Im Himmel ist der Teufel los von Sky- (Apokalypse Reloaded) ================================================================================ Kapitel 22: Verrat und Verräter ------------------------------- Die brennende Stadt Dis war eine der größeren Städte innerhalb der Hölle und existierte lange Zeit bloß als schlichtes Gefängnis für Ketzer und korrupte Priester, was die ungemütliche und heruntergekommene Umgebung erklärte. Da sich aber immer mehr gefallene Engel häuslich dort niedergelassen hatten, wurden Wohnviertel neben den Gefängnissen errichtet, was natürlich den praktischen Effekt hatte, dass man nicht zu weit weg vom Arbeitsplatz wohnte. Mit der Zeit war Dis immer weiter ausgebaut worden, während die Gefängnisse selbst immer kleiner wurden, da Ketzerei und Blasphemie mit der Zeit immer mehr an Bedeutung verlor. Stattdessen waren andere Sünden und Verbrechen in den Fokus gerückt, weshalb die brennende Stadt irgendwann stillgelegt wurde und nur noch die Wohnviertel zurückblieben. Der Ort war eine verwahrloste Arbeiterstadt, in der man von Prunk und Glanz wie in der Hauptstadt Pandämonium nur träumen konnte. Es war nicht unbedingt ein malerischer Anblick und es gab durchaus schönere Plätze in der Hölle, aber zumindest konnte man sagen, dass Dis so etwas wie Charakter hatte. Als Nazir und Malachiel die Stadt betraten, kam ihnen sogleich schon ein groß gewachsener Dämon entgegen, der ziemlich wichtig aussah. Mit einem freundlichen Lächeln trat er auf sie zu und breitete in einer begrüßenden Geste die Arme aus. „Herzlich Willkommen in Dis! Ich bin Belaf, der Herzog des sechsten Kreises und Schutzherr dieser Stadt. Kann ich euch irgendwie behilflich sein?“ Im starken Kontrast zum Gesamteindruck dieses Ortes sah dieser Dämon überraschend wohlhabend aus. Er passte so ganz und gar nicht ins Bild der Stadt und sein Erscheinungsbild ließ erahnen, dass das Klassensystem in der Hölle genauso unfair war wie bei den Menschen. „Äh danke“, murmelte Malachiel und winkte ab. „Aber wir…“ Weiter kam nicht, denn da nahm Nazir seine Kapuze ab, rief mit heller Aufregung „Onkel Belaf!“ und umarmte den Stadthalter stürmisch. „Ist das schön, dich wiederzusehen. Ich hab euch alle so vermisst.“ „Nazir, das ist ja mal eine Überraschung“, meinte dieser überrascht und erwiderte die Umarmung. „Du hast dich ja schon ewig nicht mehr hier blicken lassen. Gut siehst du aus!“ Nach der innigen Begrüßung löste sich der dämonische Haushälter wieder von ihm, wandte sich dann seinem Mentor zu und erklärte „Onkel Belaf hat immer auf mich aufgepasst wenn meine Mutter nicht zuhause war und mir so einiges beigebracht. Oh… Onkel Belaf, das ist übrigens…“ „Morgas“, unterbrach Malachiel hastig, damit Nazir sich nicht dazu hinreißen ließ, unüberlegt irgendwelche Dinge auszuplaudern. Selbst wenn die Bewohner dieser Stadt zu Nazirs engstem Freundes- und Familienkreis zählten, hatte er keine Lust, unnötige Risiken bezüglich seiner Identität einzugehen. Denn so wie er die Dämonen einschätzte, ließen sie sich viel zu schnell zu irgendwelchen Dummheiten hinreißen. Außerdem brachte das letzten Endes auch Nazir in Schwierigkeiten, wenn sie zu viel Aufmerksamkeit erregten. „Normalerweise bin ich ausschließlich in der Menschenwelt unterwegs, aber Nazir hat regelrecht darauf bestanden, mir seine Heimatstadt zu zeigen. Und bei so einem niedlichen Gesicht kann man unmöglich Nein sagen! Freut mich sehr, dass ich auch Gelegenheit bekomme, seine Familie kennen zu lernen.