Gruselige Kurzgeschichten-Eine Sammlung von Dharma_Montgomery ================================================================================ Kapitel 4: Geschichte 4 ----------------------- Nervös, ja das traf es schon ganz gut. Aber auch neugierig. Vielleicht auch etwas gruselig, wenn Kim sich so umsah. Das Zimmer in Dunkelheit gehüllt, umgeben von Kerzenlicht. Zusammen mit ihren beiden besten Freundinnen, Hannah und Luisa, saß sie im Schneidersitz um den niedrigen Tisch in ihrem Zimmer. Luisa kicherte leise. Ja, ein wenig Spaß war sicherlich irgendwie dabei, aber eigentlich ging es Kim hier um ein sehr ernstes Thema. Mit zusammen gekniffenen Lippen starrte sie auf das Brett, das in ihrer Mitte drapiert war. So ganz wohl war ihr ja nicht… Stumm fuhr sie mit den Augen die Buchstaben und die Ziffern des Ouija-Bretts nach. Aber ein Blick auf ihre Freundinnen nahm ihr das ungute Gefühl. „Mensch, jetzt lasst uns so langsam mal anfangen!“ Hannah hatte es wie immer eilig und hibbelte schon beinahe ungeduldig auf ihrem Platz. Aber Kim gab ihr Recht, es wurde so langsam Zeit. Die Nervosität nahm sicherlich nicht ab, wenn sie es noch länger hinauszögern würden. Kim atmete noch einmal tief durch, dann sah sie erst Hannah, dann Luisa in die Augen. „Okay, ja, du hast recht. Seid ihr denn bereit?“ Nach einem kurzen nicken reichten sich die Freundinnen die Hände. „Ihr seid aber auch wirklich bereit, das mit mir zu machen, oder? Ich meine, im Internet stand viel Gutes, aber eben auch einige gruselige Vorkommnisse. Ich möchte nicht, dass ihr das nur meinetwegen macht…“ Sie sah ihre Freundinnen ernst an, aber sogar Luisa winkte direkt ab. „Ach was, das sind doch eh alles nur Geschichten! Was soll denn dabei schon geschehen! Außerdem ist es dir doch so wichtig, da ist es mir eben auch wichtig.“ Sie zuckte mit den Schultern. Hannah nickte zustimmend und lächelte Kim beruhigend an. „Na gut, dann los. Also, als erstes halten wir uns einige Zeit an den Händen. Wir sollten so ruhig sein wie irgendwie möglich. Wenn es soweit ist, werde ich eure Hände einmal drücken, dann öffnen wir unsere Augen wieder. Wir sollten nur sprechen, was unbedingt nötig ist, um die Energie nicht zu stören. Und wichtig ist, dass wir alle unsere Hände auf die Plakette legen und nicht loslassen, egal, was auch passiert. Habt ihr das verstanden?“ Erneut einstimmiges nicken. Kurze Zweifel kamen in Kim auf. War es wirklich richtig? Aber am Ende würde wahrscheinlich eh gar nichts passieren. „Nur noch eines: Das sprechen übernehme ich soweit. Es ist wichtig, dass einige Grundregeln eingehalten werden, damit wir uns nicht in Gefahr bringen. Aber nun genug geredet!“. Sie nickte ihren beiden Freundinnen zu und sofort schlossen alle die Augen. Sich weiter an den Händen haltend, atmeten sie so einige Minuten tief und ruhig ein und aus. Dann befand Kim, dass es an der Zeit war mit der eigentlichen Zeremonie zu beginnen. Sie drückte einmal kurz die Hände ihrer Freundinnen, dann öffnete sie vorsichtig die Augen. Auch Hannah und Luisa sahen entspannt aus. Wieder ein nicken von Kim, diesmal das Zeichen, dass alle ihre Hände auf die Plakette legen sollten. Fast synchron geschah es, die Atmosphäre fühlte sich irgendwie richtig unwirklich an. Kim holte noch einmal ein letztes Mal tief Luft, dann begann sie mit ruhiger, aber kräftiger Stimme zu sprechen. „Seelen der Anderswelt, hört uns an. Wir laden euch zu uns ein, antwortet auf unser Bitten.“ Als sie zu Ende gesprochen hatte, hielt sie unbewusst den Atem an. Es war totenstill im Raum. Auch ihre Freundinnen saßen wie erstarrt auf ihren Plätzen. Doch was auch immer sie erwartet haben, es passierte nichts. Nach einigen Sekunden der Stille redete Kim weiter. „Ich bitte um Kontakt zu Rosemarie Kunz. Bitte nehme heute Nacht mit uns Kontakt auf. Bist du da, Rosemarie?“ Kim sah in die Mitte des Ouija-Bretts, dort, wo die Plakette bewegungslos unter ihren Händen ruhte. Kim dachte nun ganz stark an ihre Großmutter, so wollte es die Anleitung. Auch Luisa und Hannah sahen auf die Plakette, doch nichts geschah. „Rosemarie, wenn du nun unter uns bist, gib uns ein Zeichen!“ Kim spürte wie ihr die Tränen kamen. Das war die letzte Möglichkeit, die sie gesehen hat um noch ein letztes Mal mit ihrer Großmutter zu reden. Ihr zu sagen, dass sie sie liebte und vermisste. Dass es ihr leidtat. Und nichts passierte. Nicht das sie wirklich daran geglaubt hatte, aber… Gerade als sie den Mut verlor sah sie, wie sich auf einmal Hannahs Augen weiteten. Sie blickte in die Richtung, auf die Plakette hinab. Wenn man genau hinsah, dann zitterte sie leicht. ‚Ist bestimmt nur Zufall. Wir sind aufgeregt, natürlich zittern wir.‘ Dennoch sah sie gespannt hinunter. War es Einbildung? Oder wurde das Zittern stärker. „Rosemarie, bist du hier?“ Und dann, ganz plötzlich, schob sich die Plakette ein Stück über das Brett. „Es sagt ‚Ja‘!“ Nun blieb ihr die Luft tatsächlich weg. Auch Luisa schluckte schwer. ‚Jetzt nicht aufgeben. Wir sind kurz davor!‘, dachte Kim und hoffte, dass ihre Hände nicht vor Schweiß abrutschen würden. „Wenn du wirklich Rosemarie bist, gib uns ein weiteres Zeichen!“ Sie erwartete, dass die Plakette sich erneut bewegen würde. Aber stattdessen fingen die Kerzen auf einmal zu flackern an. Alle Fenster waren geschlossen, es konnte nicht ziehen, aber dennoch flackerten sie. „Wie alt bist du, Rosemarie?