Im Himmel ist der Teufel los von Sky- (Apokalypse Reloaded) ================================================================================ Kapitel 7: Verdammtes Karma --------------------------- Michael biss die Zähne zusammen und versuchte sein Möglichstes, um aufzustehen und den stechenden Schmerz zwischen seinen Beinen zu ignorieren. Doch jeder Versuch, sein Körpergewicht auf seine Beine zu verlagern und sich aufzurichten, resultierte darin, dass seine Muskeln den Dienst versagten und er stöhnend wie ein Mehlsack wieder zu Boden plumpste. Nie im Leben hätte er gedacht, dass Gabriel ihn einmal derart hart erwischen würde und dann auch noch so unfair spielen musste. So wie sich die Verletzung anfühlte, war es nicht bloß eine harmlose Blessur, die schnell wieder verheilt war. Im schlimmsten Fall würde er dringend einen Heiler brauchen, um sich von dieser Abreibung zu erholen. Warum auch hatte ihm dieser Dreckskerl ausgerechnet eine Kopfnuss in die Eier verpassen müssen? Allein bei dem Gedanken, dass ihn jemand in diesem Zustand sah oder erfuhr, was sich genau zugetragen hatte, war so demütigend. Am liebsten wäre er vor Scham gestorben und hätte Gabriel gleich mit ins Grab genommen. Die Tür zur Versammlungshalle ging auf und er hörte Schritte näher kommen. Er versuchte seinen Kopf ein wenig zu heben um wenigstens sehen zu können, wer da gerade hereingekommen war. Seine Laune besserte es nicht unbedingt als er feststellen musste, dass es sich um Raphael handelte. Zwar kam dieser genau richtig, aber da dieser ein abgebrühter Gauner war, ahnte Michael, dass es mit ihm noch ein böses Ende nehmen konnte. Der dritte Erzengel belächelte den Verwundeten mit einem amüsierten Schmunzeln und hob ungläubig eine Augenbraue. „Na? Hat Gabriel dir einen Schlag in die Kronjuwelen verpasst?“ „Eine Kopfnuss hat er mir verpasst“, korrigierte Michael ihn zerknirscht und errötete vor Scham. Noch nie in seinem langen Leben war er dermaßen erniedrigt und bloßgestellt worden. „Warum hat mir keiner gesagt, dass dieser Bastard einen Schädel aus Stahl hat?“ „Irgendwie muss er ja seinen metaphorischen Dickkopf kompensieren“, kommentierte Raphael schulterzuckend und blieb direkt vor dem Verletzten stehen, machte aber keinerlei Anstalten, ihm in seiner misslichen Lage zu helfen. Stattdessen steckte er seelenruhig die Hände in die Hosentaschen und sah aus, als hätte er sonst keinerlei Sorgen auf dieser Welt und als kümmere ihn das Leid seines Kameraden kein Stückchen. Das brachte den außer Gefecht gesetzten Kriegsengel umso mehr auf die Palme. Es reichte schon wenn Gabriel ihn derart erniedrigen musste. Da hatte er nicht unbedingt Lust dazu, dass Raphael auch noch mal kräftig nachtrat. „Willst du mir denn gar nicht helfen, Raphael? Siehst du denn nicht, dass ich hier leide?“ Doch der Heiler nahm unbeeindruckt seine Brille ab und begann seelenruhig und vollkommen gleichgültig die Gläser zu putzen. Streng genommen brauchte er eigentlich gar keine Brille, weil alle Engel und Dämonen weitaus besser sehen konnten als Menschen und Tiere. Aber da es ja hieß, dass man mit diesen Sehhilfen gebildeter aussah, hatte Raphael bei einer seiner Touren auf die Erde einen Besuch beim Optiker abgestattet. Auch sonst war er recht eitel was sein Erscheinungsbild betraf. Sein brünettes Haar hatte er stets zurückgekämmt und er trug maßgeschneiderte italienische Anzüge, die ein wahres Vermögen kosteten. Selbst an seinem rechten Handgelenk blinkte eine Rolex. Mit diesen Reichtümern konnten