“ Der Dämonenherzog lachte beherzt und klopfte seinem Schützling dabei scherzhaft auf die Schulter. „Na du bist mir vielleicht einer. Verschwindest erst vier Jahre lang spurlos und kommst dann mit so einer reizenden Schönheit zurück. Du wirst ja langsam erwachsen, mein Junge. Hey, wieso gehst du nicht mal nach deinen Geschwistern sehen? Die freuen sich garantiert, dich endlich mal wiederzusehen. Ich kann unseren Gast ja noch ein wenig herumführen.“ Malachiel wollte zuerst etwas sagen, denn er hielt es für eine bessere Idee, wenn sie zusammenblieben. Doch Nazir versicherte ihm, dass sie in Dis nichts zu befürchten hatten und alles gut gehen würde. Also beschloss der Halb-Seraph, dem Urteil seines Schülers zu vertrauen und nahm Belafs Angebot an. Mit einem überglücklichen Lächeln verschwand Nazir in Richtung der Wohnviertel und versprach, nicht allzu lange wegzubleiben. Malachiel seinerseits war zwar nicht unbedingt an Sightseeing interessiert, aber er wollte seinem Schüler auch die Zeit gönnen, mit seiner Familie zu reden. Wer wusste schon, wann er das nächste Mal Gelegenheit dazu haben würde. Und er schien den Bewohnern von Dis genug zu vertrauen. „Oh Mann, bei diesen Welpenaugen wird man immer wieder schwach“, seufzte er und musste tatsächlich schmunzeln. „Er scheint sich hier trotz allem wirklich zuhause zu fühlen.“ „Ja das stimmt“, antwortete Belaf nickend und sah Nazir mit einem fast wehmütigen Lächeln hinterher. „Aber der Junge ist auch erst 24 Jahre alt und noch ein Kind. Es hat mich ja schon genug gewundert, dass er es aus eigener Kraft bis zur Menschenwelt hinaufgeschafft hat. Also dann… wollen wir mit der Tour beginnen?“ Die Rundführung stellte sich für Malachiel schnell als eine nicht gerade erfreuliche Erfahrung heraus, denn Belaf machte kein großes Geheimnis daraus, dass er ein Auge auf seinen Gast geworfen hatte. Und kaum, dass sie alleine waren, zeigte dieser bereits nach kurzer Zeit sein wahres Gesicht und all die Freundlichkeit und Autorität, die er bis dahin ausgestrahlt hatte, war mit einem Schlag verflogen. Stattdessen kristallisierte sich schnell heraus, dass er etwas zu aufdringlich war und nicht unbedingt subtil dabei vorging. Immer wieder grabschte der Herzog ihn am Hintern und starrte lüstern auf seinen Ausschnitt. Von dem gastfreundlichen und zuvorkommenden Stadthalter war nichts mehr zu sehen. Anscheinend gehörte er zu jener Sorte, die sich perfekt verstellen konnte um nicht sofort Verdacht zu erregen. Vielleicht war eine Succubus-Tarnung doch keine so gute Idee, dachte er sich und versuchte die ständigen Annäherungsversuche zu ignorieren. Naja, was hatte er von der Hölle auch anderes erwartet? Da konnte er nicht unbedingt mit einem Mindestmaß an Anstand und Sittsamkeit rechnen. Außerdem war ihm so etwas nicht zum ersten Mal passiert, dass ihn ein schmieriger Lustmolch angrabschte, während er sich in Frauengestalt herumtrieb. Trotzdem war es mehr als nervig, die ganze Zeit über so betatscht und angegafft zu werden. Doch er beherrschte sich und ließ von seinem Verlangen ab, Belaf die Finger zu brechen. Nazir zuliebe war er bereit, über diese Unannehmlichkeiten hinwegzusehen solange es nicht allzu sehr ausuferte. Er hoffte nur, dass sein Schüler wenigstens seinen Spaß hatte, wo auch immer er sich in diesem Moment herumtrieb. Nach einer Weile erreichten sie schließlich die Schwefelsümpfe, die offenbar so etwas wie der romantische Hotspot der Stadt waren. Zugegeben, die Aussicht war nicht von schlechten Eltern, allerdings ein wenig zu düster und stinkend für Malachiels Geschmack. Auch sonst konnte er dieser ganzen negativen und ungemütlichen Atmosphäre in der Hölle nicht viel abgewinnen. Vor allem weil Dis nicht unbedingt das war, das man als höllische