Das Geheimnis der Kleeblattinsel von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 6: Im 21. Jahrhundert 1 ------------------------------- Im 21. Jahrhundert 1 Königin Eliska klappte das Buch zu und setzte die Brille ab. „Nun?“, fragte sie in die Runde. „Mich würde vor allem eines interessieren.“ „Ich höre, Neffe.“, sagte Eliska „Wer waren die drei anderen Flachpfeifen, die bei diesem Verrat mitgeholfen haben?“ „Wen meinst Du, Neffe?“ „Na wen wohl? Golban war ja nicht der einzige Verräter. Da waren ja mehrere Leute dran beteiligt. Und seine Mittäter werden in euren Garden hohe Positionen inne gehabt haben, die es ihnen ermöglicht haben, sich ungehindert in euren Schlössern zu bewegen.“, sagte Kevin. „Das ist wohl wahr. Keine zwei Tage, nachdem Golban Nagoromoto, dem Vulkangott, geopfert wurde, wurde Jandrasch, der Hauptmann von Jelenas Garde enttarnt.“ „Und er wurde auch durch einen anderen ersetzt, und dann diesem Nagoromoto geopfert.“, sagte Catherine. „Ganz recht. Aber die anderen beiden wurden erst Ende 1712 als Verräter entlarvt. Auch der Schamane der Kula wurde erst im Januar 1713 gefasst.“ „Ich finde es wird langsam spät. Wir sollten uns schlafen legen. Catherine und ich müssen morgen wieder arbeiten. Man muss ja sein täglich Brot verdienen.“, sagte Kevin. Zu Hause hatten Kevin und Melissa gerade noch soviel Energie um sich auszuziehen und sich in Bett zu legen. Die beiden waren rasch eingeschlafen. Doch im Traum standen beide Tosh Kamar gegenüber. Der böse Herrscher grinste diabolisch. „So, so. Du bist also Königin Jelenas Sohn. Und du bist wohl dann die Auserwählte.“, sagte er. „Und wenn schon. Was hat dich das zu kümmern?“ „Es hat mich in sofern was zu kümmern, dass Ihr beide und Königin Eliskas Tochter meinen Racheplänen im Weg steht.“ „Oamaru wird nicht untergehen. Dafür werde ich sorgen, und wenn es das letzte ist, was ich tue.“, sagte Kevin. 90 Tosh Kamar hob tadelnd den Zeigefinger. „Na, na, na. Dir hat man wohl nicht beigebracht, dass man mir meinen Willen nicht vorenthalten sollte. Dein Vater war so ein Dummkopf. Und auch seine Freunde waren Dummköpfe. Dummerweise leben noch zwei von ihnen. Der Deutsche und der Schwede.“ „Pech für dich, du Armleuchter. Von mir aus kannst du krepieren. Dir weint bestimmt keiner eine Träne nach.“, sagte Melissa. „Den Armleuchter verbitte ich mir, junge Dame.“ „Es trifft den Nagel aber auf den Kopf, Tosh Kamar. Oder sollte ich lieber sagen, Toshiro Kamaru?“, sagte Kevin und zog süffisant eine Augenbraue nach oben. Doch den Bösen hatte er damit nicht aus der Reserve locken können. „Du weißt also wer ich bin. Und wie ich in deiner Welt heiße. Wenigstens bist du nicht so schlecht möbliert in der Denkstube wie dein Vater.“, sagte Tosh Kamar. Doch auch sein Konter verpuffte wirkungslos. „Mich würde eines interessieren, Tosh Kamar.“, sagte Kevin. Der Böse Herrscher zeigte eine seiner Klauenhände. „Bitte, ich höre.“, sagte er. „Wer waren die beiden anderen Verräter neben Golban und Jandrasch?“ „Was nützen dir die Namen? Sie sind tot. Nagoromoto, dem Vulkangott, geopfert.“ „Einfach nur interessehalber.“ „Also schön. Aber dieses Wissen wird dir nichts nützen. Der Hauptmann in der Garde deiner Tante hieß Mandrak. Und der Verräter in Shakiras Reihen hieß Lord Haart.“, sagte Tosh Kamar. „Und wie viel musstest du ihm versprechen?“ „Zugegeben, Lord Haart musste ich schon ein bisschen mehr bieten, als nur einen Sack Gold und einen Posten in meinem Kabinett.“ „Was wollte er denn?“, fragte Melissa. „Er hat von mir einen Thron gefordert.“ „Und welchen?“ „Den von Tecura.“ 91 „Also das Walkürenreich.“, sagte Kevin. „Ganz Recht. Das Walkürenreich. Aber leider wurde Lord Haart verhaftet, ehe er sich dorthin absetzen konnte.“ „Pech gehabt, Tosh Kamar. Und das gilt für jeden, der bisher mit dir gemeinsame Sache gemacht hat.“, sagte Melissa. Tosh Kamars Gesichtszüge verdüsterten sich. „Einmal wurde ich schon um meine Rache betrogen. Ein zweites Mal wird das nicht passieren.“ Mit diesen Worten verschwand der schändlich Böse in einer Nebelwand. Am nächsten Morgen klingelte um 7:00 Uhr der Wecker. Kevin war sofort wach. Er stand auf und ging ins Bad. Nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, ging Kevin in die Küche. Dort erwartete ihn seine Mutter, Königin Jelena. Nach einer innigen Umarmung sah sie ihrem Sohn in die Augen. „Ich sehe Fragen über Fragen in deinen Augen.“, sagte Jelena. „Da hast du nicht ganz Unrecht. Aber ich sollte mich heute mal auf der Arbeit blicken lassen, nachdem ich gestern durch permanente Abwesenheit geglänzt habe.