Fallin' for you von Rosarockabye ================================================================================ Kapitel 1: Rescue ----------------- „Also dann, macht´s gut Leute!“ Mit stark schwingender Hand verabschiedete sich der strubbelige Blondschopf von seinen Freunden und warf sich beim umdrehen seine schwarze Schultasche über die Schulter. Pfeifend ging er die Straße entlang und überlegte, wie er sich nun die Zeit vertreiben könnte bis heute Abend. Nach der Schule direkt nach Hause zu verschwinden war für Joey Wheeler absolut keine Option und wenn seine Freunde noch etwas Zeit gehabt hätten, wären sie wahrscheinlich alle noch auf einen Milchshake ins nächste Café geschlendert. Aber Téa gab Nachhilfe und Tristan war bereits verabredet sowie auch Yugi, der sich heute etwas Zeit für seinen Großvater nehmen wollte. Ein warmer Sommerwind wehte ihm durchs Gesicht und mit einem tiefem Atemzug, sog er diese in sich auf. Der Gedanke an sein zu Hause ließ in Joey Unmut aufsteigen, den er schnell wieder versuchte zu unterdrücken, in dem er sich überlegte, wie sein restlicher Tag ablaufen sollte. Er überkreuzte beide Arme hinter seinem Kopf und grinste breit. Vielleicht würde er einen kurzen Zwischenstopp in der Spielhalle machen und schauen, welche neuen Games raus gekommen waren oder er würde nach den neusten Mangas stöbern. Er blickte in den Himmel, blieb dabei kurz stehen und kniff beim Anblick der strahlenden Sonne die Augen leicht zusammen. Die Sonne schien zärtlich sein Gesicht zu kosen und für einen kurzen Moment war er vollkommen sorglos. Er vernahm die Geräusche der fahrenden Autos, die an ihm vorbei zogen und fing knappe Gespräche der Passanten auf. Und auch wenn um Joey ein tosender Lärm herrschte, war es dennoch einer der ruhigste Momente, die er erleben durfte. Er fühlte ein Teil dieser pulsierenden Welt zu sein und nicht eingesperrt in seinen vier Wänden, die ihn Nacht für Nacht daran erinnerten, welch Leid er ertragen musste. Kopfschüttelnd verwarf er seine schlechten Gedanken. Er wollte an so einem schönen Tag nicht den negativen Dingen nach hängen und setzte sich damit langsam in Bewegung. „Lasst mich!“ Joey drehte sich um und blickte nach rechts in eine heruntergekommene, langgestreckte Seitengasse. Er vernahm leises Gelächter und ohne auch eine Sekunde länger darüber nach zu denken lief er in Richtung der Geräusche. Erneut hörte er die Rufe eines Jungen, der darum bat in Ruhe gelassen zu werden und er glaubte zu wissen, wem diese Stimme gehörte. Er beschleunigte seine Schritte und als er scharf in die nächste Kurve abbog, blieb er stehen. Erschrocken riss er die Augen auf. Eine Schar Jungen hatte einen Halbkreis um eine kleinere Person gebildet. Sie lachten und schubsten ihn sich immer wieder gegenseitig zu, während der Junge unaufhörlich und vehement dagegen versuchte sich zu wehren. Und dann erkannte Joey ihn. Es war Mokuba. „Hey! Lasst ihn in Ruhe!“ Die Jungs drehten sich fragend um und erblickten den Blonden, wie er wutentbrannt die Hände zu Fäusten ballte. Sie waren etwas größer als Mokuba und dem Anschein nach auch keine seiner Klassenkameraden, da sie völlig andere Schuluniformen trugen. „Wer bist du denn?!“, hörte Joey einen von ihnen schimpfen, sichtlich genervt darüber, dass dieser ihn bei seinem Spaß gestört hatte. „Jemand, der dir die Fresse poliert, wenn ihr den kleinen nicht gleich gehen lasst!“, bellte Joey unbeherrscht. Der Anblick des kleinen Mokubas, wie er verängstigt da stand, mit seinem hilfesuchendem Blick, ließ in ihm die pure Wut aufsteigen. Joey verabscheute Menschen, die nichts besseres zu tun hatten, als sich am Leid anderer zu erfreuen. Dabei kamen in ihm ungewollt die Erinnerungen hoch. Erinnerungen, die unkontrolliert vor seinem inneren Augen aufblitzten und die er rasch wieder versuchte aus seinem Kopf zu verbannen. Jetzt war nicht der Moment sich im Bann der Vergangenheit zu verlieren. Ohne Vorwarnung lief einer der Jungs auf Joey zu, der gerade noch damit beschäftigt war, die Bilder aus seinem Kopf zu verjagen. Er verpasste dem Blonden einen schlag in die Magengegend. Joey atmete schmerzvoll aus und krümmte sich. Dabei hielt er den Bengel, der ihm unterdessen bösartig ins Gesicht lachte, an den Schultern fest. Die Jungs hinter ihm grölten und jubelten ihrem Kollegen zu, wie toll er doch ausgeteilt habe. Mokuba kam nicht umhin mit an zu sehen, wie Joey sein Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse verzog. „Joey!“, platzte es aus ihm heraus und machte Anstalten auf diesen zu zulaufen. Doch einer aus der Gruppe fing ihn ab und schubsten ihn in eine Ecke, in der Mülltüten und grauen Mülltonen standen. Er landete auf einem schwarzen Müllsack und schrie beim Aufprall kurz auf. Die Jungs schienen sich köstlich zu amüsieren und Joey nutzte die Chance, während er den miesen Bengel noch vor sich hatte und holte aus. Mit einem heftigen Ruck schoss sein Knie in die Höhe und vergrub es in den Magen seines Gegenübers. Als dieser sich krümmte verlor er keine Zeit und setzte erneut zum Schlag an. Mit einem rasanten Fausthieb befördert er seinen Gegner zu Boden. Die anderen Jungs, die eben noch so herrlich über Mokuba gelacht hatten, drehten sich nun erschrocken um und sahen, wie Joey sich diabolisch grinsend mit dem Handrücken über die Mundwinkel wischte. „Was zum...?!“, kam es von einem und als nächstes hörte man noch wie ein anderer schrie: „Los! Macht den Kerl fertig!“ Der nächste rannte auf Joey zu und diesmal wehrte er den Schlag seines Gegenübers ab. Mit voller Wut stürzte sich der Blonde auf den anderen und schmiss sich mit ihm zu Boden, so dass er nun auf diesem saß und ihm sauber einen Schlag von der einen zur nächsten Seite verpasste. Die Kollegen von dem Jungen, der sich unter Joey befand, griffen nun auch ein. Sie packten ihn und zwei von ihnen hielten ihn, nach dem sie den Blonden erfolgreiche von ihrem Freund runter bekommen hatten, links und rechts jeweils fest. Der Junge, dessen Gesicht nun angeschwollen war und blutete, lachte heiser, während die anderen sich nun Joey annahmen und zu schlugen. Der Schmerz durchzuckte Joey und er sackte schlaff zusammen. Egal wie viele Schläge er schon gewohnt war, gegen so viele, dass musste er sich nun eingestehen, hatte er keine großen Chance. Mokuba, der sich langsam wieder aufgerichtet hatte, rannte schreien auf die Jungs zu, damit sie von Joey abließen. Mit einem heftigen Schubser beförderte er einen von ihnen gegen die nächste Mülltone. Joey sah auf und als er den kleineren erblickte, wie dieser sich gerade mit den Armen versuchte vor dem nächsten Schlag zu schützen, brannte ihm eine Sicherung durch. Er sprang auf und schlug dem nächsten Kerl ins Gesicht. „Scheiße Mann! Lasst uns verschwinden, die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun!“, schimpfte einer der Jungs und die Mehrheit schloss sich dem Entschluss an. Joey sah nur noch wie sie alle die Flucht ergriffen und schaute zum jüngeren Kaiba Bruder rüber. „Mokuba..“, keuchte er. „Geht es dir gut?“ Der Schwarzhaarige richtete sich auf und nickte. „Besser als dir auf jeden Fall denke ich.“ Joey entwich ein Lachen, während er sich mit dem Rücken an der alten grauen Backsteinwand anlehnte. Er umschlang mit seinem rechten Arm seinen Bauch und kniff ein Auge zusammen. Ihm tat der Bereich ziemlich weh. „Joey... du blutest.“, bemerkte Mokuba und sah ihn besorgt an. „Ach das..“, Joey wischte sich abermals mit dem Ärmel übers Gesicht. Es brannte ziemlich und er hoffte inständig, dass es keine Narbe hinterlassen würde. „Halb so wild.“ Langsam richtete er sich wieder auf und versuchte sich den Dreck von den Klamotten zu klopfen. Mokuba stand nur da mit gesenktem Blick. Es schien als traute er sich nicht dem Blonden in die Augen zu schauen. Joey griff nach seiner Schultasche, die er vor lauter Rage beim Anblick von Mokuba, in die nächste Ecke befördert hatte. Schließlich räusperte er sich. „Weiß dein Bruder, dass du gemobbt wirst?“ Joey bedachte den kleineren mit einem besorgten Blick. Er hatte nie mitbekommen, dass Kaibas kleinerer Bruder gehänselt wurde. Immerhin waren sie Erben eines Vermögens, welches Joey sich niemals auch nur im geringsten Vorstellen konnte und Mokuba war immer so freundlich zu jedem. Bei Seto Kaiba hätte er es vermutlich noch eher verstanden. Ja, bei dem Kerl wäre er sogar ganz vorne dabei gewesen, wenn es darum ging, ihn mit Sticheleien zur Weißglut zu bringen. Aber doch nicht bei dem liebenswerten Mokuba! Bis jetzt hatte er geglaubte, dass beide ein völlig glückliches und sorgenfreies Leben führten. Den kleineren Kaiba Bruder nun so deprimiert zu sehen, betrübte ihn. Mokuba hob seinen Blick und sah Joey kurz an. Die Frage schien ihn dezent wütend gemacht zu haben. „Bist du verrückt? Sollte Seto das erfahren, würde er alles und jedem dem Erdboden gleich machen.“ Dann senkte er den Blick wieder, in dem kurz ein Schimmer von Traurig aufblitzte „Außerdem würde er es vielleicht nur schlimmer machen.“ Joey nickte nachdenklich. Wahrscheinlich hatte Mokuba da recht. Er kannte Seto Kaiba nicht, auch wenn sie Klassenkameraden waren, aber wenn es eins gab was er über diesen wusste, dann dass er einen übertriebenen Beschützerinstinkt gegenüber seinem kleinen Bruder besaß. Und aus Erfahrung wusste Joey, dass sich ein einmischen in solchen Dingen nicht immer positiv auswirkte. „Danke.“, hörte er wieder Mokuba sagen und verlegen fasste sich Joey an den Hinterkopf. „Ach, ich hab zu Danken. Dein todesmutiger Stoß hat mir wahrscheinlich die Haut gerettet.“, lachte er und tätschelte dem kleineren den Kopf. Damit warf sich Joey wieder seine schwarze Schultasche über die Schulter. Sein Bauch schmerzte noch immer, aber er wollte nicht den Schwächling raus hängen lassen. Unsicher darüber wie es jetzt weiter ging, kratzte er sich nachdenklich die Wange. Er öffnete den Mund um zu fragen, was eigentlich passiert sei, doch Mokuba kam ihm zu vor. „Die haben es schon seit längerem auf mich abgesehen. Ich weiß nicht warum, wahrscheinlich der Neid... zumindest sagt Seto das immer.“ „Also weiß er teilweise davon?“ Der Kleinere nickte zuerst, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Ich sagte ihm, nach dem er sich das erste Mal eingemischt hatte, dass es nun viel besser sei und er sich keine Sorgen mehr machen solle.“ Joey seufzte und erneut fasste er nach dem schwarzen Haar des kleineren. „Schon gut“, sagte er leise dabei. „Von mir erfährt keiner was, aber in Zukunft sagst du mir Bescheid, klar?“ Mokubas Augen schienen vor Erleichterung zu glänzen. Wer wusste schon wie lange er dies über sich ergehen lassen musste, ohne sich dabei jemanden an vertrauen zu können. Schließlich zückte er sein Handy aus seiner Hosentasche. Innerlich fluchte er was das Zeug hielt. Der Display hatte einen riss, der sich über den kompletten Bildschirm erstreckte. Das war bis vor ein paar Minuten noch nicht gewesen. Genervt verdrehte er die Augen und steckte es wieder weg, nach dem er die Uhrzeit gecheckt hatte. „Ich bring dich nach Hause.“, lächelte er dem kleineren zu, der nur wortlos nickte. Mokuba schien so furchtbar traurig, aus diesem Grund hatte Joey ihm angeboten ihn nach Hause zu begleiten. Er wusste wie es war in einer solchen Situation mit seinen Gedanken alleine zu sein und er wollte nicht, dass es dem Kleineren genauso erging. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Joey ertrug die Stille zwischen Ihnen nicht. Daher entschied er sich einfach drauf los zu reden, um den Kleinen von den dunklen Gedanken ab zu bringen, die ihn anscheinend beschäftigten. Für ihn war es tatsächlich auch keine schlechte Ablenkung. So ungern er es auch zugab, aber diese kleinen Mistkerle hatten ihn ziemlich hart getroffen und das Gerede lenkte ihn teils von den Schmerzen ab. Er schaffte es das ein oder andere Lachen aus Mokuba zu entlocken, in dem er ihm erzählte welche Ausreden er benutzte, wenn er mal wieder seine Mathehausaufgaben vergessen hatte. Und bei dem Wort „vergessen“ zwinkerte Joey neckisch Mokuba zu. Bald darauf erreichten sie das Anwesen und Joey wurde erst jetzt bewusst, dass er zum ersten Mal vor Kaibas Haus stand. Nun, Haus war etwas untertrieben gewesen. Von der Straße aus hatte man diesen riesigen Koloss von Villa schon sehen können! Mokuba betätigte einen Knopf neben einem schwarzem, dekorativ geschwungenen Gittertor. Als Joey genauer hinsah erkannte er, dass es einen Sensor hatte, der beim betätigen seinen Finger scannte. Dem Blonden entwischte ein beeindrucktes Pfeifen. Ein leises Summen war zu hören und das Tor öffnete sich langsam. „Ok Kleiner, ab hier weißt du ja wo es lang geht!“, grinste der Blonde nervös und machte schon auf den Absatz kehrt. Mokuba griff schnell nach seinem Jackenärmel und sah ihn besorgt an. „Wir haben Leute, die sich deine Verletzungen ansehen können.“, sagte er mit ernster Miene und Joey wunderte sich kurz, wie ähnlich Mokuba plötzlich seinem älterem Bruder mit diesem Blick war. Apropos großer Bruder. Joey war dabei feindliches Gebiet zu betreten und hatte nicht die geringste Lust diesem kalten Eisklotz über den Weg zu laufen. Er entzog sich dem Griff des Jüngeren und lehnte dankend ab. „Schon gut Mokuba. Das sind nur ein paar Kratzer, wirklich ich-“ „Nur kurz!“, insistierte der Kleinere und ergriff wieder seinen Arm, diesmal mit beiden Händen. Er zog ihn fast regelrecht aufs Anwesen. „Seto ist auch gar nicht zu Hause. Er ist meistens noch lange in der Firma.“ Joey seufzte auf, dabei durchzuckte ihn ein kurzer Schmerz in der Magengegend. Vielleicht hatte der Schwarzhaarige recht und jemand sollte sich wirklich ansehen, ob es nichts ernstes war. Aber der Gedanke sich auf Seto Kaibas Terrain zu begeben hinderte ihn daran. Seine Beine schienen sich nicht von der Stelle bewegen zu wollen. Doch nach weiteren mehreren Versuchen seitens Mokuba gab Joey schließlich nach und folgte ihm aufs Gelände. Auf einem grauen Schotterweg mit genauso grauen Pflasterkanten gingen sie auf ein riesiges weißes Haus, mit einem dunkelroten geziegeltem Dach, zu. Joey war unfassbar beeindruckt von der Größe und wie hübsch es einfach aussah. Es war in einem mediterranen Stil gehalten und man musste etliche Stufen erklimmen um die große, dunkelbraune, massive Eingangstür zu erreichen. Auf dem Weg dorthin, waren ihm mehrere Sicherheitskameras aufgefallen. „Und ihr habt Ärzte auf Abruf oder wie darf ich das verstehen?“, fragte Joey während Mokuba sich von einem Bediensteten die Tür öffnen ließ und plötzlich stand der Blonde in einem riesigen Eingangsbereich mit schwarzem Marmorboden. Er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und musste sich mehrmals daran erinnern seine Kinnlade zu schließen. „So ungefähr. Seto ist stets besorgt um mich. Ich glaube, er hat sogar angst, dass ich mich an einem Stück Papier schneiden könnte. Also muss ich nur kurz nach jemanden rufen und es steht jemand bereit.“ Mokuba lächelte leicht peinlich berührt über das Verhalten seines großen Bruders. Als ein Dienstmädchen um die Ecke bog und vor Mokuba einen Knicks vollführte, grüßte dieser sie freundlich und überreichte ihr seine Jacke samt Schultasche. Er bedeutete Joey es ihm gleich zu tun und kurz darauf bat er den Bediensteten, der ihm so eben noch die Eingangstür geöffnet hatte, einen Arzt herbei zu rufen. Dann forderte er Joey mit einem Nicken auf, ihm zu folgen. Im mitten des großen Eingangsbereich stand ein kleiner runder Tisch mit einer wunderschönen Vase in Anthrazit, die gefüllt war mit den schönsten weißen Rosen, die Joey je gesehen hatte und beinahe wäre er genau gegen diese gestolpert. Da er so mit dem Bestaunen beschäftigt war, hatte er nämlich genau diese fast übersehen. Einer der Bedienstetem sah ihn mit hochgezogener Augenbraue grimmig an und mit einem entschuldigendem Grinsen folgte Joey hastig wieder Mokuba. Im Eingangsbereich gab es eine prachtvolle Doppeltreppe, dessen Geländer schwarz und dekorativ geschwungen war. Und in mitten dieser hing ein riesiger dunkler Kronleuchter. Joey ertappte sich dabei, wie er beim hoch gehen zaghaft das Geländer berührte, völlig sprachlos von all dem Prunk, der ihm entgegen sprang. Er konnte sich partout nicht vorstellen wie es wohl zu sein vermochte in solch einem Luxus zu leben. Als sie die Treppe hoch gingen und dann nach links abbogen, führte Mokuba ihn in einen sterilen leeren Raum, der nach Desinfektionsmittel roch. Selbst eine Arztliege war vorhanden. Überrascht runzelte der Blonde die Stirn und fragte sich, wie krankhaft besessen Kaiba vom Schutz seines Bruders sein musste. Etwa so sehr, dass er selbst ein Arztzimmer in seinem eigenem Haus untergebracht hatte? Wenige Minuten später war auch schon der Arzt anwesend, der dann Mokuba aufforderte sich zu setzten. „Nein, es geht nicht um mich. Bitte schauen sie sich meinen Freund hier an.“ Der Arzt schien sichtlich verwirrt und schob sich mit dem Mittelfinger die Brille auf seiner Nase zurecht. „Ich weiß nicht ob Herr Kaiba-“ „Lassen Sie das meine Sorge sein.“, unterbrach Mokuba den Herrn, der schließlich nur nickte und sich dann dem Blonden zu wandte. Der Apfel fiel anscheinend wirklich nicht weit vom Stamm und Joey war schon beinahe sprachlos über das Verhalten des Schwarzhaarigen. Er überlegte, ob Mokuba vielleicht nicht eine nettere Version von Kaiba werden könnte. Was dachte er denn da? Jeder konnte eine bessere Version von Kaiba werden, immerhin war es der eiskalte Seto Kaiba von dem hier die Rede war! Der Mann mit dem weißen Kittel bat ihn schließlich sich frei zu machen und betrachtete ihn widerwillig. Der Blonde fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, dass dieser Mann sich seine Blessuren nicht ansehen wollte. Wäre es nicht Mokuba gewesen, hätte er schon längst seine Sachen geschnappt und aus diesem riesigen Käfig die Flucht ergriffen. Nach einiger Zeit seufzte der Arzt und erklärte Joey sowie auch Mokuba, dass er keine Anzeichen auf innere Blutungen vorwies. Joey schien nicht mehr zu zuhören, es war nicht das erste Mal, dass er sich von einem Arzt aufgrund seiner Wunden untersuchen ließ. Er war es schon regelrecht gewohnt und ihm war auch sehr wohl aufgefallen, dass dieser Mann nicht nur seine jetzigen, sondern auch älteren Verletzungen begutachtet hatte. Als er den Blonden ansah und dieser spürte, dass er ihn darauf ansprechen wollte, knöpfte er sich rasch die Jacke zu und sprang von der Arztliege herunter. „Super Doc, danke!