die Engel überhaupt nichts anfangen, aber solange es Eindruck bei den Menschen schaffte, reichte ihm das alle Male. Er genoss das Gefühl von Reichtum und Wohlstand, alles andere spielte für ihn keine sonderlich große Rolle. Und er machte auch kein Geheimnis daraus, dass er ein schamloser Geschäftsmann war, der genau wusste, wann und wie er seine Vorteile ausspielen konnte. Diese Situation, in der Michael am Boden lag und dringend eine heilende Hand benötigte, war einer dieser Momente, in denen der Geschäftsmann in Raphael erbarmungslos zuschlug. „Selbst schuld, wenn du Gabriel mit der Mädchen-Tour derart provozieren musstest. Weißt du wie die Menschen so etwas nennen? Karma!“ „Ich verpass dir gleich ein Karma, wenn du mir nicht endlich mal hilfst!“ wetterte Michael wütend und war nun richtig sauer. Er hatte weitaus besseres zu tun, als die ganze Zeit schmerzgekrümmt auf dem Boden zu liegen und sich von diesem arroganten Gauner noch eine Sekunde länger so vorführen zu lassen. „Und überhaupt: dieser verdammte Bastard hat angefangen. Ich war nicht derjenige, der hier mit Stühlen um sich schmeißt und sich ständig prügeln muss.“ „Da spricht nur der verletzte Stolz aus dir. Außerdem ist Gabriel nicht derjenige mit den zerschmetterten Hoden. Aber ich bin ja nicht vollkommen gefühllos und helfe dir natürlich. Die Frage ist nur: wie viel sind dir deine Kronjuwelen wert?“ Michael ahnte, worauf das hinauslief und wollte aufspringen und Raphael am Kragen packen, doch er scheiterte an seinen höllischen Schmerzen und war wie paralysiert. Er war vollkommen wehrlos und dieser hinterhältigen Schlange hilflos ausgeliefert. Das machte ihn nur noch umso rasender und am liebsten hätte er Raphael eigenhändig erwürgt und dann im Anschluss Gabriel eine Kostprobe seiner eigenen Medizin gegeben. Mal sehen wie es dem wohl schmeckte, wenn man ihm die Eier zertrümmerte. „Das kann doch wohl nicht wirklich dein Ernst sein. Ich bring dich um, du raffgieriger Dreckskerl…“ „Ich kann dich auch gerne hier liegen lassen, wenn du willst“, bot der hinterhältige Heiler an und wusste genau, dass es vollkommen ausgeschlossen war, dass Michael so leicht wieder aus eigener Kraft aufstehen konnte. Der Kriegsengel fühlte sich gedemütigt und vorgeführt. So eine Behandlung hatte er als Held des Himmels garantiert nicht verdient. Er war es doch gewesen, der Satan und seine Engel aus dem Himmel vertrieben hatte und über die Seelen der Verstorbenen richtete. Warum nur wurde er immer so behandelt? Es war ihm einfach unbegreiflich. Allerdings brachte es auch nichts, weiterhin nur herumzujammern und seine Kollegen zu verfluchen. Davon wurden die Schmerzen seiner Verletzung und seines gekränkten Stolzes auch nicht besser. Also seufzte er geschlagen und fragte nur „Was willst du dafür haben?“ Raphael dachte einen Moment lang nach, denn eine solche Gelegenheit wollte er definitiv nicht ungenutzt lassen. Wenn schon, dann sollte sich das auch wirklich lohnen. Aber andererseits wäre es auch unfair, Michael bis auf sein letztes Hemd auszuziehen. Immerhin hatte er ja noch so etwas wie Anstand. Wenn schon, dann sollte die Bezahlung auch fair sein, zumindest „fair“ in seinem Sinne. Allerdings war er auch der Ansicht, dass dem selbsternannten Anführer aller Erzengel und großen Drachenbezwinger ein bisschen mehr Demut ganz gut stand. Immerhin war es Michael, der ständig mit seinem arroganten Gehabe und seiner Elitementalität die anderen provozierte und jeden gegen sich aufbrachte. Allerdings war