“ In diesem Augenblick betrat Melissa Conway die Küche. „Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Wir haben für die nächsten zwei Tage frei. In der Firma ist das komplette Netzwerk zusammengebrochen.“, sagte sie. „Weiß man schon, was genau passiert ist?“ „Der Hauptserver ist ausgefallen und der Reserveserver ist überlastet. Mister Crowell meint, dass es zwei bis drei Tage dauern kann, bis alles wieder läuft.“, sagte Melissa zu Kevin. „Weiß Catherine schon bescheid?“ „Ich sags ihr gleich. Aber vorher wollte ich dich informieren.“, sagte Melissa. Als sie im Bad verschwunden war, wandte sich Jelena an ihren Sohn. „Eine unerwartete Wendung.“, sagte sie. „Ja. Allerdings kommt mir diese Zwangspause etwas ungelegen. Ich hab noch eine Menge Arbeit vor mir um mein Soll für den Monat zu erreichen.“ 92 „Kannst du nicht von zu Hause aus arbeiten? Dann hättest du nicht den ganzen Zeitdruck.“, schlug die Königin vor. Kevin verdrehte die Augen. Offenbar wusste seine Mutter nicht, welchen Druck die Bonzen in den oberen Etagen auf die einfachen Mitarbeiter auszuüben pflegten. „Möglich ist es schon, aber es hängt davon ab, ob die Herrschaften ganz oben da auch mitspielen.“ Jelena sah ihren Sohn fragend an. „Die Sache ist die. Die Leute in der Führungsriege erwarten von den Mitarbeitern auf den unteren Ebenen, dass diese im Monat eine bestimmte Anzahl an Kunden akquirieren. Ich arbeite in einer Werbeagentur, musst du wissen. Und in der Werbebranche ist der Leistungsdruck enorm. Und der Kampf um potenzielle Neukunden ist mörderisch. Das ist so, als würdest du einen Goldfisch in ein Haifischbecken werfen.“, sagte Kevin. „Sind deine Chefs so streng?“ „Melissa ist ganz in Ordnung. Sie macht nicht ganz so viel Druck. Aber wenn der alte Duke da ist, ist der Leistungsdruck enorm. Und das Schlimmste ist, wenn man nach seiner Meinung zu langsam ist, dann wird man von ihm angebrüllt und auf, achtung ich übertreibe bewusst, Streicholzgröße zusammengefaltet.“ „Wen meinst du?“, fragte Königin Jelena. „Randolph Duke. Er ist Melissas Vorgesetzter. Ein echter Leuteschinder. Jedes Mal wenn er da ist, erleidet einer meiner Kollegen einen Burnout.“ „Was ist denn das, ein Burnout?“, fragte Jelena. Doch die Antwort auf ihre Frage von Kevins Mutter lieferte Melissa Conway, die gerade aus dem Bad kam. „Ein Burnout tritt ein, wenn man seinem Körper zu wenig Schlaf gönnt. Man hat dann das Gefühl, man wäre innerlich ausgebrannt. Warum willst du das wissen, Jelena?“, sagte sie. „Kevin hat mir von Randolph Duke erzählt.“ „Ach der Sklaventreiber. Dieser klingonische Vollpfosten ist schlimmer als eine Kompanie gallischer Schwiegermütter.“, sagte Melissa. „Weiß Catherine eigentlich wegen dem Serverproblem Bescheid?“, wollte Kevin wissen. „Ja, ich hab es ihr gesagt. Sie kommt gleich rüber.“ „Ich bestell noch ein paar Brötchen zusätzlich, dann kann meine Cousine mit frühstücken.“ Kevin setzte gerade 93 das Wasser für den Kaffee auf, als es an seiner Wohnungstür klingelte. „Ich geh schon.“, sagte Melissa. Nur kurze Zeit später kam sie mit Catherine Parsons in die Küche. Kevin erkannte, dass Catherine eine Tüte mit frisch gebackenen Brötchen dabei hatte. Also verschwand er kurzerhand im Wohnzimmer und kam wenig später mit einem Brotkorb aus Bast zurück. Später saßen die vier beim Frühstück beisammen. „Was ist eigentlich aus Keoga und Liasanya geworden, nachdem sie mitgeholfen haben, Golban dem Vulkangott zu opfern?“, wollte Melissa wissen. Jelena nippte an ihrem Kaffee. „Sie sind beide sehr alt geworden. Liasanya wurde sagenhafte 115 Jahre alt. Und Keoga sogar 116. Die Linie, die beide begründet haben, herrscht noch heute auf Tangaroa.“ „Und was wurde aus Elenia und Tanet?“, fragte Kevin seine Mutter. „Elenia dient heute noch als Ratgeberin. Tanet wurde von Iduna mit der Unsterblichkeit belohnt und zur Schutzgöttin der Nachbarinseln von Oamaru ernannt.“ Kevin biss in sein Brötchen. „Was ist eigentlich aus den Kula geworden?“, stellte Catherine die nächste Frage. „Nordin und seine Männer haben das Dorf überfallen und den Stamm ausradiert. Das Dorf haben sie niedergebrannt.“ Kevin stutzte. „Moment. Irgendetwas kommt mir Spanisch vor. Hieß der Anführer der Berserker nicht Olik?“, fragte er. „Ja, das ist richtig, mein Sohn. Olik ist zwei Tage vor Keogas Rückeroberung von Tangaroa an einer mysteriösen Krankheit verstorben. Nordin hat deshalb seinen Platz eingenommen.“ „Wieso ausgerechnet er?