Das Missverständnis von REB (Zucker) ================================================================================ Kapitel 1: Zucker ----------------- Kapitel 1. Zucker Es war ein Tag wie jeder andere auch. Schnaufend kam ich auf den letzten Drücker im Klassenzimmer an und packte hastig meine Tasche aus. Als erstes Fach hatten wir Deutsch und der Lehrer begrüßte uns und ging die Anwesenheitsliste durch. Nachdem ich mir sicher war alles ausgepackt zu haben grüßte ich kurz meine Sitznachbarin. Diese nickte leicht und murmelte ein „morgen“. Darauf sah ich mich kurz um. An sich waren alle da. Naja um genauer zu sein fast alle. Wie so oft war Tom noch nicht anwesend aber sei`s drum. Es war nicht mein Problem. Ich überflog das Gedicht und bereitete mich darauf vor es in dieser Stunde vorzutragen. Einer nach dem anderen wurde nach vorne gerufen und wurde direkt vor Ort benotet. Die anderen waren so gut. Nur Tom nicht. Der war richtig neben der Spur und verhaspelte sich immer wieder. Einige kicherten gehässig und flüsterten miteinander. Tom schnauzte diese Jungs an und wurde von der Lehrerin getadelt. Der Unterricht ging nur sehr schleppend voran und ich fragte mich die ganze Zeit, wann ich endlich drankäme. Schlussendlich wurde ich als letzte aufgerufen. Man, war ich nervös wegen des Gedichtes. In der Pause mussten wir raus und ich atmete erleichtert aus. Nun wo ich mit einer guten Zwei bestanden hatte konnte ich entspannen. Deutsch war nicht mein Fall. Immer wurden mir da meine Fehler in der Rechtschreibung und Grammatik vorgeführt und damit kam ich nur schwer zurecht. Das Wetter war recht angenehm und ich trug eine schlichte Hose mit einem schwarzen Hemd. Die Sonne schien und es wirkte nicht als würde es bald regnen. Aus der Ferne beobachtete ich zuerst was die anderen während ihrer Pause so taten. So bemerkte ich wie meine Sitznachbarin Sophia Notizen in ihr Buch schrieb. Ich kannte sie seit der vierten Klasse. Zusammen verfassten wir meist Fantasy Geschichten. Wenn sie aber alleine schrieb dann eher Horrorgeschichten mit gruseligen Puppen. Derzeit schrieb sie an einer Geschichte die in einem alten Spielzeugladen stattfand. Mein Blick wanderte weiter und ich merkte wie Tom sich in seine Lieblingsecke verkrümelte und mit seinem Smartphone spielte. Kein Wunder. Oft wurde er von den Jungs wegen seiner Krankheit gehänselt. Sie meinten er habe die Krankheit nicht wirklich und spiele es nur vor, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Argumentation fand ich schwachsinnig, und ich glaubte nicht wirklich, die Jungs vom Gegenteil überzeugen zu können. Dazu waren es zu große Idioten. Ich glaubte nicht, dass Tom log. Immerhin hatte ich gesehen, wie er sich nach dem Essen in den Bauch spritzte und hatte schon einiges zu seiner Krankheit bei Youtube gesehen. Kurz dachte ich an diese Krankenhausserie, welche meine Mutter immer gerne am Abend anschaute. Ab und zu sah ich mit und es war schon echt spannend. Wie zum Beispiel der eine Patient mit der Blutvergiftung oder der andere mit seinem rätselhaften Ohrenkratzen. Ich eilte zu Sophia und sprach mit ihr über die aktuelle Geschichte an der sie schrieb. Das machten wir hier draußen, damit die anderen davon nichts mitbekamen. Am Ende würde man sich nur über uns lustig machen und dazu wollte ich den anderen keine Angriffsfläche geben. Als die Glocke läutete hieß es wieder rein gehen. Ehe man sich versah war die Pause zuende. Das war echt blöd da sich meine Blase sich erst jetzt zu Wort meldete. Schnell schickte ich meine Freundin vor und eilte zur Toilette. Im Bad machte ich einen kurzen Kontrollblick in den Spiegel. Nachdem ich meine Hände gewaschen hatte richtete ich meine schulterlangen, braunen Haare und trat in den Gang. Ich war so gut wie die einzige Person, welche sich noch nicht im Klassenzimmer befand. Meine Augen weiteten