der Kerl auch nicht intelligent genug um zu merken, was er da eigentlich tat. Man konnte ihm zwar sagen, dass er mal besser nachdenken sollte, allerdings war es in seinem Fall so als würde man versuchen, eine Lampe einzuschalten: wenn keine Birne drin war, würde sie auch nicht leuchten. Da also Belehrungen und freundliche Worte nicht halfen, musste er es eben auf die harte Tour lernen. Diese Abreibung und die Demütigung hatte er jedenfalls verdient, da war Raphael fest überzeugt davon. Aber er hatte auch keine Lust, länger darüber nachzudenken und kam gleich zum Geschäftlichen. „Soweit ich weiß, bist du im Besitz eines Siegelrings, den dir Gott für deinen Sieg über Satan verliehen hat“, begann er mit seiner Ausführung. „Er privilegiert dich dazu, mächtige Wunder zu bewirken, die wir für gewöhnlich nicht einfach so ohne lästigen Papierkram genehmigt bekommen. Leih ihn mir für ein paar Tage und ich flicke dir dafür deine geplatzten Hoden. Keine Sorge, den Ring kriegst du zurück und ich mach dir keine Schwierigkeiten damit. Ich will bloß ein paar Besorgungen auf der Erde machen und hab keine Lust, vorher diesen ganzen Bürokratiewahnsinn über mich ergehen zu lassen.“ Da Michael kaum eine andere Wahl blieb, ging er auf den Deal ein und nahm den goldenen Siegelring von seinem rechten Ringfinger und reichte ihn an Raphael weiter. Dieser steckte ihn zufrieden an seinen eigenen Finger und mit einer kurzen Handbewegung heilte er den Kriegsengel von all seinen Verletzungen. Nachdem der Schmerz nun endlich verschwunden war, rappelte sich der erste Erzengel wieder auf und war sichtlich verärgert über die Gesamtsituation. Nicht nur, dass er auf derart demütigende Weise besiegt worden war, er war obendrein auch noch schamlos abgezockt worden. Hatte denn niemand mehr Respekt vor ihm? Und an allem war nur dieser verdammte Gabriel schuld. „Jetzt reicht es endgültig…“, knurrte Michael wütend und stapfte in Richtung Tür. Er hatte Blut geleckt und wollte eine ganz bestimmte Person für diese Erniedrigung büßen lassen. So leicht ließ er sich nicht vorführen und zum Gespött machen. „Ich reiß diesem verdammten Bastard den Arm ab und ramme ihm diesen so tief in den Arsch rein, dass er sich von innen den Hals kratzen kann!“ Raphael, der zugegebenermaßen erstaunt und zugleich auch ein wenig verstört über Michaels Kreativität bezüglich seiner Rachegedanken war, überlegte für einen Augenblick, ob er einschreiten sollte. Einerseits ging ihm diese dämliche Zankerei nichts an und er hatte auch keine Lust, zwischen die Fronten zu geraten. Andererseits wollte er auch nicht riskieren, dass Michael sich am Ende noch zu irgendeiner Dummheit hinreißen ließ und der Streit endgültig eskalierte. Zwar war Gabriel durchaus in der Lage, sich gegen seinen Rivalen zu behaupten, aber nach der heutigen Auseinandersetzung waren sie beide bereits ziemlich angeschlagen und da konnte schnell etwas ins Auge gehen. Und obwohl er eher neutral eingestellt war, hatte der Heiler nicht unbedingt Lust dazu, das Blutbad hinterher beseitigen zu müssen. Also beschloss Raphael, lieber die Vernunft walten zu lassen und wenigstens dieses eine Mal einzugreifen. „Lass es lieber für heute sein, Michael. Ihr habt euch heute schon genug die Köpfe eingeschlagen. Komm erst mal wieder runter und morgen sehen wir dann weiter. Du hast dich gerade erst von deinen zertrümmerten Kronjuwelen erholt! Willst du da unbedingt einen Nachschlag haben?