“ Nun setzte sich die Plakette tatsächlich erneut in Bewegung. Erst zur sieben… dann weiter zur sechs. Kim merkte wie ihre Freundinnen sie fragend ansahen und nickte nur kurz. Ja, 76 Jahre alt ist ihre Großmutter geworden. Kurz bevor sie starb… Erneut standen Kim die Tränen in den Augen. Es konnte nicht sein, aber dennoch war es so. Sie wollte einfach daran glauben! „Großmutter…“ Sie brachte kaum noch ein Wort hervor, aber sie durfte nun nicht aufgeben. Sie räusperte sich kurz, dann fuhr sie fort. „Großmutter… Ich habe dich gerufen, weil ich dir noch einmal sagen wollte, dass ich dich liebe. Es tut mir leid, dass ich mich mit dir gestritten habe. Und es tut mir so leid, dass ich dir gesagt habe ich will dich nicht mehr sehen. Das stimmt nämlich nicht. Ich würde dich auch jetzt sehr gerne sehen. Ich vermisse dich so sehr!“ Kim war nun vollends in Tränen ausgebrochen. Hannah und Luisa betrachteten sie voller Mitleid, aber sie blieben ruhig in ihrer Position sitzen. Trösten konnten sie später immer noch, aber dieser Moment käme nie wieder. „Kannst du mir noch einmal verzeihen?“ Es war kaum mehr als ein schluchzen, dennoch bewegte sich die Plakette auf ‚Ja‘. Kim wollte sich schon die Tränen wegwischen, die immer noch ihr Gesicht hinab liefen, doch im letzten Moment erinnerte sie sich, dass sie ihre Hand nicht von der Plakette nehmen durfte. Sie zog kurz die Nase hoch, damit sie noch genug Luft bekam, versuchte sich zu beruhigen. „Hast du Schmerzen, da wo du jetzt bist?“ Die Plakette glitt ruhig bis auf ‚Nein‘. Das beruhigte sie doch schon etwas. Dann bewegte sich die Plakette erneut. L… I… E… B… E. Kim nickte. „Ich liebe dich auch Großmutter!“ Sie hatte sich die gesamte Zeit geborgen gefühlt, doch als sich die Plakette nun ein weiteres Mal in Bewegung setzte, änderte sich das plötzlich. Der Vorhang bauschte sich auf, die Plakette glitt über das Ouija-Brett. „G…E…F…A…H…R“, krächzte Kim nur noch hervor. Dann sah sie zu ihren Freundinnen. „Falls ihr das seid, das ist überhaupt nicht witzig!“ Doch ihre Gesichter zeigten genauso viel Verwirrung wie ihres. Nein, anscheinend hatten sie nichts damit zu tun. ‚Warum sollten sie auch, es sind schließlich deine Freundinnen!‘ Luisa schüttelte den Kopf. „Nein, wir… haben damit nichts zu tun. Ich denke wir sollten aufhören!“ Luisa wollte schon aufspringen. „Luisa, nicht!“ Die Warnung kam gerade rechtzeitig. Viel hätte nicht mehr gefehlt, dann hätte sich Luisas Hand gelöst. „Nicht, ich muss es richtig beenden!“ Luisa sah erschrocken aus, nickte aber mit blassem Gesicht und setzte sich wieder in ihre ursprüngliche Position. „Rosemarie. Vielen Dank für deine Antworten. Gehe nun zurück in deine Welt. Seelen der Anderswelt, danke für euren Besuch. Bitte kehrt nun zurück.“ Kim ließ einige Sekunden vergehen, dann atmete sie tief durch und nickten den anderen beiden zu. Langsam lösten sie ihre Hände von der Plakette. Kim wischte sich die Hände direkt an ihrer Hose ab, es war aufregender gewesen als sie erwartet hatte. Ihren Freundinnen ging es wohl ähnlich. Vor allem Luisa hatte eine ungesunde Farbe angenommen, aber sie war immer schon die schreckhaftere in ihrer Gruppe gewesen. Hannah klopfte sich auf die Oberschenkel, dann stand sie geschwind auf. „So, lieber mal die Kerzen ausmachen, was meint ihr?“ Sie ging schnellen Schrittes zum Lichtschalter und auf einmal war der Raum hell erleuchtet. Kim musste sogar etwas blinzeln. Die Kerzen hatten doch weniger Licht gespendet als sie angenommen hatte. Auch sie stand nun auf. Ihre Beine waren jedoch eingeschlafen, daher rieb sie über ihre Oberschenkel, um wieder ein Gefühl darin zu bekommen. Hannah begann bereits damit die ersten Kerzen zu löschen. Luisa hatte sich immer noch nicht erhoben und Kim ging besorgt einige Schritte näher. „Alles in Ordnung Luisa?“ Sie legte ihr eine Hand auf die Schulter. Luisa war in Gedanken gewesen, nun zuckte sie erschrocken zusammen, begann jedoch tapfer zu lächeln als sie Kim erblickte. „Ja, alles in Ordnung. Es war nur so… unheimlich. Glaubst du das ist wirklich passiert?“ Kim überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. „Ich bin mir nicht ganz sicher. Es hat sich schon echt angefühlt, aber ich denke man kann nicht ausschließen, dass eine von uns die Plakette unbewusst beeinflusst hat. Ich denke nicht, dass wir es jemals herausfinden werden.“ Kim lächelte nun. „Aber ich möchte gerne daran glauben. Auch wenn es zum Schluss richtig gruselig war, so möchte ich doch daran glauben, dass ich noch ein letztes Mal mit meiner Großmutter reden konnte…“ Luisa sah Kim nun fest in die Augen. „Ich bin sicher, dass sie das gehört hat, Kim!“ Luisa stand schnell auf und drückte Kim an sich. Auch wenn sie nicht so ein Typ Mensch war, der gerne Körperkontakt hatte, so war ihr die Umarmung in diesem Moment nicht unangenehm. Eher im Gegenteil, es beruhigte sie zu wissen, dass sie nicht alleine war und dass ihre Freundinnen zu ihr hielten. Behutsam löste sie sich von Luisa, dann drehte sie sich um und wollte Hannah bei den Kerzen helfen. Doch die war mal wieder schneller gewesen als gedacht. Nur noch eine letzte Kerze flackerte ruhig vor sich hin. Hannah beugte sich gerade hinab, um sie auch auszublasen, da flackerte sie kurz wild auf, nur um dann von alleine zu verlöschen. Hannah sah Kim erschrocken an, aber diese gab ihr schnell mit einem Kopfschütteln zu verstehen, dass sie nichts sagen sollte. Luisa hatte das Ganze nicht bemerkt. Es handelte sich wahrscheinlich eh nur um einen Zufall