Two Birds von Rix (One tries to fly away and the other watches him close from that wire) ================================================================================ Kapitel 1: The sky is overcast and I'm sorry -------------------------------------------- An intimacy had grown between us like a forest around a castle. Louise Glück, excerpt of „The Sword in the Stone“ Jahr 1170 – Goldene Sonne „So“, sagte der Junge vor Linhardt nüchtern, als wäre er nicht gerade durch das Geäst des Baumes über ihnen und vor seine Füße gekracht, „großartiges Wetter zum Klettern, nicht wahr?“ Linhardt starrte den Jungen vor sich nur sprachlos an. Dieser zupfte verirrte Blätter aus seinem kurzen Haar, wobei er allem Anschein nach keinen weiteren Gedanken an all die Kratzer und Schrammen an seinem Körper verschwendete. Oder generell seiner dreckigen und teils zerrissene Kleidung. Der Junge schnippte das letzte Blatt achtlos davon, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Linhardt zuwandte. Neugierig musterte der Anderen ihn, worauf Linhardt sich lächerlicher weise herausgefordert fühlte und den Impuls unterdrückte aufzustehen, um in voller Größe bemustert zu werden. Schließlich schien der fremde Junge sich auf das Buch in Linhardts Händen zu fokussieren. „Was liest du?“, fragte der Junge viel zu laut, weshalb Linhardt sich reflexartig einige Zentimeter zurücklehnte, als könnte er damit die Lautstärke dieses sonderbaren Individuums drosseln. Antworten tat er ihm dennoch nicht, sondern starrte nur weiter stumm zurück. Es schien den Jungen jedoch nicht zu stören, denn dieser verschränkte nur die Hände hinter den Kopf und schaute jetzt zu der Krone des Baumes hinauf, seine vorherige Frage allem Anschein längst vergessen. „Eigentlich hatte ich nach Äpfeln gesucht“, eine kurze Sekunde in der der Junge das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte, „oder Vogeleier. Spiegelei wäre auch nicht schlecht, oder?“ Linhardt runzelte die Stirn. „Bitte was?“ Blitzartig fixierten ihn die zwei türkisen Iriden erneut und Linhardt realisierte, dass er seine Irritation verbalisiert hatte. „Spiegeleier? Hast du noch nie welche gegessen?“ Der erste Schock war ab diesem Zeitpunkt endgültig verloren gegangen und stattdessen reizte ihn der fremde Jungen immer mehr, was er durch das Kitzeln in seinen Fingerspitzen wahrnahm. „Natürlich habe ich schon Spiegeleier gegessen“, schnappte er zurück und fügte mehr aus Trotz als alles andere an: „Es ist sogar eins meiner Lieblingsspeisen.“ Kaum hatte er zuende gesprochen, erstrahlte das Gesicht des Jungen vor ihm. „Toll! Dann mach dir keinen Kopf, ich werde uns welche als Mittagessen besorgen!“ Um seine Deklaration zu untermalen, klopfte der Junge sich kräftig auf die Brust, nur um sich dann energisch umzudrehen. Bevor Linhardt noch irgendeine Möglichkeit bekam, etwas zu erwidern, fixierte der Junge einen Baum wenige Meter von ihnen entfernt und rannte ohne weiter zu zögern, auf diesen zu. Perplex beobachtete er, wie der Junge beinahe gegen den Stamm rannte, nur um im letzten Moment den Schwung zu nutzen, damit er den niedrigsten Ast ergreifen konnte. Einige Sekunden wirbelten die Beine des Jungen ziellos in der Luft herum, bevor er mit lautem Geschrei sich unter Mühe und Not auf den Ast stemmte. Kurz schien der Junge nach Atem zu ringen, bevor er sich mit einem breiten Grinsen zu Linhardt umwandte, um ihn einen Daumen hoch zu zeigen. Dann, als wäre eine Horde Wespen hinter ihm her, kletterte er weiter, bis Linhardt ihn durch das dicke Blätterdach nicht mehr sehen konnte. Diese Lebensform war mit Abstand das Lächerlichste, was Linhardt jemals in seinen Leben gesehen hatte, beschloss er mit seinen ganzen sechs Jahren an Lebenserfahrung. Er sollte wahrscheinlich die Wachen seines Vaters rufen, damit sie dieses Ding aus ihrem privaten Grund entfernte. Was jedoch beinhalten würde, dass er sich erhob und den ganzen Weg in der sommerlichen Mittagshitze zum Gutshaus zurücklaufen musste, worauf er nur die Nase rümpfte. Stattdessen ließ er sich rücklings ins Gras fallen und schloss die Augen. Der Junge würde höchstwahrscheinlich von alleine verschwinden, wenn er sich ausgetobt hatte. Leise raschelten die Blätter im Wind über ihm, irgendwo in der Ferne zirpten Zikaden und er spürte, wie die Hitze ihn langsam in ein angenehmes Nickerchen lullen wollte. Gerade als er kurz vorm Einschlafens war, wurde ihm grob in die Seite getreten. „Hey!“, ertönte erneut die viel zu laute Stimme des verrückten Junges über ihn. Genervt öffnete Linhardt die Augen, nur um mit dem dreckigen, zerkratzen, lückenhaften Zahnreihe und vor Freude strahlenden Gesicht des Fremden begrüßt zu werden. „Ich hab welche gefunden!“ Um seine Behauptung zu untermauern, hielt er zwei birnengroße Eier näher zu Linhardt hin. Er würde es nicht einmal an seinem Sterbebett zugeben, aber er war geringfügig beeindruckt von dem Fund. „Toll...und jetzt?“, fragte er den Jungen nasal. Der Junge zog die Augenbrauen in Verwirrung zusammen. „Was jetzt?“ „Na, wie wollen wir sie jetzt zubereiten? Roh esse ich die nicht.“ In seiner Logik hatte Linhardt schon gewonnen und hoffte, dass es den Enthusiasmus des Jungen soweit dämpfen würde, dass er verschwand und er damit seine Ruhe zurückbekam. Jedoch unterschätzte er die Logik seines Gegenübers. Denn dieser grunzte nur einmal sonderbar, bevor er Linhardt eine Hand hinstrecke. „Kein Problem, mein großer Bruder hat mir gezeigt, wie man Eier auf Steinen brät!“ Linhardt musterte die sonnengebräunte und schwielige Hand des Jungen verdutzt. „Komm' schon“, drängte der seltsame Junge und unterstrich seine Ungeduld, indem er seine Hand fast schon unter Linhardst Nase hielt. Zuerst wollte er die Hand wegschlagen, wie als würde er eine lästige Fliege loswerden wollen. Doch sonderbarerweise ergriff er die ihm ausgestreckte Hand und wurde unter höchster Anstrengungen und Stolpern auf die Beine gezogen. Er wollte nur herausfinden, ob es wirklich möglich war Eier auf Steinen zu braten, dass war alles. Pure Neugierde und nicht das unergründliche Rätsel, was der Junge darstellte. Der Junge zerrte ihn hin und her, bevor er genügend Äste und einen flachen und großen Stein fand, der seinen Wünschen entsprach. Daraufhin versuchte er das Feuer zu entfachen, was auch nach mehreren Minuten nicht gelang. Woraufhin Linhardt ihn aushalf, indem er eine kleine Flamme herbeizauberte – die ihn fast schon alles an Konzentration abverlangte -, was den Jungen in Begeisterung versetzte, da er noch nie vorher jemanden Magie benutzen gesehen hatte. Es dauerte nicht lange und tatsächlich fingen die Eier auf den erhitzen Stein an zu braten. „Uh, interessant“, kommentierte Linhardt das Ganze, was den Jungen leicht kichern ließ. „Hab's doch gesagt.