Die Hoffnung von Aranii - Zerstörung - von abgemeldet (Preview) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Anna reichte Wolf eine Kanne mit Kaffee. „Danke. Womit habe ich so eine tolle Freundin nur verdient?“ Wolf steckte die Kanne in seinen Rucksack und beugte sich zu Anna rüber und gab ihr einen Kuss. „Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht.“, hauchte sie in den Kuss hinein, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang ihre Arme um seinen Hals. Wolf zog seinen Rucksack, der nun zwischen ihnen klemmte, heraus und legte seinen freien Arm um Anna. Sie spürte, wie seine kräftigen Hände sie an seine Brust drückten und ihr Herz begann zu rasen. Drei Jahre und sie sprang immer noch genauso auf ihn an, wie am ersten Tag. Der blonde Drei-Tage-Bart, der ihn noch unwiderstehlicher machte, kratzte Anna am Kinn. Mühsam zwang sie sich die Umarmung zu lösen und keuchte: „Wenn du nicht zu spät kommen willst, musst du jetzt los.“ Wolf strich sich mit dem Daumen über die Unterlippe. Gespielt beleidigt sagte er: „Tja, wenn du nicht möchtest…“ Lachend griff Anna nach den Schlüsseln auf der Arbeitsfläche und drückte sie ihrem Freund grinsend in die Hand. „Was ich nicht möchte ist, dass du wegen mir zu spät zur Arbeit kommst.“ Sie lachte. „Hopp hopp!“ Wolf grinste ebenfalls und beugte sich nochmal zu ihr hinüber. „Dann sehen wir uns am Donnerstag.“ Er gab Anna noch einen Kuss. Auf dem Weg zur Tür nahm er seine Jacke und warf Anna, die ihn von der Küchentür aus beobachtete noch einen verschmitzten Blick zu, den Anna kokett erwiderte. Dann zog er die Tür hinter sich zu. Anna verdrehte gespielt die Augen und ging zurück in die Küche. Sie hatte noch ein paar Minuten Zeit bevor sie zur Uni musste. Anna schaute über die chaotische Arbeitsfläche. Töpfe, Teller und diverse Pflanzen teilten sich den Platz. Dazwischen eine Kaffeemaschine die sich Tropfen für Tropfen füllte. Anna wandte der Arbeitsfläche den Rücken zu und hockte sich neben einen der vielen Umzugskartons, die in einer Ecke der Küche standen. In ein paar Tagen würde hier ein kleiner Esstisch für zwei stehen. Sie öffnete einen der Kartons, machte ihn aber nach einem prüfenden Blick wieder zu und öffnete den nächsten. „Ah, hier bist du!“ Triumphierend hielt sie ihre Thermoskanne hoch. Sie spülte sie aus und stellte sie dann neben die Kaffeemaschine. Ein Blick auf den Wassertank sagte ihr, dass es noch einen Moment dauern würde. Anna beschloss in der Zwischenzeit ein paar Sachen auszupacken. Sie ging ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster, welches zur Straße zeigte. Sie suchte den dunkelblauen Mercedes den Wolf fuhr. Er war nirgends zu sehen. Ein paar Kartons standen neben der Couch, die sie am Vortag mühsam in den zweiten Stock geschleppt hatten. Sie warf einen Blick in den ersten und sah sich dann im Raum um. Hier waren die meisten Möbel bereits aufgebaut. Auf der Kommode lagen Hammer und Stahlnägel. „Okay…“, flüsterte Anna nachdenklich und zog konzentriert die Stirn in Falten. Ohne das Bild in der obersten Kiste zu berühren bewegte es sich durch die Luft, an die Wand und wanderte dort erst nach oben, dann ein Stück nach links, dann wieder nach rechts. Zufrieden nickte Anna. Das Bild nahm ein wenig Abstand von der mintfarbenen Tapete und einer der Stahlnägel flog wie durch Zauberhand durch den Raum und auf die Höhe, in der das Bild schwebte. Er drückte sich in die Wand, gefolgt von dem Bild. Genau dasselbe passierte mit fünf weiteren Bildern. Als Anna die Uhr aufhängen wollte schreckte sie zusammen. Wolf kam nicht