Touristenattraktion bezeichnen konnte. Es war größtenteils dreckig, heruntergekommen, verarmt und auch sonst ziemlich trostlos. Eine klassische Arbeiterstadt, die nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch am Hungertuch nagte und schleichend vor die Hunde ging. Fairerweise musste man aber auch sagen, dass die Städte im Himmel mit ihrem ganzen Prunk und Protz auch nicht wirklich seinem persönlichem Geschmack entsprachen. Beides war ihm viel zu extrem und da war ihm das Chaos auf der Erde viel lieber. Dort hatte man zumindest genügend Abwechslung um sich nicht zu Tode zu langweilen. Schließlich blieben sie am Rand der Sümpfe stehen und betrachteten die Aussicht, wobei der Dämonenherzog seine vermeintliche Herzensdame näher an sich heranzog. Zwar hatte Letzterer nichts gegen ein wenig Flirten, aber erstens war er schon vergeben und zweitens hatte das hier gerade wenig mit Flirten zu tun. Außerdem gab es hier auch genügend andere weibliche Dämonen in Dis, an denen sich dieser Kerl ranschmeißen konnte. Warum also musste es ausgerechnet ihn erwischen? Lag es an den Lederklamotten? Hätte er doch besser Latex tragen sollen? Oder war dieser Belaf etwa so ein schmieriger Zuhälter, der sich alles krallte, was nicht bei drei auf den Bäumen war? In dem Fall würde es noch echt Ärger geben, vor allem für diesen Perversling, wenn dieser nicht endlich mal seine Finger bei sich behielt. „Eine schöne Aussicht, nicht wahr?“ fragte Belaf und seine Hand wanderte wieder zu Malachiels Hintern. „Es ist zwar nicht das Pandämonium, aber selbst eine einfache Arbeiterstadt wie diese hier hat durchaus ihre schönen Ecken.“ Jetzt hatte der Halb-Seraph endgültig genug. Er packte den Herzog am Handgelenk und drückte kräftig zu. „Sorry aber ich lass mich nicht gerne ungefragt angrabschen“, erwiderte er kühl, doch das schien seinen Begleiter nur noch mehr zu ermuntern. Ein widerliches Grinsen zierte sein Gesicht und lüstern leckte er sich dabei über die Lippen. Ein kalter Schauer durchfuhr den Halb-Seraph dabei und er fürchtete, gleich kotzen zu müssen. „Oho, da ist aber jemand widerspenstig. Genau nach meinem Geschmack~“ „Finger weg, sonst setzt es was!“ warnte Malachiel nun mit etwas mehr Nachdruck und stieß Belaf von sich weg. „Oder hat man dir nicht beigebracht, vernünftig mit Damen umzugehen?“ Doch sein Gegenüber ließ nicht locker und packte ihn grob an der Schulter. Okay, langsam wurde es wirklich unangenehm und der Mediator begann zu ahnen, dass er diesen Lüstling nicht mit einer einfachen Warnung auf Abstand halten konnte. Der brauchte schon überzeugendere Argumente. „Ich glaube, du hast zu viel Zeit unter den Menschen verbracht, meine Teure“, sprach der Dämonenherzog in einem mahnenden Ton und sein Blick verfinsterte sich. „Als Herzog des sechsten Höllenkreises und Stadthalter von Dis habe ich hier das Sagen und an deiner Stelle wäre ich mal ganz vorsichtig. Wenn du keinen Ärger haben willst, dann solltest du deine rebellische Haltung noch mal ernsthaft überdenken, meine Liebe.“ Na hervorragend, da habe ich ja den Jackpot erwischt, dachte sich der falsche Succubus und war nicht unbedingt beeindruckt von diesem Einschüchterungsversuch… höchstens ziemlich genervt. Er hatte durchaus Besseres zu tun, als sich mit einem Widerling herumzuschlagen, der seine Machtposition ausnutzte um Spaß mit Frauen zu haben. Und vielleicht war es mal an der Zeit, dass er einen ordentlichen Denkzettel verpasst bekam. Es war nicht das erste Mal, dass er in Frauengestalt mit irgendwelchen Lustmolchen Ärger bekam und sich zur Wehr setzen musste. Außerdem hatte er sich schon mit weitaus unangenehmeren Zeitgenossen herumschlagen müssen und dieser dahergelaufene Möchtegern-Herzog war da ein relativ kleiner Fisch. Unbeeindruckt von dieser Drohung stieß Malachiel ihm den Absatz seines Stiefels auf den Fuß und rammte ihm dann den Ellenbogen in den Brustkorb. „Und du gehörst offenbar zu den Schwachmaten, die allen Ernstes denken, dass bei Frauen ein Nein eigentlich Ja bedeutet und ein Verpiss Dich eine Liebeserklärung ist!