“, fragte Melissa. „Nordin ist, oder war, Oliks Bruder.“ Nach dem Frühstück half Jelena ihrem Sohn beim Abräumen. „Dich beschäftigt etwas, mein Junge.“, sagte Jelena zu Kevin. „Es gibt einiges, dass mir Kopfzerbrechen bereitet.“ „Was ist es, Kevin?“, wollte die Königin wissen. 94 „Tosh Kamar ist mir und Melissa heute Nacht im Traum begegnet.“ Königin Jelena ließ vor Schreck beinahe eine Kaffeetasse fallen. „Das ist kein gutes Zeichen.“, sagte die Königin. Kevin entging nicht, dass in ihrer Stimme ein angstvoller Unterton mitschwang. Außerdem bemerkte er, dass ihre Hand zitterte. „Alles in Ordnung, Mutter?“, fragte er besorgt. „Nein. Jetzt da ich weiß, dass Tosh Kamar in der Lage ist, sich Zugang zu deinen Träumen zu verschaffen, habe ich Angst um dich.“ „Mach dir um mich keine Sorgen, Mutter. Ich weiß mich zu verteidigen. Wer sich Sorgen machen sollte, ist Tosh Kamar, diese miese kleine Kakerlake.“ „Kevin! Um Idunas Willen! Tosh Kamar trachtet dir und Catherine nach dem Leben! Er kann dich töten ohne Hand an dich legen zu müssen!“, sagte Königin Jelena eindringlich. „Mein Gott, jetzt hab dich mal nicht so! Du klingst ja wie meine Pflegemutter.“ „Ich bin deine Mutter. Schon vergessen, Kevin?“, sagte Jelena. Catherine Parsons kam in die Küche. „Kommt ihr zwei Hübschen mal kurz? Da ist etwas, dass ihr euch ansehen solltet.“, sagte sie. Als Kevin und seine Mutter ins Wohnzimmer kamen, blieb die erste Königin der Kleeblattinsel wie angewurzelt stehen. Draußen hatte sich eine Nebelwand gebildet, in der sich blaue Blitze entluden. In dem Nebel erkannte Kevin die Umrisse einer Frau. Auch wenn er das Gesicht nicht sehen konnte, wusste Jelenas Sohn, dass dort im Nebel Elenia stand. Die Gestalt bewegte sich, und stand bald auf dem Balkon von Kevins Apartment. Und er hatte Recht. Draußen stand Elenia. Kevin McDyne öffnete die Balkontür und ließ die Banshee herein. Doch kaum hatte er die Tür wieder geschlossen, änderte sich die Farbe des Nebels. Statt dem milchigen weißen Nebel färbte sich der Nebel nun schwarz. Doch die blauen Blitze entluden sich weiter. Jelenas Sohn wusste zwar nicht, was genau vor sich ging, doch eines war ihm klar, der Nebel war eine Art Tor durch das man zwischen den Welten reisen konnte. Eine weitere Silhouette erschien. Und wieder waren die Umrisse weiblich. „Ob das Tanet ist?“, dachte Kevin. Doch als noch die Umrisse zweier Raben auftauchten, hatte er Gewissheit. In der schwarzen Nebelwand stand Tanet. Und genau wie Elenia stand auch sie bald auf dem Balkon von Kevins Apartment. 95 Jelenas Sohn ließ auch sie ein, schloss aber sofort die Tür, als auch der letzte der beiden Raben durch geflogen war. „Was verschlägt euch denn ins 21. Jahrhundert?“, wollte er wissen. „Tosh Kamar will Conacht angreifen, um euch zu einer vorschnellen Aktion zu verleiten.“ Es war die Banshee, die Kevins Frage beantwortet hatte. Doch es war Catherine, die die nächste Frage stellte. „Was genau hat dieses Scheusal vor?“ „Ich kann euch zumindest sagen, welches Schicksal Tosh Kamar euch zugedacht hat, Lady Catherine.“, sagte Tanet. „Bitte, ich höre.“ „Ihr sollt beim Angriff auf Conacht das Leben verlieren. Tosh Kamars Riesenkalmar soll für euren Tod sorgen, indem er euch in die Tiefe zieht.“, sagte Tanet. „Wie wichtig ist Conacht überhaupt?“, stellte Melissa Conway eine nicht ganz unerhebliche Frage. „Warum willst du das wissen?“ Königin Jelena hatte sich an sie gewandt. „Ganz einfach. Vielleicht will Tosh Kamar, dass wir die Panik kriegen und versuchen durch das Portal zu gelangen, ohne den zweiten Folianten gelesen zu haben.“ Kevin nickte. „Klingt einleuchtend.“, sagte er. „Was macht euch da so sicher?“ „Tosh Kamar ist hinterhältig und verschlagen. Das wissen wir mittlerweile. Wenn er gezielt Falschinformationen streut, dann könnte er sein Ziel erreichen. Und Oamaru, meine und Catherines Heimat würde doch noch in den Fluten des Ozeans versinken, so wie er es von Anfang an geplant hat.“ In seinem Versteck kochte Tosh Kamar vor Wut. Tanet und Elenia hatten zwar seine Falschmeldungen überbracht, doch Melissa Conway und Jelenas Sohn Kevin hatten seine Absicht durchschaut. Er musste verhindern, dass Kevin, Catherine und Melissa den zweiten Folianten lasen. Doch das war gar nicht 96 so leicht. Und dummerweise hatte Melissa Conway auch das Logbuch ihres Vaters in ihrem Besitz. Keine guten Vorzeichen. Er hatte zwar die Logbücher, der vier gestrandeten Kreuzer in seinem Besitz. Aber die waren nichts wert. Wichtig waren der zweite Foliant und Arthur Conways Logbuch. In Kevins Apartment brach Elenia das Schweigen. „Es gibt noch etwas, dass ihr Wissen solltet. Tosh Kamar hat die Logbücher der vier gestrandeten Kreuzer in seinem Besitz.