und Luisa war sowieso schon verschreckt. Sie wollte nicht, dass sie sich noch weiter aufregte. Hannah verstand den Wink sofort und tat so, als wäre nichts gewesen. Die Mädchen versammelten sich noch einmal kurz, um die Geschehnisse zu besprechen. Sie sprachen Kim Mut zu, dass es bestimmt ihre Großmutter gewesen war, die mit ihnen gesprochen hatte. Außerdem waren sie sich sicher, dass der letzte Teil nichts zu bedeuten hatte. Da waren sicherlich nur ihre Nerven mit ihnen durchgegangen, nichts wovor man Angst haben müsste. Kurz darauf verabschiedete Kim die beiden bereits an der Tür. Es war schon spät und es war besser, wenn sie nicht zu lange blieben. Kims Eltern waren recht streng. Sie hatte schon Glück gehabt, dass ihre Eltern heute ausnahmsweise einmal ausgegangen waren. Sie hätte nie erlaubt, dass Kim mitten in der Woche Besuch empfing, schon gar nicht, wenn sie danach auch wieder früh in die Schule musste. So erfuhren sie hoffentlich nichts von dem heimlichen Treffen. Kim putzte sich schnell noch die Zähne, zog sich um und kroch dann unter ihre Bettdecke. Die heutigen Ereignisse waren doch etwas viel gewesen. Und auch wenn sie nicht wusste, was sie davon halten sollte, so übermannte sie doch die Müdigkeit ehe sie sich eine Meinung bilden konnte. Sie war schon fest am Schlafen, als sie spürte wie sich jemand auf die Kante ihres Bettes setzte. Sicher ihre Mutter, die nur sicherstellen wollte, dass sie auch wirklich schlief. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Kim derart kontrollierte. Sie versuchte wieder tiefer zu schlafen, aber es gelang ihr nicht. Sie liebte ihre Mutter, aber manchmal ging sie ihr doch auf die Nerven. Kim schlug die Decke etwas zurück und drehte sich zu ihrer Mutter herum. Erst dann öffnete sie die Augen… und erstarrte. Es war stockfinster. Das hatte ihre Mutter noch nie getan, sie ließ immer im Flur das Licht an, damit sie nicht gegen etwas stieß. Die Dunkelheit war nahezu bedrückend. Kim bekam ein so beklemmendes Gefühl, dass sie schnell nach der Lampe auf ihrem Nachttisch griff um Licht zu machen. Doch auch danach ging es ihr kein Stück besser. Auf ihrem Bett saß nicht ihre Mutter. Es saß vielmehr niemand dort. Sie fühlte den Druck auf ihrem Bett noch einige Momente lang, dann verschwand er so schnell, wie er gekommen war. Sie konnte nichts sehen. Suchend blickte sie umher, aber ihr Zimmer war und blieb leer. Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken hinab. ‚Das konnte nicht wahr sein!‘ Sie schlug die Decke nun vollends zurück, schlüpfte in ihre Hausschuhe und stand auf. Es war sehr kühl im Raum. Fester zog sie ihr Oberteil um den Körper, aber trotzdem begann sie schnell zu frieren. So leise wie möglich schlurfte sie zum Zimmer ihrer Eltern. Die Tür stand offen, doch ihre Eltern lagen nicht im Bett. Auch im Wohnzimmer konnte sie niemanden finden. Anscheinend waren ihre Eltern immer noch nicht zu Hause. ‚So lange waren sie noch nie weg. Aber es ist ja auch ihr Silberner Hochzeitstag, da kann das sicherlich schon einmal vorkommen…‘ Kim wollte gerade beruhigt in ihr Bett zurückgehen, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. ‚Moment Mal! Wenn meine Eltern immer noch nicht wieder da sind, dann bedeutet das, das ich immer noch alleine bin. Aber wenn ich immer noch alleine bin… Wer war das gerade auf meinem Bett?‘ Panik überfiel sie. Sie wollte gerade auf keinen Fall alleine sein, konnte aber nicht ändern, dass es so war. Sie machte daher im ganzen Haus das Licht an, auch in ihrem Zimmer, erst dann setzte sie sich erneut auf ihr Bett. Sie rutsche bis nach hinten um sich anzulehnen und zog sich die Decke bis zum Kinn. Sie musste nur warten bis ihre Eltern kamen. Wie lange konnte das schon dauern? Kim sollte herausfinden, dass es noch eine ganze Ewigkeit dauerte. Zumindest fühlte es sich so an. Als sie endlich den Schlüssel im Schloss hörte stand sie schnell auf, die Decke rutschte auf den Boden, doch es war ihr egal. Sie eilte zur Tür, ihren Eltern entgegen. Diese erschraken, umarmte Kim sie doch noch ehe sie richtig durch die Tür hereingekommen waren. „Kim! Was machst du denn so spät noch hier? Du müsstest doch schon längst schlafen!“ Ihre Mutter kniff wütend die Lippen zusammen, doch Kim drückte sich so feste an sie, dass sie nicht lange böse sein konnte. „Was ist denn los?“ Ihre Mutter drückte sie ein Stück von sich weg, um Kim ins Gesicht sehen zu können. Zum zweiten Mal an diesem Tag rollten lautlose Tränen ihre Wangen hinab. „Ach süße, ist es immer noch wegen Oma?“ Kim nickte automatisch und drückte sich wieder in die Arme ihrer Mutter. Ja, es war auch wegen ihrer Großmutter. Das alles war ihr zu viel, heute Abend war zu viel passiert. Davon konnte sie ihrer Mutter natürlich nichts erzählen, aber das Kim mit den Nerven am Ende war merkte sie auch so. Sanft schiebend ging sie mit Kim in ihr Zimmer, setzte sich zusammen mit ihr auf die Bettkante und nahm Kims Gesicht zwischen ihre Hände. „Ich weiß es ist schlimm, das ist es für mich doch auch. Es war auch viel zu plötzlich… Aber so ist das Leben manchmal leider. Ich hatte geglaubt, dass du in deinem Alter besser damit zurechtgekommen wärst, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Am Besten gehst du jetzt erst einmal schlafen und morgen setzen wir uns noch einmal ganz in Ruhe zusammen, ja?