zu spät, aber wenn sie sich jetzt nicht beeilte würde sie zu spät zur ersten Lesung kommen. Anna schnappte sich ihre Umhängetasche und stopfte Smartphone und Schlüssel hinein. Nicht dass sie letztere brauchte, aber niemand kannte ihr Geheimnis und Anna wollte, dass es so blieb. Während sie in ihrer Tasche wühlte und die Bücher auf Vollständigkeit prüfte, kippte die Kaffeekanne selbstständig ihren Inhalt in die Thermoskanne, die sich, ebenfalls von selbst, verschloss und in Annas Reichweite flog. Anna warf noch einen Blick in den Spiegel über dem Schuhschrank und blaue, leuchtende Augen blickten ihr daraus entgegen. Der erste Tag des neuen Semesters. Sie konnte es kaum erwarten. Und endlich war der Weg nicht mehr so weit. Statt den Zug zu nehmen, wie im letzten Jahr, schloss Anna unten am Haus ihr Fahrrad auf und schwang sich darauf. Warme Luft schlug ihr entgegen und blies ihr das Haar ins Gesicht. Anna trat kräftig in die Pedale und bog an der nächsten Kreuzung ab. Sie genoss den Wind, der an ihrer Kleidung zerrte. Ein Blick in den Himmel zeigte Anna ein strahlendes Blau, ohne auch nur den kleinsten Flecken weiß. Bis eine Möwe in ihr Blickfeld flog und höhnische Laute von sich gab. Anna schmunzelte, als sie die Möwe dabei beobachtete, wie sie mit stierendem Blick die Passanten beobachtet. Insbesondere jene mit einem Frühstücksbrötchen in der Hand. Anna brauchte nur 10 Minuten mit dem Rad zur Universität. Ihr Smartphone verriet ihr, dass sie es gerade noch rechtzeitig schaffen würde. Vor einer Rasenfläche befanden sich die Fahrradständer. Anna stellte ihr Rad ab und kniete sich hin, um das Schloss um Reifen und Ständer zu machen. Sie wollte gerade wieder aufstehen, als sie einen Regenwurm sah, der eindeutig in die falsche Richtung kroch. Sein Weg würde ihn immer weiter auf die gepflasterte Fläche führen. Vorsichtig nahm Anna den Irrenden zwischen die Finger und legte ihn ein gutes Stück hinter der Kante des Rasens wieder ab. Sie stand auf, rückte die Tasche zurecht und stiefelte zur ersten Vorlesung des Tages. Alle anderen hatten bereits ihre Plätze eingenommen und auch der Dozent stand bereits vorne und ordnete seine Unterlagen. Anna setzte sich auf den erstbesten Platz und wühlte in ihrer Tasche nach dem richtigen Buch. Zwischen „Mathematik für Ingenieure“ und „Physik Formelsammlung“ fand sie, was sie suchte: „Lehrbuch der technischen Mechanik“ „Psst. Hey Anna!“ Anna wandte sich nach links. „Oh. Hi Sarah.“, gab Anna zurück. „Wie geht’s dir? Hast du die Semesterferien gut verbracht?“ Sarah nickte eifrig. „Hab ich.“ Anna überlegte kurz. Sie hatte sich vor den Ferien kurz mit Sarah in der Mensa unterhalten, während beide in der Schlange standen, um ihr Mittagessen zu bezahlen. „Du wolltest doch einen Ferienjob annehmen, oder?“. Bruchstückhaft kehrte die Erinnerung an das, eher einseitige, Gespräch zurück. „Richtig! Das hat auch geklappt. Ich habe die ganzen Ferien über gearbeitet und kann mir im Winter nun endlich den Urlaub in Tirol leisten. Stefanie, Natalie und Andrea haben ebenfalls ihr Geld zusammen. Möchtest du nicht doch mitkommen? Dann können wir uns alle näher kennenlernen. Ich denke das ist eine gute Idee. Nicht, dass ich das negativ meine, aber du bist schon ziemlich oft allein. Wir sehen dich kaum mit anderen reden und in den Pausen bist du auch immer allein. Weißt du, wir dachten uns, dass du vielleicht zu schüchtern bist und daher wollten wir die Initiative ergreifen. Weißt du, das geht auf jeden Fall klar. Ich habe mit den anderen darüber geredet. Sie würden sich ebenfalls freuen, wenn du mitkämst.