“, sagte sie. Königin Jelena zuckte vor Schreck zusammen. „Wie wichtig sind die Logbücher?“, fragte Kevin. Tanet beantwortete die Frage. „Eigentlich kann Tosh Kamar mit den Logbüchern nichts anfangen. Wichtig sind der zweite Foliant, der die Geschehnisse aus dem Jahr 1916 enthält und Arthur Conways Logbuch.“, sagte sie. „Der zweite Foliant wurde mir überlassen.“ Catherine hatte diese Worte ausgesprochen. „Und ich habe Dads Logbuch.“, sagte Melissa. „Sie sind Arthur Conways Tochter?“ „Stört dich das etwa, Elenia?“, fragte Königin Jelena. „Nein, Hoheit.“ „Eines steht jedenfalls fest. Uns rennt die Zeit davon.“ „Dann sollten bald den zweiten Folianten lesen. Wo hast du das Logbuch deines Vaters versteckt?“, wollte Catherine von Melissa wissen. „Bevor ich auf diese Frage antworte, muss ich sicher sein, dass Tosh Kamar uns nicht belauscht. Er ist nämlich unheimlich scharf auf Dads Logbuch. Und ich will nicht, dass dieses Buch in falsche Hände fällt.“ „Was auch verständlich ist.“, sagte Jelena. Frigga hatte den Kopf schief gelegt und lauschte. „Tosh Kamar belauscht uns nicht. Der Bannzauber meiner Herrin hindert ihn daran.“, sagte sie. „Diesem Rotzlutscher muss man sogar das unmögliche zutrauen.“ 97 „Tosh Kamar ist zwar mächtig. Aber selbst seiner Macht sind Grenzen gesetzt.“, sagte Odin. „Wer wäre in der Lage, Tanets Bannzauber zu überwinden?“, fragte Catherine. „Nur Iduna. Tosh Kamar ist sterblich, deshalb sind seine magischen Kräfte begrenzt. Nur ein Gott kann den Bannzauber einer Schutzgöttin überwinden.“ „Und Tosh Kamar ist kein Gott.“, sagte Melissa. „Ganz Recht. Und so lange es sich irgendwie verhindern lässt, wird er auch keiner werden.“ „Ich finde, jetzt wo das geklärt ist, kannst du uns das Versteck des Logbuchs verraten, Melissa.“, sagte Kevin. „Einverstanden. Ich habe Dads Logbuch in der alten Kommode versteckt, die im Flur steht. Zweites Fach von oben.“ Tanet schickte Heimdall und Loki, ihre Geisterraben los. Es dauerte nicht lange, und die beiden kamen zurück. Heimdall hatte Arthur Conways Logbuch im Schnabel. „Perfecta Mundo. Das läuft ja wie am Schnürchen.“, sagte Kevin. In seinem Versteck fluchte Tosh Kamar wie ein Rohrspatz. Jelenas Sohn und Eliskas Tochter hatten Arthur Conways Logbuch in ihren Besitz gebracht und hatten nun den Schlüssel zum Geheimnis der Kleeblattinsel in der Hand. Das war alles andere als erfreulich. Der böse Herrscher wusste, dass Tanet, die Schutzgöttin der Nachbarinseln mit Hilfe ihrer Geisterraben das Logbuch an sich gebracht hatte. Außerdem hatte sie es ihm durch einen Bannzauber unmöglich gemacht, das Versteck von Arthur Conways Logbuch in Erfahrung zu bringen. Und als ob das noch nicht genug wäre, hatte Iduna ihn, Tosh Kamar, an einer seltenen Blutkrankheit erkranken lassen, die ihn von Tag zu Tag mehr und mehr schwächte. Nur wenn es ihm gelang, eine Frau zu finden, die bereit war, ein Kind von ihm zu empfangen, hatte er eine Chance weiterzuleben. Doch danach sah es im Moment nicht aus. In seinem New Yorker Apartment sah sich Kevin Arthur Conways Logbuch an. Viele Einträge waren ihm ein Rätsel, enthielten sie doch den Vermerk „siehe persönliches Tagebuch“. „Sag mal, Melissa. Hat dein Vater zusätzlich zu seinem Logbuch auch ein persönliches Tagebuch geführt?“, fragte er Arthur Conways Tochter. „Nach jedem Flug. Wieso fragst du?“ 98 „Weil einige Einträge mit dem Vermerk „sie persönliches Tagebuch gekennzeichnet sind.“ Catherine schaltete sich ein. „Wo könnte dein Vater sein Tagebuch aufbewahrt haben?“, fragte sie. „Es gibt nur einen Ort, wo sich Dads Tagebuch befinden kann. Er hatte ein Schließfach am Palmdale Regional Airport. Dort hat er sein Tagebuch Immer versteckt.“ „Aber wer soll es holen?“ „Tosh Kamar wird ein großes Interesse daran haben, dass das Tagebuch deines Vaters verloren geht.“ „Aber er kann unmöglich wissen, was drin steht.“, sagte Kevin. Jelena warf ihrem Sohn einen wissenden Blick zu. „Ich sehe schon, du denkst dasselbe wie ich.“, sagte sie. Frigga, Tanets Rabenweibchen, hüpfte auf ihrem Sitzplatz auf der Gardinenstange auf und ab. Das tat sie immer, wenn sie etwas zu sagen hatte. „Was ist Frigga? Was hast du?“, fragte Tanet. „Mich hat es gerade geschüttelt. Jemand ist gerade durch die Wand in Kevins Wohnung gekommen.“ „Hoffentlich nicht Tosh Kamar. Das würde mir endgültig den Rest geben.