“ Dieses Argument überzeugte Michael, dieses Mal besser auf seinen Kollegen zu hören und so schluckte er seinen Ärger fürs Erste hinunter. Als er gerade die Halle mit Raphael zusammen verlassen wollte, wurde die Tür regelrecht aufgestoßen und hätte den Kriegsengel fast am Kopf erwischt, wäre er nicht rechtzeitig aus der Gefahrenzone gezerrt worden. Herein trat niemand anderes als Sandalphon, dessen schrille und farbenfrohe Erscheinung die beiden so überraschte, dass sie einen Augenblick wie erstarrt waren. „Na ihr zwei Hübschen? Wo ist denn der Rest von euch?“ Es fiel den beiden Erzengeln bis heute noch schwer zu glauben, dass diese knallbunte Drag-Queen mit jemandem wie Metatron verwandt war. Nun gut, fast niemand hatte ihn jemals ohne sein Makeup und seine Perücken und Kostüme gesehen und dementsprechend war es auch schwer zu sagen, inwiefern sich die beiden überhaupt ähnlich sahen. Allerdings waren sie auch sonst charakteristisch so unterschiedlich, dass man meinen konnte, Metatron wäre der jüngere von beiden, dem einfach noch der Mut fehlte, genauso aus der Reihe zu tanzen wie Sandalphon. Und da der Himmel eher etwas konservativ eingestellt war, gab es außer Sandalphon so gut wie niemanden, der sich genauso kleidete. Michael war der Erste, der sich wieder sammelte und antworten konnte. „Die anderen sind gegangen. Gabriel ist mit Luzifer weg, Uriel ist schon vorher abgehauen und Metatron wollte mit Gott reden gehen.“ „Aha“, murmelte der Cherub und nickte bedächtig, wobei die kleinen Strasssteinchen, die er sich um die Augen herum geklebt hatte, hell im Licht glitzerten. „Gut, dann weiß ich Bescheid. Metatron hat mir übrigens aufgetragen, euch allen Bescheid zu sagen, dass er zur Erde hinabgereist ist. Offenbar hat Gott ihm aufgetragen, Malachiel um Hilfe zu bitten. Solange mein Bruder also nicht da ist, wendet ihr euch bei dringenden Angelegenheiten bitte an mich.“ „Okay“, antworteten die beiden Erzengel einstimmig und Sandalphon nahm ihnen das Versprechen ab, dass sie die anderen informieren würden, wenn sie ihnen über den Weg liefen. Da der Cherub noch einiges zu tun hatte, ging er wieder von dannen, während Raphael beschloss, noch ein wenig bei Michael zu bleiben und sicherzustellen. Er hielt es für sicherer, wenn er ihm noch etwas im Auge behielt und sicherstellte, dass der nicht auf die dumme Idee kam, doch noch zu Gabriel zu gehen und einen neuen Streit vom Zaun zu brechen. Für heute hatte er weiß Gott genug Stress mit seinen Kollegen gehabt. Der Tag neigte sich dem Ende zu und als die Sonne allmählich unterging, schlich sich Luzifer unerkannt durch die Gänge und Korridore, bis er endlich Samaels Gemächer erreichte. Er hoffte, dass dieser inzwischen mit seiner Verführungsnummer soweit fertig war und ein bisschen Zeit für ihn erübrigen konnte. Um sicherzustellen, dass er nicht störte, machte er sein geheimes Klopfzeichen, durch das sein Liebster sofort hören konnte, wer ihn sprechen wollte. Ein knappes „Herein!“ kam vom anderen Ende der Tür und Luzifer trat ein. Der Anblick, der sich ihm bot, war nicht unbedingt etwas, das er erwartet hätte. Überall lagen leere Weinflaschen auf dem Boden herum und Samael saß sturzbetrunken mit einem bis an den Rand gefülltem Weinglas in der rechten Hand und mit einer angebrochenen Flasche in der anderen auf dem Bett und wankte dabei ein wenig. Nur ein Wunder sorgte dafür, dass der Wein nicht aus dem Glas tropfte. Dem blinden Seraph war deutlich anzusehen, dass er extrem gefrustet war und seine schlechten Erinnerungen mit Alkohol zu ertränken versuchte. Sein Haar war völlig zerzaust, seine Kleidung zerknittert und wäre er nicht blind gewesen, hätte sein Blick töten können. In so einem Zustand hatte der gefallene Engel ihn noch nie gesehen. „Ach du Scheiße, was ist denn mit dir passiert, Samael? Sag bloß, deine Verführungstaktiken sind schiefgelaufen.