“ Ihre Mutter legte die Stirn an ihre, auch ihr liefen nun einzelne Tränen das Gesicht hinab. Kim brachte nicht mehr als ein nicken zustande. Sie wollte nicht alleine sein, doch sie wollte ihrer Mutter auch nicht den ganzen Abend verderben. Sie löste sich behutsam von Ihrer Mutter und wischte sich schnell mit dem Ärmel ihres Schlafanzuges über die Wangen. „Ja Mama, das machen wir. Es geht mir schon besser, Dankeschön!“ Sie drückte ihrer Mutter noch einen Kuss auf die nasse Wange, ehe diese aufstand. Ein letztes Mal strich sie Kim über den Kopf, dann verließ sie langsam das Zimmer. „Ich lasse die Tür auf. Sollte noch etwas sein, dann weißt du wo du mich findest. Aber versuch bitte wenigstens noch etwas zu schlafen.“ Mit diesen Worten war sie auch schon durch die Tür gegangen, Kim konnte die leisen Schritte noch auf dem Flur hören. Das Licht hatte ihr Vater schon überall ausgemacht, nur in ihrem Zimmer leuchtete es noch. Kim stand auf und löschte das große Licht, die Lampe auf ihrem Nachttisch ließ sie jedoch brennen. Sie war zwar in ihrem Zimmer wieder alleine, aber alleine das Wissen, dass ihre Eltern nun wenigstens zu Hause waren, beruhigte sie. Kim lag noch eine Weile im Bett, doch irgendwann fielen ihr erneut die Augen zu. Die restliche Nacht verlief ohne Zwischenfälle. Mit dicken Schatten unter den Augen wachte Kim am nächsten Tag auf. Sie blinzelte, denn die Sonne fiel bereits in ihr Zimmer. ‚Die Sonne? Oh Nein!‘ , schoss es Kim noch durch den Kopf. Sie hatte verschlafen! Wie konnte das nur passieren? Wie eine Rakete sprang sie vom Bett auf und rannte ins Bad. „Kim? Bist du endlich wach?“ Ihre Mutter rief fragend aus der Küche zu ihr hinüber, doch Kim war bereits dabei ihre Zähne zu putzen. Ihre Mutter erschien in der Bad Tür, sie zog gerade ihre Jacke an. „Ich hatte schon Angst du würdest noch länger schlafen.“ Mit sicheren Bewegungen schloss sie ihre Jacke und nahm ihre Umhängetasche von der Garderobe. Kim wollte gerade etwas durch den Zahnpasta Schaum in ihrem Mund zu ihrer Mutter sagen, als diese schon wieder in der Tür stand. „Nein, Schätzchen, beeil dich nicht. Ich habe dich für heute krankgemeldet. Du warst gestern so fertig…“ Kim fiel fast die Zahnbürste aus der Hand. Das hatte ihre Mutter noch nie gemacht! Sie musste immer zur Schule, es sei denn sie war so krank, dass sie nicht aus dem Bett kam. „Ja, ich weiß, das ist nur eine Ausnahme, damit du das weißt!“ Mit erhobenen Zeigefinger sah sie Kim streng an. „Dein Vater ist schon auf der Arbeit, ich muss jetzt auch los. Wenn etwas ist ruf mich einfach an. Etwas zu essen habe ich dir in den Kühlschrank gestellt. Aber jetzt muss ich mich beeilen.“ Ihre Mutter gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange, dann war sie schon aus dem Haus geeilt. Kim konnte nur noch hören, wie die Tür ins Schloss fiel. Perplex sah sie hinterher, putzte sich dann aber schnell die Zähne zu Ende und ging in die Küche. Sie wusste gar nicht, was sie mit der neu gewonnenen Freizeit so anstellen sollte. Ihr knurrender Magen gab ihr zumindest schon mal eine Idee, womit sie beginnen sollte. Nach einem kurzen Frühstück (Hunger hatte sie zwar gehabt, aber keinen Appetit) zog sie sich schnell um, dann ging sie ins Wohnzimmer. Vielleicht sollte sie sich endlich einmal Zeit nehmen, um mal wieder ein Buch zu lesen. Suchend ließ sie den Blick über das Bücherregal wandern, zog hier und da ein Buch heraus, aber nichts traf so wirklich ihren Geschmack. Erst ganz unten, in der letzten Reihe, fand sie ein Buch, das sie schon vor einiger Zeit gekauft hatte, aber nie die Zeit gefunden hatte es auch zu lesen. Sie pustete die dünne Staubschicht die sich gesammelt hatte vom Einband, dann kuschelte sie sich aufs Sofa und begann zu lesen. Sie war tief versunken in die Geschichte, als Sie einen dumpfen Aufschlag vernahm. Verwirrt sah sie vom Buch auf. Sie war alleine, es konnte also niemand aus ihrer Familie gewesen sein. Sie horchte noch einige Sekunden, dann begann sie weiter zu lesen. Nur wenige Minuten später hörte sie erneut einen dumpfen Aufschlag. Es hörte sich so an, als würde es aus Richtung Flur kommen. Verwundert legte sie ihr Buch beiseite und stand auf. Langsam ging sie in den Flur und schaute in beide Richtungen, konnte aber nichts Auffälliges sehen. Auch im Wohnzimmer konnte sie zunächst nichts finden. Bis sie das Geräusch erneut hörte, diesmal ganz nahe. Sie blickte in die Richtung und sah, dass vor dem Bücherregal einige Bücher lagen. Hatte sie die nicht richtig zurückgestellt, waren sie deshalb herausgefallen? Kim wollte gerade auf das Regal zugehen, als vor Ihren Augen ein Buch aus dem Regal glitt und mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Teppich liegen blieb. Kim erstarrte mitten in der Bewegung. Sie blinzelte, dachte erst sie hätte es sich eingebildet, doch dann glitt das nächste Buch aus dem Regal. Und das nächste. Die Bücher purzelten nun alle nacheinander aus dem Regal, bildeten davor einen kleinen Haufen, der immer größer wurde. Unfähig sich zu bewegen konnte Kim nur weiterzusehen, bis es endlich aufhörte. Langsam und vorsichtig ging Kim zum Regal hin. Einigen Büchern musste sie ausweichen, dann stand sie vor einem komplett leer geräumten Regal. Alle Bücher waren davor verstreut. Trotz der Gänsehaut die Kim verspürte begann sie umgehend damit, die Bücher wieder einzuräumen. Erst langsam, dann immer schneller. Als sie das letzte Buch ins Regal gestellt hatte stand sie schnell auf und lief in ihr Zimmer. Die Tür schloss sie hinter sich, dann setzte sie sich wie