“, sagte Catherine. Umso größer war die Überraschung, als Liasanya ins Wohnzimmer kam. In ihren Händen hielt sie ein in Leder eingebundenes Notizbuch. Sie ging auf Melissa zu und hielt ihr das Buch hin. „Ich habe da etwas und ich glaube es gehört Ihnen.“, sagte Liasanya. Melissa traten die Tränen in die Augen. „Dads Tagebuch. Vielen, vielen Dank.“ „Ist nicht der Rede wert.“, sagte Liasanya mit einem Lächeln. Dann trat sie vor Kevin und sah ihn aus ihren braunen Augen an. „Viel Glück Kevin. Du wirst es brauchen. Und pass gut auf Melissa auf. Jetzt, da ihr auch noch das Tagebuch ihres Vaters in eurem Besitz habt, wird Tosh Kamar noch gefährlicher.“, sagte sie. Dann stand Liasanya noch einmal Melissa 99 gegenüber. Sie hatte den Daumen leicht abgespreizt. Zeige- und Mittelfinger zusammen von Ring- und kleinem Finger getrennt. Melissa hielt ihre linke Hand an Liasanyas Rechte. „Langes Leben und Frieden, Melissa.“, sagte Liasanya. „Langes Leben und Frieden.“ Liasanya verschwand in einer Wolke aus weißem Rauch. In seinem unterseeischen Palast tobte Tosh Kamar vor Wut. Liasanya hatte ihn erneut verraten. So wie damals, als sie Keoga geheiratet hatte. Heute hatte sie Melissa Conway das Tagebuch ihres Vaters ausgehändigt Dummerweise war die zweite Großkönigin von Tangaroa nach ihrem Tod zur obersten Göttin aufgestiegen. Dadurch war es für ihn, Tosh Kamar, unmöglich sie zu bestrafen. In New York hatte Melissa Conway auf der Couch Platz genommen und angefangen zu weinen. Tanet saß neben ihr und tröstete sie, indem sie eine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. „Wer war das?“. Fragte Catherine. „Ahnt Ihr es denn nicht, Lady Catherine? Es war Liasanya. „Moment, Elenia. Liasanya ist doch tot.“, sagte Kevin. Tanet meldete sich zu Wort. Das stimmt auch. Aber nach ihrem Tod wurde sie Idunas Nachfolgerin.“, sagte sie. „Und was wurde aus Iduna?“ Kevin hatte diese nicht unerhebliche Frage gestellt. Es war Elenia, die antwortete. „So wie in eurer Welt, der Welt der Sterblichen, ist auch das Reich der Götter permanenter Veränderung unterworfen. Idunas Zyklus als oberste Göttin ging dem Ende entgegen, als sie Liasanya zu sich in ihren Palast holte, um sie vor Walbur zu beschützen.“, sagte die Banshee. „Und was macht Amelias Halbschwester jetzt?“ „Iduna sitzt nun im hohen Rat der Götter, Lady Catherine.“, sagte Tanet. Catherine Parsons verdrehte entnervt die Augen. 100 „Lady Catherine. Ich fürchte, dass ich das auf die Dauer nicht ertragen kann. Könnten Sie mich nicht wenigstens Miss Parsons nennen?“, fragte sie leicht gereizt. „Das wäre weder üblich, noch schicklich, Mylady.“ In diesem Moment schoss Kevin eine Frage durch den Kopf. „Mich würde jetzt erst einmal eines interessieren.“, sagte er. „Was, Neffe?“ „Was ist eigentlich aus Amelia, Idunas Halbschwester geworden?“, wollte Jelenas Sohn wissen. „Sie lebt noch in ihrem Reich unter der heiligen Quelle. Aber sie ist sehr einsam und das macht sie traurig.“ „Gibt es keine Möglichkeit für sie, ihr Reich zu verlassen?“, fragte Melissa die sich wieder gefasst hatte. „Nur wenn sie selbst jemanden unterweist, der ihr nachfolgt, kann sie Iduna in den hohen Rat nachfolgen.“ „Hört sich ziemlich einfach an.“, sagte Kevin. „So einfach, wie es sich anhört ist es aber nicht, Neffe.“ „Warum denn dieses?“ „Es gibt eine alte Prophezeiung. Diese besagt, dass nur eine Frau aus deiner Welt Liasanya folgen wird.“, sagte Königin Eliska. Melissa runzelte die Stirn. „Weiß man denn wie sie aussieht oder über irgendwelche anderen Erkennungsmerkmale bescheid?“, fragte sie. „Sie trägt eine Tätowierung auf der Innenseite ihrer rechten Hand.“ „Welches Motiv?“, fragte Kevin. „Ein Auge. Aber nicht irgendein Auge. Es ist ein schwarzes Auge, mein Sohn.“ Kevin und Catherine wechselten einen wissenden Blick. Elenia, der Banshee, entging dieser Blick nicht. „Ich merke, diese Person ist euch nicht unbekannt.“, sagte sie. 101 „Sagen wir es mal so: Ich bin ihr ein paar Mal im Central Park begegnet. Die Leute nennen sie abwertend „Hexe.“ Catherine ergänzte: „Wie sie wirklich heißt, weiß niemand. Keiner hat sie je sprechen hören. Aber es wird behauptet, dass sie magische Kräfte besitzen soll.“ „Wer behauptet das?“, hakte Königin Jelena nach. „Die Leute, die sie nicht leiden können.“ „Wie erbärmlich ist das denn?“, fragte Tanet. „Die Menschen in dieser Welt sind nun mal so. Obwohl, nicht alle sind solche Assos. Es gibt auch Leute, die ihren Mitmenschen mit Respekt begegnen.