Bird of Paradise von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 2: Neue Wege -------------------- 2 Im Thronsaal meines Vaters, traf ich sowohl auf ihn, als auch auf eine junge, kurvige Frau mit langem, grünlich-braun schimmerndem Haar. Ihr Blick flog zu mir, als ich zum König ging und dieser die Arme ausbreitete. Er wollte so tun, als würde er sich über meine Ankunft freuen, was er sicherlich tat, weil er gefürchtet hatte, ich würde es gar nicht erst tun. Ach, wie richtig Vater damit doch gelegen war. Und ich war auch nicht wegen dieses Mädchens hier, dass er mir augenscheinlich als Gemahlin ausgesucht hatte und vorstellen wollte. Ich war hier, um ihm zu sagen, dass ich nicht heiraten und das Dorf verlassen würde. Ich hatte mich entschieden. Scrootoh und ich würden gehen. Weit weg und dort ein gemeinsames Leben haben. So wie wir es wollten. Wir. Uns. Gemeinsam.“ „Moment.“, ging die Autorin fragend dazwischen und ließ die Finger kurz ruhen, die zuvor über die Tastatur des Tabletts geflogen waren. „Du wolltest mit Scrootoh fliehen, hast aber vorher nicht mit ihm gesprochen?“ „Wenn die Dame mich mal ausreden lassen würde, dann wüsstest du wie ich mir das gedacht hatte.“, rügte der Vogelyokai und stand von seiner Couch auf. Eine unheimliche Stille legte sich in den Raum und auch die Beta spürte, dass der Mann diese Pause auskostete. Sei es, weil er es dramatisch gestalten wollte, oder er sich genau entsinnen mochte. Vielleicht war es aber auch seinen Gefühlen zuzuschreiben. „Bereit?“, fragte er am Ende seiner Pause und die Autorin nickte ihm zu. „Schön dich zu sehen.“, sagte mein Vater und schlang seinen kräftigen Arm um meine Schultern, um mich an sich zu ziehen. „Ist das nicht eine wundervolle junge Frau? Ich habe mit ihr geredet und sie ist außerordentlich gescheit. Sie freut sich dich kennenzulernen.“, plapperte er aufgeregt. „Kann sie das nicht selbst sagen oder warum bewirbst du sie so sehr?“ „Siakoh, mein lieber Sohn und Prinz dieses Volkes,“, betonte er diese Wortwahl besonders, um mir meinen Stellenwert aufzuzeigen. „sei doch nicht gleich so kritisch. Sieh sie dir doch erst einmal an“ schlug er vor und schob mich näher zu der Frau. „Vater, ich will dir etwas anderes mitteilen.“, ging ich dazwischen. Doch mein Vater hatte einen eigenen, strengen Willen, den er gedachte mir aufzuzwingen. „Nun...“, brummte er, presste seine krallenbesetzte Finger leicht zwischen meine Schulterblätter, da er wusste, dass diese Stelle heftige Schmerzen verursachte. „... dies ist Kaliah, die Tochter meines Beraters.“ „Es freut mich sehr, Siakoh.“, neigte sie ihr Haupt und breitete ihren goldschimmernden Rock aus, während sie knickste, wie es sich gehörte. „Ja, ja, Schätzchen. Jetzt nicht!“, wies ich sie ab und wedelte mit der Hand, während ich mich aus dem Griff meines Vaters wandte. „Vater, ich werde gehen!“ „Was?!“, fragte er überrascht und weitete seine gelben Augen. „Du bist der Prinz und morgen soll deine Hochzeit stattfinden!“ „Na schön!“, jauchzte ich ironisch auf und hob die Hände, die ich schlussendlich verschlungen in meinen Armen vor der Brust verschränkte. „Wie nett, mir das heute zu verkünden! Aber du bist zu spät!“ „Siakoh!“, spuckte Vater meinen Namen. „Wenn es an mir liegt...“, begann das Mädchen neben mir und ich warf ihr einen genervten Blick zu. „Mädchen! Es liegt nicht an dir. Aber so wie du dich gibst und wie du aussiehst, kann ich mich tausendmal besser kleiden und verhalten. Deine Erscheinung ist hübsch, du magst schlau sein, aber dafür hege ich kein Interesse.“, erklärte ich und hob die Hand in Höhe meiner Brust und signalisierte, dass sie mir als Frau zuwider war. „Was erlaubst du dir, du Bengel!?“, schrie Vater hell wie eine Glocke. Obwohl er erbost war, so klang seine Stimme herrlicher als jeder Vogelgesang. „Ich breche aus, Vater!“, stellte ich klar und richtete mich zur vollen Größe auf. Mein Kopf kribbelte, da sich die braunen Enden meiner Haare aufstellten. „Ich werde mit Scrootoh von hier fortgehen!