“ Bitte was?! Anna blieb fast der Mund offenstehen. Ja, sie hatte hier keine Freunde. Und überhaupt hatte sie nur Wolf und ihren Opa. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie ein gesellschaftlicher Sozialfall war. Sie hatte ihre Gründe. Anna biss sich auf die Zunge. So viel Anmaßung war schwer zu verkraften, ohne gepfeffert darauf zu antworten. „Das ist,“, Anna holte tief Luft, „sehr nett, aber ich denke ich werde Weihnachten lieber mit meinem Freund verbringen.“ Sarah hatte eindeutig eine andere Antwort erwartet. Ihr Lächeln war wie weggewischt und eine Spur kälter sagte sie: „Es ist ja deine Entscheidung. Niemand möchte dich dazu zwingen. Wir hätten uns lediglich gefreut.“ „Ja, ähm.“ Anna rieb sich das Ohrläppchen. „Vielleicht nächstes Mal. Weihnachten ist so ein Ding zwischen meinem Freund und mir.“ Sarah ließ sich nicht zu einer Antwort herab und dankenswerterweise eröffnete Professor Goltz den Unterricht. Dvoraks ‚Poco lento e grazioso‘ erklang. Anna blieb nur wenige Schritte vor ihrem Rad stehen und begann eilig in ihrer Tasche nach dem Telefon zu kramen. Nach einer kurzen Sucherei in den gefühlt unendlichen Weiten ihrer Tasche fand sie es und nahm den Anruf an. „Hallo Opa!“, strahlte sie ins Telefon. „¡Hola, señorita! ¿Cómo estás?“ kam es ebenso überschwänglich zurück. „Ähm…gut?“ Ben Schmitz lachte: „Ist dein Spanisch noch nicht so gut?“ „Es liegt eher an deiner grauenhaften Aussprache.“, feixte Anna und fragte: „Wie ist das Wetter auf Palma?“ „Bestens!“ Anna hörte die Sonne bis zu sich strahlen. „Wir haben letzte Woche einen Ausflug auf die andere Seite der Insel gemacht und das Castell de sa Punta de n’Amer besichtigt. Es war grandios mien Deern!“ Anna schmunzelte. Ihr Großvater musste dieses Schloss, und vermutlich alle anderen auf der Insel, bereits ein Dutzend Mal besucht haben. „Dann bist du mit deinem Senioren-Club gefahren?“ Ein herzliches Lachen erklang und Ben antwortete: „Natürlich! Dafür ist unser Club schließlich da.“ Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „Übrigens haben wir zwei neue Mitglieder. Eine davon ist nicht von schlechten Eltern. Das kannst du mir glauben.“ „Opa, bitte!“, Anna schüttelte sich lachend. „Mehr möchte ich gar nicht wissen!“ „Schon gut, ich werde dich nicht mit meinen Liebschaften behelligen.“ Annas Großvater räusperte sich und fragte: „Ich habe eigentlich nur angerufen, um zu fragen, wie es dir und Wolf geht. Seid ihr gut angekommen?“ Anna nickte: „Ja, die ersten Kartons habe ich schon angefangen auszupacken. Aber es wird wohl noch einige Tage dauern bis alles seinen Platz gefunden hat.“ „Ja, das glaube ich. Ich bin froh, dass ich nur noch einmal in meinem Leben umziehen muss und der Weg führt direkt über einen Kombi mit getönten Scheiben zu meiner Marie.“ „Findest du das nicht etwas morbide Opa?“, rügte Anna mit verzogenem Mund. „Ach mien Deern. Wenn du erstmal so alt bist wie ich wirst du bestenfalls ebenso zynisch wie ich, was dieses Thema betrifft.“ Er sagte es ohne herablassend zu klingen. Anna schüttelte den Kopf: „Lass uns das Thema wechseln.“ Sie schob den Gedanken an ihren Großvater auf dem Sterbebett beiseite. „Gut. Was macht die Uni?“, zuversichtlich das dieses Thema weniger Unbehagen auslösen würde wartete er auf die Antwort. „Wunderbar! Wir haben uns heute unter anderem mit Verfahrenstechnik beschäftigt. Und ich freue mich auch schon darauf, wenn wir die Werkstoffe drannehmen. Es ist immer wieder unglaublich, wie alles funktioniert. Ich habe gestern erst in einem Buch über die physikalischen Grundlagen der Akustik gelesen. Das war faszinierend! Wenn man bedenkt, dass es einfach nur Moleküle sind, die bewegt werden und die wir verarbeiten. Naja, und die Einflüsse von Wasser oder auch Räume muss man natürlich auch berücksichtigen.