“ „Hmm“, erwiderte er nur. Eine Stille folgte, die jedoch nicht lange hielt. „Caspar.“ „Hm?“ Linhardt schaute zu dem Jungen auf. „Mein Name ist Caspar“, wiederholte der Junge namens Caspar. „Ah“, sagte Linhard nur, bis ihm einfiel, dass er eventuell etwas ergänzen sollte. „Linhardt.“ Der Junge namens Caspar grinste breit. „Schön dich kennenzulernen, Linhardt!“ „Hm, yeah...vielleicht.“ Auf Linhardts Erwiderung lachte der Junge namens Caspar nur laut los und irgendwas daran war ansteckend, denn witzig war es auf jeden Fall nicht gewesen und dennoch konnte Linhardt nicht anders, als ebenso leicht zu lächeln. Jahr 1180 – Weiße Wolken Linhardt stieß ein langes Seufzen aus, was Caspar in seinen Liegenstützen innehalten ließ. „Das klang fast schon wie ein Typhoon von deiner Richtung aus, Linhardt.“ Auf Caspars Worte verdrehte Linhardt nur die Augen, nur um im nächsten Moment seinen Kopf in der Hand abzustützen und das Buch vor sich auf dem Tisch wegzuschieben. „Kampftaktiken sind alles andere als interessant. Ich verstehe wirklich nicht die Faszination, die du damit hast.“ Als hätte er seinen Freund aufs Tiefste beleidigt, sprang dieser auf und wirbelte wild mit seinen Armen umher, was mehr an eine komödiantischen Einlage erinnerte, als an eine Bedrohung, wobei Linhardt sensibel genug war, um diesen Fakt für sich zu behalten. Vorerst zumindest, solche Munition sollte man gut aufbewahren, für Situationen, in denen er zumindest für mehrere Stunden seine Ruhe vor dem Anderen wollte. „Es sind die Grundlagen für Ruhm und Ehre! Nur wer weiß, wie er sich auf dem Schlachtfeld behaupten kann, kann sich auch behaupten!“ Linhardt zog unbeeindruckt von der feurigen Rede eine Augenbraue hoch. „Bist du nicht immer der Erste, der jegliche Taktik beiseite schiebt und wie ein Verrückter losrennt?“ Ertappt, schaute Caspar zu Seite weg und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nun, es ist meine ganz eigene Strategie?“, haspelte er. Linhardt schnaubte nur daraufhin. „Ohhhh, vielleicht sollten sie diese dann im Buch aufnehmen? In der Sektion, was man nicht tun sollte, wenn man eine Schlacht gewinnen möchte.“ Verärgert warf Caspar die Hände nach oben und fing an wütende Runden im Raum zu drehen, was Linhardt ein schwaches Lächeln entlockte mit dem Gefühl der gehässigen Genugtuung. Es war nicht so, als würde er es mögen Caspar zu verärgern, aber hin und wieder hatte es einen gewissen Unterhaltungswert. Insbesondere dann, wenn seine eigene Laune nicht die Beste war. Nach wenigen Minuten schien sich Caspar beruhigt zu haben. Die Arme in die Hüften gestemmt und den Kopf leicht schief gelegt, schaute er Linhardt fragend an. „Du willst wirklich nicht zur Militärakademie Garreg Mach, hm?“ Erneut seufzte Linhardt und legte seinen Kopf auf den Tisch. „Ich sehe keinen wirklichen Sinn darin, außer meinen Vater zu belustigen.“ „Gibt es dort nicht einen Haufen, uh, Bücher?“ „Caspar, wir haben eine riesige Bibliothek und wenn ich Bücher möchte, dann beauftrage ich unsere Angestellten damit.“ „Uhm...dann irgendwas mit Wappen? Dafür interessierst du dich, richtig? Und es ist einfacher, dort irgendwas über die zu lernen, oder?“ Tatsächlich horchte Linhardt bei den Worten auf und dachte darüber nach. Er hatte gehört, dass Hannemann von Essar, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Heraldik, als Lehrer an der Akademie angestellt war. Dann wiederum klang Wappen aktiv zu studieren und das unter der Anweisung eines Lehrers abermals nach Arbeit, was Enthusiasmus erforderte, welchen er nicht aufbringen konnte. „Ich kann es zumindest kaum erwarten!“, rief Caspar plötzlich lautstark, was Linhardt aus seinen Gedanken riss. Der Kleinere sprang mit einem Satz auf den Holzstuhl neben Linhardt und gestikulierte abermals wild in der Luft umher. „Ich werde allen beweisen, was in mir steckt und jeder wird meinen Namen kennen, da ich durch einen Sieg nach dem Nächsten Ruhm und Ehre erlangen werde!“ „...klingt anstrengend...“, erwiderte Linhardt genervt, was den Anderen jedoch nicht zu demotivieren schien, sondern nur noch mehr in seinem Wunschdenken anfachte. Mit einem energischen Tritt auf die Stuhllehne, brachte Caspar das Möbelstück in eine Kipplage und streckte seine Hand einladend Linhardt entgegen. „Linhardt, ich spreche nicht nur hier von mir! Wir Beide werden unzählige Abenteuer erleben und berühmt werden!“ „...warum ziehst du mich jetzt schon wieder in deinen Wahnsinn mit rein?“ „Weil jeder Held einen ebenso glorreichen Partner braucht!“ Skeptisch musterte Linhardt erst das Gesicht seines langjährigen Freundes und dann dessen Hand. Er konnte wirklich keinerlei Freude darin sehen, bald nach Garreg Mach zu gehen, auch nicht mit der Aussicht auf neues Wissen zu Wappen. „Bitte halte mich aus deiner Tagträumerei heraus, Caspar“, sagte er nur nüchtern, wobei er nach der warmen und bekannten Hand des Anderen griff, nur um daran zu ziehen, so dass Caspar das Gleichgewicht verlor und samt Stuhl umfiel. Daraufhin füllte Caspars starke Stimme den gesamten Raum. Linhardt wollte wirklich nicht nach Garreg Mach, jedoch solange der Andere mit dabei war, würde es zumindest aushaltbar sein, was ein angenehmer Trost war. - Es war kein schneller Tod, obwohl es magische Flammen waren. Sie fraßen sich ebenso wie echte durch Kleidung und Haut und ließen ihr Opfer in unmenschlicher Qual schreien. Jede Faser von Linhardts Körper erfror als er beobachtete, was seine Magie an dem Banditen angerichtet hatte. Der Wind schwenkte um und jetzt vernahm er den Geruch von verbranntem Stoff und Haut, was ihn an ein verkohltes Hähnchen auf offener Flamme erinnerte. Sein Magen drehte sich um, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Haut und er konnte spüren, wie sich die Magensäure ihren Weg nach oben bahnte. „Linhardt!“, ertönte plötzlich Caspars Stimme und riss ihn aus seiner Panikattacke. Nur um zu sehen, wie die Sonne sich in kaltem Stahl eines Schwertes brach, welches auf ihn zusauste. Es gab ein lautes Geräusch, welches aus dem Brechen eines Astes und dem zermatschen eines Apfels bestand und im nächsten Moment spritzte warmes Blut auf sein Gesicht. Überfordert blinzelte Linhardt nur einige Male, bevor er den Schatten vor sich als Caspar erkannte, der gerade den Räuber, der ihn töten wollte, aufgehalten hatte. Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen holte Caspar erneut aus und beförderte den Räuber wie ein nassen Sack zu Boden. Dieser blieb regungslos liegen und langsam breitete sich eine kleine Blutlache unter dessen Kopf aus. „Ha! Wie einfach das ist!“ Entsetzt starrte Linhardt nur Caspar an. Caspar, der mit aufgeschürften Knien ihm seine nächste alberne Eroberung zeigte, die er aus irgendwelchen Höhlen oder Wäldern geholt hatte. Caspar, der bei Geschichten über Geister und Dämonen nicht ohne Kerzenlicht an dem Abend einschlafen konnte. Caspar, der so sehr lachte, dass ihm die Tränen aus den Augen liefen, wenn Linhardt ihm trocken aus dessen Lieblingsbuch vorlas. Caspar, der gerade einen Mann getötet hatte und darüber begeistert war, was Linhardt den Boden unter den Füßen wegzog. „Hey, Linhardt. Erde an Linhardt, wir sind noch mitten im Kampf“, drang Caspars Stimme wie Watte zu ihm durch und als er sah, wie der Andere mit seinen blutigen und dreckigen Händen nach ihm greifen wollte, zuckte er vor der Berührung weg. „Linhardt?“ Doch Linhardt schüttelte nur den Kopf, hörte in der Ferne das Klirren von Stahl und die Rufe seiner anderen Kameraden. Jedoch wollte sein Körper ihm nicht gehorchen und alles, was seine Gedanken schrieen war, dass er wegrennen sollte, so schnell er konnte, weil das alles hier falsch war. „Ich...ich kann das nicht“, brachte er gebrochen hervor. „Das Blut, Caspar...ich...“ Plötzlich ohne Vorwarnung verringerte Caspar jeglichen Abstand zwischen ihnen. Dessen Finger griffen unsanft in seine Schultern und dessen Stirn knallte hart gegen Linhardts seine. „Wenn du nicht kämpfen kannst, dann heile diejenigen, die es können!“, schrie ihn Caspar an. Und was würde das ändern, wollte Linhardt giftig erwidern. Würde das mich weniger zum Mittäter machen? Würde es weniger Blut und Tod bedeuten? Würde es den Fakt ändern, dass er Caspar dabei half, zu einem Monster zu werden? „Heile, Linhardt – und wenn es nur dabei hilft die zu beschützen, die dir wichtig sind“, ergänzte Caspar, wobei sein Griff um die Schultern zunahm und höllisch schmerzte. „Okay“, gab Linhardt leise bei. „Dann heile ich“, wiederholte er tonlos Caspars Worte, während er das fremde Blut auf seiner Wange musterte. „Gut“ und Caspar ließ ihn los. „Ich verlass mich auf dich.“ Kaum trat Caspar von ihm weg und wandte ihm den Rücken zu, um erneut ins Kampfgeschehen sich einzumischen, fühlte Linhardt sich seltsam verloren und fremd in seinem eigenen Körper. Fast so, als hätte er gerade etwas Wichtiges verloren ohne zu wissen, was es war. Irgendwo in seiner Nähe verhallte ein Schrei, worauf ein lautes Rufen von Edelgard zu ihm herüber hallte: „Heilung! Wir brauchen Heilung!“ Wie unter Trance setzte Linhardt sich in Bewegung, wobei alles in ihm, ihm mitteilte, dass das was er hier tat, falsch war – und dennoch tat er es, da ihn Caspar dazu aufgefordert hatte. - In der Ferne konnte Linhardt gedämpfte Stimme von Studenten hören, die sich noch nicht der Nachtruhe hingegeben hatten. Sie lachten und warteten unbesorgt auf einen weiteren Tag. Hinter ihm erklangen leise Gesänge für irgendwelche Gebete an die Göttin, welche niemals einstimmte. Schlapp ging er in die Knie, legte seinen Kopf in einem ungemütlichen Winkel auf die kühlen Steine der Mauer und streckte seine Arme von sich. „Sieht ziemlich ungemütlich aus, um in der Position ein Nickerchen zu machen“, begrüßte ihn Caspar, der neben ihm erschien. Ein Summen war alles, was Linhardt ihm als Antwort gab. Nach einigen Sekunden kopierte Caspar seine Haltung und sie Beide verweilten so. „...“ „...“ „...“ „...“ „Linhardt, ich glaube meine Arme schlafen ein“, quengelte Caspar kaum Sekunden später. „Das ist der beste Teil davon“, teilte ihm Linhardt mit, als würde er ihm das größte Geheimnis der Welt verraten. „...“ „...“ „...“ „….urgh! Auf keinen Fall, dass ist viel zu eklig!“ Unter lauten Protest ließ Caspar sich rücklings auf den Rücken fallen und streckte alle Viere von sich. „Wie enttäuschend, ich dachte, du hättest mehr Ausdauer“, neckte Linhardt seinen Gefährten. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Caspar ihm die geballte Faust zuwedelte. „Das hat nichts mit Ausdauer zu tun! Ich mag es nur, meine Gliedmaßen zu spüren!“ „Wenn du meinst...“ „Pah!“ Erneute Stille senkte sich zwischen ihnen, welche dank Caspar nie lange anhielt, was auf Linhardts Gefallen-Skala stets zwischen aushaltbar und katastrophal schwankte. „So“, fing der Andere an, wobei er seltsamerweise ein wenig zurückhaltend klang, „Ferdinand hat mir erzählt, dass du dich entschieden hast in Magister Byleths Klasse zu wechseln? Zu den Goldenen Hirschen?“ „Hm“, erwiderte Linhardt nur, wobei sein Inneres sich unangenehm zusammenzog. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Caspar allem Anschein nach sich hastig durch die Haare fuhr. Eine nervöse Geste, die der Andere nie vor der Welt verstecken konnte. So wie dessen meisten Gefühle. Trotzdem verstand Linhardt ihn dennoch die halbe Zeit über nie wirklich. „...wir wären dann nicht mehr in einer Klasse.“ Caspars Stimme klang ungewöhnlich leise und obwohl er ihn kaum verstand, wusste er dennoch, dass in diesem Satz so viel mehr mitschwang, als die ausgesprochenen Worte verrieten. Für eine Sekunde wollte Linhardt ihm alles erklären. Ihn über das Chaos in seinem Kopf und Herzen aufklären. Caspar erzählen, was dieser in ihm auslöste und wie er sich ihm nah und fern zugleich fühlte, seitdem sie an die Akademie gekommen waren. Aber Linhardt war nie die Person gewesen, etwas zu sagen, wenn er keine klare Antwort parat hatte. Besonders dann nicht, wenn es sich um seine eigene Gefühle handelte. Daher erwiderte er nur trocken: „Gut kombiniert, Caspar. Ich sehe eine glorreiche Zukunft vor dir.“ Linhardt zählte die Sekunden, wartete auf den Ausbruch seines Freundes, dass sich dieser vehement gegen den Sarkasmus wehrte. Eine, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben...acht….neun….zehn?…. „Ah, na dann“, sagte Caspar nur und Linhardt wandte seinen Kopf zu seinem Freund um. Dieser hatte ihn jetzt den Rücken zugewandt, atmete tief ein und aus, bevor er sich aufrappelte. „Mann, ich bin ziemlich erledigt. Wir sehen uns, Linhardt.