am Tag zuvor aufs Bett. Sie zitterte, wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte und für einen kurzen Moment spielte sie mit dem Gedanken ihre Mutter anzurufen. Doch das verwarf sie schnell wieder. Ihre Mutter hatte besseres zu tun, außerdem… Was sollte sie ihr schon erzählen? Das wie von Geisterhand alle Bücher aus dem Regal gefallen waren? Ja genau, das klingt logisch. Kim schüttelte den Kopf. Nein, das war sicherlich irgendwie logisch zu erklären. Bis ihr Vater nach Hause kam blieb sie in ihrem Zimmer. Auch den ganzen restlichen Abend verbrachte sie mit ihren Eltern zusammen. An diesem Abend passierte nichts mehr und Kim vergaß schon wieder, dass überhaupt etwas passiert war. Auch in der Schule am nächsten Tag war nichts Besonderes. Hannah und Luisa machten sich zwar Sorgen um Kim, da sie so erschöpft aussah, aber sie konnte die Sorgen ihrer Freundinnen schnell zerstreuen und gab vor, sich wohl etwas eingefangen zu haben. Zum Glück war bereits Freitag und das Wochenende stand bevor. Da hatte sie sicherlich genug Zeit sich zu erholen. Als sie am Nachmittag nach Hause kam war ihre Mutter schon mit dem Abendessen beschäftigt. „Mh, das riecht aber lecker!“ Kim fragte ob sie helfen konnte, doch ihre Mutter meinte sie solle erst mal zu Hause ankommen. „Außerdem ist das Essen eh schon fast fertig, es muss dann nur noch etwas kochen, da brauche ich dann keine Hilfe. Aber danke Schatz!“ Kim zuckte mit den Schultern, ging in ihr Zimmer und warf den Rucksack neben ihren Schreibtisch. Danach setzte sie sich kurz an ihren Computer, beantwortete ein paar E-Mails, doch ansonsten wusste sie nichts mit sich anzufangen. Sie begann daher damit Wäsche zusammen zu suchen, die gewaschen werden musste. Der Wäschekorb war gerade halb gefüllt, als sie aus den Augenwinkeln einen Schatten im Flur wahrnahm. ‚Oh, Papa ist heute aber früh zu Hause!‘ Noch einige Teile, dann wäre die Waschmaschine voll. Sie klemmte sich den Korb unter den Arm und ging zu ihrer Mutter in die Küche. „Papa ist heute aber früh zu Hause.“ Sie stopfte die Wäsche in die Waschmaschine, ihre Mutter war auf der anderen Seite der Küche immer noch mit dem Essen beschäftigt. „Was meinst du? Papa kommt doch erst… frühestens in einer Stunde.“ Kim wollte entgegnen, dass sie ihn doch gerade gesehen hatte, aber wahrscheinlich war es nur ihre Mutter gewesen, die kurz im Schlafzimmer etwas holen war. Kim stellte den Wäschekorb erst mal in die Abstellkammer, damit er aus dem Weg war. Gerade als sie die Tür zur Kammer schloss, nahm sie erneut einen dunklen Schatten wahr. Diesmal war sie sich ganz sicher, dass sie einen gesehen hat, auch wenn sie ihn wieder nur aus den Augenwinkeln gesehen hat. Schnell eilte sie in die Küche. Ihre Mutter saß mittlerweile am Küchentisch und blätterte in einer Zeitschrift. Sie konnte es definitiv nicht gewesen sein! ‚Was geht denn hier in letzter Zeit nur vor sich?‘ Kim fühlte den Grusel in sich hochsteigen. Doch so sehr sie ein ungutes Gefühl hatte, das ganze musste einfach eine Erklärung haben. Sie setzte sich in ihrem Zimmer auf den Schreibtischstuhl, so gedreht, dass sie einen guten Blick in den Flur hatte. So sehr sie starrte, der Schatten zeigte sich nicht noch einmal, weshalb sie der Angelegenheit nicht auf den Grund gehen konnte. Kurz darauf kam ihr Vater nach Hause und sie aßen zusammen in der Küche. Das ungute Gefühl, dass sich in Kim breitmachte konnte das familiäre Gefühl nicht verdrängen. Den nächsten Tag hatte Kim zumindest schon einmal besser geschlafen. Vielleicht hat sie sich das alles auch nur eingebildet, viel Schlaf hatte sie ja schließlich nicht bekommen. Und da ihre Eltern heute beide frei hatten, war sie immerhin auch nicht alleine zu Hause. Da konnte eh nichts passieren. Das beruhigte Kim ungemein. Endlich hatte sie auch den Kopf dafür mal wieder etwas für die Schule zu machen. Sie steckte gerade mitten in einem Text für den Deutschunterricht, als sie ihre Mutter nach ihr rufen hörte. Sie ließ die Sachen auf dem Tisch liegen und ging in die Richtung, aus der sie die Stimme gehört hatte. Doch da war ihre Mutter nicht. Sie fand sie kurz darauf im Wohnzimmer, sie saß auf der Couch und war am Fernsehen. „Was ist denn Mama? Soll ich dir bei etwas helfen?“ Ihre Mutter blickte von ihrer Sendung auf und schaute verwirrt drein. „Helfen? Womit denn?“ Kim zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, du hast mich ja gerufen.“ Doch die Mutter schüttelte nur den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Ich schaue diese Sendung hier, die ist echt fesselnd.“ Damit wand sie sich wieder dem Bildschirm zu. Kim kratzte sich am Kopf, drehte dann jedoch um. Ihre Schulsachen warteten schließlich und solange sie motoviert war musste sie das ausnutzen! Schnellen Schrittes ging sie in ihr Zimmer zurück und ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen. So, jetzt die Notizen fertigmachen, dann konnte sie sich Englisch widmen. Wo war denn nur der Stift? Sie schaute auf ihrem Heft, auf dem Buch, unter dem Buch, aber sie konnte den Stift nicht entdecken. Auch ins Etui hatte sie ihn anscheinend nicht zurückgesteckt. Mit gerunzelter Stirn zog sie einen anderen Stift hervor. ‚Der wird schon wieder auftauchen.‘ Sie hatte die Notizen gerade fertig geschrieben und kramte ihr Englischbuch aus dem Rucksack hervor, als sie wieder die Mutter rufen hörte. ‚Bestimmt will sie das ich ihr beim Essen machen helfe!