sich erschrocken als ich ihn sah. Das war Tom dem es sehr schlecht ging. Er lehnte sich an die Wand und durchwühlte hastig seine Tasche. Seine Hände zitterten stark. Ich eilte zu ihm und merkte, wie er immer mehr sein Bewusstsein verlor. Vorsichtig versuchte ich ihn wach zu halten, doch es gelang mir einfach nicht. Auch nachdem ich mehrfach seinen Namen sagte. Ich nahm seine Tasche und suchte nach seinem Medikament. Da sein Leben am Seidenen Faden hing musste ich innerhalb der nächsten Minuten handeln. Ich durchwühlte seine Tasche und fand seine Schulbücher, seine Federmappe sowie eine kleine schwarze Tasche vor. In der Tasche war ein elektronisches Gerät. Es passte locker in meine Hand und besaß ein Display. Daneben entdeckte ich eine Dose mit kleinen Plastikteilen. Als ich die Insulinspritzen fand lächelte ich kurz. Die eine sah Orange aus und die andere Grün. An der Seite bemerkte ich Zahlen mit denen ich nichts anfangen konnte aber auf dem Sichtfeld war eine Eins zu sehen. Ich wählte die Grüne Spritze und betete, dass er wiedererwachte. Immerhin hatte er sein Medikament bekommen und es schien seine normale Einheit zu sein. Mein Herz schlug, wie wild und ich konnte nicht begreifen, warum er sich immer noch nicht regte. Sein Atem schien sogar noch flacher zu werden. In Gedanken rief ich die Fernsehfolgen auf in denen es um diese Krankheit ging. Bei der einen ging ein Mädchen mit ihrem Freund auf eine Schiffsfahrt. Da der Typ am späten Abend so betrunken war konnte er sein Insulin nicht verwenden und wurde sogar ohnmächtig. Zum Glück erwachte er wieder und hatte er zu seiner Freundin gefunden, die ihn mit dem Insulin sein Leben retten konnte. Das hatten die Ärzte den beiden gesagt. Dies führte dazu, dass ihre Beziehung noch viel tiefer wurde. Immerhin hatte sie ihm sein Leben gerettet. Das empfand ich richtig romantisch. Dann gab es noch den anderen Fall. Eine Frau war sehr besorgt um ihre eigene Mutter die sich seit Stunden nicht gemeldet hatte am Handy. Sie hatte echt Angst gehabt, dass diese wegen ihres Diabetes Ohnmächtig im Wald liegen könnte. Man stellte einen Suchtrupp zusammen und der Verdacht bestätigte sich. Sie lag ohne Bewusstsein am Boden. Man suchte zuerst ihren Körper ab und entdeckte Bissspuren am Bein. Sie wurde von einem tollwütigen Tier gebissen und war deshalb in diesem schlechten Zustand. Zuletzt fiel mir der Fall ein, wo ein kleines Mädchen von sechs Jahren, in der Apotheke Traubenzucker kaufen wollte für die eigene Mutter. Die Apothekterin wollte ihr dieses nicht verkaufen, weil sie zu jung wäre. Man hielt sie dort fest und mithilfe der Polizei fand man die Mutter des Kindes ohnmächtig im Auto vor. Die Schwester der Ohmächtigen kam plötzlich dazu. Sie war sehr aufgeregt und gab ihr sofort ihr Insulin. Nach einigen Momenten erwachte die Mutter wieder und nahm ihre Tochter in den Arm und bedankte sich bei ihrer Schwester. Diese war die Heldin des Tages, Die Zeit verging quälend langsam. Ich sah auf und merkte, dass ich 15 Minuten zu spät kommen würde. Ich war hin und her gerissen, immerhin hatte ich noch nie eine Unterrichtsstunde gefehlt. Langsam stand ich auf und sah zu Tom hin. Ich musste dem Lehrer Bescheid geben damit er sich nicht wunderte wo er ist. Im Klassenzimmer angekommen musste ich eine Ermahnung von meinem Lehrer hören wegen dem zu spät kommen. Meine Freundin sah mich neugierig an aber traute sich auch nicht zu fragen. „Es tut mir echt leid, aber…“, stotterte ich. „Kein aber und nun sei leise und stör die anderen nicht“, forderte mich der Lehrer wild gestikulierend auf und deutete auf meinen Platz hin. Sophia wies mich stumm an sich zu setzen und leise zu sein um nicht noch mehr ärger einzuhandeln. Schweigen setzte ich mich hin und senkte den Blick. Mathe war echt schwer aber ich konnte es nicht mehr aushalten. Ich meldete mich und endlich