensstärke und Unnachgiebigkeit. Und wieder bete ich zu den Göttern, dass meine Zuversicht nicht einreisen wird. Doch mit einem abermaligen Blick zu meinem Gefährten, fällt es mir schwer Zweifel zu empfinden.     Denn er ist bei mir und ich bei ihm.     Und auch wenn es klischeehaft erscheint, aber:     Das ist gerade irgendwie alles, was zählt!  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)