“ erwiderte er und ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte nicht wenig Lust, diesem Widerling in diesem Frauenkörper so richtig den Arsch aufzureißen und ihm ein paar Manieren beizubringen. Verdient hatte er es jedenfalls. Aber im schlimmsten Fall stand der Kerl auch noch auf so etwas. „Mal im Ernst, ich kapier echt nicht wie eine gute Seele wie Nazir einen Schmierlappen wie dich Onkel nennt.“ „Ach, sag bloß du hast eine Schwäche für ihn“, meinte Belaf spöttisch. „Diese Heulsuse kann von Glück reden, dass seine Mutter so eine scharfe Braut ist. Ansonsten hätte ich ihn schon längst in die nächste Grube geworfen und zum Schweigen gebracht. Mal im Ernst, diese kleine Kackbratze ist so verdammt verweichlicht, dass er schon zu heulen anfängt, wenn man ihm die Daumenschrauben anlegt.“ Okay, das war genug. Mit einem kräftigen Tritt in die Eier zwang Malachiel seinen Gegenüber in die Knie und rammte ihm dann den Absatz seines Stiefels in die Seite. „Du hältst jetzt besser die Kauleiste still, ansonsten werfe ich dich noch irgendwo rein. Mir reicht’s, Nazir und ich werden von hier verschwinden!“ Damit wandte sich Malachiel zum Gehen, doch als Belaf trotz seiner Verletzung zu lachen anfing, blieb er stehen. Mit dieser Reaktion hätte er jetzt nicht unbedingt gerechnet, doch wenn plötzlich jemand anfing zu lachen, nachdem er verdroschen worden war, verhieß das für gewöhnlich nichts Gutes. Sein Verdacht bestätigte sich als der dämonische Herzog meinte „Daraus wird leider nichts werden. Oder glaubst du allen Ernstes, wir lassen einfach so jemanden gehen, auf den Satan ein Kopfgeld ausgesetzt hat?“ Einen Moment war Malachiel wie erstarrt als er das hörte. Zwar hatte er damit gerechnet, dass es unter Umständen Probleme geben könnte weil Nazir ein Deserteur war. Aber dass ihn ausgerechnet seine eigenen Leute ausliefern würden, war selbst für ihn zu viel. In diesem Augenblick, als ihm klar wurde, dass sein Schützling ausgerechnet von den Leuten verraten wurde, für die er so ein Risiko eingegangen war und denen er vertraute, übermannte ihn die Wut. Er konnte über viele Dinge hinwegsehen, die seine eigene Person betrafen. Aber das hier war etwas ganz anderes. Wutentbrannt packte er Belaf am Kragen und zerrte ihn hoch. „Sag mir, dass das ein Scherz ist und ihr nicht allen Ernstes vorhabt, Nazir auszuliefern. Ihr seid seine Familie, verdammt noch mal!“ „Selbst schuld, wenn er desertiert. Passt ja zu einem Feigling wie ihm.“ Damit stürzte sich der dämonische Stadthalter auf ihn und hätte ihn beinahe zu Boden gerungen. Doch zum Glück reagierte der Halb-Seraph noch rechtzeitig und fing den Angriff ab. „Und du, meine Süße, bist jetzt besser mal schön brav und tust was ich sage. Ansonsten fahre ich noch ganz andere Seiten auf!