“ Der Todesengel gab einen Laut von sich, der entfernt an ein sterbendes Walross erinnerte und kippte fast zurück. Im letzten Moment fing er sich aber wieder und hob sein gefülltes Glas als wolle er einen Schluck trinken. Dann aber überlegte er es sich anders und trank stattdessen einfach direkt aus der Flasche. Luzifer war zutiefst erschüttert, den sonst so stolzen und charismatischen Seraph in einem derart erbärmlichen Zustand zu sehen. Was in Satans Namen war bloß passiert? „Von wegen schief gelaufen“, erwiderte Samael verbittert. „Es hat zu gut funktioniert, verdammig noch eins.“ Etwas irritiert runzelte der Lichtbringer die Stirn und setzte sich zu ihm, wobei er ihm vorsichtig das Weinglas abnahm. Er ahnte nämlich, dass es nicht unbedingt ratsam war, es in Samaels Hand zu lassen. Außerdem konnte er selbst auch einen Schluck Wein ganz gut vertragen. „Das musst du mir jetzt mal genauer erklären. Habt ihr miteinander geschlafen?“ Samael verzog die Mundwinkel zu einer schiefen Grimasse und ließ ein frustriertes Knurren von sich hören, das nun nicht mehr nach einem halbtoten Walross, sondern eher nach einem Bären in der Paarungszeit klang. Dabei knirschte er mit den Zähnen und eine Ader trat an seiner Schläfe hervor. „Es war schon vorbei gewesen, bevor es überhaupt angefangen hat“, rief der Engel wütend und trank noch einen Schluck aus der Flasche. „Eine Minute… eine gottverdammte Minute hat’s gedauert, bis er fertig war. Hätte ich gewusst, dass er schon zum Schuss kommt, bevor er ihn überhaupt reingesteckt hat, dann hätte ich mich schon vorher betrunken.“ „Und warum hat’s dann trotzdem so lange gedauert?“ „Na weil er plötzlich angefangen hat, wie ein kleines Mädchen rumzuheulen und dann hat er mir seine ganze verfickte Lebensgeschichte runtergeleiert als wäre ich sein scheiß Therapeut. Ich stand kurz davor, mich mit einem rostigen Suppenlöffel zu lobotomieren! Das war ja schlimmer als der siebte Kreis der Hölle.“ Luzifer musste amüsiert schnauben als er sich das Ganze bildhaft vorstellte und war insgeheim auch erleichtert, dass es dermaßen beschissen für seinen Liebsten gelaufen war. Zwar waren offene Beziehungen und wechselnde Partner so ziemlich die Norm in der Hölle, aber da er selbst mal ein Engel gewesen war, gefiel ihm der Gedanke nicht so wirklich, Samael mit anderen teilen zu müssen. In der Hinsicht war er dann doch etwas konservativer gestrickt. Selbst wenn er wusste, dass so eine Flasche wie Uriel nicht die geringsten Chancen gegen ihn hatte, gefiel ihm allein schon das Bild nicht, dass dieser Schlappschwanz mit Samael schlief. „Also war das letzten Endes ein Schuss in den Ofen?“ hakte Luzifer nach und leerte das Weinglas in wenigen Zügen. „Nee, der frisst mir komplett aus der Hand“, widersprach ihm Samael kopfschüttelnd. Doch diese Bewegung sorgte nur dafür, dass sein Gleichgewichtsinn noch mehr außer Kontrolle geriet und er nun endgültig mit dem Oberkörper zurück aufs Bett fiel. Hastig griff der Höllenfürst nach der Flasche, damit der Wein nicht das Bettlaken versaute. Seinen Liebhaber schien das aber nicht sonderlich zu stören und er grummelte missmutig „Aber hätte ich gewusst, dass es so einfach wäre, hätte ich mir den ganzen Aufwand auch gleich sparen können.