“ „Tze! Was willst du woanders?! Du hast hier eine Aufgabe, wirst das Dorf mit deinem königlichen Blut und deinem Wissen begleiten und Kaliah wird dir ein paar kräftige Söhne gebären, die dann deinen Platz einnehmen werden!“ „Dann heirate du sie doch und bekomme andere Söhne!“, antwortete ich darauf und drehte mich weg. „Ich werde hier nicht bleiben!“ „Siakoh!“, rief Vater erzürnt, so dass die Blätter der Bäume begannen zu rauschen. „Wenn du jetzt gehst, darfst du nie mehr ins Dorf zurückkommen!“, erklang die höchste Regel unseres Volkes. Wer einmal ging, der durfte auch nie mehr zurück. Mit diesem Wissen, schloss ich meine Augen und ging aus dem Raum. Ich lauschte noch dem Schrei meines Namens, doch ich hatte meinen Plan im kopf. Scrootoh finden, ihn mitnehmen und nie wiederkommen. „Du hast was?“, fragte er so laut, dass es in unserer Höhle schallte. „Bist du von Sinnen?“ „Ich habe es für unsere Zukunft getan!“, stellte ich sicher. „Damit du endlich vergisst, wer ich bin und mich endlich nimmst.“, schnurrte ich und legte die Arme um ihn. Doch Scrootoh schob seine Hände zwischen uns und drückte mich an der Brust von sich. „Du gibst zu viel auf. Wenn du das tust, dann kannst du nie mehr zurück.“, erklärte er mir dieselben Worte wie mein Vater. „Das ist mir egal!“, bekräftigte ich und zog ihn zu mir. „Ich will es, damit wir glücklich werden!“ „Siakoh!“, wollte er eingreifen und wehrte sich nicht, als ich ihm meine Lippen aufdrückte und ihn küsste. Wir küssten uns inniger und inniger, es war berauschend. Am Ende gab er nach und wir verabredeten uns auf einem der niederen Äste. Er wollte es als Zeichen meines Willens erst sehen. Ob ich mich traute das Dorf hinter mir zu lassen. Auf den niederen Ästen wäre dies der Fall und dann würde er nachkommen. „Ich ahne es...“, murmelte die Beta und schloss, Lippen schürzend, die Augen. „Was, Schätzchen?“, lächelte der Mann, der sich langsam wieder auf die Couch sinken ließ. Man sah seinen Augen an, wie sehr ihn dieser Teil seiner Geschichte schmerzte. „Er ist nicht gekommen?“, fragte die Autorin und Sia schloss seine Augen. „So ist es. Ich wartete einen ganzen Tag auf ihn, aber er kam nicht. Schmerzlich und voller Liebe zu ihm, hatte ich schlussendlich das Dorf verlassen. Hatte auf ihn gewartet und er war nicht gekommen. Ich hatte ihm nicht genug bedeutet.“ „Was hast du danach getan? Du konntest ja nicht zurück.“, fragte die dunkelblonde Frau im Raum und schaffte es den Mann aufblicken zu lassen. „Ich ging in die Welt hinaus und war geschockt wie hässlich sie war. Nachdem ich den Dschungel und all meine Träume und Wünsche hinter mir gelassen hatte, erkannte ich, dass es nicht nur Yokai und Tiere gab. Ich hatte zwar einmal von en Menschen gehört, doch sie hatten sich uns nie gezeigt. Wir trugen zwar dasselbe Aussehen, doch als ich zum ersten Mal einen Menschen sah, war ich überrascht. Er schrie wie ein Schwein und rannte aufgeregt hin und her, bis ich meine Flügel verschwinden gelassen hatte und auf den wimmernden, am Boden knienden Mann sah. Er schob mir einen Korb mit Obst vor die Füße und zitterte am ganzen Leib. Erstaunt hob er den Blick, als ich ihn ansprach und er mich verstand. Eine Gabe, die viele unserer Gattung besaß war diese, die Stimmen und Sprachen imitieren und unglaublich schnell lernen zu können. Wir mussten nur wenige Worte hören und konnten diese erfassen. Er führte mich in sein Dorf und lud mich ein bei ihm zu leben. Ich hatte eigentlich anderes im Sinn, aber es gefiel mir, wie sie an mir interessiert waren. Nicht an meinem Posten oder meinem Stand. Sondern an meiner Kleidung, meinem Aussehen und meiner Stimme. Ich blieb einige Monate und die Frauen und Kinder lauschten am Abend einigen Liedern, die ich zu singen begonnen hatte. Zudem brachten sie mir Lieder bei und an so manchen Abend tanzten wir um ein Feuer herum, sangen und lachten. Es war ein schönes Leben.“ „Bis?