nahm mich der Lehrer ärgerlich dran. Er fragte, was ich noch für Sonderwünsche habe. „Der Tom liegt vor den Toiletten und ich konnte ihn nicht muntermachen. Ich habe alles versucht“, erklärte ich ihm rebellisch. „Macht derweil bitte die Aufgabe. Ich gehe und sehe mal nach Tom“, verabschiedete sich der Lehrer und trat sichtlich genervt nach draußen. Derweil sah ich mir die Bruchrechenaufgaben an und versuchte sie so gut es ging zu lösen. Meine Freundin fragte flüsternd was ich so lange auf der Toilette gebraucht habe. Meine Wangen erröteten und ich vertröstete sie auf später. Ich wollte nicht schon wieder Ärger vom Lehrer bekommen. Ärgerlich kaute ich meine Lippen und sah im Tafelwerk nach. Nach einer Weile kam der Lehrer hektisch herein. Er wirkte vollkommen aus dem Häuschen. Ganz anders als sonst. „Hat jemand Traubenzucker?“, fragte er laut. Verdutzt sahen wir ihn an. Gemurmel kam auf. „Also hat jemand etwas?“, hakte er etwas lauter nach und schritt ganz hinein. Einige wühlten in ihren Taschen herum. „Ich habe etwas“, meldete sich eine Mitschülerin zaghaft und holte einige Traubenzucker aus ihrer Tasche. Heute hatte sie welchen mit Erbeer- und Mangogeschmack. „Welche Sorte möchten sie?“, fragte diese etwas verunsichert von den Ereignissen. „Das ist nicht wichtig“, herrschte er sie an und schnappte blindlinks sich die mit Mango Geschmack und rannte mit seiner Wasserflasche in den Korridor. Verblüfft schauten wir uns an. Kurz darauf hörten wir einen Krankenwagen. Wir wurden unruhig und wussten nicht was wir tun sollten. Die Jungs wollten nachschauen aber die Mädchen meinten man solle warten. Der Lehrer kam zurück und ein ernster Ausdruck war in seinem Gesicht erschienen. „Ruhe, bitte!“, rief Herr Schmidt gebieterisch und alle verstummten. Eine gespenstische Stille breitete sich aus. „Wie euch sicher aufgefallen ist ging es eurem Mitschüler Tom Weber nicht gut. Dieser wäre heute beinahe an einer Unterzuckerung gestorben, doch zum Glück konnte er gerade noch rechtzeitig behandelt werden. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, um nach Folgeschäden zu schauen“, informierte er uns und ich musste hart schlucken. „Wahrscheinlich wollte er nur eher Feierabend haben“, grölte einer der Jungs, worauf der Lehrer das Buch auf den Tisch schlug. Alle zuckten erschrocken zusammen. Dieses Verhalten kannte man von ihm nicht. Was war nur los? Er holte sichtlich tief Luft um sich zu beruhigen und schlug das Klassenbuch auf. Wahrscheinlich um den Vorfall darin zu notieren. „Dieser simuliert doch nur damit er nicht zum Sport muss und wenn er es stimmt dann hat er es wohl von zu viel Süßigkeiten“, hörte ich jemanden im Raum flüstern. „Ist das ansteckend?“, vernahm ich eine andere leise Stimme. „Er frisst doch sicher die ganze Zeit zuhause irgendwelchen Süßigkeiten. Nicht umsonst heißt es Zuckerkrank. Wahrscheinlich hat er sich heute übernommen mit dem Bonbons“, mutmaßte ein Mitschüler hinter mir. „Kann ich mir gut vorstellen. Ich kenne ihn schon seit der ersten Klasse und nie hat er mit mir etwas von seinem Süßkram abgegeben. Das war echt gemein“, grummelte ein anderer sichtlich verärgert zurück. „Ihr findet es wohl witzig, aber das ist nicht so“, unterbrach sie der Lehrer in einem schneidenden Tonfall „Susanne Ehrlich hat richtig gehandelt als sie mich informierte. Es hätte wirklich böse enden können. Im Klassenbuch habe ich gesehen, dass ihr morgen Biologie habt, und werde eurem Lehrer bitten noch mal ausführlich über diese Krankheit zu sprechen damit Tom nie wieder in so eine Lebensgefahr kommt.