“, grinste er dabei fröhlich und machte schon Anstalten zu verschwinden. Mit einem plötzlichen Ruck öffnete sich die Tür und niemand sonst wie Seto Kaiba höchstpersönlich stand im Raum. „Mokuba!“, ertönte es aus dem Braunhaarigen panisch und er lief mit hastigen Schritten auf diesen zu. Dann kniete er sich zu diesem runter und fasste ihn an den Schultern. Joey schlug sich lautlos auf die Stirn. Na toll, der hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Der Ältere inspizierte seinen kleinen Bruder sichtlich nach Verletzungen ab und Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit als er sah, dass er keine besaß. Joey beobachtete die Beiden und ihm wurde kurz schmerzlich bewusst, dass er seine kleine Schwester Serenity vermisste. Er kam nicht umhin eine leichte Spur von Neid zu empfinden und er hasste sich dafür, eifersüchtig auf Seto Kaiba zu sein. Joey wusste, dass beide Kaiba Brüder keine Eltern mehr besaßen und die Reaktion des Älteren verdeutlichte ihm, wie stark das Band zwischen ihnen war. Er wünschte sich dieses starke Band zwischen sich und Serenity, aber dies würde nie mehr zustande kommen. Bei diesem qualvollen Gedanken, niemals die Familie zu besitzen, die er sich so sehnlichst gewünscht hatte, wandte er sich von den beiden ab. Mokubas Stimme riss ihn letztendlich wieder aus seinen traurigen Gedanken. „Seto, wieso bist du schon zu Hause?“ „Man sagte mir du hättest einen Arzt gebraucht!“, ein leichter hauch von Angst war aus der Stimme des Braunhaarigen heraus zu hören. Dann, als er merkte, dass sich noch jemand anderes im Raum befand, wanderte sein Blick zu Joey. Seine Miene verfinsterte sich und er richtete sich wieder auf. There we go..., dachte sich Joey und straffte die Schultern, um sich in Kampfposition zu bringen. „Was will Wheeler denn hier?!“, entfuhr es Kaiba wütend und knirschte dabei mit den Zähnen. „Auch schön dich zu sehen, Kaiba.“, erwiderte Joey nur genervt und funkelte ihn mit genau dem selben Blick, dem ihm sein Erzfeind zu warf, an. Der Angesprochene ließ sich jedoch davon nicht beirren. „Mokuba, erklär mir was hier los ist.“, verlangte Kaiba, ohne auch nur dem anderen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Mokuba schien sichtlich überfordert und stammelte etwas von einer kleinen Rauferei. Dabei huschte sein Blick immer wieder hilfesuchend zu Joey. Er schien Angst zu haben, dass der Blonde ihn vielleicht auffliegen lassen würde. Seto Kaiba wirkte ungeduldig und verschränkte mit erwartungsvollen Blick die Arme vor seiner Brust. Joey seufzte, es führte wohl kein Weg daran vorbei. Er musste dem kleineren aus der Klemme helfen. „Dein Bruder war gerade vorbei spaziert als ich mich mit so ein paar Jungs kloppte und hat mir seine Hilfe angeboten, nach dem sie mich liegen gelassen haben.“ Verlegen strich er sich dabei den Hinterkopf und lächelte dämlich, in der Hoffnung, dass Kaiba anbeißen würde. Erneut warf dieser dem Blonden einen hasserfüllten Blick zu, schnaubte dabei verächtlich und widmete sich wieder seinem Bruder. „Du kannst nicht einfach diesen räudigen Straßenköter in unser Haus bringen und einen unserer Leibärzte darum bitten, sich seine Wehwehchen anzuschauen!“ Es nervte den Blonden, dass sein Gegenüber so tat, als sei er nicht anwesend. Was hatte er sich nur dabei gedacht Mokubas bitte folge zu leisten und diesen gottverdammten Palast zu betreten? Voller Rage stemmte er die Hände in seine Hüften. „Immerhin ist er kein Eisklotz!“, bellte Joey. „Das passt zu dir Wheeler. Dich mit deines gleichen wie Neandertaler um das letzte Leckerli prügeln.“ Langsam aber sicher riss Joey der Geduldsfaden und er warf wütend die Hände in die Luft. Kaiba stand unbeeindruckt weiter aufrecht da. Die Lippen zu einem bösartigen Lächeln geformt, blickte er den Blonden mit seinen tiefblauen Augen schweigsam an. Allein die Tatsache, dass er einfach nur da stand und ihn ansah, machte Joey rasend. „Du Mistkerl ich werde dich-“ Joey setzte schon beinahe zum Sprung an, Setos Ansicht nach sah er aus wie ein kläffender Chihuahua und er ließ die Arme sinken um sich auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten. Aber Mokuba stellte sich ruckartig zwischen den beiden und streckte ihnen jeweils einen Arm entgegen. „Jungs! Bitte!“, rief er dabei. Joey blieb abrupt stehen und schnaubte wütend. Er sah zu Mokuba, der noch immer besorgt dreinschaute. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, stürmte er an den beiden Kaiba Brüdern vorbei und verließ so schnell wie möglich das Gebäude. Dieser verdammte Scheißkerl!, schoss es ihm durch den Kopf. Wie kann man nur so ein Arsch sein?! Wütend stampfte er über den Schotterweg, dabei ballte er die Fäuste und schlug um sich. Er musste all den Zorn, den er nun dank diesem Idioten in sich gesammelt hatte, Luft machen und so fluchte er der Blonde beim verlassen des Geländes weiter vor sich hin. Es dauerte eine Weile bis ihn ein Teil der Rage verlassen hatte, während er dabei ziellos durch die Gegend geirrt war. Die Sonne sank langsam über Domino City und tauchte die Stadt in ein dunkles Orange. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie vollkommen unterging. Der ein oder anderen Wagen hatte bereits seine Scheinwerfer angeschaltet und abwechselnd warfen sie ihre Lichter über das Gesicht des Blonden. Völlig in Gedanken versunken machte sich Joey schließlich auf den Heimweg. Seine Hände vergrub er dabei tief in seine Hosentaschen und er schnalzte bei der Erinnerung mit Kaiba wütend mit der Zunge. Wie konnte es nur sein, dass der eine Engelsgleich war und der andere das Ebenbild des Teufels? Ihm war noch nie ein Mensch wie Seto Kaiba begegnet und alleine an seinen Namen zu denken verärgerte Joey. Und dann waren da noch diese Augen. Wie er ihn angestarrt hatte mit diesen tiefblauen Augen! Er machte ihn schier wahnsinnig. Als habe sich Kaiba als Lebensaufgabe genommen ihn in jeder Sekunde, in der sie sich begegneten, für sein Dasein zu bestrafen. In dem er ihm immer wieder zu verstehen gab, wie sehr er ihn hasste. Zornig trat Joey gegen eine Dose, die auf dem Gehweg lag. Langsam gingen die Straßenlaternen an und er bog in den Teil der Stadt, der nicht mehr so hell beleuchtet war. Als Joey schließlich vor seiner Haustür stand, wollte er nach seiner Tasche greifen, um seine Schlüssel raus zu holen. Und dann kam plötzlich die Erkenntnis. Er hatte seinen Kram bei Kaiba gelassen. Als er da raus gestürmt war, hatte er nicht mehr an seine Schultasche gedacht. Shit!, dachte er und lehnte den Kopf an die Haustür. Wenn der Alte zu Hause war und er nun klingeln oder klopfen würde, dauerte es ewig bis sich der gnädigen Herr aus seinem bequemen Sessel erhob. Außerdem hatte er absolut keine Lust sich an hören zu müssen, warum er keine Schlüssel dabei habe. Aber der Gedanke sich auf den Weg zurück zu machen und wieder auf Kaibas Anwesen zu sein, schien er genauso sehr zu verabscheuen. Vielleicht hatte er auch mal Glück und der Alte würde ihn nur an nörgeln. Also entschloss er sich zu klingeln. Wie bereits gedacht dauerte es ewig bis sich die Tür öffnete. Joey hatte nun mehrmals geklingelt, weil sich beim Warten auf das Öffnen der Tür wieder so viel Wut in ihm angestaut hatte. Er war wütend auf sich selbst diese verdammte Schultasche vergessen zu haben und sich so aus der Fassung gebracht haben zu lassen von diesem Mistkerl. Sein stämmiger Herr riss die Tür auf und bei Joeys Anblick verzog er grimmig das Gesicht. „Was zum Teufel Joseph?! Wieso benutzt du die Klingel du Spinner?!“, donnerte er los. Joey seufzte innerlich auf und vermied den Augenkontakt. „Hatte Lust dazu.“, antwortete er nur gleichgültig und versuchte sich an ihm vorbei zu zwängen, um ins Haus zu gelangen. Als es ihm gelang und er sich die Schuhe auszog, hörte er wie sein Vater die Haustür zuschlug. Leicht zuckte er dabei zusammen. Er wusste, dass seine Antwort ihn in Teufelsküche bringen würde und zu seiner Verteidigungen musste man sagen, dass egal was er nun von sich gab, sein Vater jetzt womöglich in blinde Raserei verfallen würde. „Ach komm schon Dad, ist doch nichts dabei.“ Versuchte er ihn zu beschwichtigen und das Gefühl der Angst schlich sich langsam seinen Beinen hoch. Bis es seinen Brustkorb erreichte und sich dort ausbreitete. Sein Vater bäumte sich vor ihm auf und Joey vergaß einen Augenblick das Atmen. Das war wohl nichts mit nur Nörgeln. „Du kleiner Scheißkerl! Dir bring ich benehmen bei!“, brüllte er und griff Joey an den Haaren. Der Blonde schrie kurz auf und versuchte die Hände seines Vaters aus seinen Haaren zu bekommen. Schon jetzt schien der Schmerz unerträglich. Dann schleuderten er ihn gegen die nächste Wand und Joey stieß mit dem Gesicht ächzend gegen diese. Für einen kurzen Augenblick schien sich die Umgebung zu drehen und er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen. Es dauerte nicht lange bis der Alte wieder vor ihm stand und Joey hob instinktiv schützend die Hände über seinen Kopf, um die Schläge ab zu fangen, die auf ihn einprasselten. Er wunderte sich noch währenddessen, wie es sein konnte, dass sein fetter alter Herr so schnell wieder vor ihm stehen konnte und bei dem Gedanken schien er so abgelenkt, dass er den letzten Schlag nicht kommen sah. Er erwischte mit voller Wucht sein Gesicht. Joey glaubte nur noch ein dumpfes Geräusch gehört zu haben und kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen. Dann, nach dem sein Vater anscheinend genug hatte, packte er ihn am Kragen und beförderte ihn Richtung Haustür. Normalerweise war Joey der Typ Mann der sich wehrte, nur bei ihm war es nicht möglich. Die Frage warum er sein eigen Fleisch und Blut so behandelte blockierte seinen ganzen Körper. All die Angst, Verzweiflung und angestaute Wut lähmte ihn vollkommen. „Zieh deine scheiss Schuhe an!!“ „Wieso-“ „Mach schon!!“ Joey tat wie ihm befohlen. Er unterdrückte dabei die aufkommenden Tränen und bewegte sich dabei fast wie eine Maschine, die nur noch ausführte was man ihr sagte. Dabei ließ er all die Beschimpfungen über sich ergehen, die sein Vater ihm an den Kopf warf. „Nichtsnutz!“, „Du kannst rein gar nichts!“, „respektloses Balg“! Als er seine Schuhe nun an hatte, stampfte sein Vater auf ihn zu, riss die Tür auf, packte ihn erneut am Kragen und schmiss ihn hochkant raus. Dabei landete er auf den Knien und keuchte schmerzerfüllt auf. „Komm wieder wenn du Respekt vor deinem Vater hast, du Bastard!“ Mit aufgerissenen Augen sah er, wie sich der Lichtspalt verkleinerte. Noch völlig verstört von dem Geschehnis starrte er vor sich hin, bis ein lauter Schlag ihm signalisierte, dass er nun wieder auf der anderen Seite der Tür war. Auf seinen vier Buchstaben sitzend starrte er diese weiter an und versuchte zu realisieren was gerade geschehen war. Mit den Armen stütze er sich nach hinten und warf den Kopf zurück. So wie es aussah musste er sich jetzt wieder eine Bleibe für die Nacht suchen und das ganz ohne jemanden anrufen zu können. Immerhin war seine Handy mit samt seiner Schlüssel und seinem Geldbeutel in der Schultasche gewesen. Joey überlegte ob und wen er von seiner Freunde als erstes ansteuern würde. Aber der Gedanken abends vor ihrer Haustür zu stehen, verkraftete er nicht. Mit welcher Ausrede würde er ankommen? Der Blonde hatte nicht die geringste Lust wieder eine seiner alten Geschichten raus zu kramen. Verzweifelt krallte er seine Finger in den Boden und ließ schließlich die Schultern sinken. Endlich war der Moment gekommen und Joey konnte seine Fassade nicht mehr länger aufrecht erhalten. Ein tiefes Schluchzen erschütterte seinen Körper. Dabei kullerten stumme Tränen über seine Wangen und mit seiner geballten Faust schlug er auf den Boden. Wieso wurde ausgerechnet ihm dieser Schmerz zugefügt? Mit welchen Recht behandelte sein Vater ihn nur so? Er war doch nicht Schuld an der Scheidung seiner Eltern. Um Himmelswillen, er vermisste seine Mutter so wie auch Serenity genauso sehr! Bei dem Gedanken verließ ein stummer Schrei seine Kehle. Mehrmals schlug er auf den Boden ein, bis der Schmerz sich durch seinen kompletten Arm zog und ihn damit wieder in die Realität zurück holte. Der Abend war angebrochen und dunkle Wolken verdeckten den Nachthimmel. Mit letzter Kraft strich sich Joey die Tränen aus dem Gesicht und richtete sich schließlich auf, nicht wissend, wo er als nächstes hinsteuern sollte, als plötzlich das Knirschen von Autoreifen zu hören war. Er sah wie grelle Scheinwerfer eines schwarzen Wagens auf ihn zu rollten und ihn blendeten. Der Blonde hob instinktiv die Hand, um seine Augen zu schützen. „Joey!“ Die Stimme hatte er doch heute schon mal gehört. War das etwa..? „Mokuba?“ Der Schwarzhaarige sprang aus dem Wagen und lief auf Joey zu. Schwach lächelte er den Kleinen an und fragte, was er hier verloren habe. „Du hast deine Schultasche bei uns vergessen und wir wollten sie dir vorbei bringen. Gut, dass dein Geldbeutel mit samt Ausweis drinnen war!“, freute sich Mokuba und drehte sich zum Wagen. Wir?, kam es Joey noch in den Sinn und bevor er in Gedanken schon los fluchen wollte, trat ein weiterer Schuh aus dem schwarzen Wagen. Kaiba war aus dem Auto gestiegen, in der Hand hielt er Joeys Schultasche und schien nicht amüsiert über die Tatsache, durch die halbe Stadt fahren zu müssen, nur um seinen Erzfeind sein Zeug zu überreichen. Mokuba rannte zu seinem Bruder, nahm ihm dankend die Tasche ab und brachte sie Joey. „Oh wow, Mokuba... das ist echt nett...“, brachte Joey noch zustande. Der Kleine legte den Kopf schief und musterte den Blonden vor sich. „Joey, dein Gesicht... das sah aber bis vor kurzem nicht so aus... ist es schlimmer geworden?“ Mokuba flüsterte. Wahrscheinlich aus Angst, die Prügelei von heute Nachmittag erneut vor seinem großem Bruder erwähnt zu haben. Joey sah in die großen dunklen Augen des Kleineren und schüttelte den Kopf. Er wusste nicht wie Mokuba es deuten würde. Würde er glauben das Joey verneinte? Dachte er, Joey wollte es bloß runter spielen? Jetzt gerade wusste nicht ein mal mehr Joey, was er fühlen, sagen oder denken sollte. Denn noch immer drehte ihm der Schädel und leichte Kopfschmerzen schienen sich an zu bahnen. „Was dauert da so lange?!“ Kaiba war eindeutig genervt und statt eine Antwort ab zu warten, ging er auf die beiden zu. Als er schließlich vor Joey stand umspielte in böses Lächeln seine Lippen. „Du siehst aus als seist du Köter von einem Auto angefahren worden.“, spottete er. Joey sah ihm nicht mal mehr in die Augen und drehte sein Gesicht weg. „Lass mich in Ruhe, Kaiba.“ ~*~ Dieser zog verwundert die Augenbraue hoch. Sonst bekam er immer einen wunderbaren Tobsuchtsanfall a la Joey Wheeler zu sehen. Diese Reaktion enttäuschte den Braunhaarigen etwas und fragend musterte er seinen Gegenüber genauer. So wie Mokuba fiel ihm jetzt auf, dass weitere Verletzungen sein Gesicht zierten. Seine rechte Wange, die er ihm zugewandt hatte, war rot und bei genauerem hinsehen erkannte er einen Handabdruck. Seine Kleidung war unordentlich, dreckig und sein blondes Haar völlig zerzaust. Kaibas Blick fiel auf das heruntergekommene Haus vor ihm und dann wieder auf Joey. Er konnte seine Augen nicht genau sehen, aber er schien sogar geweint zu haben. Schließlich sah er zu seinem Bruder, der ihn schon fast flehend an sah. Wie ein Junge, der ein Haustier mit nach Hause angeschleppt hatte und nun darauf bestand, es behalten zu wollen. Kaiba wandte sich ab und drehte ihnen den Rücken zu. „Steig ein.“ ~*~ Joey drehte sich wieder zu ihnen und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Er musste Mokuba gemeint haben. Natürlich, er wollte wahrscheinlich so schnell wie möglich aus diesem Loch verschwinden. Bei dem Gedanken lächelte er verächtlich. Ihm würde es genauso gehen. „Hörst du schlecht? Steig in den Wagen, dumme Töle.“ Kaibas Stimme war ruhig, aber fordernd. Er setzte sich in Bewegung und Joey beobachtete, wie Kaibas weißer Mantel dabei leicht im Wind wehte. Dann verschwand er im Wagen. Das konnte nicht sein ernst sein. Er konnte doch nicht mit dem Kerl in den Wagen steigen! Mokuba ergriff Joeys Ärmel und sah ihn erneut mit seinen großen, dunklen Augen an. Es war tatsächlich ihr beider ernst gewesen! Instinktiv schüttelte Joey den Kopf, doch Mokuba schien ihn nicht los lassen zu wollen. Der Blonde blickte auf sein zu Hause und seufzte schließlich. Was sollte schon noch großartig passieren heute? Theoretisch konnte es gar nicht mehr schlimmer werden. Mit dem Gedanken ließ er sich schließlich von Mokuba mit ziehen, ohne noch einmal zurück zu schauen. Kapitel 2: Fading ----------------- Joey sah aus dem dunkel getönten Fenster und ließ gedankenverloren die Lichter der Straßenlaternen, die ihre Schatten über sein Gesicht warfen, an sich vorbeiziehen. Seine Wange brannte, sein Kopf schmerzte und von seinem Herzen wollte er erst gar nicht anfangen. Es fühlte sich an, als sei es nicht vorhanden. Völlig taub von dem Gefühl, nichts wert zu sein, verlor er sich. Er fragte sich nicht mehr nach dem Warum. Der Blonde hatte sich schon längst damit abgefunden. Aber wieso tat es ihm dann noch so weh? Obwohl es in keinerlei Hinsicht neu für ihn war, verspürte er diesen tiefen Schmerz der Einsamkeit. Oft redete er sich ein, dass es ihm nichts ausmache und er den emotionalen Schmerz sowie die körperlichen Misshandlungen standhalten würde. Aber mit jedem Mal, dass Joey dies durch litt, spürte er, wie etwas mehr in ihm brach. Er griff nach seinem Oberteil und vergrub seine Finger darin, um nicht in Tränen aus zu brechen. Dann schluckte er mehrmals, in der Hoffnung, dieses Gefühl eines Heulkrampfes weiterhin unterdrücken zu können. Zu allem Überfluss saß er nun auch noch mit Kaiba in dessen Wagen. Er würde ganz sicher nicht hier in Tränen ausbrechen. Diese Blöße würde er sich ganz bestimmt nicht geben. Mokuba saß zwischen ihnen. Keiner sagte auch nur ein Wort und es dauerte eine Weile bis Joey begriff, dass er auf das Kaiba Anwesen verfrachtet wurde. Das Gittertor, welches er heute Nachmittag noch fasziniert bewundert hatte, öffnete sich und sie fuhren den Schotterweg entlang, bis der Wagen vor dem Eingangsbereich zum Stehen kam. Kaibas Tür wurde vom Chauffeur geöffnet und ohne ein Wort zu verlieren stieg dieser aus. Der kleinere Kaiba Bruder tat es ihm gleich. Joey jedoch blieb sitzen. Er wusste nicht was all dies zu bedeuten hatte und erst recht nicht was Kaiba damit bezweckte. „Bei Fuß, du Trottel.