“ Anna begann über sich selbst zu lachen. „Aber das Thema ist viel zu umfangreich, um es hier zu erläutern. Zumal es dich bestimmt nicht interessiert. Auf jeden Fall muss ich zu dem Thema noch mehr lesen.“ „Ich bestehe darauf, dass du mir bei unserem nächsten Telefonat davon erzählst.“, forderte ihr Großvater. „Dolores erwartet mich nämlich am Pool.“ Anna antwortete in strengem Ton: „Musst du den armen Frauen denn immer den Kopf verdrehen?“ Doch noch bevor sie den Satz halb ausgesprochen hatte, umspielte ein Lächeln ihren Mund. Ihr Großvater war einfach unverbesserlich. „Aber natürlich mien Deern. Das Leben ist zu kurz, um sich über alles einen Kopf zu machen. Wir telefonieren nächste Woche.“, verabschiedete sich Ben von seiner Enkelin. „Machen wir.“ Anna klemmte das Telefon zwischen Ohr und Schulter und bückte sich, um das Fahrradschloss zu öffnen. „Und dann erzählst du mir alles von den Schlössern und Burgen.“ „Nur, wenn du nach all den Jahren meines Dozierens nicht müde bist.“ „Auf keinen Fall Opa! Ich höre dir gerne zu, selbst wenn du wieder von John de Courcy anfängst.“ Beide lachten und Anna spürte einen leichten Stich in der Brust. „Bis nächste Woche mien Deern.“ „Bis nächste Woche Opa.“, erwiderte Anna sanft. Anna holte Kopfhörer aus ihrer Tasche und stöpselte sie in ihr Smartphone. Nach kurzem Suchen fand sie ihre Lieblingsplaylist und die ersten Klänge von Yirumas ‚Because I love you‘ erklangen. Mit dieser Musik in den Ohren nahm Anna ihr Rad und beschloss kurzerhand die Stadt zu erkunden. Seit sie hier studierte hatte sie kaum mehr gesehen als den Weg von der Bahn zur Uni und zurück. Und Wolf würde sie heute auch nicht erwarten. Das Wetter war unverändert und die Sonne blendete Anna ein wenig, als sie die Straße, auf der sie gekommen war, einfach weiter entlangfuhr. Sie schaute sich zu allen Seiten um, spähte in jede Straße, an der sie vorbeikam. Die Gebäude waren sehr unterschiedlich. Teils waren sie alt, aus der Jahrhundertwende. Andere waren neueren Datums und störten oftmals das Bild einer Straße. Ohne Ziel fuhr Anna quer durch die Stadt. Auf dem Deich machte sie eine Pause und in einem kleinen Café nahm Anna Platz und bestellte Kaffee und ein Stück Kuchen. Begeistert beobachtete Anna alles, was sich in ihrem Blickfeld befand. Die Wellen hatten etwas Beruhigendes, wie sie seicht an die Hafenmauer stießen. Den Kontrast dazu boten die Möwen und anderen Seevögel, die sich um die Fische zankten. Einige von ihnen belagerten ein kleines Fischerboot. Eine Möwe versuchte ihr Glück bei Anna. Sie landete nur wenige Meter entfernt von ihr und fokussierte erst den Rest vom Kuchen und dann Anna. Sie spürte, wie er sie regelrecht analysierte und in seinem kleinen Kopf einen Plan ausheckte, wie er am besten an seine Beute kam. „Du bekommst nichts! Vergiss es!“ schmunzelte Anna und nahm demonstrativ eine Gabel voll in den Mund. Nach ein paar Minuten verstand die Möwe, dass hier nichts zu erbeuten war und gab ihren Lauerposten auf. Anna nahm den letzten Schluck aus der Tasse und setzte ihre Erkundungstour fort. Sie fuhr entlang des Deiches, weiter durch einige Nebenstraßen, an der Fähre vorbei und fand sich mit einem Mal vor weiten offenen Flächen Grüns. Sie hielt an und schaute sich um. Links von sich sah sie die Gebäude der Stadt, hinter sich ebenfalls. Vor ihr, weit in der Ferne konnte sie einige Schornsteine ausmachen. Anna vermutete, dass sie zu einem Industriegebiet gehören musste. Das lag dann aber mehrere Kilometer entfernt. Rechts von sich sah Anna nur Grün und Himmel. „Das Industriegebiet am Ende sieht nicht sehr verlockend aus.