“ Im Central Park saß AJ auf einer Bank an ihrem Lieblingsplatz am großen Teich. Sie starrte gedankenverloren auf den Rasen. Ein Mann kam vorbei. AJ beachtete ihn nicht. Sie reagierte auch nicht, als er verächtlich vor ihr auf den Boden spuckte. „Verschwinde aus meiner Stadt, Hexe.“, sagte der Mann. Doch AJ ignorierte ihn. Wutentbrannt ging der Mann weiter. Doch er drehte sich noch einmal um. „Wenn ich dich noch einmal hier antreffe, bist du dran, das schwör ich dir.“, sagte er. Sie wandte nicht einmal den Kopf. AJ, die eigentlich Adria Jessica Porter hieß, war eine 1,73 m große Frau mit einem ovalen Gesicht. Sie war schon immer die Außenseiterin gewesen. Wegen ihrer schwarzen Kleidung und dem schwarzen Auge auf der rechten Handfläche wurde sie von allen „Hexe“ genannt. Der Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht war versteinert. AJ wusste nichts über sich. Weder, wer sie in Wirklichkeit war, noch woher sie kam. Das einzige was sie außer ihrem Namen wusste, war, dass sie seit sie ein Baby war, das schwarze Auge auf ihrer Handfläche hatte. Aufgewachsen war sie bei ihrer Großmutter in Orange County, New York. Eine leichte Böe wehte AJ eine Strähne ihres achsellangen hellbraunen Haares ins Gesicht. Sie wischte sie einfach zurück. Ihr Körper war weder zu dünn noch zu dick. Ihre Oberweite war nicht zu üppig, aber dafür handlich. Wie ihr Gesicht, so verrieten ihre blauen Augen keinerlei Gefühle. Ihre Lippen, die man als sinnlich hätte bezeichnen können, waren zu einem dünnen Strich zusammen gekniffen. Ein typisches Zeichen innerer Anspannung. Obwohl es Oktober war, war AJ ziemlich leicht angezogen. Sie trug ein schwarzes, knielanges, eng anliegendes Minikleid und schwarze High Heels. 102 Tief in ihrem Inneren hatte AJ mit den New Yorkern gebrochen. Ginge es nach ihr, würde ein gigantischer Tsunami die Stadt zerstören und alle Menschen in den Tod reißen. Dabei war es ihr ganz egal, ob die Menschen nett zu ihr waren, oder böse und gemein wie der Mann eben. „Von mir aus können alle Menschen auf der Welt qualvoll krepieren. Ich brauche sie nicht.“, dachte AJ. In diesem Moment schlug ein Blitz in die Oberfläche des großen Teichs ein und eine Wassersäule stieg gen Himmel. „Das… ist… das… Ende.“, stammelte AJ. Als aus der Wassersäule eine Frau auftauchte, bekam sie es doch mit der Angst zu tun. Die Fremde zielstrebig auf AJ zu. Mit leichten und grazilen Schritten schien sie regelrecht über die Wiese zu schweben. Dann stand die fremde Frau vor ihr. AJ sah in zwei gütige braune Augen, die in einem ovalen Gesicht ruhten. Die Frau lächelte. Und es war ein warmes und freundschaftliches Lächeln. AJ war verwirrt. Wer war sie? Und was wollte sie von ihr? Die Fremde hielt ihr eine Hand in. Die Außenseiterin bemerkte, dass die Frau weiße, Satinhandschuhe trug, die bis über die Ellenbogen reichten. AJ wollte nach der behandschuhten greifen, doch ihr Misstrauen überwog und sie zog ihre Hand wieder zurück. „Hab keine Furcht, AJ.“, sagte die fremde Frau mit einer warmen und sanften Stimme. „W-Wer sind sie und woher wissen sie, wer ich bin?“ „Ich bin Liasanya. Hab keine Angst. Ich werde dir nichts tun. Und ich weiß mehr, als du denkst. Ich sehe vieles. Dinge die sich ereignet haben, und die sich noch ereignen werden.“, sagte die Frau. „Was wollt ihr von mir?“ „Gehst du mit mir ein Stück durch den Park? Es gibt einiges, dass du wissen musst.“, sagte Liasanya. Erst jetzt bemerkte AJ, dass sie ganz in weiß gekleidet war. Während AJ mit Liasanya durch den Central Park ging, studierte Kevin die Einträge im Logbuch und die dazugehörigen Einträge in Arthur Conways persönlichem Tagebuch. Mit jedem Eintrag, den Jelenas Sohn las, verdüsterten sich seine Gesichtszüge. „Was für eine miese Kanalratte.“, sagte er zu sich. „Was meinst du Kevin?“ „ Ganz einfach, Catherine. Tosh Kamar hat Melissas Vater als Kurier missbraucht.“, sagte Kevin. 103 Melissa Conway wurde starr vor Schreck. „Was hat er gemacht?“, fragte sie. „Dein Vater musste für Tosh Kamar diverse Artefakte aus Südamerika ausfliegen.“ „Was waren das für Artefakte, mein Sohn?“, fragte Königin Jelena. „Das erste Artefakt war das Kreuz von San Cristobal.“ „Bei Idunas Macht. Das ist das heilige Kreuz von Tecura.“, sagte Kevins Tante, Königin Eliska. „Der nächste Gegenstand, den Arthur Conways aus Ecuador ausgeflogen hat, ist das Ankh von Coronado.“ „Das ist der Name der Zitadelle auf Aoraki.“, sagte Kevins Mutter. „Leute, merkt ihr was?“ Catherine Parsons hatte diese Frage gestellt. „Was?