“ „Versuchs doch“, erwiderte Malachiel und hatte nun endgültig genug. Er war nun richtig sauer und hatte keine Lust mehr, weiterhin mit Samthandschuhen zu kämpfen. Während er sich mit der einen Hand den aufdringlichen Dämonenherzog vom Leib hielt, beschwor er mit seiner freien Hand sein Flammenschwert und stieß es seinem Gegner direkt in den Bauch. Ein schmerzerfülltes Keuchen entrann dem Stadthalter und als er sah, was für eine Waffe ihn da gerade durchbohrt hatte, realisierte er, wen er da gerade vor sich hatte. „Ve… verdammt das… gibt’s doch nicht…“, keuchte er. Bevor er jedoch dazu kam, noch irgendetwas zu sagen, stieß der Halb-Seraph ihn mit einem kräftigen Fußstritt hinunter in die Schwefelsümpfe. Schreiend vor Schmerz versank der Höllenherzog, bis nichts mehr von ihm zurückblieb. Immer noch mit dem Flammenschwert in der Hand eilte Malachiel zurück ins Zentrum von Dis um nach seinem Schützling zu suchen. Vielleicht hatte er ja Glück und er kam noch nicht zu spät. „Nazir?“ rief er so laut er konnte und sah sich um. Doch nirgendwo war eine Spur von ihm zu sehen. „Nazir!!!“ Schließlich erreichte er das Wohnviertel, in welches sein Schüler verschwunden war, nachdem sich ihre Wege getrennt hatten. Doch auch dort fand er nicht die geringste Spur von ihm. Verdammt, wo war er nur? War er von den Vollstreckern verschleppt worden oder hatte man ihn irgendwo eingesperrt? Oder war es endgültig zu spät und man hatte ihn bereits beseitigt? „Verdammte Scheiße!“ fluchte Malachiel wütend und kickte einen Stein weg. Er ärgerte sich, dass er derart nachlässig geworden war und allen Ernstes gedacht hatte, Nazir wäre in seiner Heimatstadt sicher genug. Stattdessen hatten ihn seine eigenen Leute eiskalt verraten. Er hätte es besser wissen müssen und seine Leichtsinnigkeit würde Nazir nun den Kopf kosten. Und das Schlimmste war, dass er nicht einmal wusste, wo er nach ihm suchen sollte. In diesem Fall blieb eigentlich nur eines zu tun: jeden in dieser Stadt aufzumischen bis er endlich die Antworten bekam die er brauchte. „Hey, warte mal!“ rief plötzlich jemand hinter ihm und Malachiel war schon drauf und dran, den armen Trottel gehörig in den Schwitzkasten zu nehmen und sämtliche Infos gewaltsam rauszuquetschen. Als er sich dann aber umdrehte und eine attraktive junge Dämonin mit dunklem Haar, welches im Licht lilafarben schimmerte, sah, hielt er kurz inne. Ihre Augen waren so dunkelrot, dass man fast meinen könnte, sie wären schwarz. Vom Aussehen her schien sie zu den Succubi zu zählen, allerdings konnte er sich auch irren. Allzu viel hatte er ja nicht mit Dämonen zu tun, wenn diese nicht gerade versuchten, ihn umzubringen. „Was willst du?“ fragte er gereizt. „Ich bin gerade ziemlich schlecht in Stimmung für Smalltalk.“ „Hat man gemerkt“, kommentierte die Dämonin unbeeindruckt und schien nicht einmal großartig durch das Flammenschwert eingeschüchtert zu sein. Sie wirkte stattdessen besorgt und etwas rastlos und war wohl nicht zu Späßen aufgelegt. „Du suchst doch Nazir, oder? Ich habe gehört, dass er festgenommen und ins Gefängnis im neunten Höllenkreis gebracht wurde. Leider war ich nicht schnell genug, um sie abzufangen.“ „Und wer zum Teufel bist du, wenn ich fragen darf?“ fragte Malachiel misstrauisch. Nach so einem Desaster war er nicht unbedingt gewillt, irgendwelchen wildfremden Dämonen zu vertrauen, die plötzlich auftauchten. Etwas verstohlen schaute sich die Schönheit um, wurde plötzlich ganz ernst um sicherzugehen, dass niemand sie belauschen konnte und trat näher an den Halb-Seraph heran. Mit gedeckter Stimme erklärte sie „Ich bin Lilith, Nazirs Mutter. Sorry für diese Aufmachung, aber eigentlich war ich icognito unterwegs gewesen. Als ich erfuhr, dass mein Sohn wieder in der Hölle ist, habe ich mir Sorgen gemacht und bin hierhergekommen. Leider bin ich zu spät gekommen und habe sie nicht mehr erwischt…“ Das war jetzt mal echt eine Überraschung. Mit so einer Enthüllung hatte Malachiel nicht unbedingt gerechnet aber andererseits kam ihm das genau