“, hörte er die Stimme seines Rivalen. Doch er weigerte sich, verschränkte patzig die Arme vor seiner Brust und widersetzte sich hörbar den Anweisungen. „Vergiss es! Ich werde doch nicht- He-HEY!!“ Während Joey noch versuchte sich zu erklären, wieso er nicht vor hatte auch nur einen Fuß aus diesen Wagen zu setzen, wurde seine Tür geöffnet und ein Mann mit Sonnenbrille und Schnurrbart zerrte ihn grob hinaus. „Ist ja schon gut!!“, fauchte er und befreite sich grob aus dem Griff des Mannes. Kaiba, den Joeys Gefluche und rum Gezerre anscheinend herzlich wenig interessierte, sprach kaum hörbar mit seinen Angestellten. Als Joey zu Mokuba rüber schaute, sah dieser ihn entschuldigend an. Kaiba jedoch schnaubte nur und betrat schließlich die Villa. Es hatte wohl keinen Sinn, also kapitulierte Joey innerlich und folgte ihnen hinein. „Machen Sie alles bereit.“, hörte er Kaiba noch sagen und damit war er verschwunden. Was sollte das heißen? Verwirrt blickte er zu Mokuba, der die Schultern nun sinken ließ. „Ich habe Seto die Wahrheit gesagt.“ Joey hob erstaunt seine Augenbrauen in die Höhe und als er genauer nachfragte seufzte Mokuba. „Als du einfach weg warst, fiel dem Personal später auf, dass du deine Sachen hiergelassen hast. Ich habe Seto gebeten, dass wir es dir bringen. Aber du weißt ja wie er ist.“ Kurz verdrehte Mokuba die Augen und lächelte. „Also sagte ich ihm, dass du mich heute Nachmittag gerettet hast. Und du weißt ja wie wer ist, wenn es um mich geht.“ Er beendete seinen Satz mit einem verlegenen Grinsen. Ja, Joey wusste wie Kaiba war, wenn es sich um seinen kleinen Bruder handelte. Er kannte absolut keine Skrupel mehr, wenn es darum ging, Mokuba zu beschützen. Aber so recht verstand er nun nicht, was er hier sollte. Als Joey seinen Mund öffnete und ansetzten wollte, dass all das - was auch immer es war - nicht nötig sei, kam ein Dienstmädchen auf sie zu und bat Joey ihr zu Folgen. Sichtlich verwirrt über diese Aufforderung blinzelte er sie nur an, bis Mokuba ihn darum bat, ihr hinter her zu gehen. Er bot an den Blonden zu begleiten und zaghaft nickte Joey schließlich. Es war als erlebe er gerade ein Déjà-vu. Sie gingen die Treppe hinauf, liefen an dem Arztzimmer vorbei, in welchem er sich noch heute Nachmittag befunden hatte, weiter geradeaus, in ein anderes Zimmer. Als sie die Tür öffnete erkannte Joey beim Hineinsehen ein Bett und einen Schreibtisch. Es war klein aber geräumig. „Gegenüber befindet sich das Gästebad, Mister Wheeler.“ Nochmals wanderte Joeys rechte Augenbraue in die Höhe. Langsam aber sicher wurde er das Gefühl nicht los, dass man ihn hier als Gast behielt. Aber sicher war er sich nicht, immerhin war es für ihn unvorstellbar, dass Kaiba ihn über Nacht hier haben wollte. Freiwillig. Das Dienstmädchen hatte sich lautlos davongemacht und an ihrer Stelle stand plötzlich genau dieser. Joey zuckte innerlich zusammen als er ihn sah. Er hatte ihn nicht kommen hören. Kaiba legte seine Hand auf Mokubas Schulter. „Lass uns bitte kurz allein.“ Dem Ton nachzufolgen erwartete sein großer Bruder keine Widerworte und mit einem letzten Blick verabschiedete sich der kleinere von Joey. Der braunhaarige schloss die Tür hinter sich, und ging quer durch den Raum, auf die andere Seite, auf welcher sich der Schreibtisch mit einem Stuhl befand. Dann nahm er Platz. Kaiba schlug die Beine über einander, verschränkte die Arme vor seiner Brust und schloss kurz die Augen. Es schien in ihm ein innerer Konflikt zu herrschen. ~*~ Joey hatte nicht ganz unrecht. Kaiba verspürte nicht die geringste Lust sich mit diesem Tölpel zu unterhalten. Er erinnerte sich an das Gespräch mit Mokuba zurück. Sein Bruder hatte ihn angefleht, dem Köter seine Sachen nach Hause zu bringen und auf die Nachfrage, wieso er denn plötzlich davon so besessen schien, hatte Mokuba endlich alles gestanden. Diese Jungs schienen ihn nun seit längerem zu tyrannisieren und Kaiba war mehr als verletzt als er erfuhr, dass sein kleiner Bruder sich ihm nicht sofort anvertraut hatte. War er zu beschäftigt mit seiner Firma gewesen? Hatte er Mokuba jemals das Gefühl gegeben zweitrangig zu sein? Der schwarzhaarige war an Familie alles gewesen, was ihm noch geblieben war und die Angst, dass sich genau dieser von ihm nun abwenden würde, versetzte ihm einen Stich. Endlich schien er nun genug von diesen Gedanken zu haben und öffnete seine Augen. Sein Blick wanderte zu Wheeler, der noch immer wie angewurzelt mitten im Raum stand und ihn anstarrte. Er sah aus wie ein Hund, den man gerade von der Straße geholt hatte. Welchen man kaum bändigen konnte, weil er nicht die erforderliche Erziehung besaß und jemanden augenblicklich attackieren würde. Ein Lächeln umspielte seine Lippen bei dem Gedanken und endlich durchbrach er mit seiner Stimme die fürchterliche Stille, welche sich im Raum breitgemacht hatte. „Erwarte bloß nicht irgendeine Gastfreundlichkeit von mir. Du hast Mokuba heute geholfen. Seto Kaiba steht in keinster Weise in der Schuld anderer.“ Joey schnaubte nur naserümpfend und drehte dabei sein Gesicht weg. „Ich erwarte von dir blödem Penner rein gar nichts!“ Kaibas Blick verfinsterte sich. Da besaß er nun die Güte diesen räudigen Köter in sein Haus zu lassen und er sprach in solch einem Ton mit ihm?! „Hast du vergessen mit wem du sprichst Wheeler?!“ „Oh leider nicht, Mister Großkotz!“, platzte es aus Joey und er drehte Kaiba den Rücken zu. „Weißt du was, leck mich einfach! Ich verschwinde.“ Damit setzte Joey sich in Bewegung, doch bevor er den Türknauf erreichen konnte, ergriff wieder der andere das Wort. „Deine Familienverhältnisse sind keine Geheimnisse.“ Joey bleib wie vom Donner gerührt stehen. Über seine privaten Angelegenheiten mit Seto Kaiba zu sprechen, war das letzte, worauf er nun Lust hatte. „Na und?“, knirschte er mit zusammen gebissenen Zähnen. Tatsächlich war es nie etwas gewesen, was er jemals an die große Glocke hängen wollte. Es gab Tage da hatte Joey nicht so gute Laune, weil sein Vater ihn noch vor Schulbeginn verbal niedermachte. Dann wieder Augenblicke, in dem er in völliger Raserei ihm ein blaues Auge verpasste. Aber er war nie bereit gewesen mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Yugi und die anderen waren nicht dumm und wenn sie genauer nachfragten, suchte sich Joey irgendwelche Ausreden zusammen. Manchmal flüchtete er sich sogar in irgendwelchen wahnwitzigen Geschichten, er habe zum Beispiel die Glastür eines Geschäftes nicht gesehen und sei volle Kanne dagegen gerannt. Er wollte definitiv nicht zum Gespräch der Schule werden. Zumindest nicht als verängstigter Welpe, der sich fast jedem Abend auf die Straße setzten ließ. „Schadet deinem Image, was? Wenn alle wissen, was für ein Weichei du doch bist.“ Wutentbrannt drehte sich der Blonde um und wollte schon ansetzen, Kaiba gehörig den Marsch zu blasen, als dieser ihm wieder zuvorkam. „Ich kann zwar absolut nicht nach vollziehen wieso Mokuba ausgerechnet zu dir Vertrauen fasst, aber es geht hier um meine Familie. Und wenn ich daher auf solche Maßnahmen zurück greifen muss...“. Der Braunhaarige seufzte und erhob sich schließlich von dem Stuhl. „Was soll das heißen?“, fragte er sichtlich verwirrt und sah seinen Erzfeind misstrauischen an. „Ab sofort wirst du, wenn ich nicht anwesend bin, ein Auge auf meinen Bruder haben.“ Joey runzelte die Stirn. Es klang wie ein Befehl und erneut schien Kaiba ein Nein nicht zu akzeptieren. Als Antwort schüttelte er nur heftig den Kopf und fasste sich an die Stirn. Dann fuhr er mit seinem Fingern durchs Haar. „Warte, du willst, dass ich Mokuba´s Aufpasser spiele? Verarschst du mich? Du hast genug Asche für Bodyguards!“ „Mach dich nicht lächerlich, Wheeler. Mokuba vertraut sich niemanden außer mir an und du...“ Er schien den tiefen Seufzer in seiner Brust nicht unterdrücken zu können und atmete schwer aus. „Bist anscheinend die unerfreuliche Ausnahme.“ beendete er seinen Satz. Joey lachte leise auf. Er musste zugeben, dass es ihn leicht amüsierte, aber er hatte genug anderweitige Probleme und er würde bestimmt nicht einen Babysitter spielen. „Im Gegenzug werde ich dir dieses Zimmer als Rückzugsort gewähren.“ Joey musste sich stark zusammenreißen um den Größeren nicht wütend nach zu äffen. Nichtsdestotrotz stockte er kurz und sah sich im Zimmer um. Er wäre alleine, genau das, was er sich schon immer gewünscht hatte. Niemand sonst würde ihn mit Fragen durchlöchern. Keiner würde wissen wollen wieso er wieder spät abends vor seiner Haustür stand, mit der bitte bei demjenigen übernachten zu können. Er liebte seine Freunde mehr als alles andere, aber die Blicke, die Sprüche und das komplette Mitleidspaket kotzten ihn hin und wieder regelrecht an. Innerlich kämpfte der Blonde mit einer Antwort, denn sein Gegenüber schien nun zu schweigen und auf genau diese zu warten. Er sah an seinem Blick, dass er Joey nicht gehen lassen würde, bevor er sie erhielt. Joey wog die Aspekte ab. Er würde alleine sein, aber er wäre bei Kaiba zu Hause. Er würde seine Freunde nicht mehr belästigen müssen, aber immer noch in Kaibas Haus sein. Er würde spät abends nicht mehr fürchten müssen beleidigt und verprügelt zu werden, aber da war diese Sache... er würde bei Kaiba wohnen. Die Schmerzen in seinem Gesicht, in seinem Kopf und im Magen meldeten sich und ohne weiter darüber nach zu denken nickte er. „Deal.“ Auch Kaiba nickte unmerklich und ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, marschierte er an dem Blonden vorbei. Joey sah ihm nach und holte kurz Luft. „Eh... danke? Schätze ich...“ „Bloß keine Gefühlsduselei, Wheeler. Mokuba hätte es mir nie verziehen, wenn ich dir nach heute zumindest nicht mal ein Gästezimmer für die Nacht angeboten hätte.“ Und damit schloss Kaiba die Tür hinter sich. Mit langsamen Schritten ging er den Flur entlang und klopfte wenig später an einer Tür weiter vorn. Er mochte den Gedanken nicht, Wheeler unmittelbar in seiner Nähe zu haben, aber dies war nun mal das geräumigste Gästezimmer. Und außerdem wusste er nicht, ob es Mokuba dann nicht sogar vielleicht verärgerte, wenn er ihm ein Feldbett im Keller bereitgestellt hätte. Langsam betrat er genau dessen Zimmer und suchte mit seinem Blick nach dem kleineren. Mokuba lag bereits im Bett und klappte das Buch zu, welches er noch soeben in der Hand hielt. Dann richtete er sich langsam auf und lächelte ihn an. Seto erwiderte das Lächeln und setzte sich schließlich zu ihm auf die Bettkante. Liebevoll strich er ihm über den Kopf. Eine Gestik, die ein Außenstehender niemals bei Seto Kaiba zu träumen gewagt hätte. Eine Weile sprachen sie nicht, bis Mokuba sich anscheinend dazu überwunden hatte. „Bitte entschuldige Seto.“ „Wofür?“ „Ich wollte es dir sagen, aber du bist immer so gestresst und du neigst zu übertreiben...“ Er verstummte. „Mokuba, es enttäuscht mich, wenn du glaubst nicht mit mir reden zu können.“ Er sah wie der kleinere ihn verletzt betrachtete und mit den Tränen zu kämpfen schien. „Nein! So ist es nicht!“, widersprach er unbeherrscht, sichtlich entsetzt darüber, dass sein Bruder so was von sich gab. Setos Hand strich unaufhörlich über sein Haar. Man konnte kaum glauben, dass der emotionslose Seto Kaiba tatsächlich zu dieser Handlung fähig war. Wusste Mokuba denn nicht wie viel er ihm bedeutete? Niemand auf der Welt sah ihn, so wie er. Er war alles was ihm noch geblieben war und alles wofür es sich zu kämpfen lohnte. Der Gedanke, dass er sich ihm nicht sofort anvertraute, hatte ihn unerträglich gekränkt. Während er noch stumm dasaß und seinen Bruder betrachtete, musste er sich eingestehen, dass es womöglich seine eigene Schuld war. Das letzte Mal als Mokuba gehänselt wurde, waren die Eltern seiner Schulkameraden zufälligerweise bei ihm angestellt. Seto hatte nicht gezögerte und sie unverzüglich aus dem Unternehmen geschmissen. Zum krönenden Abschluss hatte er dafür gesorgt, dass sie in ihrer Branche niemals wieder Fuß fassen würden. „Nein, bitte entschuldige. Ich verstehe dich ja, aber ab sofort keine Geheimnisse mehr. In Ordnung?“, sprach er sanft zu ihm und glücklich darüber, dass Seto ihm verzieh, fiel er ihm in die Arme. Seto erwiderte die Umarmung des anderen und nach dem sie sich wieder gelöst hatten, stand er auf und wünschte ihm eine Gute Nacht. ~*~ Joey stand noch eine Weile da und sah sich im Zimmer um. Außer einem Schrank, dem Bett und dem Schreibtisch war kaum etwas vorhanden. Nichtmal Bilder an den weißen kahlen Wänden. Er setzte sich ans Ende des Bettes und war ganz froh darüber, dass keine vorhanden waren. Wahrscheinlich wären das sowieso nur irgendwelche Bilder von Kaiba gewesen, wie er sich mit all dem Ruhm und Geld ablichten ließe. Er warf sich aufs Bett und zog die Decke über seinen Kopf. Das alles roch so fremd und Joey konnte kaum glauben, auf was er eben gerade eingegangen war. Natürlich nutzte Kaiba nur seine Freundschaft zu seinem kleinen Bruder aus. Das war ihm völlig bewusst. Doch ungeachtete dessen, schien auch er daraus seinen Eigennutz ziehen zu können. Er würde nun all die Geheimnisse viel besser bewahren können, denn es gab niemanden, der sie hinterfragen würde. Niemanden, der nach seinem wirklichen Befinden fragte. Bei dem Gedanken kniff er die Augen zusammen, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, was Joey jedoch nicht gelang. Und während er so dalag, vergoss er stumme Tränen. Bis er einschlief. Am darauf folgenden Tag klopfte es zaghaft an der Tür. Noch im Halbschlaf antwortete Joey irgendwas, was klang wie „Ne, Mann...“. Als er jedoch merkte, dass das Klopfen nicht verstummte, erhob er sich aus dem Bett. Mit trägem Blick betrachtete er seine Umgebung und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Langsam dämmerte ihm wieder wo er war und hastig machte er die Tür auf. Das Dienstmädchen stand dort und überreichte ihm eine saubere Schuluniform. Joey kam nicht umhin diese stumm zu betrachten. Kaiba hatte anscheinend veranlasst ihm saubere Klamotten bringen zu lassen und auf seine Nachfrage hin, woher diese stamme, bestätigte sie seine Gedanken. Als er diese dankend entgegennahm, wollte er bereits seine Tür schließen, aber das Dienstmädchen holte kurz Luft um zwischen der Tür und dem Türrahmen zu sprechen. „Die Herren werden Sie zum Frühstück erwarten, Herr Wheeler.“ Joey sah ihr noch verwirrt hinterher als sie dann mit einer leichten Verbeugung verschwand. Er konnte nicht in Worte fassen, wie fremd sich all dies für ihn anfühlte und nachdem er sich frisch gemacht hatte, ging er aus seinem Zimmer den langen Flur entlang. Während er durch diesen spazierte, betrachtete er die weißen Wände, die den Anschein machten, als seine sie mit luxuriösen Bildern geschmückt worden. Hin und wieder ging er auch an edlen Kommoden vorbei, auf den wunderschöne Vasen standen und Joey fürchtete allein schon beim vorbei schreiten, etwas kaputt zu machen. Er konnte ein Pfeifen nicht unterdrücken. Wie musste es wohl sein so viel Geld zu besitzen? Niemals würde Joey sich auch nur vorstellen können, was all diese Dinge Kaiba gekostet haben. Als er an der Doppeltreppe angekommen war, blickte er sich schließlich verwirrt um. Es wäre wahrscheinlich klug gewesen, wenn er das Mädchen gefragt hätte, wo zur Hölle sich den das Frühstück befand. Seufzend ging er einfach weiter auf die andere Seite. Früher oder später würde er es wohl finden. Die andere Seite war exakt wie der Flur eingerichtet, den Joey noch eben bestaunt hatte und als er sich vor einer massiven braunen Tür mit Goldknauf vorfand, beschloss er kurzerhand diese zu öffnen. Mit verwunderter Miene blickte er sich um, nur um dann festzustellen, dass er sich in einem Zimmer voller Bücher befand. Am ende des Raumes stand ein ebenholzfarbener riesiger Schreibtisch. Sieht aus wie ein Arbeitszimmer... dachte Joey und grinste leicht, den er konnte sich genau vorstellen, wessen Zimmer das hier war. Auf dem Schreibtisch erspähte er Bilder und seine Neugierde wurde augenblicklich geweckt. Mit langsamen Schritten ging er auf diese zu und fasste nach einem Bild. Der junge Seto Kaiba und sein Bruder Mokuba strahlten auf diesem beide in die Kamera, dabei hielten sie sich fest umschlungen. Der Blonde runzelte die Stirn. Das dieser Kerl jemals zu so einem Grinsen fähig war, konnte er sich partout nicht vorstellen. „Ich hätte dich an die Leine nehmen müssen, was Wheeler?“ Erschrocken fuhr der Angesprochene zusammen, dabei fiel ihm fast das Bild aus der Hand. Rechtzeitig fing er es noch auf und stellte es schnell wieder auf den Schreibtisch. Kaiba stand urplötzlich im Türrahmen und mit verschränkten Armen starrte er ihn an. Joey grinste nur verlegen. „Ja... also, ähm... das Frühstück, also ich sollte dahin kommen aber...“, er stammelte. Der Blonde fühlte sich ertappt und das zu gutem Recht. Er hätte nicht hier rein gehen sollen, aber jeder hatte doch nun mal Kinderbilder auf seinem Schreibtisch und die Lust ein kleines Geheimnis über den großen Kaiba zu erfahren, war zu verführerisch gewesen. Der Braunhaarige ließ die Arme sinken und ging auf ihn zu. Joey konnte nicht wegschauen, er war wie erstarrt. Kaiba stand nun unmittelbar vor Joey und dieser wich instinktiv zurück. Dabei merkte er den Widerstand des Schreibtisches hinter sich. Seine tiefblauen Augen starrten unentwegt in die seine. Plötzlich hob der Größere seine Hand und Joey glaubte schon fast, dass er zum Schlag ausholen würde. Aber dann griff Kaiba nach dem Bild, welches er eben noch in den Händen gehalten hatte und als Joey hinter sich blickte, sah er, wie Kaiba es wieder auf seinen rechtmäßigen Platz stellte. Er traute sich kaum zu atmen, immerhin war der Kerl dicht vor ihm. Schon beinahe bedrohlich musterte er Joey, bis er sich endlich wieder von ihm entfernte. „Zu unserem Wohn und Esszimmer geht es hier lang.