“ „Ca-“, bevor er noch etwas sagen konnte, winkte der Jüngere ihm nur halbherzig zum Abschied und hechtete dann davon. Linhardt schaute der schwindenden Figur seines Freundes hinterher. Das entfernte Lachen von anderen Studenten hörte sich wie Hohn an, so als hätte er einen Test versaut, der hätte nicht einfacher sein können. - Zwischen lichtendem Rauch, erhellt von den fressenden Flammen, sah er Caspar in den Trümmern ihrer Akademie stehen. Seine Fäuste streckten einen der Krieger der Kirche nieder. Linhardt hielt inne, gegen jeglicher Vernunft, die ihn auf diesem Schlachtfeld am leben halten würde. „Caspar“, hauchte er atemlos und erschöpft auf. Und obwohl es unmöglich sein sollte, da die Entfernung zwischen ihnen viel zu weit war und der Lärm des Schlachtfeldes alles verschluckte, was nicht schrie, schaute sein Kindheitsfreund auf und direkt in seine Richtung. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen, während sie sich anschauten, wartend darauf, dass der andere irgendwas sagte oder reagierte. Und für einen Herzschlag verspürte Linhardt den Drang über die Trümmer ihrer gemeinsamen Schulzeit zu rennen, um...um…. Da ertönte ein erschütterndes Brüllen und brach den Bann zwischen ihnen. Sie beide schaute zu dem Ursprung des Geräusches und es war das letzte Mal für viele Jahre, dass sie sich zum Greifen nahe gewesen waren. Wie aus einem der vielen Abenteuerbüchern, die Caspar so sehr liebte und Linhardt ihm stundenlang hatte vorlesen müssen, stürzte eine mystische Kreatur über sie herein und zerriss ihre Welt, wie sie sie gekannt hatten. Jahr 1185 – Grüner Wind Sachte strich der Wind durch Linhardts Haar und kündete den kommenden Sommer an, was ihm erneut einen schweren Stein in den Magen legte. Die letzten fünf Jahre hatte der Sommer diesen Effekt auf ihn gehabt. Ein Teil von ihm erkannte, woher diese Empfindung kam, der andere ignorierte es komplett. Wobei es ihm dieses Mal nicht gelingen wollte, je länger er auf die Festung blickte. Neben ihm ertönten Schritte und im nächsten Moment schien die Sonne sich neben ihm manifestiert zu haben. Golden wehten Ferdinands Haare im Wind und Linhardt schwankte stets bei dem Anblick zwischen Bewundern und Resignation, was den Mann betraf. „Sie treibt einem die Ehrfurcht durch Mark und Bein, dieses uneinnehmbare Monster, nicht wahr?“ Linhardt zuckte auf Ferdinands Worte hin nur mit den Schultern. „Als würde Logik und geschichtliche Ereignisse jemals Claude von seinem Wahnsinn abhalten.“ Daraufhin lachte Ferdinand und schlug aufmunternd Linhardt auf die Schultern, auch wenn er ihm tausend Mal erzählt hatte, er möge das bitte unterlassen. „Aber genau dafür lieben und folgen wir ihm, nicht? Um das Unmögliche möglich zu machen!“ Linhardt seufzte nur tief. „Bitte hör auf mich mit in euren idealistischen Wahnsinn reinzuziehen.“ Erneut lachte Ferdinand auf, als wäre es ein Scherz und keine Aufforderung gewesen. Dann wurde sein Haltung und Mimik mit einmal ernst. Besorgt zog er seine Augenbrauen zusammen und musterte Linhardt ausführlich. „Er wartet dort unten auf uns...“ Ein Kloß bildete sich in Linhardts Hals und rasch wandte er sich halb von Ferdinand ab, wünschend, der Andere würde einfach verschwinden und ihn nicht daran erinnern. „Jeder würde es verstehen, wenn du nicht gegen Caspar kämpfen möchtest, Linhardt. Byleth hat es dir persönlich angeboten. Niemand würde es dir nachtragen. Ich...wir alle waren schon in der Position, wo wir alte Freunde herausfordern mussten.“ Linhardt konnte förmlich sehen, wie Ferdinand ihn mit Sorge und Mitgefühl betrachtete. Er konnte es hören, wann immer sie Caspars Namen in seiner Nähe aussprachen. Wie sie ihn behandelten als wäre er ein Glashaus und allein die Erwähnung von Caspar ein Stein, der nur darauf wartete, geworfen zu werden. Wann immer es passierte, stellte er auf stumm und schob all die Empfindungen, die am Rand seines Ichs brodelten, von sich, soweit, dass er keinerlei Ahnung mehr hatte, wie sich Caspars Name überhaupt ausgesprochen auf seiner Zunge oder widerhallend in seinem Kopf anfühlte. „Es könnte deine letzte Chance sein...“, rüttelte ihn Ferdinand aus seinen eigenem Gedankensumpf. Verwirrt schaute er endlich zu seinem Schlachtgefährten hinüber, der mit düsterer Miene seine eigenen Hände betrachtete. „Du hast die einmalige Chance deine Hand auszustrecken und Caspar von seinem eingeschlagenen Weg abzubringen...ihn zu retten, von...von, was auch immer er denkt, dass er an der Seite von Edelgard zu kämpfen hat.“ „Ich...“, aber Ferdinand unterbrach ihn harsch. „Es ist deine einzige Chance, Linhardt. Schmeiß sie nicht fort. Ansonsten wirst du...es gibt kein Zurück ab einen bestimmten Punkt.“ Die letzten Worte kamen mehr als ein gebrochenes Krächzen von Geräuschen aus Ferdinands Mund, anstatt als verständliche Artikulation. Und Linhardt sah den immerzu strahlenden Ritter neben ihm, mit Dreck und Blut besprenkelte, wie er den Leichnam von Petra hielt, welche er Momente zuvor mit seiner eigenen Waffe durchbohrt hatte. Wie er mit seinen eigenen sonst perfekt sauberen Händen, ein Grab für sie und Bernadetta schaufelt. Wie er den Sonnenuntergang nach einer einsamen Nacht mit frischer, aufgewühlter Erde und den Geistern der Vergangenheit fragte, ob Hubert und er auch nur den Hauch einer gemeinsamen Zukunft haben hätten können, wenn er nur etwas mutiger und weniger sturer zu ihrer Schulzeit gewesen wäre. „Ich bin kein Kämpfer, sondern ein Heiler“, antwortete Linhardt dem gebrochenen Mann neben sich, der ihm ein trauriges Lächeln schenkte. „Vielleicht ist das genau das, was du uns voraus hast, Linhardt.“ - Aus der Ferne beobachtete Linhardt, wie Byleth im Kampf mit Caspar verschlungen war. Neben ihm brüllte Claude einen Befehl. Irgendwo in der Ferne benötigte einer seiner Kameraden Heilung. Sein Herz raste wie verrückt in seinem Brustkorb und egal wie oft er auf dem Schlachtfeld stand, seine Beine wollten stets nachgeben. Schweiß rannte seinen Nacken hinab und er versuchte sich auf die Magie, auf den Spruch zu konzentrieren, der einen seiner Freunde das Leben, zumindest für einige qualvolle Minuten mehr, das Leben retten würde. Doch alles worauf er sich fixierte, war der Kampf zwischen Byleth und Caspar. Steine flogen umher, als Caspar nach Byleth schlug und diesen verfehlte, worauf er nur den bloßen Boden traf. Wann ist er so stark geworden, dass seine Fäuste Stein zerbrechen können? Byleth nutzte die Gelegenheit, um sein Schwert in Richtung Caspar zu schwingen. Und Linhardt realisierte in kalter Panik, dass er ihn treffen würde. Das Caspar zu langsam sein würde, weil seine Deckung viel zu offen war. Doch irgendwas ließ Byleth seinen Schwung umlenken und