“ Luzifer, der Samael zum allerersten Mal so erlebte, war sich unschlüssig, was er tun sollte und beließ es bei einem aufmunternden Schulterklopfer. „Mach dir nichts draus. Passiert selbst den Besten…“ Samael ließ diesen Satz unkommentiert, aber wahrscheinlich war er auch einfach viel zu betrunken dazu. Der gefallene Engel half seinem Liebsten, sich wieder vernünftig aufzusetzen und legte einen Arm um dessen Schultern, damit dieser nicht wieder umkippte. Der Betrunkene öffnete den Mund und versuchte etwas zu sagen, doch an dieser Stelle ließ ihn die Motorik endgültig im Stich und seine Zunge schaffte es nicht mehr, irgendwelche vernünftigen Silben zu formen. Da Luzifer mit diesem unverständlichen Kauderwelsch nichts mehr anfangen konnte, beschloss der Todesengel, sich wieder ein bisschen auszunüchtern und senkte daraufhin den Alkoholpegel in seinem Blut. Engel und Dämonen konnten betrunken werden und sich auch ganz gewöhnliche Verletzungen zuziehen. Das brachte den großen Nachteil mit sich, dass vor allem ein Ausflug auf die Erde mit allerhand Risiken verbunden war. Es war schon öfter mal vorgekommen, dass nichts ahnende Engel unvorbereitet nach unten gereist waren und dann direkt unter die Räder kamen, weil sie auf einer Autobahn gelandet waren. Zwar überlebten sie solche Verletzungen, allerdings waren ihre Körper dann völlig hinüber und sie mussten entsprechend von Heilern wie Raphael verarztet werden. Aus diesem Grund bevorzugten sie es meistens, lediglich kurzzeitigen Besitz von Menschen zu ergreifen, wenn sie nicht gezwungen waren, persönlich zur Erde zu reisen. Genauso konnten Engel und Dämonen sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinken, starben aber in der Regel nicht an den Folgen. Und da sie mit der Fähigkeit ausgestattet waren, ihren eigenen Stoffwechsel zu beeinflussen, konnten sie Alkohol im Nu wieder abbauen und sich wieder ausnüchtern. Als Samael wieder halbwegs klar im Kopf war, stellte er die Flasche auf dem Boden ab und rieb sich leise stöhnend die Stirn. Zärtlich streichelte Luzifer ihm über den Rücken, um ihn ein wenig wieder aufzubauen. „Du hast es ja geschafft und allein darauf kommt es an. Was Gabriel betrifft: den habe ich erfolgreich bearbeiten können. Der wird nicht lange fackeln, um Michael bei der nächstbesten Gelegenheit in den Rücken zu fallen.“ „Sehr schön“, murmelte der blinde Todesengel tonlos. „Hattest du wenigstens deinen Spaß dabei?“ „Was heißt Spaß?“ fragte der Lichtbringer und zuckte mit den Schultern. „Ich habe ihn einfach nur bequatscht gehabt und das hat vollkommen ausgereicht. War nicht mal sonderlich schwer gewesen, wenn du mich fragst.“ Also war die Aktion mit Uriel komplett unnötig gewesen, dachte Samael zerknirscht und sagte nichts dazu. Hätte er vorher gewusst, dass der ganze Aufwand nicht nötig gewesen war, hätte er sich das auch gleich sparen können. In solchen Momenten hasste er sich selbst dafür, dass er immer so in die Vollen gehen musste. Naja, solange es seinen Plänen weiterhalf und seine Aktion ohne große Folgen blieb, war es das trotzdem wert gewesen. Zumindest konnte ihm keiner vorhalten, dass er halbherzig an die Sache ranging. „Und was genau hast du jetzt eigentlich genau vor?“ wollte Luzifer nun endlich wissen. „Wie sieht dein Plan eigentlich im Detail aus?