“ „Tosh Kamar hat sich in den Besitz dieser Artefakte gebracht, um die Walküren und die Berserker erpressen zu können.“, sagte Tanet. Im Central Park ging AJ an Liasanyas Seite und lauschte gespannt ihren Erzählungen. Doch plötzlich blieb die oberste Göttin stehen und sah der Außenseiterin in die Augen. „Würdest du mir bitte deine rechte Hand zeigen?“, fragte sie. AJ sah sie verständnislos an, dennoch gehorchte sie und zeigte Liasanya ihre rechte Hand. Die einstige Großkönigin Tangaroas betrachtete stumm das schwarze Auge auf AJs Handfläche. Dann strich sie sanft mit ihrer Hand darüber. Was dann passierte, ließ AJ staunen. Die Umgebung um sie und Liasanya herum begann zu verblassen. Ihr wurde schwindelig und sie schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Als AJ ihre Augen wieder öffnete, kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie und Liasanya standen an einem See, der von einer Quelle gespeist wurde, die sich über einen Felsen in den See ergoss. Die 1,73 m große Brünette nahm einen tiefen Atemzug und genoss die frische, saubere Luft. „Ganz anders, als die verpestete Luft zu Hause in New York.“, sagte sie. „Gefällt es dir hier, AJ?“ 104 „Ja, Liasanya. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich will nicht mehr nach New York zurück. Ich vermisse die Stadt noch nicht einmal.“, sagte AJ. Wie aus dem Nichts vernahm AJ eine weitere Frauenstimme. „Sei willkommen, AJ. Ich habe dich bereits erwartet.“, sagte diese Stimme. Beim Klang dieser Stimme spürte AJ, wie ihr ein wohliger Schauer den Rücken hinunter lief. Sie drehte sich zu der unbekannten Frau um. Amelia stand am Seeufer. Sie stand an exakt derselben Stelle, an der sie vor 309 Jahren auf Keoga gewartet hatte. Wie damals trug sie ihr grünes Kleid und ihre braunen Haare offen. Ihre braunen Augen strahlten noch immer Sanftmut und Güte aus. AJ sah Liasanya an. „Wer ist sie?“, wollte sie von der obersten Göttin wissen. „Das ist Amelia, die Halbschwester meiner Vorgängerin Iduna.“ „Wo bin ich?“, wollte AJ nun wissen. „Willkommen auf Oamaru.“ „Warum bin ich hier?“, fragte Adria. Es war Amelia, die auf AJs Frage antwortete „Am Tag deiner Geburt wurdest du von Göttern auserkoren, meinen Platz einzunehmen. Das schwarze Auge auf deiner rechten ist ein Schutzsymbol, dass dich vor jeder Art von Zauber und dich in Gefahrensituationen vor Unheil schützt.“ „Warum gerade ich?“, fragte AJ. „Der Wille der Götter sollte niemals hinterfragt werden.“ Liasanya hatte AJ mit diesen Worten ermahnt. In seinem Apartment im New Yorker Stadtteil Brooklyn, hatte Kevin McDyne sich die beiden letzten Einträge in Arthur Conways Tagebuch angesehen. „Interessant.“, murmelte er. „Außerordentlich interessant.“ „Was ist „außerordentlich interessant“?“, wollte Catherine Parsons wissen. „Kurz bevor Arthur Conway zu seinem letzten Flug gestartet ist, gab es zwischen ihm und Tosh Kamar richtig Ärger. Ich les mal den Eintrag vom 17. März 1975 vor. „Toshiro Kamaru war heute ziemlich schlecht gelaunt. Wie immer. Wenn ich nicht nach seiner Pfeife tanze. Dieser hinterhältige, kriminelle Schleimbeutel braucht nicht denke, dass ich springe, wenn er mit einem dicken 105 Scheck wedelt.“ „Was hat mein Vater an diesem Tag eigentlich gemacht?“, fragte Melissa. „Er hat eine dringend benötigte Ladung Medikamente nach Belize geflogen. Der Auftraggeber hat 550.000 Dollar springen lassen. Tosh Kamar hat das natürlich gar nicht gepasst, wie aus dem letzten Eintrag vom 20. März 1975 hervorgeht.“ „Was hat Dad geschrieben Kevin?“, wollte Melissa Conway wissen. „Toshiro Kamaru war wieder da und hat mir gedroht. Wenn ich nicht bis heute Abend bei Sonnenuntergang zur Kleeblattinsel aufgebrochen bin, ergeht es meiner Tochter schlecht. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass Mr. Kamaru seinen Worten auch Taten folgen lässt. Lieber fliege ich zu dieser gottverdammten Insel und hole die vier Artefakte des Sar Issus, als zuzulassen, dass Toshiro Kamaru meiner Tochter ein Haar krümmt.“ Catherine schüttelte den Kopf. „Irgendetwas kommt mir an der ganzen Sache spanisch vor.“, sagte sie. „Toshiro Kamaru wusste sehr genau, wie viel ich Dad bedeute.“ „Und da hat er angesetzt und dich dann als Druckmittel benutzt.“, sagte Kevin. Dann blätterte er im Tagebuch weiter und fand einen Zettel. Kevin runzelte die Stirn. Auf dem Zettel stand „78 Palm Beach Drive“. „Kannst du etwas damit anfangen?“, fragte er seine Vorgesetzte und reichte ihr den Papierfetzen. Melissa fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Das ist das Haus meiner Großeltern väterlicherseits in Miami.