“ „Gott, du bist wirklich unverschämt ungeduldig, liebes Schreiberlein!“ „Ich spüre nur das Drama nahen.“ „Dafür hat sie ein Gespür.“, stimmte die Beta zu, welche selbst schon spürte, dass sich dieses Blatt wendete. „Ihr seid wirklich gut, Ladys.“, musste der Yokai zugeben und lehnte sich auf die rechte Armlehne, schlug die Beine auf die Sitzfläche und lag nun dort wie bei einer Therapiesitzung. „Eines Abends wurde das Dorf überfallen. Die „zivilisierten Menschen“, wie sie sich nannten, brannten alles nieder. Ich hatte eines der Mädchen retten können und war mit ihr fortgelaufen. Leider war sie beim Angriff verletzt worden und blutete stark aus dem linken Bein. „Ich werde dir helfen.“, versprach ich und trug sie weiter. Wir brachen durch den Wald, ich verlor den Halt und stolperte einen kleinen Abhang hinab. Mein Körper umfasste das Mädchen und ich versuchte sie vor weiteren Wunden zu schützen. Als wir liegen blieben beugte ich mich über sie. Ihr Blick war glasig. „Sia, du schönster aller Paradiesvögel.“, säuselte sie. Ich spürte ihre Aura schwinden, hörte ihr Herz langsamer schlagen. „Ich bin hier. Halte noch etwas durch. Ich suche einen Arzt.“, bat ich sie und zog sie auf meine Arme, lief wieder los. „Ich werde sterben.“, wusste sie und ich riss die Augen auf. „Bitte lass mich sie nur einmal sehen.“ „Was?“, fragte ich atemlos und hielt an. Vorsichtig ging ich in die Knie und legte sie auf meinen Beinen ab. Ihre braunen Augen hoben sich zu meinen und ihre Erwartung war förmlich zu spüren. „Alle erzählten sich, dass du Flügel besitzt. Ich habe mir immer gewünscht diese zu sehen.“ „Du willst meine Flügel sehen?“, erfasste ich, sah ihr schwaches Nicken. Sie konnte schon nicht mehr antworten. Ihre Seele schwand aus ihren Augen und so gab ich ihrer Bitte nach. Leuchtend wie die Sonne, stachen die federn aus meinem Rücken empor und bildeten die kräftigen Schwingen, die mein Yokaidasein mit sich brachte. Sie verliefen von einem satten Gelb, über eine Art goldigen Schein ins Bronzefarbene, ebenso, wie es bei meiner Haarfarbe war. Ich schob die Flügel um uns herum, als würde ich sie damit halten wollen. Ihre Augen betrachteten den Schein, bis sie plötzlich starr blieben und ihr Geist den Körper verließ. Sie war gestorben und ich hatte mein Versprechen nicht halten können. Die Schuld schlug sich ins Unermessliche. Es war ein unerträgliches Gefühl, welches ich bis dahin nie verspürt hatte. Es war anders als die Wut, die ich mittlerweile auf Scrootohs Verrat hegte. Es war ein Hass auf mich selbst. Dass ich als Prinz und zukünftiger König meines Volkes zwar das Sagen gehabt hätte, aber nicht einmal die Kraft und das Wissen hatte, dieses Menschenmädchen zu retten. Ich wusste nichts, konnte nichts außer tanzen und herrschen. Beides Dinge, die ich nicht wollte. Nie mehr. Ich wollte nicht zur Balz tanzen, weil dies mich nur geschmerzt hatte. Ich wollte nicht mehr tanzen, weil diese Menschen, denen es so gefallen hatte, nun alle tot waren. Aber mein Geist formte einen anderen, neuen Gedanken. Eine Aufgabe, der ich mich annehmen wollte. Ich wollte dieses Geschehen als Warnung nehmen. Auch wenn ich nun nichts hatte tun können, so würde ich alles daran ändern. Ich würde die Medizin erlernen, die dafür nötig war und würde so schützen, wen es zu schützen galt. Wenn ich schon solche Schmerzen in mir besitzen musste, so wollte ich jeden anderen davor schützen. Es war eine naive Denkweise, ich weiß. Und mir wurde dies ziemlich schnell klar, als ich mithilfe meiner letzten Schmuckstücke den Kontinent wechselte. Am Festland war ich über die Veränderungen der Gegend weniger überrascht als von den Menschen. Es war als würde man von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt andere Sitten und Gebräuche haben. Mir wurde schmerzlich, ja fast krankhaft bewusst, was ich alles nicht wusste und wie wenig es war, das ich wusste. Zu meinem Glück, wenn man das so nennen darf, war es die Zeit eines nahenden Krieges, welche