“ Samael zögerte und hielt einen kurzen Augenblick inne um auch wirklich sicherzugehen, dass niemand außer ihnen beiden im Raum war oder an der Tür lauschte. Da er aber niemanden hörte oder spüren konnte, schien die Luft rein zu sein. „Ich werde Uriel dazu überreden, eines von Michaels Schwertern zu stehlen. Gabriel soll dazu gebracht werden, sich absichtlich mit dem Schwert verletzen zu lassen, damit er Michael eins auswischen kann. Seine Schutzbarrieren sind so stark, dass nur jemand von Michaels Kaliber sie durchdringen kann. Wenn Gabriel sich also in Sicherheit wiegt und denkt, er würde nur eine Schnittverletzung abkriegen, wird Uriel ihn stattdessen töten. Dann wird er es so aussehen lassen, als hätte es einen Kampf gegeben und Gabriel wäre von seinem Erzfeind ermordet worden. Wenn die Leiche erst mal gefunden wird, fokussieren sich alle nur noch auf Michael. Wenn dieser eingesperrt wird, ist er der nächste, der von Uriel getötet wird. Panik wird ausbrechen, alle werden sich gegenseitig verdächtigen und während dessen schaltest du Uriel aus, ich kümmere mich um Metatron und im Anschluss knöpfen wir uns beide Gott persönlich vor.“ „Und du bist sicher, dass es funktionieren wird?“ fragte Luzifer zögerlich. „Was wenn Uriel auffliegt und er alles ausplaudert?“ „Uriel ist eine jämmerliche Flasche, aber er hat einen besonderen Vorteil: niemand nimmt ihn wahr. Und eben weil er so schwach ist, müssen wir ein bisschen tricksen, damit es zu keinem Kampf kommt. Selbst wenn er beim zweiten Mal auffliegt und geschnappt wird, ist das vollkommen unproblematisch. Uriel ist mir dermaßen verfallen, dass er mich nie verraten wird. Ich brauchte ihm bloß versprechen, dass ich dafür sorgen werde, dass er Michaels Posten bekommt und niemand ihn verdächtigen wird.“ Luzifer war beeindruckt von dem Plan, war aber persönlich der Meinung, dass er vielleicht ein wenig zu aufwendig und kompliziert war. Weder Dämonen noch Engel waren gemachte Strategen, die sich hochkomplizierte Intrigen zusammensponnen. Sie gingen für gewöhnlich auf direkte Konfrontation und ließen ihre Kräfte spielen. Aber andersherum hatte diese Mentalität einen entscheidenden Vorteil für den Fall, dass jemand tatsächlich einen Komplott plante: Engel und Dämonen waren katastrophale Ermittler. Man mochte vielleicht annehmen, dass sie in der Lage waren, solche Tricks mit Leichtigkeit zu durchschauen und den wahren Übeltäter zu finden. Aber weil alle so einfach gestrickt waren, kam es für gewöhnlich nicht vor, dass irgendwelche Intrigen oder Coups geplant wurden und so bemühte man sich gar nicht erst damit, Beweise zu sammeln, Motive zu hinterfragen und Alibis zu prüfen. In der Hinsicht waren die Menschen ihnen um Längen voraus, was aber auch daran lag, weil sie wussten, zu was sie imstande waren und deshalb einander nicht vertrauten. Und bei so einer laschen Ermittlungsarbeit würde niemand anzweifeln, dass Michael der Mörder sein würde, wenn Gabriel erst einmal mit seinem Schwert erschlagen worden war. Da konnte der Kerl so viel abstreiten und protestieren wie er wollte, er war dann bereits ein toter Engel. „Und wenn wir alle ausgeschaltet haben, was geschieht dann?“ hakte Luzifer weiter nach. Samael, der sich durch die Schilderung seines Masterplans deutlich besser fühlte, grinste siegessicher und erklärte mit Stolz „Dann nutzen wir das derzeitige Chaos in der Hölle aus und stürzen Satan von seinem Thron. Somit wäre ich der Herrscher über den Himmel und du würdest die Hölle regieren. Und dann räumen wir die Erde von dem ganzen Unrat auf.