‘ Sie legte das Englischbuch auf die Deutsch Sachen, die sie noch nicht wegstecken konnte und lief in die Küche. Doch sie brauchte gar nicht bis dahin gehen, ihre Mutter saß immer noch vor dem Fernseher. „Ja, was ist?“ Ihre Mutter sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Was ist denn heute mit dir los? Ich glaube du brauchst wirklich einmal etwas Ruhe! Ich glaube kaum, dass ich das tatsächlich sage, aber ich möchte, dass du die Schulsachen morgen einfach einmal liegen lässt und dich ausspannst. Nimm doch ein Bad, was hältst du davon?“ Kim brachte nur ein nicken zustande. Und sie dachte, sie wäre ausgeruht, da hatte sie sich wohl getäuscht! Aber Englisch würde sie jetzt auf jeden Fall noch zu Ende machen. Sie betrat ihr Zimmer und wollte sich gerade wieder an ihren Schreibtisch setzen, als sie sah, dass alles auf dem Boden verteilt lag. Als hätte jemand einmal alles mit Schwung vom Schreibtisch gefegt. Doch es war niemand in ihrem Zimmer gewesen… Mit dicker Gänsehaut auf den Armen begann sie ihre Schulsachen aufzusammeln. Als alles im Rucksack verstaut war schloss sie diesen schnell und stellte ihn in den Kleiderschrank. Den wollte sie heute bestimmt nicht mehr sehen! Eigentlich wollte sie nun auch den Platz am Schreibtisch meiden, aber sie wartete noch auf eine dringende E-Mail. Mit Unwohlsein setzte sie sich vor Ihren PC. Die E-Mail war noch nicht da, aber ihr fiel noch etwas anderes Wichtiges ein. Ehe sie es sich versah war Zeit fürs Abendessen. Sie hatte doch viel mehr Zeit im Internet verbracht, als sie geplant hatte! Schnell fuhr sie den PC herunter und schaltete auch den Bildschirm aus. ‚Genug für heute!‘ Schnell setzte sie sich zu ihren Eltern und genoss den Abend, an dem ihre Eltern Geschichten aus ihrer Jugendzeit erzählten. Ziemlich spät fiel sie an diesem Abend in ihr Bett. Sie hatte einige Stunden erholsam geschlafen, aber nun hatte sie ein Geräusch geweckt. Sie konnte nicht sagen, was es genau war, aber sie hatte sofort wieder ein ungutes Gefühl. Zu viel war in letzter Zeit passiert und so langsam machte sie sich Gedanken, ob das mit dem Ouija-Brett vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war. Sie starrte in die Dunkelheit und versuchte etwas zu erkenn, aber es war so dunkel, sie hätte wahrscheinlich nicht einmal ihre Hand vor Augen gesehen. Probehalber hob sie diese. ‚Nein, nicht zu sehen.‘ Es musste also noch mitten in der Nacht sein. Sie überlegte gerade, ob sie ihre Lampe einschalten sollte, als plötzlich ein Licht bei ihrem Schreibtisch anging. Es war so hell, dass sie die Augen kurz schließen musste, sonst hätte sie nichts gesehen. Als sich die Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, machte sie vorsichtig ein Auge auf. Auf dem Stuhl, vor ihrem Schreibtisch, saß jemand. Sie konnte den Schatten ganz eindeutig sehen, er hielt das meiste vom Licht ab. Sie blinzelte, da war der Schatten auch schon verschwunden. Nun konnte sie sehen, was da so leuchtete: Ihr PC hatte sich von ganz alleine angeschaltet. ‚Wirklich von alleine?‘ Sie wusste nicht, ob sie sich den Schatten nur eingebildet hatte, aber der PC war eindeutig an. Dabei hatte sie den Bildschirm doch sogar extra zusätzlich ausgeschaltet! Nun machte sie doch ihre Lampe an. Das konnte doch gar nicht sein! Sie stand auf und ging zum Schreibtisch hinüber. Tatsache! PC und Bildschirm waren beide an. Doch das war noch nicht das schlimmste… Jemand hatte die Textbearbeitung geöffnet und etwas geschrieben. Es waren zwar nur einige wenige Worte, aber Kim fühlte sich als hätte sie den Boden unter den Füßen verloren. „Du bist nicht allein. Ich kriege dich!“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Wie konnte so etwas sein? Sie las diese Zeilen immer und immer wieder, aber es änderte sich nichts. Sie trat einen Schritt näher, doch plötzlich war Bildschirm schwarz. Kim zuckte zusammen, hatte sie sich doch erschrocken. Langsam ging sie auf ihren Computer zu. Der Rechner war aus, es leuchtete kein Lämpchen. Auch der Bildschirm war wie tot. Probeweise drückte sie den Knopf zum anschalten am Bildschirm. Das Lämpchen blinkte sofort auf. ‚Der Bildschirm war also aus gewesen? Das kann doch gar nicht sein!‘ Kim hatte so langsam keine Kraft mehr für so etwas. Erlaubte sich da jemand einen üblen Scherz mit ihr? Aber wer sollte das sein? Und vor allem… wie sollte er das alles angestellt haben? Das war unmöglich! Das Grauen fraß sich in ihren Körper. Nun wusste sie gewiss, dass es nicht mit normalen Dingen vor sich ging! Die Nacht über fand sie keinen Schlaf mehr. Die Lampe ließ sie brennen, das störte nicht, war sie doch sowieso dabei mit dem Handy zu suchen. Hatten sie mit dem Ouija-Brett etwas falsch gemacht? Laut den Anleitungen konnte sie nichts finden, sie hatten die Plakette zu keiner Zeit losgelassen. Wie konnte das sein? Sie wollte doch nur mit Ihrer Großmutter sprechen. Aber ihre Großmutter würde so etwas niemals tun, da war sie sich sicher! Sie wollte die Suche schon enttäuscht aufgeben, als sie doch noch etwas Interessantes entdeckte. Eine Seite, in der Betroffene beschrieben, wie sie seltsame Begebenheiten hatten, nachdem sie mit einem Ouija-Brett Geister angerufen haben. Es waren ähnliche Vorfälle wie sie es erlebt hatte, aber es gab auch noch schlimmere Berichte. Manche Menschen sind sogar verletzt worden! Und das einzige was half, war die dunkle Macht zu vertreiben. Wenn sie den Berichten Glauben schenkte, so öffnete die Anrufung die Pforte nicht nur für die Geister der verstorbenen, mit denen man sprechen wollte, sondern auch für dunkle Geister und Dämonen. ‚Fast wie eine Pforte zur Hölle!