recht. Denn wenn er sich auf jemanden in der Hölle verlassen konnte, dann war es die Dämonenmutter Lilith persönlich. Während der Beinahe-Apokalypse hatte sie gute Unterstützung geleistet, um das Ende aller Tage zu verhindern und war für den Himmel eine verlässliche Informantin, wenn es um wichtige Ereignisse in der Hölle ging. Diese Neuigkeit war erleichternd für den Halb-Seraph und er entschied, dass es vielleicht ratsam war, ebenfalls die Karten offen auf den Tisch zu legen. „Merkwürdiger Zufall, dass wir beide eine Tarnung nutzen“, bemerkte er halb im Scherz. „Ich bin übrigens…“ „Malachiel, ich weiß“, unterbrach Lilith ihn sofort. „ Wie könnte ich denn nicht denjenigen wiedererkennen, der gewissermaßen mein Zwilling ist? Hoffentlich hast du in den letzten vier Jahren gut auf meinen kleinen Schatz aufgepasst.“ „Ich hab mein Bestes gegeben“, meinte Malachiel schulterzuckend. „Nur hätte ich nicht erwartet, dass er von seinen Leuten derart schnell hintergangen wird. Also, wenn du mich zum neunten Kreis bringen könntest, damit ich Nazir befreien kann, wäre ich dir wirklich dankbar. Den Rest kriege ich dann schon hin.“ Doch so ganz war Lilith nicht überzeugt und starrte ihn skeptisch an, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Nimm’s mir nicht übel, aber du kannst nicht mit roher Gewalt da ein. Das Gefängnis im neunten Kreis besteht aus zwei Hochsicherheitstrakten und du musst erst mal durch den ersten durch um zu den Zellen für die Deserteure zu gelangen. Wenn du da einfach so reinrennst und alle aufmischst, riskierst du schlimmstenfalls Nazirs Leben und das lasse ich ganz sicher nicht zu. Außerdem ist er immer noch mein Sohn, also ziehe ich das mit dir durch, ob du willst oder nicht!“ Da er sich lieber nicht mit einer wütenden Mutter anlegen wollte, gab er lieber nach und willigte ein. So wie es klang, kannte sich Lilith einigermaßen aus was das Gefängnis betraf und konnte somit eine große Hilfe sein. Er fürchtete auch, dass sie noch rabiat werden könnte, wenn er sie weiter abzuwimmeln versuchte. Gemeinsam ließen sie die brennende Stadt Dis hinter sich und machten sich auf den Weg um Nazir zu befreien. Immer noch ärgerte sich Malachiel, dass es überhaupt erst dazu gekommen war und er konnte nur hoffen, dass sie nicht zu spät kamen. Während sie sich auf den Weg zum nächsten Höllenkreis machten, wandte sich der Halb-Seraph an seine Begleiterin und fragte nach einigem Zögern „Wie stehen die Chancen, dass er noch lebt?“ „Keine Sorge, er wird erst mal längere Zeit eingesperrt werden, bis er dann vor das Höllentribunal gezerrt wird. Glücklicherweise sind die bürokratischen Abläufe hier genauso katastrophal wie im Himmel und das verschafft uns genügend Zeit“, versicherte Lilith und das zwar zumindest ein kleiner Trost. Allerdings wollte er seinen Schüler auch nicht allzu lange warten lassen, denn es gab keine Garantie dafür, dass ihm nicht noch irgendetwas angetan wurde. Hier musste man immerhin mit allem rechnen. Selbst mit Verrat aus den eigenen Reihen. „Das alles wäre nicht passiert, wenn ich besser aufgepasst hätte…“, murmelte er zerknirscht und biss sich wütend auf die Unterlippe. „Zugegeben, ich hätte auch nicht erwartet, dass dieser elende Wichser Belaf so eine linke Tour abzieht“, meinte Lilith und schien ihm nicht wirklich böse zu sein. „Ich konnte diesen widerlichen Grabscher noch nie ab. Aber er war zumindest ein guter Babysitter für meinen kleinen Engel gewesen, solange ich ihm hin und wieder mal schöne Augen gemacht habe. Typen wie er sind da ziemlich einfach gestrickt.