die Spitze saust dicht an Caspars Kopf vorbei. Erst dann realisierte Linhardt, dass er geschrien hatte und es wohl genau das war, was Byleth in der letzten Sekunde an sein Versprechen erinnert hatte. „Bitte, töte ihn nicht, wenn du kannst“, hatte Linhardt leise Byleth angefleht, bevor sie ihren Ansturm auf die Feste begonnen hatten – und dieser hatte nur einmal kurz genickt. Jetzt war es an Caspar, erneut in die Initiative zu gehen. Dieser nutzte die Lücke, die in Byleths Verteidigung durch den fehlgeleiteten Schwertschlag entstanden war und schlug abermals nach ihm. Byleth schaffte es nicht, dem Schlag komplett auszuweichen und es traf ihn an der Schulter. Durch die immense Wucht fiel er zu Boden. Sofort nahm Caspar die Chance wahr und schlug ein zweites Mal zu. Entsetzt beobachtete Linhardt paralysiert dem Schauspiel und für eine grausige Sekunde glaubte er, sein eigener Egoismus hätte dazu geführt, dass Byleth durch die Hand seines Kindheitsfreundes starb. Jedoch im letzten Moment sammelte Byleth all seine Kraft, um mit seinen Beinen geschlossen nach Caspar zu treten, diesen in der Brust zu treffen und ihn rücklings über die zerbrochene Absperrung zu befördern. Kurz sah Linhardt noch, wie Caspar die Brüstung versuchte zu greifen, bevor er aus seinem Sichtfeld irgendwo in die Tiefe fiel. Es war per se keine Erleichterung die sich bei diesem Ausgang des Kampfes in Linhardt ausbreitete, aber ein Funken Hoffnung, dass seine Chance noch nicht vergangen war. Dann ertönten panische Rufe um ihn herum. Als die massiven Lichtspeere die uneinnehmbare Festung leichtfertig wie Papier auseinanderrissen, wurde ihm bewusst, dass er aufhören musste, davon zu rennen. - Bedacht bahnte Linhardt sich seinen Weg durch die Überreste der Festung Merceus. Still fragte er sich, ob nach dem Krieg überhaupt noch genug von ihrem Kontinent übrig war, was sie bewohnen konnten, wenn es so weiter ging. Wobei der Gedanke weniger finster war, wenn er sah, wie Leute sich gegenseitig mit Verletzungen halfen und Soldaten, fremd oder nicht, gemeinsam anpackten. Jedoch erblickte er auch zerdrückte Körper oder Blutlachen unter den Trümmern und obwohl er nicht zu genau hinschauen wollte, tat er es dennoch, immer mit der unterdrückten Befürchtung, dass es die Person war, die er so vergeblich in diesem Chaos suchte. Seine Suche kam zu einem Ende, als er Caspar auf einer fast zerbrochenen Treppe fand, eingesunken und untätig vor sich hinstarrend. Unschlüssig blieb Linhardt stehen und musterte ihn. In den letzten fünf Jahren war Caspar allem Anschein nicht sonderlich mehr gewachsen, aber seine Statur war definitiv muskulöser und kantiger geworden. Wobei nichts davon zu sehen war, sondern nur ein junger Mann, der jeglichen Lebenswillen verloren zu haben schien, weil er für etwas gekämpft hat, was niemals sein Herz ergriffen hatte. Ein Geist dessen, was sein jüngeres Ich einmal gewesen war. Wie immer war es Caspar, der die Stille zwischen ihnen brach. Dieser hatte jetzt aufgeschaut und mit müden Augen blickte er Linhardt direkt an. „Es scheint so, als hätte ich wohl verloren, hm? Kein Lied wird hierüber gesungen.“ „Nein“, erwiderte Linhardt kalt, „an dieser Schlacht war nichts ruhmreiches oder ehrenhaftes, worüber man singen sollte.“ Caspar zuckte etwas bei den harschen Worten zusammen und senkte den Kopf erneut, starrte irgendwo zwischen seine eigenen Füße. Sofort tat es Linhardt leid, aber er konnte nicht verschweigen dass er wütend auf Caspar war. Für seinen Anteil an diesem Konflikt und darauf, dass er sich für Edelgards Seite entschieden hatte. „Ist das der Ruhm und die Ehre, die du so sehr wolltest, Caspar? Das hier?“ Caspar atmete tief ein und fuhr sich dann erschöpft mit seiner Hand übers Gesicht, wobei er den Staub und das getrocknete Blut, welches an ihm wie eine zweite Haut klebte, nur noch mehr verschmierte. „Ich habe nur...“, er stockte, schüttelte den Kopf. „Möglicherweise ja, am Anfang zumindest. Später? Keine Ahnung...später war es einfach nur noch einfach...kämpfen, vermute ich.“ Tonlos lachte er kurz auf. „In unseren Bücher hat sowas immer besser geklungen, nicht wahr? Glorreicher und gut.“ Erneut stockte er und deutete dann schlaff einmal auf das Chaos um sie herum. „Weniger grotesk und sinnlos.“ „Natürlich klang es in den Büchern besser. Weil es Bücher waren. Geschichten, die fernab von der Realität sind. Die alles stets ausschmücken und schön erklingen lassen. Keiner will über das hier lesen.“ „Ah, da hast du wohl recht...“, erneut hob Caspar den Kopf und warf Linhardt ein gequältes Lächeln zu, „...ich war wohl wieder einmal ein leichtgläubiger Idiot, was das anbelangt.“ Darauf erwiderte Linhardt nichts und ließ den Anderen in seiner eigenen Erkenntnis schmoren. „So“, fing Caspar nach einigen Minuten Stille an, was Linhardt auf eine sonderbare Art an seinem Herzen zog, „wirst du jetzt..?“ Der Jüngere beendete die Frage nicht vollständig, aber auch so verstand er, was er damit andeuten wollte. Wobei ihm der Gedanke erschreckte, dass Caspar glaubte, dass er ihm sowas antun könnte. Zwischen ihnen waren allem Anschein nach nicht nur die Jahre zerbrochen. Jedoch weigerte er sich, die Tatsache zu akzeptieren und schob gegen seine Natur, jegliche Logik von sich. „Dich zu einem Kriegsgefangenen machen? Genau das werde ich tun.“ Überrascht schnaufte Caspar. „Kriegsgefangener? Linhardt, ich glaube nicht, dass es so funktioniert, wenn man...“ „Du bist ein Bergliez und ein wichtiger Kommandeur von Edelgard, zwei Aspekte warum du uns als Gefangener mehr nützt, als eine Leiche in einem Graben.“ „Aber-“ „Caspar, von uns beiden bin ja wohl ich besser bewandert darin, wie wir mit überlebenden Feinden umgehen.“ Darauf erwiderte Caspar nichts mehr, sondern war ihm nur einen Blick zu, den er nicht einordnen konnte. „Wenn du meinst...“, gab Caspar schließlich auf und protestierte nicht weiter. Abermals senkte sich Stille zwischen ihnen, woraufhin Caspar ihn nur abwartend anstarrte. „Willst du mich nicht irgendwie fesseln? Zumindest meine Hände?“, fragte Caspar. „...nicht nötig.“ „Du weißt, dass ich ein Nahkämpfer bin, der mit seinen Fäusten alles zertrümmern kann, richtig?“ „Oh, wie überaus gefährlich. Besonders so eine Drohung auszusprechen, wenn dich innerhalb von Sekunden mehrere Waffen durchbohren könnten, wenn du auch nur ansatzweise Widerstand leistest.“ Caspar runzelte die Stirn darauf. „Linhardt, bist du dir sicher, dass du dieses ganze Gefangene-Ding schon einmal gemacht hast?