“ Betretendes schweigen meiner Mitschüler beendete diese schreckliche letzte Stunde. Am folgenden Tag fand die versprochene Aufklärungsstunde über Diabetes statt. Die Biologie Lehrerin Frau Müller war eine mollige Frau um die 40 Jahre alt. Ein jeder mochte sie da sie immer freundlich war und zu jedem gerecht. Sie begrüßte alle und fragte nach den Befindlichkeiten der schüler wegen des letzten Tages. Darauf erkundigte sie sich nach dem Wissen der Schüler über diese Zuckerkrankheit. „Also noch nicht viel“, stellte sie fest und fuhr fort: „Diabetes ist eine Krankheit, wo der Körper nicht mehr in der Lage ist durch das Insulin der Bauchspeicheldrüse das Zucker im Blut optimal ab zu bauen damit der Körper mit genügend Energie versorgt ist. Es gibt zwei Kategorien von dieser Krankheit.“ Sie hielt kurz inne und schrieb an die Tafel damit wir mitschreiben konnten. „Bei Diabetes Zwei produziert die Speicheldrüse noch Insulin und man ist auf Tabletten angewiesen. Bei Eins ist der Körper nicht mehr in der Lage das Insulin selber her zu stellen. Dazu muss dieses künstlich vor jeder Mahlzeit durch eine Spritze verabreicht werden. Vorher muss er natürlich mit seinem Messgerät den Blutzucker messen.“ „Das heißt Tom hat Typ Eins“, stellte ich fest. Die Lehrerin nickte mir bestätigend zu. „Das ist richtig, Susanne. Über Diabetes kann man stundenlange Vorträge halten aber da wir diese Zeit nicht haben in unserem Stundenplan breche ich es für euch kurz zusammen damit ihr wisst wie man mit Menschen wie Tom umgehen sollte. Bei Diabetes kann man über- und unterzuckern. Bei einer Überzuckerung hat der Körper zu viel Zucker und auf Dauer kann es zu Langzeitschäden führen. Zum Beispiel kann es Augenschäden verursachen, eine schlechtere Wundschließung erzeugen und die Nerven beschädigen was ein Taubheitsgefühl oder Schmerzen in Füßen und Händen bringen kann. Eine Unterzuckerung ist aber um einiges gefährlicher. Der Körper hat keine Energie und es kann zu einer Ohnmacht führen. Manche verfallen sogar in ein Koma oder sterben daran, wenn keine Energie noch rechtzeitig zugeführt wird.“ Auf diese Worte folgte Schweigen, da ein jedem wirklich Bewusst wurde wie schlimm die Krankheit von Tom war. „Was macht man um das zu verhindern?“, meldete sich ein Mitschüler zu Wort. Dieser hieß Karl. „Wenn er wach ist sollte man ihm etwas zu Essen bringen oder Apfelsaft, Cola und andere süße Getränke. Hauptsache es ist etwas mit Zucker“, antwortete sie Karl selbstsicher. „Und wenn er schon ohnmächtig ist?“, rief eine Mitschülerin dazwischen. „Dann holt etwas Traubenzucker und bröselt es klein. Dann reibt es in seine Innenwange. Durch die Schleimhäute wird der Zucker schnell aufgenommen. Danach holt ihr Hilfe. Entweder indem ihr einen Erwachsenen holt oder den Notruf anruft“, erklärte sie ernst. „Achtet aber auch darauf, dass er etwas isst, wenn er erwacht. Genauso schnell wie der Zucker aufgenommen wird, wird er vom Körper wiederum abgebaut. Also ist er da noch lange nicht ganz in Sicherheit“, warnte sie zur Vorsicht. Es fielen noch viele Fragen an. Hierbei wurde mir bewusst, dass ich nicht ganz richtig gehandelt hatte. Es war gestern ein Fehler gewesen von mir ihm dieses Insulin einfach zu spritzen ohne sein Zucker zu messen aber zum Glück ging alles gut aus. Auch wenn es mich immer noch ärgert wie falsch die Krankheit in diesen Geschichten im Internet oder Fernsehen dargestellt wurde. In der Geschichte mit der ohnmächtigen Mutter im Auto hätte man ihr das Traubenzucker geben sollen anstatt des Insulin, welches sie im echten Leben hätte töten können. Mein Blick richtete sich auf Toms leeren Platz und ich hoffte dass er bald wieder zur Schule kommen würde. „Wie geht es Tom?“, fragte Paul, einer der sich nie wirklich um andere Kümmerte. „Ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Er wird bald wieder hier sein um mit euch gemeinsam zu lernen. Also seid beruhigt und nun weiter mit dem regulären Unterricht. Diejenigen welche sich noch weiter informieren möchten können im Internet unter den Begriffen Diabetes oder Zuckerkrankheit nachforschen.“ Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)