“, sagte er nur monoton und deutete ihm zu folgen. Joey blinzelte erst ein paar Mal irritiert, bis er sich wieder gefasst hatte und lief Kaiba hastig hinter her. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass Kaiba mit seinen typischen Beleidigungen loslegen würde. Stattdessen schien er ziemlich ruhig zu sein, was den Blonden sichtlich verwirrte. Wahrscheinlich hatte er seine erste Tasse Kaffee noch nicht getrunken. Joey vermutete, dass Kaiba vielleicht daher nicht nach plaudern war. Nicht das er jemals eine anständige Unterhaltung mit ihm geführt hätte, aber an Beleidigungen ihm gegenüber mangelte es eigentlich nie. Kurz darauf folgte er ihm den langen Flur entlang, bis sie eine Flügeltür mit einem Rundbogen-Oberlicht erreichten. „Ein Stadtplan für dieses Haus wäre nicht schlecht.“, nuschelte Joey noch als er den Wohn und Essbereich betrat. Mokuba saß bereits am Tisch und frühstückte genüsslich. Als er die beiden Männer erblickte strahlte er bis über beide Ohren und sprang von seinem Stuhl. Joey kam nicht umhin zu denken, wie niedlich der kleinere doch war und war sichtlich erfreut über dessen strahlendes Gesicht. „Joey! Setz dich!“, rief Mokuba und zog ihn an den gedeckten Tisch. Kaiba nahm, ohne das auch nur ein Wort seine Lippen verließ, Platz am Kopfende des Tisches und schlug eine Zeitung auf, die bereits neben seinem Teller lag. Mokuba platzierte den Blonden rechts von diesem und er plumpste mit einem Grinsen Joey gegenüber, so dass er auf der linken Seite seines Bruders saß. Als sein Augen zu Kaiba wanderten, sah er wie dieser eine Tasse schwarzen Kaffee zu seinen Lippen führte. Dabei hob er eine Augenbraue an und schenkte Mokuba einen ermahnenden Blick. Doch dieser lächelte nur lieblich und Kaiba verdrehte, kaum merkbar, kopfschüttelnd die Augen. Joey musste zugeben, dass ihn interessierte, was der Braunhaarige gerade dachte. Es war als hätten sie schon beinahe gedanklich mit einander kommuniziert und er war abermals beeindruckt von dem tiefen brüderlichen Band der beiden. Dann blickte er auf den Tisch, griff auch nach einer Tasse schwarzen Kaffee und genoss regelrecht den ersten Schluck. Die Nacht in dem neuen Zimmer war anstrengend gewesen. Nicht das sich Joey beschweren wollte, aber das Ereignis des Tages davor und die Tatsache, hier auf Kaibas Anwesen zu sein, hatte ihn schon beinahe den Schlaf geraubt. „Probier die Croissants Joey!“, riss Mokuba ihn aus seinen Gedanken und reichte ihm eins. Dankbar nahm dieser es an und so frühstückten sie schweigend. Nun ja, es waren eher Mokuba und Joey gewesen. Denn außer, dass Kaiba hin und wieder an seiner Tasse nippte, hatte er sonst nichts zu sich genommen. Ab und an war das Rascheln der Zeitung zu hören, welches er beim umblättern der Seiten erzeugte. Joey bemühte sich ihn nicht von der Seite zu beobachten, doch sein Blick wanderte immer wieder zu Kaiba. Auch jetzt, wo er wahrhaftig neben diesem an einem Tisch saß, konnte er nicht glaube, dass er sich hier befand. Er wollte sich kneifen, nur um sicher zu gehen, dass er nicht vielleicht doch in einem tiefen Traum gefangen war, aber er wollte dafür nicht einen dummen Kommentar seines Erzfeindes riskieren. Also ließ er es bleiben und nahm den letzten Schluck aus seiner Tasse. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Kaiba ihm etwas zu schob und fragend sah er auf den Tisch. Es waren Schlüssel, und als Joey sie neugierig in die Hand nahm, zog er böse die Augenbrauen zusammen. „Findest du das witzig, Kaiba?“, fragte er genervt und hielt den Schlüsselbund hoch. An ihm war ein kleiner Hundeanhänger und Joey musste zugeben, dass er es eventuell etwas lustig fand, aber Kaiba war nun mal nicht der witzige Typ. Wahrscheinlich war es einfach nur wieder dafür gedacht Joey zu erniedrigen. Der Angesprochenen blätterte seelenruhig in seiner Zeitung weiter und antwortete in genau dem selben Zustand schließlich. „Immerhin wissen wir dann wem der Schlüssel ist. Damit hast du zutritt ins Haus.“ „Aber das Tor hat doch nen Sensor.“, bemerkte er skeptisch. „An unserem Gittertor sind Kameras angebracht. Das Personal wird dich hineinlassen.“, erwiderte er, legte dann endlich seine Leselektüre beiseite und sah ihn an. „Ich habe Mokuba erzählt was wir vereinbart haben.“ Kaiba blickte zu seinem Bruder, der aus seiner Tasse nun schlürfte. „Sollte etwas passieren, möchte ich umgehend informiert werden, Wheeler.“ Joey steckte den Schlüssel ein und fuchtelte mit seiner Hand hin und her. „Ja klar, kein Stress. Wir kriegen das hin, nicht Moki?“, grinste er Mokuba an, stand dabei auf und sah wie es Kaiba regelrecht im Gesicht geschrieben war, dass ihm der neue Spitzname für seinen kleinen Bruder absolut nicht gefiel. Doch Joey schien es sichtlich zu amüsieren welche Reaktion es in seinen Rivalen hervorrief. Als dieser sich dann mit seinem Blick von ihm abwandte und nach einem Teller die Hand ausstreckte, auf welchem sich das letzte Croissant befand, kam ihm Joey zuvor. Mit einer blitzschnellen Handbewegung grapschte er danach und rannte förmlich los. „Bis nachher, Moki!“, rief er dabei und mit einem neckischen Zwinkern war er auch schon aus dem Raum verschwunden. Kaiba ballte die Hand, die er noch eben ausgestreckte hatte, zu einer Faust. Das war absolut nicht wonach ihm der Sinn stand. Diesen quirligen Kerl in seinem Haus würde er keine Woche hier aushalten. Zu seiner Linken vernahm er belustigtes Gelächter. Mokuba schien sich köstlichst über das Theaterspiel zu erfreuen und die harten Züge aus Kaibas Gesicht verschwanden. Seinen kleinen Bruder so aufheiternd zu erleben war es dann eventuell doch die Mühe wert. Die Tage verstrichen. Gelegentlich, wenn er spät abends, völlig überarbeitet, aus seinem Büro kam und sich auf den Weg in sein Zimmer machte, sah er Joeys Gestalt rechtzeitig in seinen Raum verschwinden. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass dieser ihn nun jeden Tag mit seiner Anwesenheit belästigen würde. Kaiba musste jedoch mit großer Verwunderung feststellen, dass er im Grunde genommen wirklich nur dann auftauchte, wenn er mit den Nerven am Ende war. Zumindest ging er davon aus, denn wenn Joey spät abends sein Zimmer ansteuerte, schien er ein Schatten seiner selbst zu sein und nahm ihn noch nicht mal wahr. Es war, als würde mit der Nacht auch eine neue Seite von Wheeler zum Vorschein kommen. Eine völlig fremde und deprimierende Ruhe in ihm, die man außerhalb dieser vier Wände nie zu Gesicht bekam. Und dann, wenn wieder der Tag anbrach, kam er zum Frühstück als sei nie etwas vorgefallen. Allerdings entgingen dem älteren dabei nicht die kleinen Schrammen. Hin und wieder wenn Kaiba so tat, als wäre er in seiner morgendlichen Zeitung vertieft, erwischte er sich dabei, wie er Joeys Gesicht auf neue Wunden inspizierte. Wenn dies dann passierte, räusperte er sich kurz und straffte die Zeitung, um sich wieder daran zu erinnern, wer da eigentlich gerade neben ihm saß. Dabei fing er sich fragende Blicke ein, weil er damit manchmal sehr laut war und den Gesprächsfluss von Mokuba und Wheeler unterbrach. Nach dem er seinen letzten Schluck Kaffee runter gekippt hatte, veranlasste er einen Wagen, der die beiden Kaiba Brüder zur Schule fahren sollte. Er war nicht gewillt, diesen Trottel in seinem Wagen mitzunehmen. Dort angekommen verabschiedete sich Mokuba von seinem älteren Bruder. Es war als sei er heute tatsächlich bester Laune, denn seine Augen strahlten förmlich und Kaiba entging nicht, dass es ihn störte. Nicht, dass er erzürnt darüber war, dass es seinem Bruder nun besserging. Ganz im Gegenteil, Mokuba so zu sehen erleichterte seinen Tag ungemein. Aber die Tatsache, dass es einem Idioten mit seinem närrischen Verhalten gelungen war, machte ihn etwas wütend. Im Klassensaal angekommen würdigte er, wie immer, kaum jemanden eines Blickes und setzte sich an seinen Platz. So lange ihr Lehrer noch nicht aufgetaucht war, nutzte er die Chance um Termine zu regeln. Also griff er nach seinem Smartphone und koordinierte diverse Meetings. Wie wild tippte der Braunhaarige auf dem Bildschirm herum und auch wenn sie alle meinten, er würde sie nicht sehen, das Getuschel entging ihm nicht. Wie oft hatte er einen dieser belanglosen Liebesbriefe in seinem Schulfach gefunden? Irgendwann hatte er aufgehört zu zählen und auch wenn er keinen von ihnen jemals beantwortet hatte, ja sie sogar weiterhin ignorierte, desto mehr häuften sie sich. Kaiba würde wohl nie verstehen, was jemanden dazu bringen würde, sich so bloß zu stellen in Form solch eines Kindergartenverhaltens. Sein Mundwinkel zuckte kurz in die Höhe als just in dem Moment Yugis Stimme zu hören war. „Joey, du hättest dir den Zug echt gut überlegen sollen, nur mit Monster Karten wirst du nicht gewinnen!“ Kaibas Augen wanderten zu der Ecke aus der die Stimmen ertönten, ohne sein Gesicht zu drehen, damit es so aussah, als würde er noch auf sein Handy starren. „Was? Wieso denn nicht?!“, jaulte der eben Angesprochenen auf. Yugi, Tristan, Téa und Joey hatten sich um einen kleinen Tisch versammelt und schienen eine Partie Duel Monsters zu spielen. „Es geht auch darum Magie Karten zu kombinieren!“, hörte er nun wieder Yugi sagen. Joey fuhr sich durchs Haar und grinste dämlich vor sich hin. Bei seinem Anblick schnaubte Kaiba kaum merkbar. Kein Wunder das Mokuba ihn mochte, er verhielt sich wie ein einfältiger Clown! Die vier konnten ihre Partie nicht zu Ende spielen, da in dem darauffolgenden Augenblick der Lehrer ins Zimmer trat und den Unterricht begann. Auch Kaiba packte das Handy weg und schlug sein Mathebuch auf. Es verging ein wenig Zeit bis er merkte, dass das Thema in langweilte. Er war bestens auf den Stoff vorbereitet und sie schienen nur Dinge zu wiederholen, da es anscheinend wieder welche gab, die die Materie nicht auf die Reihe bekamen und so versank er in seinen Gedanken. Noch immer angefressen dachte er über Wheeler nach, der es tatsächlich geschafft hatte seinen kleinen Bruder heute Morgen solch ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ungewollt wanderte sein Blick zu diesem. Joey hatte das Kinn auf seine Hand abgestützt und statt den Unterricht zu verfolgen, sah er gedankenverloren aus dem Fenster. Über seiner Oberlippe balancierte er einen Bleistift. Kaiba verdrehte leicht die Augen. Mokuba würde doch nicht erwarten, dass er sich genauso wie dieser Idiot zum Deppen machen würde, nur um ihm ein paar Lacher am frühen Morgen zu bescheren?! „Wheeler!“, brüllte der Lehrer durch den Raum und dieser zuckte zusammen, so wie der Rest der Klasse. Joey hatte vor Schreck den Stift fallen gelassen, war mit einem lauten „Hier!“ von seinem Platz gesprungen und stand Kerzengrade. Der Lehrer seufzte genervt. „Ich bin nicht dabei die Anwesenheit durch zu gehen! Pass gefälligst auf sonst wird aus dir nie was!“ Joey strich sich peinlich berührt den Hinterkopf, er vernahm leises Gekicher und mit einem kleinlauten „Ja...“ hatte er sich wieder hingesetzt. Kaiba hatte ihn währenddessen weiter beobachtet und nun, nach dem er so grob maß geregelt wurde, hatte sich sein Ausdruck verändert. Noch eben schien der Blonde glücklich in seinen Gedanken gewesen zu sein, doch jetzt starrte er mit geballten Fäusten auf seinen Tisch, als sei er in sich zusammen gefallen. Er musste an den Abend denken, als er Joey vor seiner Haustür angetroffen hatte und wie er dann in seinem Wagen saß. Eine leere Hülle ohne jegliche Emotion. Einige tuschelten, so wie sie es auch natürlich hinter Kaiba taten, über Joey. Bis zu dem Tag aber, hatte er den Gerüchten kaum Gehör geschenkt. Bei genauerem hinsehen jedoch schienen die Klatschgeschichten zumindest halbwegs wahr zu sein. Warum er auch noch außerhalb Probleme suchte, war für Kaiba ein Rätsel. Dieser kleine Hund bettelte offenbar so dringend nach Aufmerksamkeit, dass er anscheinend weitere Qualen in Kauf nahm. Anders konnte er es sich nicht erklären. Während er weiter darüber grübelte, teilte der Lehrer die letzte Matheklausur aus und als Joey seine erhielt, zerknüllte er diese. Anscheinend war sie wohl nicht so gut ausgefallen, denn er schien sich immer mehr zu verkrampfen und Kaiba glaubte zu erkennen, dass er versuchte die aufkommende Wut in sich zu unterdrücken. War es Wut? Nach alle dem was er nun gesehen und gehört hatte, wurde er schon fast das Gefühl nicht los, dass Wheeler sich zusammenriss, um nicht gleich in Tränen auszubrechen. „Und Joey? Welche Note ist es heute? Hat´s für die 5 gereicht?“ Tristan hatte dem Blonden auf den Rücken geklopft und Kaiba wartete gespannt auf dessen Reaktion. Moment, war er wirklich gespannt darauf, wie dieser Idiot nun rum heulen würde? Ja, er wollte sehen wie dieser Trottel sich nun lächerlich machte und in Tränen ausbrach. Joey richtete sich auf, straffte die Schultern und drehte sich zu Tristan um, der hinter ihm saß. „Nein, alter! Hab gerade so noch eine 6 bekommen!“, feixte er mit einem fetten Grinsen im Gesicht und boxte seinen Kollegen in die Schulter. Sie brachen in herrlichem Gelächter aus. Was war gerade geschehen? Noch eben schien er ein völliges Wrack zu sein und von der einen Sekunden zur nächsten, hatte er sich wieder komplett gefangen! Nachdem er ihn eine gefühlte Ewigkeit beobachtet hatte, wandte er seinen Blick ab und widmete sich wieder den Aufgaben, die ihnen der Lehrer überreichte. Allerdings war es für Kaiba in dieser Stunde nicht mehr möglich gewesen, sich auf diese zu konzentrieren. Etwas störte ihn und auch nach dem der Unterricht beendet wurde, konnte er nicht mit genauer Sicherheit sagen, was es war. „Seto!“, hörte er seinen kleinen Bruder rufen und drehte sich um. Er sah wie Mokuba aus dem Schulgebäude kam und auf ihn zu rannte. Geduldig wartete er auf ihn, bis dieser sich zu ihm gesellte. Sein kleiner Bruder schien völlig aus der Puste und als Kaiba ansetzte um in den Wagen zu steigen, hörte er ihn räuspern. Fragend sah er ihn an. „Weißt du, ich würde gerne nach der Schule mit Joey und den anderen in die Spielhalle gehen.“ Mokuba hatte seine Hände zusammengepresst, wie zum Gebet und sah seinen Bruder flehend an. „Nein.“ Die Augen des kleineren weiteten sich und er schien unnachgiebig. „Bitte Seto! Joey ist doch da.“, flehte er weiter. Bei dem Namen konnte er nicht anders und schnaubte abwertend. „Ich sagte Nein Mokuba! Jetzt beeil dich und steig in den Wagen! Ich habe noch ein Meeting.“ Soweit käme es noch. Seinen Bruder einfach ohne ihn in der Stadt herum streunen lassen mit diesem Volltrottel. Der schwarzhaarige ließ traurig den Kopf sinken und wollte schon einsteigen als sie von weiter weg eine weitere Stimme hörten. „Mokuba!“, rief jemand. Schlimm genug, dass er den Namen dieses Idioten erneut hören musste, nun wurde er auch mit dessen Stimme bestraft. Joey kam auf die beiden Kaiba Brüder zu und hatte wie üblich dieses Grinsen in Gesicht, was Kaiba erheblich nervte. „Also was ist, kommst du mit?“, fragte Joey und erneut sah Mokuba ihn innig bittend an. Joey legte seinen Arm um Mokuba und Kaiba zog verärgert seine Augenbrauen zusammen. „Keine Sorge Kaiba. Ich bringe ihn dir wohlbehalten nach Hause, versprochen.“ In seiner typischen Joey Haltung hob er voller Energie den Daumen und zwinkerte seinem Erzfeind selbstbewusst zu. Mokuba flehte weiter und versprach ihm sich stündlich bei ihm zu melden. Wie er es hasste, wenn Mokuba ihn so unerbittlich um etwas anflehte. Er wollte nicht, dass dieser sich womöglich noch mehr von ihm entzog. Der ältere nickte schlussendlich kaum sichtbar und die beiden Jungs sprangen beinahe in die Luft vor Freude. „Danke Seto!“, rief sein kleiner Bruder und fiel dem Braunhaarigen in die Arme, drückte sich dabei ganz feste an ihn. Mokuba nun endlich auch eine Freude gemacht zu haben, stimmte ihn wieder einigermaßen zufrieden. Schließlich setzte er sich in den Wagen. „Vergiss nicht, stündlich.“, sagte er noch mit festen Ton zu seinem Bruder, der nur aufgeregt nickte. Dann richtete er seinen Blick auf Wheeler. Die Worte Pass bloß auf ihn auf waren nicht nötig gewesen. Mit seinen Augen alleine machte er ihm klar, dass er ein toter Mann sei, würde seinem Bruder irgendetwas zu stoßen. Der Blonde nickte als Antwort und mit einem Grinsen winkten beide seinem Auto hinterher. Als sie nach mehreren Stunden die Spielhalle verließen und sich von den anderen verabschiedeten, lachte Joey lauthals heraus. „Alter, diese 3D Spiele sind der absolute Wahnsinn! Dieses Zombie-Spiel war der reinste Alptraum!“ Mokuba stimmte in das Gelächter des anderen ein. Die Beiden hatten Stunden damit verbracht in einer Virtuell Reality Zombies niedermetzeln und dabei völlig die Zeit vergessen. So lange hatte er nicht vorgehabt mit Mokuba unterwegs zu sein, aber wie mit Kaiba abgemacht hatte er ihm mitgeteilt, dass alles im grünen Bereich war. Und er musste zugeben unsagbaren Spaß gehabt zu haben. Mit einer ernsthaften Souveränität demonstrierte der kleinere ihm seinen letzten Kampf-Move und erneut brachen sie in Gelächter aus. Völlig aufgelockert gingen sie die Straße entlang. Joey befand sich ein kleines Stück weiter hinter Mokuba, bis dieser abrupt stehen blieb. Verwirrt sah er zum Kleineren hinunter und folgte dann schließlich seinem Blick. Ein größerer Kerl versperrte ein paar Meter entfernt Mokuba und Joey den Weg. Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht trat er aus der Dunkelheit, ins Licht der Straßenlaterne. Dabei verließ ein tiefes leises Lachen seine Kehle. „Na sieh mal einer an. Du bist doch der Kerl, der meinen kleinen Bruder aufgemischt hat.“ Joey fletschte wütend die Zähne. Na toll, er wusste sehr wohl auf was das hier hinauslief. Wieder so ein Knirps, der andere gerne mobbte und dann beim großen Bruder losheulte, sobald er die Retourkutsche bekam. Anscheinend war der Kerl nicht alleine gewesen, denn hinter ihm traten zwei weitere Männer dazu. Joey stellte sich schützend vor Mokuba, in dem er seinen Arm vor diesen ausstreckte. Das würde eng werden, immerhin waren die drei etwas größer und schienen außerdem auch stärker gebaut als er. Der Blonde fragte sich instinktiv, wie lange seine verdammte Glückssträhne noch anhalten würde. Erst die kleinen Kerle letztens, dann sein Vater und heute diese drei Vollpfosten. „Süß wie du deine kleinen Freunde noch mitgebracht hast. Hattest wohl die Hosen zu sehr voll mich alleine an zu treffen!