‘ Kim schluckte. Das klang so ausgedacht… aber andernfalls hat sie ja nun selbst genug erlebt. Wie sollte sie jemanden finden, der prüfen konnte, ob sie etwas gerufen hatte, was sie nicht hier haben wollte? Sie konnte es nicht sagen… Nach dem ersten Forum fand sie weitere Seiten, die ähnliches berichteten. Es dauerte nicht lange, da hatte Kim sich die ganze Nacht um die Ohren geschlagen, hatte aber immer noch keine Lösung gefunden. Am nächsten Tag fühlte sie sich richtig ausgelaugt und kraftlos. Sie hatte keine Lösung für ihr Problem. Ein Teil in ihr drin wollte Glauben, dass es nicht sein konnte, dass alles Einbildung war und es sich ganz einfach erklären ließ. Aber der größere Teil wusste das es nicht sein konnte. Sie musste alles sacken lassen, sie brauchte eine Lösung. Da kam ihr der Ratschlag ihrer Mutter in den Sinn. Ein Bad wäre jetzt vielleicht tatsächlich das richtige und das klang ungefährlich. Doch da sollte sich Kim täuschen… Sie hatte das Wasser eingelassen, und hatte auch schon den Badezusatz hinzugegeben. Nun ließ sie sich langsam in das warme Wasser gleiten, merkte wie es ihr guttat. Die Muskeln entspannten sich und sie schloss die Augen. Fast wäre sie eingeschlafen, so wohlig fühlte es sich an. Doch soweit kam es nicht mehr. Sie sah kleine Wellen auf der Wasseroberfläche, obwohl sie sich gar nicht bewegt hatte. Nervös setzte sie sich auf. ‚Nicht schon wieder, das durfte nicht wahr sein!‘ Sie konnte kaum noch atmen, die Luft war auf einmal viel zu dick. Gleichzeitig spürte sie wie eine eisige Kälte auf sie zu kroch. Sie schlang die Arme um die Schultern und wollte gerade aus der Badewanne aussteigen, doch etwas drückte sie zurück. Fast wäre sie in der Wanne ausgerutscht, doch sie konnte sich gerade so fangen, dass sie nicht unter Wasser geriet, sondern sitzen blieb. Panik stieg in ihr hoch, sie versuchte sich zu bewegen, doch es ging einfach nicht. Sie wollte um sich schlagen, doch es war als würde sie gegen unsichtbare Barrieren ankämpfen. Es hatte keinen Zweck sich zu wehren, aber Aufgeben würde sie deshalb noch lange nicht! Sie versuchte ein letztes Mal dagegen anzudrücken, ohne Erfolg. Stattdessen spürte sie mit einem Mal einen brennenden Schmerz auf ihrem Rücken. Noch ehe sie sich fragen konnte, was passiert war entwich ihr ein Schmerzensschrei und sie sah, wie sich das Wasser rot färbte. „Kim? Kim, was ist los?“ Die panische Stimme ihrer Mutter drang durch die Tür. Sie rüttelte an der Klinke, aber Kim hatte wie immer abgeschlossen, wenn sie baden oder duschen ging. Sie biss die Zähne zusammen und brachte ein glaubwürdiges „Nichts Mama, das Wasser war nur zu heiß!“ heraus, als sie spürte, dass die Barrieren sie nicht mehr hielten. „Wirklich? Dann ist in Ordnung Schatz, aber ruf, wenn etwas ist!“ Sie hörte die Sorge in der Stimme ihrer Mutter, aber sie konnte sie nicht damit belasten. Langsam erhob sie sich, dünne Rinnsale Blutes liefen an ihrem Körper hinab. Sie fasste sich ungelenk mit einer Hand an den Rücken. Die Finger tasteten lange, tiefe Kratzer, aus diesem trat das Blut heraus. Als sie die Hand wieder nach vorne streckte, war diese Blut getränkt. Kims Augen waren vor Schreck geweitet. ‚Das geht zu weit! So kann das nicht weitergehen!‘ Schnell wusch sie sich das Blut von den Händen und vom restlichen Körper, dann hüllte sie sich in ihren Bademantel. Diesen eng um sich geschlungen machte sie sich sofort auf in ihr Zimmer. Mit einem schnellen Griff schnappte sie sich ihr Handy vom Nachttisch. Sie musste nun sofort wissen, was sie tun konnte! Eine Weile und etliche Internetseiten später hatte sie einen groben Plan. Die Kratzer brannten zwar noch etwas, aber sie spürte, dass diese nicht weiter gefährlich waren. Vorsichtig zog sie sich um, ihre Eltern durften davon nichts erfahren! Jetzt, wo sie zumindest Ansatzweise wusste, was sie tun konnte, ging es ihr schon besser. Aber sie brauchte Zeit alleine. Hoffentlich gingen ihre Eltern heute wie immer gegen Nachmittag zum Spieleabend bei Freunden. Dann hätte die freie Bahn für ihren Plan. Unschuldig erkundigte sie sich bei ihren Eltern danach. Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihr, als diese den Spieleabend bestätigten. Nun hieß es nur noch abwarten! Sie konnte so nicht weiter machen, sie musste Angst haben, dass sie weitere Verletzungen davon tragen würde, wenn nicht sogar schlimmeres. Sollte ihr Plan nicht aufgehen, so nahm sie sich vor einen Exorzisten zu suchen. Das würde nicht einfach werden, aber das war dann ihre einzige verbleibende Chance… Nervös auf ihrem Schreibtischstuhl hin und her drehend wartete sie darauf, dass sich ihre Eltern endlich verabschiedeten. Als es dann soweit war atmete Kim erst einmal tief durch. Einige Dinge brauchte sie noch, dann konnte es losgehen. Sie hatte Glück, dass sie noch einige Räucherstäbchen mit weißem Salbei hatte, das war noch aus einer Phase, wo sie sich für Hexenkram und so etwas interessiert hatte. Nun kam es ihr zugute. Laut dem Internet sollte weißer Salbei eine reinigende Wirkung haben. Besser wären Bündel mit reinem Salbei gewesen, aber da kam sie jetzt so auf die Schnelle nicht dran. Das musste reichen. Sie zündete in jedem Raum ein Räucherstäbchen an, danach nahm sie eines zusätzlich in die Hand. Man sollte so alles im