“ „Wie wäre es, Caspar, wenn du mir die Details überlässt und jetzt einfach den Mund hältst?“ „Ich sage ja nur, dass – hey, was machst du jetzt?!“ Linhardt wusste nicht, ob es die unterschwellige Vertrautheit des Gespräches gewesen war, aber seine Beine hatte sich von alleine bewegt und die letzte Distanz zwischen Caspar und ihm beseitigt. Von Nahen konnte er dessen viele Schürfwunden erkennen, dort, wo die Rüstung ihn nicht hatte vor dem Kollaps der Festung beschützen können. Sein Hauptaugenmerk lag jedoch auf die tiefe Schnittwunde an Caspars linker Schläfe, die eindeutig von Byleths Klinge stammte. Manchmal fragte sich Linhardt, ob Byleth von all den ehemaligen Schülern und Freunden träumte, die ihr Ende an dem spitzen Ende seiner Klinge fanden oder ob sie nur eine weitere Stufe auf der eigen Treppe des Lebens für ihn waren. „Dich heilen“, beantwortete er Caspars frage nüchtern. „Heilen? Bist du dir wirklich, wirklich, wirklich sicher, wie man mit Kriegsgefangenen umgeht?“ „Du kannst kaum einen Muskel mehr rühren, richtig?“ „...möglich.“ „Daher das heilen. Denn ich werde dich sicher nicht bis zu unserem Lager schleppen. Urgh, das wäre viel zu anstrengend und würde meine Nase beleidigen.“ Darauf lachte Caspar kurz auf, was Linhardt still darauf hoffen ließ, dass der „alte“ Caspar noch irgendwo in ihm steckte. Oder zumindest der Caspar, der munter, energisch und voller Enthusiasmus in alle möglichen Situationen rennen würde, ohne dabei die Last eines Krieges auf den Schultern zu tragen. Ohne erneut zu protestieren, ließ Caspar ihn gewähren. Die Magie floß warm durch seine Fingerspitzen, welche die Stirn von Caspar berührten. Es war nicht unbedingt notwendig den Anderen zu berühren, doch er hatte dem Drang nicht widerstehen können. Vielleicht nur um sicherzugehen, dass er nicht mit einer Illusion sprach, die ihn genügend in seinen Träumen neckte und verfolgte. Während Linhardt verfolgte, wie sich das Fleisch erneuerte und schloss, wo es einst eine klaffende Wunde bildete, blieb Caspar ruhig, fast schon teilnahmslos sitzen. Erst als er fast fertig war, verschaffte sich der Andere Gehör. „...deine Heilung war immer die Beste.“ Verdutzt hielt Linhard inne, blinzelte einige Male. „Warm und...wie Zuhause. Wie, wenn wir im Sommer durch eure Wälder und Wiesen streiften. Wenn wir...einfach nur in der Sonne dalagen...und alles heil und langsam war. Und wir...wir einfach nur...wir waren...wenn wir…..Lin….es tut mir so Leid. So, so, so leid.“ Es dauerte einige Sekunden bis Linhard begriff, dass Caspar angefangen hatte zu weinen. Dieser krümmte sich zusammen, verschränkte seine Arme schützend über seinen Kopf und ließ Wellen von Schluchzen und halb erstickten Lauten von sich. Linhardt hätte ihn trösten können. Hätte ihn in den Arm nehmen können oder eine andere Geste schenken können, die man tat, wenn man jemanden beruhigen wollte. Hätte ihm erzählen können, dass alles wieder gut werden würde. Doch dann hätte er ihn angelogen und wenn Caspar eines niemals gemocht hatte, wenn man ihn anlog und Dinge verschönerte. Daher schwieg Linhardt nur und sah dabei zu, wie sein ehemaliger bester Freund allein gegen die Dämonen ankämpfte, die ihn für fünf lange Jahre geplagt hatten. - „Er gab sein eigenes Leben, damit seine eigenen Soldaten begnadigt werden“, teilte Linhardt Caspar mit. Dieser saß in der hintersten Ecke seiner Gefängniszelle und spielte mit dem Stroh, was als Unterlage für sein dürftiges Bett herhielt. Linhardt hatte einige, für ihn anstrengende, Diskussionen mit Claude darüber gehabt, wobei dieser meinte, dass sie zumindest den Anschein bewahren mussten, dass Caspar ihr Gefangener war. „Ich konnte ihn nie dazu bringen, auf mich stolz zu sein“, ging Caspar nach einer gefühlten Ewigkeit darauf ein. „Ist es schräg, wenn ich dafür auf ihn stolz bin?“ Linhardt seufzte nur und zuckte mit den Schultern. „Eventuell? Ich empfand deinen Vater stets….unangenehm. Daher halte ich mich aus jeglichen emotionalen Konflikt raus, den du gerade empfinden magst.“ Caspar schnaubte nur darauf. „Wenn du dich daraus halten möchtest, warum erzählst du es mir dann?“ Erneut zuckte Linhardt nur mit den Schultern. „Wer weiß...“ Es raschelte und Caspar erhob sich von seinem Platz. Aufmerksam beobachtete Linhardt ihm dabei, wie der Andere sich streckte und ein paar Mal auf und ab hüpfte. Als könnte er die Nachricht über den Tod seines Vaters einfach mit ein paar körperlichen Übungen abschütteln. Schließlich wandte er sich Linhardt zu, wobei er rasch den Drang widerstehen musste, reflexartig wegzuschauen. Was albern war. „Das bedeutet, dass ich jetzt frei bin, richtig?“ „Hm?“ „Nun...ich war meinem Vater als Soldat unterstellt. Damit bin ich auch frei, richtig?“ Linhardt öffnete den Mund, um automatisch Caspar zu widersprechen, hielt jedoch inne. Kurz überlegte er und legte den Kopf leicht schief. „Der Logik folgend, dementsprechend ja. Du bist frei von jeglicher Schuld...vorerst.“ Grinsend trat Caspar daraufhin auf die Zellentür zu. „Na dann wird es höchste Zeit mich rauszulassen. Ich drehe hier sonst noch ab!“ Linhardt seufzte nur und rieb sich mit Zeigefinger und Daumen den Nasenrücken. „Was? Was hab ich jetzt falsches gesagt?!“ - Die Siegesfeier war im vollen Gang. Die Halle der Akademie war wie damals zu ihrem Ball hell erleuchtet und erstrahlte fast schon golden. Einige Leute spielten diverse Lieder, worauf die Feiernden tanzten oder fröhlich mitgröhlten. Andere sorgten für ständigen Nachschub von Essen und insbesondere Alkohol, der in rauen Mengen getrunken wurde. Und gelacht. Es wurde gelacht und gelacht, sich umarmt und noch mehr gelacht. Linhardt schaute von einer Ecke des Saals dabei zu, wie seine Freunde und Gefährten endlich all die dunklen Jahre hinter sich ließen – und wenn nur für einen Abend bis sie das Chaos, was in Fódlan herrschte, wieder mit viel Geduld und Mühe in Ordnung bringen mussten. Persönlich würde er lieber verschwinden und den Sieg in Ruhe genießen, aber Ferdinand - und überraschenderweise Marianne - hatten auf seine Anwesenheit bestanden. Wobei keiner der Beiden mehr zu sehen war. Gerade als er mit dem Gedanken spielte, sich von der Feier wegzuschleichen, um ein wohlverdientes Nickerchen einzulegen, gesellte sich jemand neben ihm. „Bombastische Feier, huh?“ Begrüßte ihn Caspar. Genervt schnalze Linhardt nur mit der Zunge. „Wenn du damit laut und betrunken meinst, dann ja.“ „Du weißt schon, dass das zwei von drei Zuständen sind, die eine gute Feier ausmachen, richtig?