mir in die Karten spielte. Ein jeder Streuner wurde gerne für die Armee genommen und recht gut ausgebildet. Mein wahres Sein verbarg ich natürlich ausdrücklich. Doch ich spürte dennoch hier und da die Präsenz eines anderen Yokai, dessen Blick dann zu mir flog. Wissend, dass ich ebenso ein dämonisches Wesen war. Selten kam es dazu, dass man mit mir darüber sprach. Denn es gab den Kodex, dass man sich zu verstecken gedachte, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Einmal erklärte mir einer der Yokai, warum dies so war. Die Yokai gehörten zur Minderheit. Es war unsere Aufgabe uns geheim zu halten. Unsere Kräfte und Gaben, wenn möglich das Aussehen. Ich war damit einverstanden, meine Schwingen zu bedecken und nicht auszubreiten. Aber mein Aussehen würde ich nie ändern. Ich war stolz auf mein Äußeres, pflegte es, so gut ich konnte. Damit kamen wir zu dem zweiten, was mich in der neuen Welt am härtesten traf. Die Erkenntnis darüber, dass Toleranz wohl nur in dem Dorf meiner Geburt geherrscht hatte. Ich hatte diese Tatsache damals als normal empfunden, sie nicht einmal richtig angenommen. War eingeschnappt und kindisch gewesen, weil Vater es mir nicht erlaubt hatte. Dass er mir das Privileg auf Toleranz der Liebe genommen hatte. Aber in dieser Welt, außerhalb meines Dorfes hatte ich erkannt, dass dies genau das war, was überall war. Niemand tolerierte die Liebe zwischen zwei Männern. Eine Sache, die ich nun ebenfalls zu lernen wusste. Aber glaubt mir, Ladys. Deshalb war dies nicht gänzlich aus der Welt. Gerade in der Kriegszeit gab es die ein oder andere körperliche Liebe zwischen Kameraden. Wenn der Druck und die Sehnsucht zu der Frau zu groß wurden, verguckte sich der ein oder andere in einen seiner vertrauten Kameraden. Auch ich hatte mich das ein oder andere Mal den Liebesuchenden hingegeben. Meine Erscheinung wirkte auf die anderen. Ich wusste mich einzusetzen. Aber am Ende machte mich das alles nicht glücklich. Der Krieg zog ins Land. Ich sah so viele Tote, wie ich es in meinen Alpträumen nie erahnt hatte. Auch wenn ich half, mich gut als rettender Mediziner tat, so war der Tod doch allgegenwärtig. Er vergiftete meine Gedanken und zog sie in einen Sog des Vergessens. Ich war dabei, mich selbst zu verlieren. Zu vergessen, wer ich war. Das Leben, der Kampf, die blutenden Wunden, die sterbenden Körper ließen mich vergessen. Als der Krieg zu Ende war, wurden wir wie Hunde fortgejagt. Ich wandelte durch die Städte, hungerte ab und zu und fand doch keine Bestimmung. Mein medizinisches Wissen half mir nun nichts, denn man stellte keine Pfleger ein, nur Schwestern. Auch wenn ich manchem Weib näher war, als den Männern, so bezog man sich eben auf das Geschlecht, welches ich besaß. Doch eines tat dies nicht. Durch einen Zufall geriet ich entkräftet vor solch eine Tür. Es war Winter und es hatte geschneit. Schnee war etwas, was mich überrascht hatte und an das ich mich nie gewöhnen würde. Niemals! Es war einfach zu kalt. Genauso wie Eis. Die Tür bot etwas Schutz vor der Kälte und ich presste mich an das Holz. Leider gab dieses nach und ich fiel wie ein gefrorener Stein in das Innere und damit auf ein paar Schuhe. „Oh, wer bist denn du?“, fragte eine tiefe Stimme und als ich meinen Blick hob, erkannte ich zwar einen Mann, der doch keiner zu sein schien. Er trug ein elegantes langes Kleid und einige Federn um seine Schultern geschlungen wie ein schal. „Bist du ein Penner?“ „Nei...”. antwortete ich und begann zu husten. Ich hatte mich wohl erkältet. „Oh Darling. Komm doch erstmal rein! Ein heißer Tee wird dir helfen!“, bot der Mann an und zog mich am Arm auf die Beine. „Du bist ja eiskalt.“, hörte ich ihn wispern und spürte die Schwäche meiner Beine. Es wäre, als würde ich am Ende eines langen, harten Kampfes endlich zu meinem Frieden finden. War der Gedanke verwerflich, darauf zu hoffen in den sicheren Hafen einzukehren? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)