Haus ausräuchern. Jeder Raum, jede Stelle und vor allem auch jede Ecke sollte so ausgeräuchert werden. Sie fing vorne in der Wohnung an und arbeitete sich immer weiter. Leise das Vater unser aufsagend. Das Ave Maria hatte sie nie gelernt, was sie nun ärgerte. Ihr Zimmer war als letztes dran und sie betrat es mit klopfendem Herzen. Die ganze Atmosphäre hatte sich im Haus komisch angefühlt, aber in ihrem Zimmer war es am schlimmsten. Es war eisig kalt und sie konnte kaum atmen. Das kannte sie mittlerweile schon, aber es machte ihr dennoch Angst. Während der Räucherung wurde es schlimmer, sie hielt bis zum Schluss durch. Nun noch das letzte…. Sie holte das Ouija-Brett hervor, was sie mit ihren Freundinnen genutzt hatte und legte es in eine Feuerfeste Schale. Zusammen mit etwas Papier und Spiritusanzünder wollte sie es verbrennen. Das Feuerzeug brannte bereits, als sie einen merkwürdigen schwarzen Nebel vor der Schale entdeckte. Er sammelte sich, wurde immer größer und immer dunkler. Kim wurde so schlecht, dass sie aufpassen musste sich nicht zu übergeben. Kim biss sich auf die Lippe, sie durfte sich nicht ablenken lassen, musste es bis zum Ende durchziehen. Sonst hatte es keinen Zweck mehr. Vorsichtig senkte sie das Feuerzeug hinab, der Anzünder machte seine Arbeit gut. Schon bald brannte der Inhalt der Schale lichterloh. Erst da wurde Kim bewusst, dass es vielleicht gar nicht so eine gute Idee war das im Haus zu machen, aber nun war es zu spät. Je kräftiger die Flammen brannten, desto dunkler wurde der Schatten. Sie schaute hinauf, der Schatten war nun eine ganze Ecke größer als sie es war. Mit einem Mal sah sie Augen, so leuchtend rot wie glühende Kohle. Der Rauch war nun dicht, doch die Augen konnte sie ganz klar erkennen. Der Schatten stieß ein unheimliches Knurren aus, als würde es tief aus der Erde kommen. Kim wich zurück. Der Schatten wehrte sich, er wollte nicht ausgetrieben werden. Sie stemmte ihren Willen dagegen, sagte unaufhörlich das Vater Unser auf, doch sie kam nicht dagegen an. Ihr Blick verschwamm immer mehr, sie schaffte es nicht. Und das Feuer brannte noch… So hatte sie keine Chance, es war vorbei. Hoffentlich waren ihre Eltern wenigstens in Sicherheit. Sie konnte einfach nicht mehr. Mit Tränen in den Augen kam ihr der Gedanke, dass sie dann immerhin bald ihre Großmutter sehen würde, als sie ein gedämpftes Leuchten wahrnahm. Es war direkt neben ihr, es wurde immer heller und durchdrang sogar den Rauch. Der schwarze Schatten stieß nun ein wütendes Knurren aus. Was auch immer das Leuchten bedeutete, es gefiel dem Schatten ganz und gar nicht. Das Licht war nun so hell, dass Kim ihre Augen fast schließen musste. Doch mit ihrer letzten Kraft zwang sie sich zuzusehen. Das Licht schwebte nun auf den Schatten hinzu, er stemmte sich dagegen. Seine Wut steigerte sich, doch Kim hatte den Eindruck, dass sie nun auch Überraschung hörte. Erst schaffte der Schatten es das Licht zurück zudrängen, dann jedoch wurde das Licht wärmer. Kim konnte die Wärme auf ihrem Gesicht fühlen, es fühlte sich an wie die erste Sonne im Frühling. Angenehm. Sie konnte noch sehen, wie das Licht den Schatten in sich aufnahm, konnte das Schreien des Schattens hören, dass ihr durch Mark und Bein ging. Doch Kim sackte zusammen. Ihr Körper hatte keine Kraft mehr, sie aufrecht stehen zu lassen. Das letzte was sie hörte war eine sanfte Stimme. Sie klang wie ihre Großmutter. „Pass auf dich auf!“, dann war alles schwarz. Das nächste woran sie sich erinnerte, war das sie in einem Krankenhausbett aufwachte. Ihre Mutter saß neben ihr, das Gesicht Tränen überströmt. Kim konnte sich kaum rühren, ihr Körper war so schwer. Sie fasste unendlich langsam an ihr Gesicht, sie hatte eine Maske aus Plastik auf. „Nicht, Schatz! Das ist dein Sauerstoff, den brauchst du. Hol den Arzt, sie ist endlich wach!“ Mit einer aufgeregten Geste schickte sie ihren Mann los einen Arzt zu holen. „Oh endlich bist du wach!“ Immer mehr Tränen rannen von ihrem Gesicht. „Was… Was ist passiert?“ Ihre Stimme war rauh und kaum mehr als ein krächzen, jedes Wort tat weh wie tausend Nadelstiche. „Wie konntest du das nur tun? Was hast du dir dabei gedacht, einfach ein Feuer im Haus anzuzünden! Du hättest es fast abbrennen lassen. Und noch schlimmer, fast wärst du uns gestorben!“ Ihre Mutter schluchzte nun laut auf und umarmte Kim, so feste wie das mit den ganzen angeschlossenen Geräten möglich war. Kim erinnerte sich wieder etwas… An den Rauch… An den Schatten… „Wäre der Nachbar nicht gewesen! Er hat sofort die Feuerwehr gerufen als er den Rauch gesehen hat!“ Kim erinnerte sich an das Feuer. Hatte sie es einfach so angezündet? Nein, da war sie sich sicher. Der Schatten war zu real… Und dann war da dieses Licht, es war so schön. Aber war das alles wirklich passiert? Kim wusste, dass man bei einer Rauchvergiftung auch Halluzinationen bekam. Schließlich hatte man einen riesigen Sauerstoff Mangel. Sie würde niemals wissen, ob es tatsächlich geschehen ist. Aber für sie hat es sich real angefühlt, sie wusste, es war wirklich geschehen. Und sie wusste auch, dass es nun endlich vorbei war. Sie schloss die Augen und hörte die Stimme. ‚Pass auf dich auf!‘ Nein, das war wirklich passiert, da war sie sich sicher. Und über noch eines war sie sich sicher: Dass sie einen Schutzengel hatte. ‚Vielen Dank, Großmutter. Irgendwann werden wir uns wiedersehen!‘ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)