“ „Leider ja.“ Der Jüngere hob nur aufgebend die Hände und schüttelte ungläubig den Kopf. „Was würden sie nur ohne dich als Partymonster tun?“ Fragend hob Linhardt eine Augenbraue. „War das...Sarkasmus? Von dir?“ Aus dem Augenwinkel vernahm er, wie Caspars Ohren rot anliefen und dieser die Arme schützend vor der Brust verschränkte. „Was? Manchmal kann ich mithalten. Ich bin kein so großer Idiot, wie du es in deiner schlauen Welt denkst.“ Linhardt verkniff sich das Kommentar, dass Caspar gesamter Satz keinerlei Sinn ergab, sondern nippte nur an seinem Weinglas. „Betonung auf manchmal.“ „Argh, du bist unmöglich!“ Erneut wollte Linhardt dem Anderen etwas an den Kopf schmeißen, als er ihn das erste mal an diesen Abend genau ansah. Verwundert hielt er inne, als er bemerkte, dass der Jüngere in voller Reisebekleidung und mit einem vollgestopften Sack neben ihm stand. „Du...warum bist du so gekleidet?“ Verunsicherte kratzte Caspar sich am Kinn, bevor er vorsichtig antwortete: „Nun, ich dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt zu...verschwinden?“ Etwas in Linhardts Inneren zog sich zusammen. „Verschwinden? Wohin?“ Caspar zuckte nur mit den Schultern. „Überall und nirgendwohin? Einfach reisen und die Welt sehen, denke ich...“ „Oh...“ „Yeah...“ „Ich meine, ich werde eh nicht wirklich benötigt, oder? Und es ist nicht so, als könnte ich groß bleiben. Außerdem ist dieses ganze politische Zeug noch nie meins gewesen und mit Claudes Vorstellungen...nun, da ist das meine beste Option.“ Linhardt nickte nur und nahm einen tiefen Schluck seines Weines. „Also rennst du in einer Nacht und Nebel-Aktion heimlich davon? „Ich renne nicht davon!“, protestierte Caspar zugleich und Linhardt war froh, dass er damit die angespannte Konversation etwas lockerte. „Während alle feiern, packst du deine sieben Sachen ohne Abschied zu nehmen...wobei du es nicht sehr subtil tust, mit inmitten des Saals mit allem stehen, muss ich zugeben.“ „Weil ich nicht davon schleiche!“ „Sicher, sicher. Rede dir das nur ein.“ „Urgh, ich rede mit dir nicht mehr darüber!“ Bedauernd musste Linhardt feststellen, dass er sein Weinbecher innerhalb der letzten Sekunden komplett geleert hatte. Er sollte losgehen und sich neuen einschenken und eventuell wenn er wiederkam, würde er nicht den Drang verspüren, Caspar an Ort und Stelle niederzuschlagen, damit dieser für ewig an der Stelle verweilte. Er runzelte die Stirn. Was zur Hölle dachte er da? Warum würde er- „So“, unterbrach ihn Caspar in seinem Gedankenkarusell, auf die Art und Weise, wie er immer dann anfing, wenn er eine wichtige Frage stellte, ohne sie explizit zu stellen. „Was möchtest du machen?“ „Hiernach?“, wiederholte Linhardt etwas dümmlich. „Nach der Feier?“ „Nun, ja? Allgemein?“ „Oh, nun, Byleth und Claude dabei helfen Fódlan in Ordnung zu bringen.“ „Klingt nach Arbeit.“ Linhardt rumpfte nur die Nase. „Wem sagst du das.“ Stille senkte sich zwischen ihnen. Caspar öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. Dann kratzte er sich im Nacken und atmete einmal tief ein. „Nun...dann sollte ich mich wohl auf den Weg machen.“ „Oh, ja...ja, tu das.“ „Ich schreibe dir?“ Linhardt nickt nur auf die Frage und begutachtete den leeren Inhalt seines Weinbechers. „Okay, nun dann. Auf Wiedersehen...Linhardt.“ „Hm.“ Ein Herzschlag. Noch einer. Ein weitere und Caspar entfernte sich von ihm. Sein Inneres vollführte schmerzhafte Purzelbäume und um ihn herum herrschte pure Freude. Wie betäubt schaute er auf in die Masse an Gesichter, die ihm bekannt und dennoch nicht fremder sein könnten. Und je länger er hier in der Ecke stand, desto weiter entfernte sich Caspar von ihm erneut. Und erneut wartete ein Leben auf ihn, wo die eine Person fehlte, die stets seine Ruhe durchbrach, aber ihm einen warmen Seelenfrieden schenkte. „Was möchtest du machen?“, wiederholte Linhardt leise die Frage von Caspar. Er runzelte die Stirn. „Mit dir reisen“, sprach er aus. „Mit dir reisen“, wiederholte er die Worte, die er hatte eigentlich sagen wollen. „Mit dir gemeinsam die Welt sehen und Abenteuer erleben, du Idiot.“ Linhardt rannte los. - Perplex schaute Caspar ihm von seinem Pferd aus an. „Du hasst Rennen!“ „Danke fürs Erinnern...uff….lass mich….muss kurz atmen“, stieß Linhardt gequält hervor und fasste sich an seine stechende Seite. Dennoch konnte er sich ein triumphales Grinsen nicht verkneifen. Er hatte seine Chance dieses Mal nicht verpasst. - Zusammen auf einem Pferd reisen, stellte sich als unpraktischer heraus als angenommen. Schon nach zwei Tagen hatte Linhardt mehr als genug von steifen Armen und einem Hintern, der normalerweise stundenlanges Sitzen gewöhnt war, aber auch an seine Grenzen kam. Die Diskussion, die darauf folgte, war ebenso schmerzhaft – jedoch eher für Linhardts Kopf. „Wie kann man ohne Gold auf Reisen gehen?“ Verteidigend verschränkte Caspar die Arme vor der Brust. „Es ist nicht so, als hätte ich großen Reichtum nach dem Krieg übrig gehabt!“ Jetzt deutete er anklagend mit dem Zeigefinger auf Linhardt, der aufgrund der Geste die Nase rümpfte. „Außerdem bist du auch ohne jegliches Hab und Gut losgerannt!“ „Weil ich der Annahme war, dass du ausreichend für alles gesorgt hast. Zumal meine Entscheidung spontan war.“ „Das ist nicht besser als meine Ausrede!“ „Also gibst du zu, dass es eine Ausrede ist und du nur nicht mitgedacht hast?“ Ein frustrierte Laut entglitt dem Anderen und er warf aufgebend die Arme in die Höhe, womit die Diskussion vorerst ihr Ende fand. Im nächsten Dorf, welches nicht nur aus gerade Mal vier Häusern, sondern auch einem Hof und einem Gasthof bestand, entschieden sie sich, ihr Pferd zu Gunst von etwas Gold und Essen zu verkaufen. „Schau nicht so, besser das als weiter einen wunden Hintern“, kommentierte Caspar Linhardts säuerliche Miene. Dieser seufzte nur schwer bei dem Gedanken zu Fuß weiterzureisen. Es war am Ende nicht besonders viel, aber soweit genug, dass sie einige Tage damit über die Runden kommen würden, bevor sie das nächste Dorf erreichten. Wobei Linhardt auch den starken Verdacht hegte, dass Caspar das Pferd den Dorfbewohner für ein Apfel und Ei überließ, da sie kaum selbst etwas hatten und all ihre Pferde, welche sie sonst zum Bestellen der Pferde oder andere Tätigkeiten genutzt hatten, ihnen wegen des Krieges abgenommen wurden. Am nächsten Morgen brachen sie nach einem spärlichen Frühstück im Gasthof auf, jedoch als die Mittagshitze einsetzte, bereute Linhardt es jemals sich über einen Pferdehintern beschwert zu haben. Caspar warf ihm einen Blick über die Schulter zu, nachdem ihm das leise Ächzen von Linhardt auffiel. „Soll ich dich Huckepack nehmen?