“, lächelte der Blonde amüsiert. „Das dumme Grinsen wird dir gleich vergehen.“, bekam er als Antwort. Scheinbar war der Kerl in der Mitte der Chef dieser dreiköpfigen Gang, denn er machte eine Handbewegung und die anderen beiden hinter ihm machten einige Schritt näher auf sie zu. Mokuba griff nach Joeys Ärmel und sah ihn verängstigt an. Dieser schob ihn schützend hinter sich. Verdammt, es war seine Schuld, dass Mokuba mit ihm hier gelandet war zu dieser Zeit. In erster Linie war es nun wichtig diesen aus der Schussbahn zu bekommen. Dabei kam ihm kurz Kaiba in den Sinn. Nein, hier ging es nicht darum sich an dieses Versprechen zu halten. Er wollte nicht zulassen, dass dem jüngerem etwas geschah. Wäre Joey nochmal so klein wie Mokuba, hätte er sich auch jemanden gewünscht, der ihn damals vor all dem schändlichen bewahrt hätte. Er drehte sein Gesicht leicht zu diesem, aber noch so, dass er die anderen im Blick behielt. „Du machst jetzt folgendes,“ flüsterte er dem Schwarzhaarigen zu. „Du wartest bis ich auf sie los gehe, dann wirst du wegrennen und deinen Bruder anrufen.“ Joey sträubte sich innerlich zugeben zu müssen, dass er hier jetzt auf Kaibas Hilfe angewiesen war. Aber hier ging es nun nicht mehr um ihn alleine. Mokubas Sicherheit hatte Priorität. Dieser nickte kaum merklich und langsam setzte sich Joey in Bewegung. „Welcher von den hässlichen Jungs war denn dein Bruder? Dem, den ich das Maul polierte oder der, dem ich mein Knie in dessen Magen geparkt habe?“ Er wusste, dass sein Verhalten die Kerle noch aggressiver machen würde, als sie eh schon waren. Aber so würde es ihm vielleicht gelingen die volle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und damit hätte Mokuba eine Chance sich unbemerkt aus dem Staub zu machen. „Ich kenne den Kerl, der prügelte sich mit jedem! Das ist dieser Wheeler!“, platzte es aus einem der drei und Joey musste kurz die Stirn runzeln. Er wusste nicht, dass sein Ruf ihm so sehr voraus eilte. Hastige Schritte, die sich entfernten, waren zu hören und Joey war beruhigt zu wissen, dass Mokuba auf ihn gehört hatte. „Der Kaiba Bengel macht sich aus dem Staub!“, rief einer und wollte ihm hinter her, doch Joey reagierte schneller und mit einem Tritt, schlug er dem Kerl die Füße weg. Dieser vollführte schreiend eine Bruchlandung auf seinen Händen. Das schien der Startschuss für die anderen beiden gewesen zu sein, denn diese hatten sich stürmisch auf ihn gestürzt und Joey machte sich bereits auf das schlimmste gefasst. Er schaffte es den Schlägen auszuweichen. Anscheinend waren sie rasend vor Wut, dass Mokuba ihnen abgehauen war und schienen alles an ihm auslassen zu wollen. Er verteidigte sich nur noch und er glaubte zu hören, wie sein Blut laut in seinem Körper zirkulierte. Dankbar dafür, sich all die Jahre auf die Kunst der Verteidigung konzertiert zu haben, gelang es ihm teils nicht so viele Schläge einstecken zu müssen. Doch als der Boss dieser drei Idioten etwas aus seiner Tasche zückte, stockte Joey der Atem. Es glänzte im Licht der Straßenlaternen. Der Kerl hatte tatsächlich ein Klappmesser ausgepackt und Joey spürte wie ihm der Angstschweiß die Stirn hinunter rann. Shit, jetzt wird’s brenzlig..., dachte er und seine Augen huschten panisch zwischen den dreien hin und her, die ihn bedrohlich eingekesselt hatten. Als Joey erneut ausweichen wollte, stürzte sich einer seiner Gegner auf ihn und packte ihn an den Armen. Mit einem festen Griff drückte er ihm seine Arme auf den Rücken und lachte fies. „Was ist los? Haben wir keine so große Klappe mehr?“, raunte der Kerl hinter ihm ins Ohr und für einen kurzen Augenblick spürte Joey etwas Feuchtes. Angewidert zuckte er zusammen. Schlabberte der Kerl ihm da etwa gerade das Ohr ab?! „Was zum Teufel stimmt den mit dir nicht?!“, blaffte er den Kerl voller Rage an und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Der nächste näherte sich ihm, griff nach seinem Haar, so das er Joey zwang den Kopf zu heben und hielt das Klappmesser unter sein Kinn. Dann strich er damit niederträchtig lachend und schon beinahe zaghaft über seinen Hals. Er bedachte den Kerl mit einem verachtungsvollen Blick. Sein Atem beschleunigte sich und nur mit großer Mühe konnte Joey seine Angst verbergen. Trotzdem verrieten ihn seine Augen und er sah in die des anderen eine widerliche Gier, ihm all die Qualen zu bereiten, nach denen es ihm nur Gelüstete. Eigentlich hatte er geglaubt das Kaiba der fieseste und abstoßendste Kerl der Welt war, aber der Mistkerl hier schien wohl dessen Platz als weltgrößtes Arschloch streitig machen zu wollen. Joey kniff die Augen zusammen. Natürlich kam ihn genau dieser in den Sinn. Immerhin hatte er es geschafft Mokuba aus dieser Geschichte raus zu manövrieren und der würde ihn genauso kalt machen wollen, wie der Sack hier vor ihm, wäre Mokuba was zugestoßen. „Guckt ihn euch an. Es gefällt ihm sogar!“, lachte einer und bevor Joey sich versah hatte einer der Kerle ihm die Hand unter sein Oberteil geschoben. Angewidert erschauderte er. „Hat er uns nicht eben noch süß genannt?!“ Joey schrie tobsüchtig auf und windete sich unter dem festen Griff, aber sich aus diesem zu lösen schien nahezu unmöglich. „Ich mach euch Wichser fertig!“, schrie er und versuchte sich mit den Beinen frei zu treten. Das konnte nicht ihr ernst sein! Was um Himmelswillen musste er denn noch alles ertragen?! Sein Herz überschlug sich vor Aufregung und ihm schien bald die Kraft zu verlassen. All das um sich wild herumtreten und Geschreie erschöpften ihn langsam und er würde bald nicht mehr standhalten können. Er senkte den Blick und urplötzlich verließen ihn seine Kräfte. Was hatte das alles denn noch für einen Sinn? Sollten sie doch ihm das Leid zufügen, welches ihm zustand. Immer diese starke Fassade aufrecht erhalten zu müssen machten ihn langsam müde. Müde, das war das Stichwort gewesen. Joey war plötzlich so müde und all die Energie, die eben noch so ungezügelt durch seinen Körper floss, verließ ihn. Die Geschehnisse der letzten Tage schienen bei ihm ihre Spuren hinterlassen zu haben. Seine Augenlider wurden immer schwerer und dunkle Flecken erschienen vor seinen Augen, die ihm immer mehr die Sicht nahmen. Bevor er gänzlich von der Dunkelheit eingenommen wurde, hörte er ein quietschendes Bremsgeräusch. Ruckartig merkte er, wie es niemanden mehr gab, der ihn festhielt. Und dann plötzlich fiel Joey in die pechschwarze Tiefe. Kapitel 3: Argument ------------------- Mit einer rasenden Geschwindigkeit bretterten sie die Straßen hinunter. Noch immer hallten die Worte seines Bruders in seinem Kopf wieder, wie ein Karussell, dass seine ewigen Runden drehte. Mokuba war in in Tränen aufgelöst gewesen und Kaiba hatte nur die Hälfte des vielen Geschluchzes verstanden. „Seto!! Komm schnell, bitte!“, schrie er er regelrecht in sein Handy und vor lauter Angst, ihm sei was passiert, ließ Kaiba bei seinem Meeting alles stehen und liegen. Vor seinem geistigen Auge spielten sich mehrere Gewaltszenarien ab und mit jeder Sekunde die verstrich, schien sich die Furcht immer tiefer in seiner Brust festzusetzen. Wie konnte er auch nur glauben, es sei eine gute Idee gewesen seinen Bruder mit diesem Vollidioten und seinem geistig minderbemittelten Fanclub durch die Straßen ziehen zu lassen?! Er schallte sich für sein infantiles Verhalten. Dabei drückte Kaiba noch fester aufs Gaspedal und mit einem Affenzahn brausten sie die ruhigen Straßen Dominos entlang, nach dem Mokuba ihnen seinen Standort per Handy mitgeteilt hatte. Das Karussell der Gedanken schien immer mehr aus der Bahn zu geraten und Kaibas Finger verkrampften sich um das Lenkrad. Sobald er Wheeler in die Finger bekam, würde dieser sich wünschen, ihm nie begegnet zu sein! Wo zum Teufel war dieser dumme Köter eigentlich gewesen, während Mokuba weinend vor etwas weg lief?! Hatte er etwa den Schwanz eingekniffen und sich aus dem Staub gemacht? Wütend schnalzte er mit der Zunge, denn so schnell wie dieser Gedanke in ihm aufkam, desto schneller verwarf er diesen auch schon wieder. Selbst Kaiba musste sich eingestehen, dass dies nicht Joey Wheelers Art war. Es dauerte nicht lange bis sie Mokuba erreicht hatten und Kaiba ihn in seine schützenden Arme nahm. Erleichtert, dass es ihm gut ging, seufzte er auf und strich dem Kleineren behutsam über sein schwarzes, langes Haar. Mokuba weinte nach wie vor bitterlich und alles was er hervor brachte, war der Name Joey. „Mokuba, beruhige dich! Was ist passiert?!“, wiederholte er die Frage abermals und der Angesprochene strich sich die Tränen aus den Augen. „Du musst ihm helfen Seto! Die Kerle werden ihn fertig machen!“ In den Augen seines kleinen Bruders blitzte eine solche Intensität auf, die er von ihm nicht gewohnt war und seine Fäuste, die regelrecht zitterten, untermauerten die Kraft seiner Worte. Kaiba glaubte nicht diesen Idioten von Wheeler aus seiner eigenen Misere retten zu müssen, aber Mokuba verlieh ihm augenblicklich dieses Gefühl und nach erneuten Nachdruck stiegen sie in den Wagen. Nach dem der Kleinere dem Fahrer mitgeteilt hatte wo Joey sich befand und sie auch dort angekommen waren, griff Mokuba nach dem Türgriff. Mit einem kräftigen Stoß hatte er die Autotür schon auf gemacht und war bereit um mit seinem Bruder auszusteigen, doch dieser hielt ihn zurück. „Du wartest hier.“, befahl er ihm. „Aber ich-“ „Du bleibst hier!“, unterbrach er ihn und nur widerwillig ließ sich Mokuba in den Sitz zurück fallen. Um nichts auf der Welt wollte Kaiba, dass sich sein kleiner Bruder erneut in einer gefährlichen Situation befand. Und wenn es nun mal bedeutete der strenge große Bruder zu sein der ihm befehle erteilte, dann sollte es nun mal so sein. Als er schließlich ausstieg, schweifte sein Blick über die Straßen Dominos und eine kühle Nachtluft peitschte ihm durchs Gesicht. Die meisten Lichter in den Gebäuden waren bereits erloschen und einige Laternen erhellten die dunkle Straße. Kaiba erblickte die vier umgehend. In den Händen Joeys Gegners erkannte er das Klappmesser. Auf der Stelle verengten sich seine Augen zornig und ohne zu zögern befiehl er seinen Leuten ein zu greifen. Dabei setzte auch er sich in Bewegung. Mit schockierter Miene richteten die Männer ihre Augen auf Kaiba und seine Gefolgsleute, nach dem sie die lauten Schritte vernahmen. Anscheinend hatten sie nicht damit gerechnet bei ihrem Amüsement unterbrochen zu werden, ließen schroff von Joey ab und ergriffen daraufhin panisch die Flucht. Dieser sackte zusammen und mit ausgestreckten Armen fing Kaiba noch rechtzeitig den ohnmächtigen Joey von hinten auf. „Roland! Hinterher!!“, wies er ihnen brüllend an und hörte, mit dem Blick auf Joey gerichtet, wie sich ihre Schritte entfernten. Er hielt seine geschmeidigen langen Fingern unter die Nase des anderen. Immerhin, er schien noch zu atmen und bei genauerem Betrachten schien Kaiba keine drastischen Verletzungen, wie zum Beispiel Einstechwunden, zu erkennen. Nun nahm er Joyes Gesicht besser in Augenschein, dessen Kopf zur Seite geneigt war. Als er nach seinem Kinn griff und es zu sich drehte, erkannte er unter seinem linken Auge einen dunklen lila Fleck, der sich unters komplette Auge erstreckte. Kaiba dachte plötzlich daran wie lange es wohl dauern würde, bis dieser Bluterguss wieder verschwand und kurz darauf erinnerte er sich, wie Wheeler nicht das erste Mal mit einem solchen Auge in der Schule erschienen war. Ungeschickt hielt er ihn weiter in den Armen und hob überrascht eine Augenbraue. Erstaunlich wie lang seine Wimpern waren. Dieser Idiot hatte schon einige Male vor ihm gestanden und ihm dabei seine leeren Drohungen an den Kopf geworfen. Aber aus einer solche Nähe, in diesem Zustand, hatte er Wheeler noch nie zu sehen bekommen. Es war als schliefe er seelenruhig und nichts schien darauf hinzuweisen, dass er ein lautes und einfältiges Mundwerk besaß. Einige seiner blonden Strähnen waren ihm ins Gesicht gefallen und wie von alleine streckte er die Hand nach ihnen aus, mit dem Drang ihm diese aus dem Gesicht zu streichen. Urplötzlich stockte Kaiba der Atem und er hielt inne. Was war er da im Begriff gewesen zu tun?! Kaiba schien ihn nun wirklich genug inspiziert zu haben. Er schallte sich wütend und wollte Joey schon los lassen, ja ihn schon beinahe von sich stoßen. Änderte jedoch seine Meinung als er sah wie Mokuba aus dem Wagen gesprungen kam. „Geht es Joey gut?!“, hatte er schon beim los laufen gerufen. „Anscheinend ohnmächtig.“, antwortete Kaiba monoton und schob seinen einen Arm unter Joeys Kniekehle. Anschließend legte er dessen Kopf auf seine Schulter und den anderen Arm unter seinen Rücken. Dann stand er mit ihm auf und schritt Richtung Wagen. Mokuba folgte ihnen und sah seinen Bruder unentwegt, schon beinahe fragend, an. Wahrscheinlich traute er seinen Augen nicht. Immerhin waren die beiden ewige Rivalen. Ihn nun so zu sehen, wie er Joey ins Auto brachte, hätte jeden in Domino City stutzig werden lassen. „Hoffentlich macht der Köter mir nicht die Sitze dreckig.“, gab Kaiba noch von sich. Nicht das sein kleiner Bruder noch auf falsche Gedanken kam und er denken möge, Kaiba habe ein Herz für Tiere. Roland kehrte kopfschüttelnd zurück und berichtete, dass die Männer ihnen entwicht waren. Nicht erfreut über diese Nachricht, verzog er finster das Gesicht und wies seine Angestellten an, sie nach Hause zu bringen. Weil er Joey zuerst rein gesetzt hatte und Mokuba neben ihm Platz genommen hatte, saß dieser nun in der Mitte. Kaiba hatte seine Arme vor der Brust verschränkt sowie die Beine übereinander geschlagen und bei jeder Kurve versuchte er Joey mit seinen Ellenbogen gekonnt auf Distanz zu halten. Etwas in ihm sträubte sich, diesem blonden Tölpel nochmal in sein Gesicht zu schauen und als sie wenig später sein Anwesen erreichten, stieg er hastig aus. „Bringen Sie Wheeler in sein Zimmer.“, befahl Kaiba Roland und beim Anblick, wie er diesen aus dem Auto hievte, verzog er missmutig die Augenbrauen. Seit er im Unterricht heute diesen Volltrottel beobachtet hatte, wurmte den älteren etwas. Es musste einfach an seiner dämlichen Visage liegen. Wie konnte er auch nur so einfältig sein und glauben, es mit diesen drei Riesen aufnehmen zu können? Leicht machte sich Zorn in ihm breit und er hatte nur noch das Bedürfnis zu verschwinden. Er brauchte Abstand von diesem blonden Chaoten. ~*~ Aus dir wird sonst nie was!, hallte die Stimme seines Lehrers wider. Du bist nichts Wert!, gesellte sich nun auch die Stimme seines Vaters dazu. In der Finsternis zurück gelassen schaute Joey sich um und sah nichts außer der Dunkelheit, die ihn umringte. Er hörte die Stimmen, die auf ihn einprasselten mit all den Beschimpfungen, die er sich Tag für Tag anhören musste. Verzweifelt von dem Nichts, dass ihn umgab, begann er zu rennen. Doch er bewegte sich nicht vom Fleck und als er merkte wie aussichtslos sein Entkommen war, fiel er auf die Knie. Übermannt von diesem Gefühl der Hilflosigkeit sackte er schließlich zusammen und kauerte mit angezogenen Beinen auf dem Boden Joey ertrug die Beleidigungen und das Gelächter nicht mehr, welches immer lauter zu werden schien. Sein Magen verkrampfte sich und ein Schrei entwich seiner Kehle, dicht gefolgt von einem zutiefst erschütterndem Schluchzen. Sein Körper begann zu zittern und völlig hilflos hielt er sich die Ohren zu, um die Stimmen aus seinem Kopf fern zu halten. Nein, lasst mich in Ruhe! Ich will das nicht mehr! Bitte!!, dachte er dabei immer wieder. Langsam öffnete er seine Lider, während er spürte wie eine einzelne Träne über sein Ohr kullerte. Dabei beäugte Joey mit verschwommen Blick den Rest seiner Umgebung und nach mehrmaligem Blinzeln erblickte er über sich eine weiße Decke mit einem ihm bekannten, protzigen Kronleuchter. Unter seinen Händen spürte er das samtige und weiche Bettlacken. Erst jetzt begriff er, alles nur geträumt zu haben und er nicht wirklich irgendwo heulend auf dem Boden lag. Träge richtete er sich auf und fasste sich an die Stirn. Noch immer fühlte er sich wie benommen und versuchte die einzelnen Teile in seinem Kopf wie ein Puzzle zusammen zu setzen. Da war die Schule gewesen, er hatte sich wieder komplett zum Affen gemacht und dann war da doch noch was mit der Spielhalle... Wie vom Blitz getroffen weitete er seine Augen und ließ die Hand sinken. „Mokuba!“, platzte es aus ihm und setzte zum Sprung an, um schleunigst wieder auf die Beine zu kommen. Doch ein stechender Schmerz durchzuckte ihn und er krümmte sich leicht. „Ihm geht’s gut.“ Joeys Blick wanderte zu seiner Rechten und schockiert erblickte er seinen Erzfeind auf dem Stuhl neben sich. Langsam inspizierte er seine Umgebung und registrierte allmählich, dass er sich in dem Zimmer befand, welches Kaiba ihm als vorübergehende Unterkunft angeboten hatte. Dieser hatte die Beine übereinander geschlagen und die Arme vor seiner Brust verschränkt. Seine Augen waren geschlossen und er schien die Ruhe selbst. Unwillkürlich fragte Joey sich, ob es auch eine andere Haltung gab, die er einnehmen könne. Meistens fand er ihn nämlich in dieser abwehrenden Position vor, selbst in der Schulpause. „Ihm geht’s gut?“, wiederholte er besorgt. Sein Gegenüber nickte als Antwort nur und Joey atmete erleichtert auf. Dabei strich er sich übers Gesicht. Gott sei dank, ihm war nichts passiert. Er hätte sich das niemals verziehen, wenn dem kleineren irgendein Leid zugefügt worden wäre. Schließlich sah Joey an sich runter. Anstelle seiner Schuluniform zierte ein Verband seinen nackten Oberkörper. Der Blonde sah wieder zu Kaiba, der nun seine Augen geöffnet hatte und ihn anscheinend musterte. „Du bist erleichtert?“ Er schien sichtlich verwundert darüber, dass Joey glücklich über das Wohlergehen seines Bruders war. „Mann Kaiba, wenn du wüsstest. Ich hab echt Angst gehabt um ihn! Gut, dass er so schnell rennen kann, beinahe wie Speedy Gonzales!“, feixte Joey und lachte dabei. „Ich hab die Kerle echt gut im Griff gehabt! Ha, mit Joey Wheeler ist nicht zu spaßen!!