“ „Mit dem größten Vergnügen“, raunte der gefallene Engel und küsste ihn. Er liebte es, wenn Samael irgendetwas Boshaftes plante und ihn bei solchen Eroberungsplänen dabei haben wollte. Für einen Teufel wie ihm kam eine solche Einladung einem Date gleich. Doch dann wurden sie durch ein lautes Klopfen an der Tür unterbrochen und am anderen Ende der Tür hörten sie Uriel rufen „Samael, kann ich dich vielleicht noch mal sprechen? Bitte!“ Genervt verdrehte der Todesengel die Augen und schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Das kann doch wohl nicht wahr sein…“, seufzte er. „Was will dieser Jammerlappen schon wieder?“ „Offenbar hat er Sehnsucht nach dir“, stellte Luzifer ein wenig amüsiert fest und kassierte dafür zur Strafe einen Seitenhieb. „Versteck du dich erst mal, damit er uns nicht zusammen sehen muss“, wies Samael ihn streng an. „Ich geh mich um diese Nervensäge kümmern. Warte einfach, bis ich fertig bin.“ Tief atmete der Seraph durch um all den Frust und Ärger wieder runterzuschlucken und ging zur Tür. Luzifer seinerseits verwandelte sich der Einfachheit halber schnell in deine Spinne und verschwand unters Bett. Kaum, dass Samael die Tür öffnete, wurde blitzschnell sein Hand gepackt und ihm fuhr innerlich ein Schauer durch den Körper als er die kalten und verschwitzten Handflächen von Uriel spürte. „Tut mir leid, dass ich zu so später Stunde noch störe“, entschuldigte sich der Sternenregent hastig und man konnte schon am Ton heraushören, dass er schrecklich aufgeregt und bis über beide Ohren verliebt wie ein Schulmädchen war. „Ich konnte nicht aufhören, an dich zu denken und musste dich unbedingt wiedersehen. Es tut mir leid, dass es nicht so geklappt hat wie wir es geplant hatten aber ich dachte… naja… vielleicht könnten wir es noch mal versuchen.“ Wieder durchfuhr Samael ein eiskalter Schauer und ihm war, als würde ihm gleich die Galle hochkommen. Was zum Teufel habe ich mir da nur angetan?, dachte er sich und empfand zum ersten Mal ehrliche Reue für seine Entscheidung. Nie im Leben hätte er geahnt, dass Uriel derart anhänglich werden würde. Na hoffentlich entwickelte sich das nicht zur Gewohnheit, denn ansonsten würde er früher oder später durchdrehen. „Hör mal Uriel, das ist wirklich lieb von dir, aber ich habe schon ziemlich einen sitzen und da komme ich nicht so richtig in Stimmung. Aber ich komme schon früh genug auf dich zu, in Ordnung?“ „Wi-wirklich?“ fragte Uriel aufgeregt und hielt Samaels Hände noch fester, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Man brauchte keine Augen im Kopf zu haben um zu merken, dass der Kerl hoffnungslos verliebt war und obendrein ordentlich Druck auf der Leitung hatte. Normalerweise hätte letzteres den dunklen Seraph nicht sonderlich gestört, aber nach dem heutigen Fiasko war ihm wirklich die Lust vergangen. Vor allem schwante ihm Böses, dass Uriels Obsession richtig lästig werden würde. Nur blöderweise konnte er ihn auch nicht einfach so abservieren, da er ihn für seine Pläne brauchte. Gabriel schied aus weil dieser ihn nicht ausstehen konnte und Raphael war viel zu gerissen, als dass er auf diese Verführungsmasche hereinfiel. Also blieb zwangsweise nur Uriel übrig. „Ja, versprochen“, versicherte er ungeduldig und schloss die Tür wieder hinter sich. Auf der anderen Seite hörte er Uriel noch sagen „Okay, dann… ähm… wir sehen uns. Ich liebe dich!“ Und für Samael stand genau in diesem Moment endgültig fest, dass er eindeutig einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Doch leider war es zu spät und die Suppe musste er nun selber auslöffeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)