“ „Wage es nicht, Caspar“, drohte er als Antwort zurück, wobei es seine Wirkung verlor, da er zwischen jeden Wort nach Atem ringen musste. „Warum nicht? Du wiegst fast nichts. Früher haben wir das ständig gemacht.“ „Yeah, ich erinnere mich mit Freude daran“, erwiderte Linhardt trocken, worauf Caspar amüsiert Kicherte. „Eventuell bist du ein oder zwei Mal nass geworden, wenn wir es nicht über den Fluss geschafft haben.“ „Wie wäre es mit immer? Es hat Wochen gedauert, bis ich den Geruch von Fisch aus der Nase hatte.“ „Ha, stimmt! Du hast gerochen wie ein Verkäufer am Fischerstand!“ „Hahaha, jaaaa, so witzig, so eine tolle Erinnerung, kann mich kaum halten vor Lachen...“, auf Linhardts säuerliche Worte hin, schüttelte Caspar sich vor lachen. Obwohl die Erinnerung alt und lange her war, erfüllte sie Linhardt dennoch mit einer Wärme, da sie zumindest Caspar zu erfreuen schien. „Hey, da drüben scheint ein guter Platz zum Rasten zu sein“, Caspar zeigte einiger Meter abseits der Straße auf eine offene Stelle mit einem umgestürzten Baum, der als notdürftige Bank erhalten konnte. Zwar war es nicht unbedingt Linhardts liebster Komfortstandart, da ihn aber seine Füße fast umbrachten, beschwerte er sich nicht. Während sie Trockenfleisch und Obst verspeisten – wobei Linhardt seinen Unmut darüber verlauten ließ und Caspar ihn aufzog, wie er die letzten fünf Jahre bitteschön überhaupt überlebt hatte mit so einer pingeligen Einstellung – vernahmen sie nach einiger Zeit das Klappern eines Holzkarren. Aufmerksam schauten sie hoch, bis sie den Ursprung ausmachten, was ein Bauer war, der allem Anschein Heu transportierte. „Oh, ich hab eine Idee!“, bevor Linhardt nachfragen konnte, war Caspar schon aufgesprungen und auf den Bauern zugerannt. Von Weitem beobachtete er, wie der Jüngere den Bauern aufhielt und wild gestikulierend ihm irgendwas erzählte. Ein paar Minuten später drehte Caspar sich wieder in seine Richtung und winkte ihn heran. Seufzend packte Linhardt ihre Sachen zusammen. „Hoffentlich müssen wir nichts dafür bezahlen“, grummelte er leise. Tatsächlich hatte der Bauer zugestimmt sie mitzunehmen, wenn sie am Ende ihm dabei halfen, das Heu vom Karren zu schleppen und ihn für einen Tag auf dem Feld zu helfen. Auf Linhardts begeisterten Blick hin, grinste Caspar nur und zuckte mit den Schultern. „Besser als zu laufen, nicht? Außerdem ein warmes Bett und zwei Mahlzeiten klingen auch nicht schlecht.“ Alles was Linhardt ihm als Antwort gab, war ein genervtes Seufzen. Das Rütteln des Karren auf der unebenen Straße war nicht besonders angenehm, dennoch polsterte das Heu es einigermaßen ab und bald schon erwischte sich Linhardt sich wie er anfing, wegzudösen. Sein Nickerchen wurde jedoch von einem plötzlichen Fußtritt gegen sein Bein gestört. Genervt öffnete er eins seiner Augen und schaute auf den Übeltäter vor sich. Caspar grinste ihn nur breit an, während er breitbeinig auf einen der Heuballen saß. „Langeweile?“, fragte er genervt. „Etwas“, gab Caspar zu, worauf Linhardt den Kopf schüttelte. „Ich dachte wirklich, dass du langsam mal erwachsen geworden wärst.“ „Hm“, erwiderte Caspar nur und sagte dann eine ganze Weile nichts mehr, sondern starrte nur irgendwo in die Ferne. Als Linhardt sich schon entschuldigen wollte, weil ihm Schuldgefühle einholten, kam ihm der Andere zuvor. „Wenn ich in deiner Nähe bin, dann fühlt sich alles...einfacher an?“ Caspar runzelte die Stirn. „Ich meine, alles ist irgendwie angenehmer und besser. Es ist so als könnte ich einfach ich sein und ich bin...glücklich?“ Jetzt kratzte er sich verlegen am Hinterkopf. „Ah, das macht keinen Sinn. Ich bin wirklich nicht gut mit sowas.“ Jedoch verstand Linhardt es nur zu gut, erging es ihm genauso. Sogar wenn er es nicht verbal verständlich ausdrückte, war sein rasendes Herz und die Schmetterlingen in seinem Bauch ein mehr als deutliches Zeichen dafür, wie es ihm in Caspars Gegenwart erging. Auch nach all den Jahren der Trennung – oder vielleicht genau deswegen erst so verstärkt und deutlich. Statt es aber auszusprechen, nahm Linhardt nur eine handvoll vom losen Streu und warf es in Caspars Richtung. „Sentimentaler Fleischbrocken.“ „He-Hey!“ „So lahm.“ „Ich zeig dir lahm!“ Auf Caspars Schlachtruf hin dauerte es nur einige Sekunden bis dieser ebenso Heu nach ihm warf. „Hey Jungs, schmeißt ihr meine Ware umher?!“ Ertönte es von dem Bauer, der den Tumult hinter sich mitbekam. „Ah, natürlich nicht“, log Linhardt, worauf Caspar ihn ein spitzbübisches Grinsen zuwarf. Die letzten fünf Jahre waren die schwersten seines Lebens gewesen, nicht wissend, ob jeder Tag sein letzter sein würde. Ob er in der nächsten Schlacht fallen oder unter der schieren Anstrengung zusammenbrechen würde. Und auch jetzt war er sich nicht sicher, ob die Alpträume von so viel Blut und verbrannten Fleisch jemals aufhören würden. Oder sie jemals wieder so sein konnten, wie sie es vor all dem gewesen waren. Neben sich spürte er wie Caspar sich an seine Seite legte und er schloss die Augen. Wie immer dauerte es nicht lange bis der Andere die Stille durchbrach. „Wir sollten dir ein Buch besorgen.“ „Warum? Damit ich dir daraus vorlesen kann?“, fragte Linhardt amüsiert. „...yeah. Linhardt lächelte. „In Ordnung.“ Eine zernarbte Hand legte sich auf seine und Linhardt zögerte keine Sekunde den Griff zu erwidern. Lange Finger umschlossen raue Finger; Daumen strichen sanft und warm über die Rücken des Anderen und gaben sich ein stilles Versprechen. „Vielleicht sollte ich ein eigenes schreiben“, entließ er seine Idee laut. „Was schreiben?“ „Ein Buch.“ „Uh“, Caspar schwieg kurz. „Über was?“ Linhardt rollte sich auf die Seite, zog die fremde und doch so vertraute Hand zu seinem Brustkorb. „Über uns und unsere Abenteuer.“ „...dafür müsstest du mit mir um die Welt reisen, Linhardt“, erwiderte Caspar leise, fast so, als würde er es zu laut sagen, würde es ihm entschwinden. „Exakt du Idiot. Die ganze Welt wartet nur auf uns gemeinsam. So, wie wir es uns versprochen hatten.“ Caspar sagte darauf nichts weiter, drückte nur Linhardts Hand kräftiger und das war alles, was er als Antwort benötigte. Die Wärme des Sommers und die Gewissheit, dass er für unbestimmte Zeit neben Caspar aufwachen würde, lullten Linhardt schließlich in ein angenehmes Nickerchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)