“ Dabei machte Joey eine Faust und klopfte sich auf die Brust, um seine Stärke zu demonstrieren. Leider ging seine Vorführung deutlich nach hinten los. Ein Schmerz durchzuckte ihn erneut und er kniff instinktiv die Augen zusammen. Unbeeindruckt von seinem Schauspiel hob Kaiba nur eine Augenbraue. Joey hoffte, dass er sein schmerzverzerrtes Gesicht noch rechtzeitig hatte abwenden können. Kaiba seine Schmerzen so demonstrativ zu präsentieren lag absolut nicht in seinem Interesse. „Bist du es nicht Leid?“ Mit geschlossenen Augen biss er sich auf die Unterlippe. Was sollte er darauf antworten? Meinte Kaiba etwa seine Fassade, die er jeden Tag immer mehr um sich errichtete? Wohl kaum. Als ob es diesen Eisklotz interessierte. Was genau war eigentlich geschehen? Ihm schwirrte der Kopf vor lauter Ratlosigkeit. Nach dem die Kerle ihn eingekesselt hatten, erinnerte sich Joey an kaum etwas. Das einzige was ihm einfiel war, wie chancenlos er in dem Moment zu sein gewesen schien und sein Körper daraufhin resignierte. Wütend ballte Joey die Hand zu einer Faust. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Körper aufgegeben hatte. Doch der auf ihn herablassend blickende Beweis saß unmittelbar neben ihm. „Was? Ach, das Gezanke? Nein, gar nicht! Ich trainiere damit meine athletischen Muskeln!“ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht hob Joey die Arme und spannte diese an. Nahezu wie ein Bodybilder stellte er seine Arme zur Show. „Dein dummes Getue meine ich.“ Instinktiv ließ Joey die Arme wieder sinken. Das übliches Grinsen verschwand aus seinem Gesicht und seine Lippen formten sich zu einer strengen Linie. Was für eine Antwort erwartete sein Gegenüber? Sollte er ihm tatsächlich sagen, dass er es Leid war? Ja, er war es Leid! Und wie leid er es war. All die Gewalt in seinem Leben machte es für ihn unerträglich. Und jeden Tag in dem Wissen zu leben, dass seine Mutter ihn abgelehnt hatte, machte es definitiv nicht einfacher. Nicht wissend wie er darauf als nächstes antworten sollte, schwieg er einfach. Doch der Ältere sah ihn erwartungsvoll an. Joey hingegen wandte sein Gesicht gänzlich von ihm ab. „Ich mache in deinen Augen bestimmt nicht den Anschein, aber auch ich bin ein großer Bruder, Kaiba.“ Unwillkürlich musste er an seine kleine Schwester denken, die er schmerzlichst vermisste. Dabei schossen ihm unzählige Fragen durch den Kopf. Ob es ihr wohl gut ging? Dachte sie hin und wieder an ihn? Hasste sie ihn womöglich? Das Versprechen, welches er ihr damals gegeben hatte, sie eines Tages hier her zurück zu bringen damit sie nie wieder getrennt voneinander waren, schien in Weite ferne gerückt zu sein. „Ich habe eine kleine Schwester. Sie heißt Serenity.“ Dabei drehte er sein Gesicht wieder zum Braunhaarigen. „Ich würde alles für sie geben, daher weiß ich wie du dich fühlst. Und Mokuba ist toll. Er sollte nicht leiden müssen.“ ~*~ Kaiba hob skeptisch eine Augenbraue. Er wusste nicht, dass Joey eine Schwester besaß und dessen Sorge, um Mokubas Befinden, schien aufrichtig zu klingen. Dennoch missfiel ihm seine unerschrockene Schauspielerei, die er erneut an den Tag legte. Wie konnte er behaupten völlig fit zu sein, wenn er doch mit eigenen Augen erlebt hatte, wie Joey umgekippt war. Innerlich verfluchte er sich, erneut auf Mokuba gehört zu haben, denn nur wegen diesem befand er sich in der Nähe von Wheeler. Nach dem Roland Joey auf sein Zimmer brachte, war es Kaiba diesmal gewesen, der einen Arzt angeordnet hatte. Als man ihm sagte, dass Joey dringende Bettruhe benötige und Mokuba sichtlich von Sorge erfüllt war, hatte er sich von diesem breitschlagen lassen. Obwohl er von diesem Idioten für den Rest des abends Abstand halten wollte, versprach er seinem kleineren Bruder nach diesem zu sehen. Bei dem Gedanken schloss er für einen kurzen Augenblick seine Augen und massierte mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Die Geschichte mit seiner Schwester war vielleicht ganz nett, aber nicht die Antwort auf seine Frage. „Das der Lehrer dich heute so getadelt hat, ist dir gegen den Strich gegangen, oder?“ Kaiba wusste selbst nicht warum er ihm ausgerechnet diese Frage gestellt hatte. Immerhin war es ihm einerlei, was Wheeler auf die Palme brachte und was nicht. Und überhaupt konnte er sich nicht erklären, warum er unbedingt Joeys Mauer Zufall bringen wollte. Aber erst seit er diesen heute morgen im Unterricht akribisch beobachtet hatte, war ihm aufgefallen, wie dieser Köter sich verbog. Etwa nur damit man ihn mochte? Nachdenklich tippte sich Joey ans Kinn und sah dabei an die Decke. Dann grinste er plötzlich wieder und Kaiba verzog die Augenbrauen augenblicklich. „Da hab ich vor mich hin geträumt! Bin´s ja selber Schuld gewesen.“, antwortete er plump mit einem Schulterzucken. Mit einem Mal erhob sich Kaiba und machte ein paar Schritte auf den anderen zu. Er hatte dieses minderwertige Theaterspiel von diesem Köter satt. „Nur das du Bescheid weißt, Wheeler: Wir haben dich aus dieser heiklen Lage gerettet, in die du fast Mokuba mit rein gezogen hättest! Ein Danke-dass-du-mir-den-Arsch-gerettet-hast wäre an dieser Stelle jetzt wohl angebracht!“, platzte es aus ihm heraus. Irgendwas in ihm ließ zu, dass dieser Idiot ihn noch mehr reizte als sonst. Er würde doch nicht wirklich glauben, dass er auf sein dummes Laienspiel hereinfiel! Wieso konnte er nicht einfach zu geben, dass er ihnen unterlegen gewesen war? Mit einem finsteren Blick bedachte er den Blonden von oben herab. „Dann kommt hier jetzt eine Eilmeldung für den Helden Seto Kaiba: Ich habe nie darum gebeten!“, schleuderte ihm Joey entgegen. Mit der selben Geschwindigkeit, in der auch Kaiba aufgestanden war, sprang nun auch Joey auf. Als er auf den Beinen stand, taumelte er leicht. Faste sich dann jedoch hastig wieder und grapschte nach dem Oberteil seiner Schuluniform, die am Ende des Bettes lag. „Wie bitte?!“, entfuhr es Kaiba scharf und sah, wie Joey versuchte sich das Oberteil überzustreifen. „Außerdem war dein Bruder außer Gefahr gewesen! Gern geschehen übrigens!“ Er beobachtete wie Joey voller Rage seine Sachen zusammen suchte und sich seine Schuhe anzog. „Was zum Teufel tust du dummer Hund da?!“ „Wonach sieht´s den für dich aus du Hohlbirne? Ich verschwinde!“ Kaiba schien geradezu vor Wut zu schäumen und als Joey davon stampfte, folgte er ihm mit schnellen Schritten. Mit einer raschen Handbewegung streckte er die Hand nach ihm aus und griff nach dem Blonden. Völlig überrumpelt drehte dieser sich um. Joey sah erst auf Kaibas Hand, die sein Handgelenk fest umschloss. Dann wanderte sein verwirrter Blick anschließend in dessen Gesicht. Selbst Kaiba schien von seiner Handlung überrascht und so wie Joey, fiel sein Blick zuerst auf seine eigene Hand, die er unkontrolliert nach diesem ausgestreckt hatte. Anschließend sah er auf und blickte in die Augen seines Gegenübers. Was zum Teufel hatte ihn da geritten?! Für einen Moment verharrten beide in dieser Position. ~*~ Joey konnte regelrecht in Kaibas Augen lesen, dass dieser sich erst jetzt seinem Tun bewusst geworden war. Wollte er ihn etwa zwingen hier zu bleiben? Nein, das war schier unmöglich. Aber was hatte ihn den plötzlich dazu gebracht nach ihm zu greifen? Langsam schien der Ältere wieder zur Besinnung zu kommen und Joey spürte, wie er seinen Griff löste. Dann räusperte er sich und ließ beide Hände seitlich an seinem Körper hängen. Mit aufrechter Haltung stand er noch immer schweigend da. „Du solltest liegen bleiben.“ Der Blonde runzelte die Stirn. „Warum?!“ Er war noch immer sauer und schien es auch nicht ansatzweise vor seinem Gegenüber verbergen zu wollen. „Unser Arzt hat es angeordnet und ich denke nicht, dass wenn du jetzt nach Hause gehst, dort genug Bettruhe bekommen wirst.“ War das hier versteckte Kamera oder so ähnlich? Machte sich Seto Kaiba hier gerade sorgen um ihn, Joey Wheeler?! Auch wenn es Joey nicht gefiel, musste er ihm trotz alle dem zustimmen. Fakt war, dass seit er einige Nächte hier auf dem Anwesen verbrachte, sein Vater nur noch hatte gewalttätiger werden lassen. Wenn er sich Abends in sein Haus schlich, um in seinem Zimmer zu gelangen, traf er ihn sporadisch. Dann stellte er ihm fragen, wo er den ganzen Tag sei und wieso er denn nicht mehr nach hause käme. Ob er sich bewusst sei, dass sein alter Herr hier auf sich ganz alleine gestellt war und was für ein missratener Sohn er doch wäre, weil er ihn im Stich ließe. In solchen Momenten fiel es Joey dann schwer den Mund zu halten. Ein Wort führte dann immer zum nächsten und letztendlich endete es stets damit, dass sein Vater voller Zorn versuchte sich den Respekt, den er sich von seinem Sohn wünschte, durch eine Tracht prügel zu verschaffen. Der Gedanke daran lähmte ihn und alles in seinem inneren schrie danach, nicht mehr dorthin zurück kehren zu wollen. Zittrig ballte Joey die Fäuste. „Von mir aus.“, brachte er nur mit zusammengebissen Zähnen zustande und stampfte an ihm vorbei. Langsam entledigte er sich wieder seines Oberteils, welches er dann unachtsam auf den Boden gleiten ließ und setzte sich mit einem Schneidersitz aufs Bett. Ein tiefer Seufzer entwich Joeys Kehle, dann stützte er seine Ellenbogen auf seinen Beine ab und ließ das Kinn auf seine Hände sinken. Draußen war es stockdunkel, nur ein vereinzelter Stern glitzerte für einen kurzen Augenblick einsam im Nachthimmel und Joey glaubte zu fühlen, wie dieser empfand. „Ja, es ist mir gegen den Strich gegangen.“, griff er das vorherige Gespräch plötzlich wieder auf und seine Stimme war unerklärlicherweise völlig ruhig. Vermutlich, weil er sich nach all dem Ärger in Sicherheit wog und nun einen Moment der Ruhe genoss. Erstaunlicherweise selbst wenn Kaiba anwesend war, was selbst ihn kurz stutzen ließ. „Ich habe es satt immer hören zu müssen, dass aus mir nichts wird. Aber wie kann jemand wie du das verstehen?“ Beinahe Träge drehte er sich wieder zu dem Braunhaarigen um und erkannte, dass auch dieser sich ihm wieder zugewandt hatte. Seine blauen Augen fixierten ihn und Joey wusste nicht, was er nun genau davon halten sollte. Kaibas Miene schien unergründlich. War er etwa überrascht über diese Worte? „Glaubst du etwa mir ist das alles zugeflogen?!“ Joey entwich ein kurzes und leises lachen bevor er die Arme hinter seinem Kopf verschränkte und sich in die Kissen fallen ließ. Scheinbar teilnahmslos zuckte er mit den Schultern. „Ist doch egal, alter. Immerhin hast du jetzt Moneten ohne Ende, schicke Autos, einen Palast, Bedienstete...“, zählte Joey mit seinen Fingern auf. „Nen scheiß Kronleuchter in jeden beschissenen Raum. Mann, würde mich nicht wundern, wenn an denen Juwelen hängen.“ „Mokuba und ich hatten nichts vor all dem!“, entgegnete er instinktiv und konnte sich selbst so recht nicht erklären, wieso er sich vor diesem Idioten nun rechtfertigte. „Immerhin hattest du Mokuba! Ich habe niemanden!!“, Wutentbrannten hatte er Kaiba aus heiterem Himmel diese Worte um die Ohren gehauen. Dabei hatte sich Joey wieder ruckartig aufgerichtet und funkelte seinen Rivalen voller Zorn an. Er konnte es nicht abstreiten, aber da er nun öfters Mokuba und diesen Großkotz in seiner Reichweite hatte, wurden die schmerzlichen Erinnerungen immer fürchterlicher. Seine Mutter hatte sich seine geliebte Schwester geschnappt und ihn mit diesem Dreckskerl von Vater alleine gelassen. Sie hatte sowohl mit ihrem Mann als auch mit ihrem Sohn abgeschlossen. Noch heute hallten ihre Worte in seinen Ohren wieder und er glaubte nicht, sie jemals vergessen zu können. Du bist genau wie dein Vater, hatte sie ihm ins Gesicht geschrien, wenn sie mit der Situation völlig überfordert war. Dabei hatte Joey immer versucht niemals auch nur annähernd so zu werden. All sein Auftreten und Benehmen sollte nicht an ihn erinnern. Und doch war er allein gelassen worden, ohne Liebe. Genau wie sein Vater. Bei dem Gedanken schnürte sich seine Kehle zu. Die aufkommenden Tränen waren nicht mehr zu unterdrücken und Joeys Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Mit tiefen Atemzügen versuchte er die Emotionen ins bodenlose seines Innerem zu vergraben. ~*~ Da war es für einen kurzen Augenblick zu sehen gewesen. Die Mauer aus Selbstschutz, die dieser Köter fleißig all die Jahre um sich herum gebaut hatte, schien für einen kurzen Augenblick zu bröckeln. Das, was Kaiba sich während des Unterrichts erhofft hatte und worüber er sich den ganzen Tag den Kopf zermarterte, war für den Bruchteil einer Sekunde in greifbarer Nähe gewesen. Seine bernsteinfarbenen Augen glänzten ihn voller Rage an und als Kaiba ihn genauer betrachtete, glaubte er Tränen zu sehen. Außer Mokuba hatte er nicht viele Menschen um sich gehabt, die freiwillig in seiner Gegenwart weinten und so recht wusste er nun auch nicht wie damit umzugehen. Hielt er ihn für seinen Kummerkasten? Wie zur Hölle sollte er darauf reagieren, wenn dieser Blondschopf nun in Tränen ausbrach? Ungeachtete dessen musste sich Kaiba jedoch eingestehen, dass das Verhalten seines Gegenübers völlig neu für ihn war und etwas in ihm auslöste. Es war ein flüchtiges Gefühl, welches in ihm aufkeimte, wie eine kurze Flamme und die er abrupt wieder im Keim erstickte. Soweit würde er es nicht kommen lassen, dass er auch noch so etwas ähnliches wie Mitgefühl für diesen Straßenköter empfand. Joey, der anscheinend langsam bemerkte in welches Licht er sich gerade rückte, drehte ihm mit einer hastigen Bewegung den Rücken zu. Dabei schnaubte er gereizt. Kaibas Blick ruhte weiterhin auf den Schultern des anderen und er formte seine Augen zu schlitzen. Er konnte unmöglich weiter in seiner Nähe bleiben. Außerhalb spielte dieser Idiot den Klassenclown, den unerschütterlichen Typen. Nur um dann Abends wie ein eingeknickter Welpe durch seine Räumlichkeiten zu taumeln und nun musste er sich anhören, dass er alleine sei?! Er drehte sich um, erfüllt mit all den Emotionen - weit vorn das Gefühl der Rage - und machte sich auf den Weg zur Tür. Als er nach der Türklinke griff, hielt er inne. Er überlegte ob er noch etwas zum Abschluss erwidern sollte. Doch seinen Atem weiter an diesen Volltrottel zu verschwenden empfand er als der Mühe nicht wert und drückte die Klinke runter. Mit einem lauten Knall ließ er die Tür hinter sich zu fallen. ~*~ Joey, den das geräuschvolle zufallen der Tür, aufschrecken ließ, blickte sich um und stellte erleichtert fest, dass er Kaiba los geworden war. Erneut warf er sich, mit dem Gesicht voran, in die Kissen und drückte es feste an sich. Versuchte die verzweifelten Schreie, die sich ihren Weg durch seinen Brutkorb bahnten und beharrlich versuchten aus seine Kehle zu entfliehen, mit dem Kissen krampfhaft zu dämpfen. Dieser Eisklotz hatte doch keine Ahnung was er empfand und niemals würde ihn ein Seto Kaiba auch nur ansatzweise verstehen! Als ihn erneut all die Kraft verließ übermannte ihn die Müdigkeit und noch während Joey sich fragte, wieso Kaiba ihn zurück gehalten hatte, versank er in einen tiefen Schlaf. Den darauf folgenden Morgen erwachte Joey mit einem leicht brummenden Schädel und langsam öffnete er seine Augenlider. Er hasste es heulend einzuschlafen, danach fühlten sich seine Augen nämlich immer so geschwollen an. Ein leises klopfen war zu hören und mit einem gähnenden „Ja?“ öffnete sich diese. Mokuba spähte ins Zimmer und bat um einlas. Joey, der sich mehr als nur freute am frühen morgen ein freundliches Gesicht zu sehen, grüßte ihn herzlich und klopfte auf sein Bett. Er bedeutete Mokuba sich zu ihm zu gesellen, welcher strahlend der Aufforderung nach kam. „Geht es dir gut kleiner Mann?“ Der Schwarzhaarige nickte und sah Joey besorgt an. Es war in Mokubas Augen ab zu lesen, dass er all sein Bedauern mitteilen wollte, doch Joey empfand nicht die geringste Spur nun wieder mit dem Thema an zu fangen und schnitt ihm das Wort ab. „Nein, nein. Es geht uns beiden gut, das ist die Hauptsache. Schwamm drüber!“ Erneut nickte er. Seine kurzen Beine schwang er dabei immer wieder hoch und runter. „Unsere Zimmer liegen nicht weit auseinander,“ begann Mokuba. „Ich hab schreie und Türen zu knallen hören. Es klang wie die Tür meines Bruders...“ Er schien nachdenklich vor sich hin zu grübeln und Joey sah ihm an, dass Mokuba die Schuld bei sich suchte. „Der war nur sauer auf mich, Moki. Das hatte absolut nichts mit dir zu tun, falls du das denkst.“ Mokuba nickte abermals als Antwort und lächelte zart. „Ich weiß. Seto kann manchmal echt hart sein... aber weißt du, mein Bruder ist in Wahrheit kein böser Mensch.“ Wie von allein hoben sich die Augenbrauen des Blondschopfes. Natürlich musste so was von Mokuba kommen, Kaiba hatte nun oft genug bewiesen, wie sehr er an diesem hing. Das bisschen Zuneigung, was dieser Kühlschrank aufbringen konnte, galt alleine ihm. Aber wie stand es um seine Mitmenschen? Wäre er jemals fähig auch für andere so zu empfinden? Urplötzlich stellte er sich vor, wie Kaiba kleine Welpen an Kinder verteilte. Nein, das Bild passte partout nicht zu ihm. „Also, ich habe gehört du bleibst heute hier, weil der Arzt dir Bettruhe verordnet hat.“ Joey legte den Kopf schief. Der Großkotz hatte wohl bei seinem Abgang gestern Abend vergessen dies zu erwähnen. „Ich dachte wir könnten, wenn ich zurück bin, etwas machen. Damit du dich nicht komplett langweilst“ Joey legte erneut, diesmal nachdenklich, abwechselnd den Kopf schief. Dann schlug er sich mit der Faust auf die Handfläche. „Ihr habt in dieser Bude doch bestimmt ein paar starke Games am Start. Lass uns später etwas gemeinsam daddeln!