“, entfuhr es ihr. Auf der Kleeblattinsel, Kevin und Catherines Heimat, war AJ schwer ums Herz geworden. Denn sie hatte an einen Leidensgenossen gedacht, den sie sehr mochte. Chris war wie sie ein Außenseiter gewesen und wurde von den übrigen New Yorkern ausgegrenzt, diskriminiert und aufs übelste beleidigt. In AJ hatte er jemanden gefunden, der ihn verstand, und dem es genauso ging, weshalb er sie ebenfalls sehr gern hatte. Doch eines Tages war er auf rätselhafte Weise spurlos verschwunden. Für AJ war eine Welt zusammengebrochen. Sie hatte damals geweint. Nun standen ihr erneut die Tränen in den Augen, wie an jenem Tag, an dem Chris verschwunden war. Amelia war dies nicht entgangen. „Ich sehe, dass dich etwas beschäftigt AJ. Was quält dich so?“, sagte sie. „Ich habe an Chris gedacht. Er war der einzige Mensch, dem ich je etwas bedeutet habe. Vor drei Jahren ist er spurlos verschwunden.“ „Ich verstehe. Er muss dir auch sehr viel bedeutet haben, wenn du schon 106 Seinetwegen Tränen vergießt.“, sagte Amelia sanft. AJ nickte stumm. Idunas Halbschwester hielt Adria die Hand hin. „Gib mir deine Hand und folge mir.“, sagte sie. AJ sah Liasanya fragend an. Die oberste Göttin nickte. Zögernd streckte AJ ihre Hand aus, nur um sie dann wieder zurückzuziehen. Amelia lächelte. „Du erinnerst mich an Keoga. Als er vor 309 Jahren hier war hat er auch gezögert. Aber hab keine Angst, AJ. Ich beiße nicht.“, sagte sie sanft. AJ legte ihre Hand in Amelias und folgte ihr in ihr Reich. Wie einst Keoga spürte auch Adria Jessica Porter ein leichtes Kribbeln auf ihrer Haut, als sie die magische Barriere passierten. Amelia entzündete ein Irrlicht, so wie sie es im Jahr 1712 getan hatte, als sie Keoga vor dem Zorn Tosh Kamars beschützt hatte. So wie einst der junge Krieger aus Tangaroa sah nun auch AJ in der Dunkelheit zwei diabolische rote Augen aufleuchten und vernahm nun auch das dumpfe Grollen, von Amelias Riesenbasilisk. Sie bekam einen Schreck und stieß einen lauten Angstschrei aus. Und ehe sie wusste, wie ihr geschah, sprang der Basilisk mit einem gewaltigen Satz aus seinem Versteck in der Dunkelheit und versperrte den Weg. Die Echse ließ einen markerschütternden Schrei ertönen. Amelia hob gebieterisch eine Hand. „ZURÜCK!“, herrschte sie den Basilisken an. Dieser gehorchte. Und zog sich in die Dunkelheit zurück, aus der er gekommen war. AJ betrachtete sich die Kreatur genauer. Diese Echse war 17 m lang und hatte einen lila Federlappen. Amelias Gast bemerkte, dass der gesamte Rücken des Basilisken mit Stacheln überzogen war. Auch der Echsenkopf mit den messerscharfen Giftzähnen blieb der jungen Frau nicht verborgen. AJ fragte sich, wozu die drei Hörner auf dem Kopf der Echse dienen mochten. Sechs Beine trugen den mächtigen Körper der Echse. Amelia führte AJ weiter in die Tiefe ihres Reiches und schon bald wurde es heller. Die Frau, die in New York eine Außenseiterin war, erkannte zwei mächtige Säulenreihen, die die Decke stützten. Idunas Halbschwester führte AJ in einen riesigen Saal. „Was um Himmels willen war das?“, platzte es aus dieser heraus. „Das war der Riesenbasilisk. Er ist ein Wächter, der jeden tötet, der es wagt, mein Reich ungebeten zu betreten. Normalerweise zeigt er sich nie. Nur wenn jemand Angst hat, lässt er sich blicken.“ In New York war die Dunkelheit hereingebrochen. Königin Jelena hatte 107 sich den zweiten Folianten gegriffen und sich in den schwarzen Ledersessel gesetzt. Sie wollte gerade das Buch aufschlagen, als Kevin den Fernseher einschaltete. Die Abendnachrichten hatten begonnen. „Ladies and Gentlemen, ich begrüße sie zu einer neuen Ausgabe von CNN news. Die New Yorker Polizei bittet um ihre Mithilfe. Seit heute Nachmittag 15:30 Uhr Ortszeit wird die 23jährige Adria Jessica Porter vermisst. Sie wurde zuletzt im Central Park in Begleitung einer unbekannten in weiß gekleideten Frau gesehen. Wer kann Angaben zu der fremden Frau und zu Miss Porters Aufenthaltsort machen?“, sagte die Nachrichtensprecherin, eine junge Blondine. „Also ist sie verschwunden.“ „Sieht so aus Kevin.“, sagte Catherine. Königin Jelena meldete sich zu Wort. „Kann ich euch um eure ungeteilte Aufmerksam bitten?“, fragte sie. Als sich Kevins Mutter der uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher sein konnte, schlug sie den Folianten auf und begann mit einer melodischen Stimme vorzulesen. 108 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)