“ Ja, was Verführung anbetraf, war Lilith der ungeschlagene Champion in der Hölle. Es gab kaum einen Dämon, der nicht von ihrer Schönheit und ihrem Sexappeal verzaubert wurde. Ganz gleich ob Männlein oder Weiblein, sie verdrehte allen die Köpfe und nutzte ihre Reize geschickt aus. Auch wenn sie eine ungebundene Frau war, die weder an Macht noch an Reichtum interessiert war und nur das tat, wonach ihr gerade der Sinn stand, galt sie als unbestrittene Königin der Hölle. Sie ließ sich durch nichts und niemanden aufhalten und wehe dem, der ihren Zorn auf sich zog. Lilith war nicht nur eine wichtige Informantin für den Himmel, sie war quasi die Vorlage für Malachiel gewesen als er erschaffen wurde. Was nämlich nur Gott, Jesus, Malachiel, Lilith und Metatron wussten war, dass die ganze Story um Liliths Bestrafung für ihren Ungehorsam bloß fingiert war, damit sie problemlos als Spionin in die Hölle eingeschleust werden konnte. Tatsächlich verband Lilith eine sehr enge Freundschaft mit Gott persönlich und sie war eine der wenigen Begünstigten, die seinen wahren Namen kannte. Dadurch besaß sie nahezu göttliche Kräfte, trotz der Tatsache, dass sie eine Dämonin war. Da sie aber keine Lust darauf hatte, die ganze Verantwortung eines Weltenretters zu stemmen, hatte Gott daraufhin ein Wesen nach ihrem Vorbild erschaffen, das sowohl himmlische als auch höllische Attribute verkörperte. Aus diesem Grund bezeichnete Lilith ihn gerne als ihren Zwilling und selbst Malachiel musste zugeben, dass sie sich in vielen Dingen erschreckend ähnlich waren. Und vielleicht war das auch einer der Gründe, warum Lilith ihm ihren Sohn anvertraut hatte. Und nun mussten sie sich zusammenschließen um Nazir aus dem Gefängnis zu befreien. „Schon einen Plan, wie wir am besten zu deinem Sohnemann kommen?“ erkundigte sich Malachiel beiläufig, denn so wie er Lilith kannte, hatte sie vermutlich schon eine Idee. Immerhin hatte sie ihr Kind bereits vor vier Jahren erfolgreich aus der Hölle rausgeschmuggelt um ihm zu helfen, sich seinen Traum zu erfüllen. Da lag es nicht allzu fern, dass sie bereits an einem Plan arbeitete. Ihr verschwörerisches Grinsen ließ jedenfalls so einiges erahnen. „Kann man so sagen“, antwortete sie. „Das Gefängnis ist in zwei Trakten aufgeteilt: Sheol und Gehenna. In Sheol werden die Sünder gefangen gehalten, die entweder zu einflussreich oder allgemein zu gefährlich sind, um auf den Rest der Hölle losgelassen zu werden. Wenn wir diesen Teil durchquert haben, kommen wir zu Gehenna, wo die Deserteure und Verräter der Hölle eingesperrt werden. Wenn es uns gelingt, Chaos in Sheol zu stiften, sollte das als Ablenkung ausreichen. Alles was wir tun müssen ist bloß, die richtigen Leute rauszulassen.“ „Wäre es nicht einfacher, du würdest dich zu erkennen geben und einfach verlangen, dass man deinen Sohn freilässt?“ gab Malachiel zu bedenken, auch wenn er zugeben musste, dass die Idee mit der Ablenkung recht verlockend war. Hauptsächlich aber auch nur deshalb, weil ihm der Gedanke gefiel, ein wenig Unruhe in der Hölle zu stiften. Lilith erging es da nicht anders und sie gab ohne Umschweife zu: „Natürlich wäre es einfacher. Aber wo bliebe dann der Spaß? Außerdem ist das der perfekte Denkzettel dafür, dass man ein Kopfgeld auf meinen kleinen Liebling ausgesetzt hat!“ Dieser Argumentation konnte der Halb-Seraph nun wirklich nicht widersprechen und er musste zugeben, dass auch er Spaß an dem Gedanken hatte, die Hölle aufzumischen. Und ehe sie sich versahen, hatten sie auch schon den neunten Höllenkreis erreicht und erblickten in der Ferne bereits das riesige Hochsicherheitsgefängnis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)