“, murmelte Anna. In dem Augenblick wechselte das Lied und John Williams ‚Jurassic Park Theme‘ setzte ein. „Wie passend.“, schmunzelte Anna und fuhr mit klopfendem Herzen entlang der Felder und Bäume, die diese säumten. Das Spiel mit Licht und Schatten unter den Bäumen zeichnete sich auf Annas Händen und Beinen ab. Es war wunderschön, auch wie die Farben der Blätter sich veränderten. Wie sie einerseits so kontrastreich sein konnten, andererseits dort, wo das Licht sich direkt durchbrach, aufgeweicht waren und verschwammen. Es war, als gehörte Anna hierher und gleichzeitig…Anna brauchte nicht nach den richtigen Worten zu suchen. Es war kein neues Empfinden. Sie fühlte sich wie in einem Maßanzug. Er lag perfekt auf der Haut und doch war es ein Fremdkörper. Anna seufzte und ermahnte sich selbst: „Hör auf damit. Wenn du so denkst hast du wirklich selbst schuld, dass du dich so fühlst.“ Anna seufzte erneut: „Und Selbstgespräche sind der erste Schritt auf dem Weg zum Wahnsinn.“ Je weiter Anna fuhr, umso schneller schlug ihr Puls. Sie bog um eine Kurve, die dichtbewachsen war mit Büschen und Bäumen. Als sie die Kurve hinter sich ließ sah Anna ein altes Haus. Es sah aus wie eine alte Gaststätte. Bestimmt mehrere hundert Jahre alt. Zwar ein großer, aber doch gedrungener Bau mit einer Scheune als direkten Anbau. Das Holz war grünlichgrau verwittert und das Dach war mit Reet eingedeckt, welches auch schon bessere Tage gesehen hatte. Fensterläden, ebenfalls aus Holz, hingen zwar gerade in den Angeln, aber die Farbe blätterte ab. Rechts vom Gebäude führte eine Treppe hoch zu einer Brücke, die über einen kleinen Bach führte und damit zu noch mehr Feldern. Zuerst dachte Anna das Gebäude sei unbewohnt. Doch die Vorhänge in den Fenstern und die gepflegten Blumentöpfe neben der Eingangstür wiesen auf einen Bewohner hin. Annas Puls raste und sie wischte sich unbewusst ihre feuchten Hände an ihrer Jeans ab. Mit aufgerissenen Augen betrachtete sie dieses Gebäude. Mit jedem Schlag ihres Herzens zog es sie näher dorthin. Ohne es zu bemerken ging Anna auf das Haus zu. Sie bemerkte nicht die Taube, die auf einem der Fensterläden saß und sie argwöhnisch beäugte. Anna setzte immer wieder einen Schritt vor den nächsten. Sie suchte die Front des Gebäudes nach dem ab, was sie anzog. Doch so wie Anna wusste, dass hier irgendetwas war, wusste sie auch, dass es nicht das Haus an sich war. Anna setzte einen weiteren Fuß nach vorne und zuckte zusammen. Die Taube stieß einen Schrei aus, der einer Taube nicht zustand. Anna suchte nach dem Verursacher dieses markerschütternden Tons. Zugleich öffnete sich die Haustür und Anna konnte nur noch ihre Hände ausstrecken, um sich abzufangen, als ihr die Beine unter den Füßen weggezogen wurden. Anna lag seitlich auf dem Boden. Der Sturz hatte Staub aufgewühlt. Mit zusammengekniffenen Augen wollte sie sich aufsetzen, da spürte sie, wie ihr etwas gegen die Brust gedrückt wurde. „Wer bist du?“, hörte Anna eine Frauenstimme sagen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken und sie gab den Versuch aufzustehen umgehend auf. „Ich fragte, wer du bist. Antworte!“. Die Fremde unterstrich ihre Worte, indem sie den Druck auf Annas Brust verstärkte. Hektisch antwortete sie: „Anna! Mein Name ist Anna!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)