“, grinste Joey Mokuba an und zwinkerte dabei. Mokuba, der von dieser Idee begeistert schien, nickte aufgeregt und sprang vom Bett runter. Mit einem Freude strahlenden lächeln verabschiedete er sich von Joey, der ihm noch grinsend hinter her winkte, bis sich die Tür schloss. Dann streckte er sich Kopf über aus dem Bett und versuchte nach seiner Schuluniform zu greifen. Als er diese erfolgreich ergriffen hatte, wühlte Joey in dessen Jackentaschen herum und grinste zufrieden als er sein Handy fand. Er würde Yugi Bescheid geben, dass er mit einer fetten Magen Erkrankung im Bett lag und diese höchst ansteckend sei. Inständig hoffte er, dass somit keiner seiner Freunde mit einer Suppe oder ähnlichem vor seiner Haustür auftauchen würde. Unwahrscheinlich war es jedenfalls nicht. Immerhin waren Tristan und die anderen ein paar mal zu Besuch gewesen und es war erstaunlich, wie sein alter Herr sich einigermaßen unter Kontrolle hatte in solchen Momenten. Nichtsdestotrotz hatte er ihnen angesehen, wie unbehaglich sie sich in seinen vier Wänden fühlten. Danach hatte Joey sie nie wieder zu sich eingeladen. Ein kurzes vibrieren seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Yugi antwortete umgehend mit einem traurig guckenden Kulleraugen Smiley. Geht es dir wirklich so schlecht? Joeys Finger tippten rasant über den Bildschirm. Erleichtert darüber das es noch, trotz einem dicken Sprung im Glas, funktionierte. Alter, du willst gar nicht wissen wie! Ich reier die ganze Bude voll! Zugegebenermaßen fiel es ihm nach jahrelanger Übung nicht mehr so schwer seine Freunde zu belügen. Hin und wieder verspürte er einen leichten Anflug von Schuldgefühlen, doch wenn er sich dann wieder ins Gedächtnis rief, was er sich alles damit ersparte, verging dies wieder. Gute Besserung Joey! Melde dich sobald du was brauchst! Immerhin war das erledigt. Seufzend legte er sein Handy auf den kleinen Nachtisch neben sich und kuschelte sich wieder in die Kissen. Wenn es eins gab was Joey am besten konnte, dann war es eine beschissenen Situation in eine komfortable umzuwandeln. ~*~ Kaiba war nicht zum Frühstück mit Mokuba erschienen. Da er das gestrige Meeting aufgrund des Zwischenfalls unterbrechen musste, war ein Haufen Arbeit liegen geblieben. Und sein Imperium entschuldigte nun mal keine zurückgelassenen Aufgaben. Mit einer kurzen Notiz, die er an seinem morgendlichen Platz hinterlegt hatte, damit sein Bruder sie fand, entschuldigte er sich und war umgehend mit Roland in die Firma geeilt. In der Limousine sitzend holte er sein Handy raus und wählte die Nummer seiner Schule. Dieser teilte er mit, dass er und Wheeler am heutigen Unterricht nicht teilnehmen würden. Er empfand es als lästig sich auch nun um dessen Angelegenheiten kümmern zu müssen. Wahrscheinlich hätte er ihn darüber informieren sollen, dass er vom Arzt Bettruhe verschrieben bekommen hatte. Doch nach der letzten Unterhaltung jedoch verspürte er weder die Lust noch hatte er die Zeit sich weiter mit diesem Idioten erneut auseinanderzusetzen. Als Roland den Wagen vor dem riesigen Gebäude stoppte, stieg Kaiba aus und sah empor. Die Sonne knallte auf das gläserne Gebäude und reflektierte ihm ihr Licht entgegen. Mit seiner Hand versuchte er seine Augen davor zu schützen. Automatisch lächelte er bei dem Gedanken, dass jeder, der wie er seinen Blick auf dieses herrliche Gebäude warf, alleine von dessen Anblick in die Knie gezwungen wurde. Mit seinen 108 Stockwerken* war es ein wahrer Hingucker in Domino City und mit stolz geschwellter Brust schritt an den beiden Steinfiguren vorbei, die den weißen Drachen mit eiskalten Blick repräsentierten, welche sich links als auch rechts vom Eingang befanden. Hier war er Herr. Hier lief alles nach Plan. Innerlich ging er beim Betreten der enormen Eingangshalle den Verlauf seines Arbeitstages durch. Bei dem gestrigen Meeting hatte es sich um einen neuen potenziellen Kunden gehandelt. Er würde diesen um einen neuen Termin anfragen müssen. Außerdem standen noch einige Telefonkonferenzen mit dem Marketing-Verkaufsleiter und seinem Personalleiter an. Ganz zu schweigen von all den FYI E-Mails**, die er alle zur Kenntnis nehmen musste. Des öfteren wünschte sich der junge CEO, dass der Tag mehr Stunde habe. Natürlich gab er es nur ungern zu, immerhin war er der große Seto Kaiba. Ein Mann der niemals Schwäche zeigte und dessen Stolz sein Markenzeichen war. Doch die täglichen Aufgaben eines jung Unternehmers waren kein Zuckerschlecken. Das frühe aufstehen morgens war die einzige Möglichkeit, um sich für wenige Stunde nur um sich selbst zu kümmern. Wie das dann aussah? Morgens um 04:30 Uhr schritt er langsam in die große Küche, die sich im Erdgeschoss befand, nur um sich einen schwarzen Kaffee ein zu schenken. Dann ging er in sein Arbeitszimmer und genoss den Ausblick der aufgehenden Sonne, die dann seinen spärlich beleuchteten Raum mit ihren Strahlen erhellte. Sobald dann die Vögel begannen zu zwitschern, erhob er sich und begann die ersten Telefonate um 07:00 Uhr. In letzter Zeit bekam er nicht genug schlaf. Doch Kaiba war davon überzeugt, dass ihm die paar Stunden in der Nacht mehr als genügten. „Guten Morgen, Mister Kaiba.“, begrüßte ihn die Empfangsdame. Sie war aufgesprungen und warf ihm ihr schönstes Lächeln entgegen. Ihre langen blonden Haaren fielen dabei über ihr üppiges Dekolletee, welches einen tiefen Einblick verschaffte. Der Braunhaarige warf ihr beim Vorbeigehen seinen gekonnten kalten Blick zu, ohne darauf zu antworten. Dieses gekünstelte Lächeln konnte sie sich sparen. Ihm war sehr wohl bewusst, was sie mit ihrer einladenden Aufmachung und dem vorbeugen ihrer Oberweite beabsichtigte. Dachte sie wirklich, dass er auf diese billigen Tricks reinfallen würde? Als er den Aufzug erreichte, drückte er seinen Zeigefinger gegen eine schwarze glatte Fläche. Innerhalb weniger Sekunden erschienen rote Linien, die seinen Finger abscannte und die Tür öffnete sich. Beim einsteigen des Fahrstuhls spiegelte sich der Eingangsbereich darin wieder und Kaiba erhaschte noch einen Blick, bevor sich die Türen gänzlich schlossen. Die Empfangsdame knöpfte sich, sichtlich erzürnt, die Knöpfe ihrer Bluse zu. Nach mehreren entkräfteten Stunden, geprägt von nervenaufreibenden Telefonkonferenzen und Meetings, begab sich Kaiba zum wiederholten Male auf den Weg Heim. Die meisten Lichter in den Büros waren erloschen und außer der Putzfrau befand sich nun niemand mehr in seinem Gebäude. Es war nicht unüblich, dass er der letzte war, der den Feierabend antrat und völlig ausgelaugt ließ er sich in seiner Limousine nieder. Roland verstand, dass er am Ende des abends keinen Wortwechsel führen wollte und insgeheim war Kaiba ihm dankbar dafür. Nur in äußerst dringlichen Situationen sprach er seinen Vorgesetzten an solchen Abenden an. Schweigsam wurde er schließlich nach Hause gefahren und erleichtert auf seinem Anwesen angekommen zu sein betrat er die Villa. Im Eingangsbereich angekommen vernahm Kaiba einen fürchterlichen Radau und folgte den Stimmen. Solch einen Lärm war er bei seinen späten Ankünften nicht gewohnt. Aus dem Wohn und Esszimmer Bereich drang lautes Gebrüll, gefolgt von Gelächter. Nach dem Kaiba sich seinen langen weißen Mantel entledigt hatte, schritt er mit leisen Fußsohlen in den Raum. Unweigerlich hob er seine Augenbraue an und wunderte sich für einen kurzen Moment über das Spektakel, welches sich ihm bot. Mokuba und Joey hatten es sich auf der schwarz-weißen Designer Couch, welche eine U-Form besaß und mit einem dunklen blau Farbton beleuchtet war, bequem gemacht. Sie schienen intensiv damit beschäftigt zu sein, sich gegenseitig von dieser runter zu schubsen. Sein Blick wanderte zu dem 75-Zoll Fernseher, welcher an der Wand hing. Sie spielten dieses dämliche Spiel mit dem kleinen dicklichen Klempner und seinen Freunden, die durch kleine Autoscoutern die bunte Rennbahn entlang flitzten. Kaiba verschränkte die Arme vor seiner Brust und lehnte sich mit der Schulter an den Türrahmen. Sein kleiner Bruder schien völlig ungehalten und lachte so laut wie schon lange nicht mehr. Der Gedanke, dass seit Joeys Anwesenheit Mokuba viel entspannter war, ließ sich nicht vermeiden. „Wenn du noch einmal einen roten Panzer auf mich abfeuerst setzt es was Mokuba!!“ Joey, der sich schon beinahe die Haare raufte vor lauter Verzweiflung, stöhnte genervt auf und versuchte mit seinem Ellenbogen Mokuba ab zu lenken. Immer wieder stupste er ihn an, doch dieser ließ sich davon nicht abbringen und mit einem sauberen Schuss fiel Joeys Charakter ins Schwarze nichts. „Das war´s, du hast es so gewollt!!“ Und damit stürzte er sich auf Mokuba, der in schallenden Gelächter ausbrach, weil Joey ihn erbarmungslos kitzelte. Hier war es nun für Kaiba an der Zeit sich bemerkbar zu machen und mit einem lauten Räuspern erhoben die beiden ihre Köpfe. Joeys Kopf schoss als erster hoch und er blinzelte ein paar Mal, bis er breit grinste und zum Gruß die Hand hob. Wheeler ähnelte just in diesem Moment erstaunlicherweise tatsächlich einem Hund, der sich freute sein Herrschen zu sehen. Es fehlte nur noch der Schweif, der aufgeregt hin und her wedelte. Kaiba führte seine Hand zu seinem Gesicht und rieb sich die Stelle zwischen seinen Augenbrauen. Was dachte er denn da? Auf keinen Fall freute er sich ihn zu sehen, wahrscheinlich war er nur voller Endorphine aufgrund des nervenzerfetzenden Spiels gewesen. Auch Mokuba grüßte, noch immer lachend, seinen älteren Bruder. „Du bist zu Hause, wie schön! Dann können wir ja jetzt zusammen Abendessen!“ ~*~ Joey, der sitzen blieb, während Mokuba aufgesprungen war und seinem Bruder Freude strahlend grüßte, fühlte sich urplötzlich fehl am Platz. Die beiden waren eine Familie und er hatte nichts mit ihnen zu tun. Außerdem hatten er noch immer die kleine Auseinandersetzung mit Kaiba im Hinterkopf und in keinster Weise Lust diese fortzuführen. Langsam stand er auf und ging auf die beiden zu. „Na dann, mach ich mich auch mal auf den Heimweg.“ „Nein Joey, bleib doch noch zum essen!“, rief Mokuba. Die Enttäuschung über sein Vorhaben war ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben. „Ich glaube Wheeler hat noch andere Verpflichtungen.“, antwortete der ältere Kaiba Bruder und warf seinem verhassten Gegenüber einen eiskalten Blick zu. Joey, der diesen sehr wohl wahr genommen hatte, verdrehte die Augen und vergrub seine Hände tief in seiner Hosentasche. „Bitte Seto, lass ihn doch noch zum essen bleiben.“ Nun galt der nächste Blick seinem Bruder. Ohne das Kaiba darüber nachdachte, richtete er seine Augen auf diesen und funkelten ihn wütend an. Er war sichtlich erzürnt über sein Flehen. Doch anstatt das Mokuba – wie Joey eigentlich hätte erwartet – dies beendete, erwiderte er seinen Blick. „Wieso denn?! Ist doch okay wenn Joey noch ein bisschen bleibt und wir-“ „Es reicht Mokuba!“, schnitt er diesem scharf das Wort ab. Der schwarzhaarige verzog erbost die Augenbrauen. „Das ist nicht fair! Immer sagst du mir oder anderen was wir zu tun und zu lassen haben!!“ „Mokuba, es ist langsam wirklich genug.“ Kaibas Stimme glich einem knurren. Doch sein kleiner Bruder dachte nicht daran es bei diesen Worten zu belassen. Mit wutgeballten Fäusten stampfte er auf. „Ich hasse dich!“ Und damit rannte er, ohne dass Kaiba die Möglichkeit hatte ihn aufzuhalten, davon. Mehr als nur überfordert mit dieser Situation sah Joey abwechseln Mokuba hinter her und dann wieder zu Kaiba. Dieser Eisklotz, der sonst kaum eine Miene verzog, schien wie vom Blitz getroffen. In seinen Augen spiegelte sich der Schmerz über Mokubas Worte wieder und als Kaiba bemerkte, wie Joey ihn musterte, wandte er sich von ihm ab. Wieso lief er Mokuba nicht hinter her?! Augenblicklich fragte sich Joey, ob es seine Schuld war, dass die beiden Brüder sich nun dermaßen in den Haaren lagen. „Geh ihm nach!“, platze es aus Joey. Wie in Zeitlupe drehte sich der Braunhaarige zu ihm um. „Ich nehme sicherlich keine Anweisungen von einem dummen Hund wie dir entgegen!“ Mit jedem Wort schienen die Augen seines Gegenübers immer dunkler zu werden. Sie ähnelten einem tobenden Meer in der tiefen Nacht. Genauso bedrohlich. Joey vergrub seine Hände tiefer in seinen Hosentaschen und mit einem ernsten Blick musterte er seinen Gegenüber. Wieso konnte er nicht verstehen, dass er ihm in diesem Fall nichts böses wollte? Warum zur Hölle benahm sich Kaiba ihm gegenüber immer nur so stur? Dieser erhob seine Hand und strich sich damit übers Gesicht. Es war ihm von den Augen abzulesen, dass Mokubas Reaktion ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte. Das Band zwischen ihnen, welches Joey noch so außergewöhnlich und unentbehrlich schien, war bis zum äußersten gespannt und wurde mit jeder Auseinandersetzung immer feiner. Und das schlimmste war, dass Kaiba es offenbar gar nicht merkte. „Schon klar Mann! Ich bin der Letzte, der dir irgendwas raten sollte. Aber echt, du musst wirklich damit aufhören ihm vorzuschreiben was er zu tun und zu lassen hat.“ „Ich brauche auch bestimmt nicht deine unsinnigen Ratschläge.“, erwiderte er harsch. Langsam brannten dem Blondschopf die Sicherungen durch. Ohne jede Vorwarnung streckte er die Hände nach Kaibas schwarzen Rollkragen Pullover aus und zog ihn mit voller Wucht an sich. Dabei strotzten seine goldbraunen Augen nur so vor Jähzorn. „Dein Verhalten ist zum kotzen, Kaiba! Ausnahmsweise solltest du mir verlassenen Hund zuhören! Sonst passiert dir das selbe wie mir!“ Er rüttelte ihn kurz und kräftig, als wolle er ihm die Worte mit aller Kraft in seinen sturen Schädel einhämmern. Vor lauter aufkommenden Gefühle, wie Wut und Trauer, rauschten ihm die Ohren. Bilder von damals schossen ihm erneut durch den Kopf. Wie seine Mutter, die nach einem letzten großen Streit, Serenity gepackt hatte und aus der Wohnung gestürmt war. Der aufkommende Schmerz war nicht zu verhindern gewesen. Tief atmete er ein um schnell den Knoten in seiner Brust zu lösen. Damals waren schlagartig zwei geliebte Menschen aus seinem Leben verschwunden. Wenn Kaiba so weiter machte, war es nur noch eine Frage der Zeit bis auch Mokuba sich von ihm abwenden würde, so wie einst seine Mutter von ihm. Dann ließ er von ihm ab und sah, wie Kaiba mit den Fingern über die Stellen wischte, an denen sich Joey so eben noch festgekrallt hatte. Als wolle er versuchen dessen imaginären Fingerabdrücke von seinem Oberteil los zu werden. Alleine die Gestik machte ihn schon wieder rasend. Nichtsdestotrotz schwieg er und bedachte Kaiba weiter mit einem strengen Blick. Doch statt ihn zu verhöhnen oder auch nur Anstalten zu machen seinem Bruder zu folgen, blieb er wie angewurzelt stehen. Und so verharrten sie eine Weile, während Joyes Blick auf Kaiba ruhte, der ihn gleichermaßen in Augenschein nahm. Seine Augen schienen völlig leer. Zu gerne hätte er nur gewusst was in ihm vorging, denn diese ruhige Art von dem jungen CEO war Joey absolut nicht gewohnt. Schließlich beobachtete er, wie Kaiba sich abwandte, die Hand an seine Stirn führte und sich mit dieser dann durchs braune Haar fuhr. Egal was er nun von sich gab, Kaiba würde niemals auf ihn hören und vor allem nicht in seiner gegenwärtigen Verfassung. „Dann mach ich´s selbst!“, schnaubte Joey und lief an dem älteren vorbei. Ja, er hasste Seto Kaiba wie sonst keinen in dieser Stadt. Ungeachtete dessen wollte er trotzdem nicht, dass jemandem dasselbe widerfuhr wie ihm. Niemand hatte es verdient allein gelassen zu werden. Selbst ein Seto Kaiba nicht. Kapitel 4: ----------- Weil Joey sich trotz der langen Zeit, in der er sich nun auf diesem Anwesen befand, unaufhörlich in diesem Labyrinth von einem Haus verirrte, musste er auf halber Strecke ein Dienstmädchen fragen, in welchem Gang sich Mokubas Zimmer befand. Als er schließlich die Tür erreichte konnte er schon von draußen das laute Geschluchze des kleinen Mannes hören und klopfte an dessen Tür. Während er geduldig auf eine Antwort wartete, immerhin wollte er nicht einfach so in Mokubas Zimmer rein platzen, fiel sein Blick auf seine Schuhe. Dabei grübelte er unentwegt darüber nach, was sein nächster Schritt sein würde. Unwillkürlich fragte er sich, warum er ausgerechnet das Bedürfnis hatte diesem Großkotz zu helfen. Ob es daran lag, weil Kaiba ihn vor geraumer Zeit bei seiner unangenehmen und angespannten Situation mit seinem Vater geholfen hatte? Instinktiv schüttelte Joey leicht den Kopf. Nein, immerhin hatte er gesagt, dass Mokuba darauf bestanden hatte. Also konnte es auch nichts mit ihm persönlich zu tun haben. Es lag wohl tatsächlich eher daran, dass Joey seine eigene kleine Schwester schmerzlich vermisste und es nicht ertrug Mokuba so leiden zu sehen. Nach mehreren Minuten des Wartens und Klopfens, gefolgt von Stille, beschloss Joey schließlich den Raum zu betreten und fand ihn auf dem Bett weinend vor. So weit so gut. Bis hier hin hatte er also seinen Plan in die Tat umgesetzt. Mokuba schien ihm kaum Beachtung zu schenken, so sehr schien der Kleinere in seiner Trauer versunken zu sein. Mit leisen Schritten ging er auf ihn zu und setzte sich neben ihn auf die Bettkante. Mokubas kleiner Körper bebte vom ständigen Aufschluchzen und Joey, der noch immer nicht geringste Ahnung hatte, wie sein weiteres vorgehen nun aussehen sollte, saß stillschweigend neben ihm. Was in aller Welt sollte er den jetzt sagen? Welche Worte wären in seiner Position nun angebracht? Kaiba nun in den höchsten Tönen zu loben empfand der Blondschopf als widernatürlich. Immerhin war es in der gesamten Stadt kein Geheimnis, wie die beiden zu einander standen. Sollte er nun vor Mokuba anfangen seinen großen Bruder als einen Heiligen zu beschreiben, würde Mokuba sich höchstwahrscheinlich auf den Armen genommen fühlen und ihn ohne zu zögern aus seinem Zimmer schmeißen. Also entschied sich Joey dazu den Mund zu halten und hoffte, dass allein seine Anwesenheit ihn beruhigen würde. Er wusste, dass das Sprechen meistens nicht notwendig war. Die Gesellschaft einer anderen Person, die versuchte den Schmerz zu teilen, den man empfand, in diesen Momenten, war meistens von solch einer unsagbaren Bedeutungen, dass es einfach keiner Worte bedurfte. Meistens, wenn er selbst völlig in sich zusammen fiel und sein kompletter Wortschatz aufgebracht war um auch nur ansatzweise zu beschreiben, in welch Leid er sich befand, wünschte sich Joey einfach nur jemanden an seiner Seite, der über alles Bescheid wusste. Eine Person, der man nichts erklären musste. Nur die Gegenwart eines Menschen, die spürte was in ihm vorging in diesen Augenblicken. Mehr wünschte er sich nicht. „Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!“, begann Mokuba zu schluchzen und riss ihn damit aus seinen Gedanken. „Hey... sag das nicht...“ Zaghaft strich er Mokuba über den Kopf, während dieser sich abermals die unaufhörlichen Tränen von seinen geröteten Wangen wischte. „Er kontrolliert mich auf Schritt und Tritt. Ich muss furchtbar viel lernen und habe zu dem auch noch Privatunterricht. Es ist als sei ich sein Gefangener geworden!“ Immer wieder tätschelte Joey sein Haar und hörte ihm aufmerksam zu. Dann seufzte er leise. „Ich glaube, dass dein Bruder sich einfach nur sehr viel um dich sorgt und dir die bestmögliche Zukunft ermöglichen möchte.“ Das ausgerechnet er nun anfing seinen Erzrivalen Seto Kaiba in Schutz zu nehmen, fühlte sich seltsam an. Mokuba schüttelte heftig den Kopf. „Das kann ich nicht mehr glauben! Ich habe keine Freunde. Sie alle lachen mich aus, weil Seto schlimmer als jede Helikopter-Mutter ist.“ Gegen dieses Argument fiel nun auch Joey nichts mehr ein. Kaiba tat nicht sonderlich viel um etwas entgegen Mokubas Vorwürfen zu bringen. Erneut seufzte der Blondschopf. Er legte seine Hand auf Mokubas Schulter, woraufhin dieser endlich den Blick hob und ihn mit geröteten Augen und schniefender Nase anblinzelte. „Ich bin dein Freund, Mokuba.“ Erneut füllten sich die Augen des kleineren mit Tränen und schluchzend fiel er Joey in die Arme. Joey erwiderte die Umarmung und drückte ihn feste an sich. Er hatte solche Momente, in denen er sich wie ein großer Bruder fühlte, vermisst und war für den Bruchteil einer Sekunde dankbar gewesen nochmal erfahren zu dürfen wie sich dies anfühlte. Auch wenn er wusste, dass solche Augenblicke mit Mokuba eigentlich Kaiba gebührten und nicht ihm. ~*~ Seufzend ließ er sich auf den Stuhl, der sich am Kopf des langen Esszimmertisches befand, nieder. Dann stützte Kaiba seine Ellenbogen auf den Tisch, verkreuzte seine Hände in einander und führte sie nachdenklich zu seinem Mund. Abermals tippte er sich dabei mit den Daumen gegen seine Lippen. Er fühlte sich völlig machtlos gegen diese Situation. Noch nie hatte Mokuba ihm solch eine Wut entgegengebracht, geschweige den jemals diese drei hässlichen Worte an den Kopf geworfen. Wie sollte er nun weiter vor gehen? Bei dieser Frage, auf die er partout keine Antwort fand, legte er seine Hände auf sein Gesicht und strich sich immer wieder über dieses. Schließlich ließ er die Hände wieder sinken. Ob Mokuba mit dem gesamten Umfeld einfach unzufrieden war? Ob ihm ein anderer Ort mehr gefallen würde? Kurz kam ihm der Gedanke eines Internats in den Sinn. Er wäre durchgängig beaufsichtigt und da ihm die Anwesenheit seines eigenen Bruders zu wider war momentan, würde ihn jemand anderes über das Befinden seines Bruders in Kenntnis setzen. Erneut fasste er sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. Glaubte er tatsächlich, dass Mokuba da so einfach mitspielen würde? Und wenn er dieses Vorhaben nun wirklich in die Tat umsetzen wollen würde, dann konnte sich Kaiba getrost sicher sein, dass er diese drei kleinen und doch so verletzenden Worte nicht zum letzten Mal hören würde. Der Arbeitstag war reichlich an aufreibenden Gesprächen und stressigen Meetings gewesen. Den Abend nun zu Hause so ausklingen zu lassen war sicherlich nicht in seinem Interesse gewesen. Kurz grübelte Kaiba wem er dieses Chaos nur zu verdanken hatte und ihm kam ruckartig Joey Wheeler in den Sinn. Verdammt, hätte ich mir diesen Trottel doch nie ins Haus geholt! Aber nach reichlicher Überlegung musste er feststellen, dass auch dies nur wieder Mokuba zu zuschreiben war. Und das aufgrund dessen, weil Wheeler seinen Bruder aus einer heiklen Situation gerettet hatte. Also war er Joey Wheeler letztendlich zum Dank verpflichtet...? Kaiba griff sich erneut an die Stirn und starrte auf den edlen verzierten Esszimmertisch, der so sauber poliert war, dass sich sein Gesicht darin spiegelte. Was tust du da nur Seto..., fragte er sich dabei. Ein leises Geräusch ließ ihn aufhorchen und ruckartig erhob er den Kopf. Joey war wieder zurück, stand im Türrahmen und trat von einem Fuß auf den nächsten. Kaiba sah mit hochgezogener Augenbraue zu ihm herüber. Er war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Wheeler sich auf den Weg nach Hause gemacht hatte. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, überschlug die Beine übereinander und verkreuzte die Arme vor seiner Brust. „Hast du was vergessen, Wheeler?“, fragte er den Blonden genervt. Er sah wie der Andere die Augen verdrehte und sich ihm näherte. „Ich habe mit Mokuba gesprochen.“ Kaibas Miene blieb unverändert, doch der aufkommende Schmerz in der Brust traf ihn tief. Die Tatsache, dass sein Bruder sich lieber Joey Wheeler öffnete verletzte ihn insgeheim sehr. „Und? Hast du vor mir nun vorzuschreiben wie ich mich verhalten soll? Oder nun irgendwelche Forderungen?!“ Er sah wie der Blonde den Kopf schief legte. Er bedachte ihn mit einem ruhigen Blick und eine seltsame Stille machte sich im Zimmer breit. Bis Joey diese durchbrach. „Wovon redest du?“ Kaiba schwieg und fixierte seinen Gegenüber nur mit festen Blick. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Wheeler vermutlich nun aus dieser Misere versuchte seinen Vorteil zu ziehen. Kaiba hätte es zumindest an seiner Stelle getan. Da Mokuba Gegenüber anderen nun mal viel offener und vertrauensvoller war, wäre es ein leichtest für Joey gewesen an all die Geheimnisse seiner Familie zu kommen. Doch er sah nur in das ratlose Gesicht eines jungen Mannes, dessen Anblick ihn an einen Welpen erinnerte, der nicht verstand was sein Herrschen von ihm verlangte. „Was hat er gesagt?“, entgegnete er anstelle einer Antwort. Joey wandte sein Gesicht von ihm ab und sein Blick fiel auf die Couch, auf welcher er soeben noch mit Mokuba herumgetollt hatte. Er schaute bei dem Gedanken auf die Antwort traurig drein. „Das er dich hasst.“ Für einen kurzen Augenblick schloss Kaiba die Augen. Natürlich kam dies nicht unerwartet, aber es nochmal aus seinem Mund zu hören war als habe er eine neue Ebene des Schmerzes erreicht. Nicht wissend was er nun darauf antworten sollte schwieg der Ältere nur. „Ich krieg das wieder hin!“ Verwundert über den Ausbruch des Blonden blinzelte er verwirrt. Joey hatte die Hände geballt und ein siegessicheres Grinsen auf den Lippen. „Bitte was?“ „Du und Mokuba! Ich krieg das wieder hin!“ Kaiba kam nicht umhin die Stirn in Falten zu legen. Was um Himmels willen war nur mit diesem Kerl los? „Auf jeden Fall sollte ich langsam gehen. Mein alter Herr muss mich hin und wieder schon zu Gesicht bekommen!“, feixte Joey und stemmte dabei die Arme in die Hüfte. Die Blessuren, die er den Vortag davon getragen hatte, schienen ihm noch zu schaffen zu machen, denn er ließ abrupt wieder die Arme sinken. „Und dein Auge?“, erkundigte sich Kaiba. Immerhin war dies die auffälligste Verletzung. ~*~ „Ach, ich werde sagen, dass ich unvorsichtig war und gegen irgendwas gerannt bin. Er wird mir dann wieder vorwerfen zu lügen - was ja dann auch stimmt - und wird mich als einen vollkommenen Idioten betiteln. Und das ich ihn nicht bloß nicht verarschen soll,“ erzählte Joey als sei es das unbedeutendste der Welt. „Sonst würde es mir teuer zu stehen kommen und wenn ich dann nicht meinen Mund halte geht das dann so weiter bis er eskaliert und er mir...-“ Er stoppte und blinzelte Kaiba an. Was um alles in der Welt war er gerade im Begriff gewesen zu tun? War er wirklich gerade dabei gewesen Seto Kaiba zu erzählen, wie die Raufereien zwischen ihm und seinem Vater von statten gingen? Mal abgesehen davon , dass es schon merkwürdig war, dass sich Seto Kaiba nach seinem Auge erkundigte. „Ja also dann....“, brach Joey noch hervor und räusperte sich schließlich. „Ciao Kaiba.“ Mit einer hastigen Bewegungen lief er den Flur entlang und erreichte das menschenleeren Foyer. Während Joey die Treppe beinahe herunter sprang, hallten seine Schritte im Raum wieder, prallten gegen die dekorativen Wände und stürzten wieder wie ein Boomrang auf ihn ein. Der Drang zu flüchten war so immens geworden, dass er ohne lange zu überlegen, einfach auf seinen Impuls reagierte hatte und den Rückzug antrat. Der dunkle Nachthimmel erstreckte sich über seinen blonden Schopf und Joey, dessen Gesichtszüge sich wieder sichtlich entspannten nachdem er Kaibas Haus wieder verlassen hatte, war dankbar für die kalte Luft, die ihn umgab. Kräftig hob er seinen Brustkorb beim einatmen, während er versuchte so viel wie möglich in sich auf zu nehmen. Als er seinen Blick Richtung Himmel erhob zweifelte Joey daran, ob er heute Abend trocken zu Hause ankommen würde. Der Himmel bestand aus einer grauen Decke und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein bis es anfangen würde zu regnen. Dann stampfte er aus der Einfahrt und trat schließlich den Heimweg an. Nach Hause..., dachte er und kam nicht umhin über diese zwei Worte abfällig zu schnauben. Ab wann konnte man ein Heim sein zu Hause nennen? Definierte sich ein zu Hause nur über vier Wände und einem Bett? Oder bestand es aus weit aus mehr als nur den Materiellen Dingen? Sollten sich die Worte nach Hause nicht warm anfühlen? Und sollten sie nicht das Gefühl der Geborgenheit auslösen? Joey dachte lange über diese Fragen nach und mit jeder Sekunde, mit der er seinen Kopf damit zermarterte kam er zu dem Entschluss, dass nichts auf sein jetziges zu Hause zu traf. Ein tiefes und krachendes Geräusch unterbrach seinen Gedankengang und als heftige Tropfen auf seiner Nase zu spüren waren, fluchte Joey laut. Dann versuchte er sich seine Jacke über den Kopf zu stülpen und beschleunigte seinen Gang. Die Straßen waren leer und nur spärlich erhellt von den wenigen Straßenlaternen. Hin und wieder kamen ihm Autos entgegen, die ihn mit ihren Scheinwerfern blendeten. Er hörte wie ihre Reifen durch die Pfützen brausten und wie die dicken Tropfen auf den Bordstein niederprasselten. Es tat gut. dank dem ganzen Lärm um ihn herum, nicht mehr seinen vorigen Gedanken nach zu hängen. Nun ärgerte er sich über die alleinige Tatsache, keinen Regenschirm dabei zu haben und das er nun völlig durchnässt sein Ziel erreichen würde. Auch wenn Joey sich gewünscht hätte, dass sein Weg noch eine Weile andauern würde, war er dennoch froh als er vor seiner Eingangstür stand. Mit seinen klitschnassen Händen fischte er nach dem Hausschlüssel in seiner Hosentasche. Stumm betrat er den schmalen Hausflur und hörte schwache Geräusche ein paar Räume weiter. Leise entledigte er sich seiner Schuhe und schlich den Flur entlang. Kahle Stellen an den Wänden erinnert an einst eingerahmte glückliche Familienbilder. Joey linste ins Wohnzimmer und erblickte seinen Vater auf seinem üblichen Platz. In seinem Sessel, wo er dabei war leicht wegzudämmern. Der Raum war dunkel und nur das Licht der Fernsehers erhellte dessen altes, faltiges Gesicht. Auf leisen Fußsohlen nährte er sich ihm und stellte sich, mit reichlich Sicherheitsabstand, neben ihn. „N`abend.“, brachte er leise hervor. Eigentlich hatte er nicht die geringste Lust eine Konversation mit ihm zu starten. Doch er wollte sich nicht wieder erneut anhören müssen, dass er sich wie ein Tier verhielt, weil er ihn nicht gegrüßt habe. Auf eine Antwort jedoch wartete er vergeblich. Sein Vater schien durch ein kurzes aufschnappen wach geworden zu sein. Anstatt auf seinen Sohn einzugehen, huschte sein ermüdender Blick ganz kurz zu Joey, grapschte dann nach der Fernbedienung und zappte grunzend durch die Kanäle. „Yo, Dad...“, versuchte er es erneut. Wie nicht anders zu erwarten kam keine Reaktion. Mit gesenkten Schultern verließ Joey wieder den Raum und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Die letzten Schritte dort angekommen schlürfte er hinein und ließ sich rücklings auf sein Bett fallen. Ich sollte aus den nassen Klamotten raus., dachte er noch bevor ihm die Tränen in die Augen schossen und unkontrolliert seinen Schläfen entlang kullerten. Mit seinem Ärmel wischte er sich mehrmals über das Gesicht um seine Augen zu trocknen. Und irgendwann war sich Joey nicht mehr sicher, ob dieser durchnässt von dem Regen war oder von seinen Tränen, die kontinuierlich aus ihm heraus sprudelten. Neben den handgreiflichen Aktivitäten und den verbalen Erniedrigungen seines Vaters, gab es auch eine dritte Phase der Strafe: Das Schweigen. Das permanente Ignorieren, wenn ihm etwas nicht passte, kam einem Schlag ins Gesicht gleich. Meistens zweifelte Joey dann seine eigene Existenz an, fragte sich wieso sein Vater sich überhaupt Kinder gewünscht habe und ob ihm jemals bewusst sei, in welch einem Zustand er ihn damit versetzte. Die ständig aufkommende Frage was er als Sohn nur falsch gemacht habe schoss ihm dabei immer wieder durch den Kopf. Verzweifelt versuchte sich Joey dann mit positiven Gedanken zu umgeben und hörte sich dabei selber sagen, dass es nicht seine Schuld sei. So wie jedes Mal nach solchen Momenten, kam er erneut zu der Überzeugung, dass sein Vater sich niemals Bewusst werden würde, welch seelische Qualen er ihm damit bereitete und mit einem Anflug der Wut rollte er sich auf den Bauch. Noch einmal wischte er sich über die Augen und unterdrückte die weiteren aufkommenden Tränen. Diesmal war es nicht an der Zeit in zahlreichen Momenten des Selbstmitleids zu versinken. Ihm kamen die beiden Kaiba Brüder in den Sinn. Joey versuchte damit keinen weiteren Gedanken an das kindische Verhalten seines Vater zu verschwenden und während er sich seiner nassen Kleider entledigte, fragte er sich ob er Kaiba zu viel des Guten versprochen hatte. Seufzend zog er sich sein T-shirt aus. „Und dein Auge?“, hatte Kaiba ihn gefragt, mit diesem durchdringenden Blick. Bei dem Gedanken stoppte Joey in seiner Bewegung, das Oberteil noch über beide Handgelenke gestülpt und verharrte mit nackten Oberkörper noch einen Augenblick in dieser Position. „Mein Auge...“, wiederholte er und betrachtete sich dabei in Spiegel neben seinem Kleiderschrank. Nach was hatte sich Kaiba erkundigen wollen? Nach seinem Wohlergehen oder ob er ziemlichen Ärger mit seinem Alten bekam? ~*~ Mehrere Wochen waren vergangen und Mokuba strafte seinen Bruder weiterhin bei den abendlichen Mahlzeiten als auch auch am Frühstückstisch mit Schweigen. Wheeler war kaum eine große Hilfe gewesen, wie er zu anfangs versprochen hatte. Obwohl er sich eingestehen musste, dass sich der Köter ziemlich zusammen riss und ihn kaum in die Quere kam. Meisten hörte er, wie er andeutete gemeinsam einen Film anzuschauen. Und mit gemeinsam versuchte er durch die Blume ihn mit ein zu beziehen. Mokuba jedoch schien felsenfest davon überzeugt zu sein, seinen älteren Bruder nicht mehr an seinem Leben teilhaben lassen zu wollen. „Ich schaue gerne einen Film mit dir, Joey!“, hatte er nur darauf geantwortet und ihm damit einen weiteren Stoß verpasst. Daher war Seto Kaiba erleichtert, wenn er die Tage in seinem Büro war und somit Mokubas Bestrafung für einige Zeit entfliehen konnte. Weit über Domino City verbrachte er einsame Stunden. Hier war es kaum einem möglich seine Räumlichkeiten ohne seine Befugnis oder die seiner engsten Mitarbeiter, zu betreten. Eine seiner Sekretärinnen hatte ihm bereits schön säuberlich die Briefe auf seinen Schreibtisch gelegt und mit strengem Blick, in der Hoffnung, dass sie nicht alle aus Rechnungen bestanden, ging er den Stapel durch. Ein bunt verzierten Umschlag zog seinen Aufmerksamkeit auf sich. Kaiba nahm ihn in beide Hände, und inspizierte ihn genau. Auf der Vorderseite waren die ihm bekannte Toon-Charakteren abgebildet und ein spitzbübisches Lächeln umspielte seinen linken Mundwinkel bei diesem Anblick. Es brauchte keinen Sherlock Holmes um zu erraten, wer ihm diese Nachricht hatte zu kommen lassen. Langsam schlitzte er mit einem spitzen Brieföffner den Umschlag auf und zog nun eine Karte heraus. Mit rascher Geschwindigkeit überflog er die Zeilen. Industrial Illusions lädt Sie herzlichst zur Vernissage des überragenden Maximillion Pegasus ein. Für ihr leibliches Wohl wird gesorgt. Zudem dürfen wir uns vom herausragendem Mister Pegasus höchstpersönlich durch den Abend führen lassen während er musikalisch begleitet wird. Bringen Sie Ihre Freunde und Verwandte mit und verbringen Sie einen schönen Abend mit uns. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Diese Einladung strotzte nur so vor Selbstverliebtheit, dass Kaiba nicht umhin kam und diese Zunge schnalzend von sich weg schnippte. Dabei schlitterte der Brief bis zur Schreibtischkante. Der Präsident der weltweit bekannten Firma Industrial Illusions, die Duel Monsters Karten herstellte, Maximillion Pegasus, war offenbar seiner Leidenschaft wieder nach gegangen. Kaiba erinnerte sich daran, wie Pegasus ihm bei einem Geschäftsmeeting - natürlich völlig ungeachtet dessen, ob es den jungen Mann interessierte oder nicht - erzählt hatte, wie er nach dem Verlust seiner geliebten Ehefrau ihr zu ehren die schönsten Gemälde anfertigen würde. Insgeheim wusste er, dass er gezwungen war an diesem gesellschaftlichem Ereignis teilzunehmen. Tief atmete der Braunhaarige durch die Nase aus und stützte seine Stirn auf den Fingern ab. Nachdenklich strich er sich immer wieder über diese. Es war ausgeschlossen nicht dort aufzukreuzen. Aktuell arbeiteten beide Firmen gemeinsam an einem neuem Projekt. Ein Virtual Reality Spiel, in welchem man mit den Duel Monstern Seite an Seite kämpfen konnte. Pegasus würde sich lautstark und, wie er nun mal war, theatralisch bestürzt darüber äußern, dass sein ach so kalter Geschäftspartner nicht erschienen sei und am Ende würden sich die Tratschblätter ihn in der Presse zerreißen. Mit dem Ziel, dass es schlussendlich kein gutes Licht auf die KaibaCorp. werfen würde. Der junge CEO hasste sich einen kurzen Augenblick selbst für seine Entscheidung, aber es gab nun mal Dinge, die getan werden mussten. Auch wenn es hieß einen vollen Abend mit dem Selbstverliebten Maximillion Pegasus zu verbringen. Er griff zum Hörer und ließ alles seine Termine für das kommende Wochenende stornieren. Mit einem kurz gebundenem „Gut.“ legte er dann auch schon wieder auf. Nachdenklich überkreuzte er die Finger und führte sie an seine Lippen. Er würde gerne seinen Bruder dabei haben wollen, doch nach dem letzten Ereignis glaubte Seto Kaiba kaum, dass Mokuba ihn auf diese schrecklich langweilige Vernissage freiwillige begleiten würde. Es sei denn... Hastig schüttelte er den Kopf. Er traute sich kaum diesen Gedanken weiter auszuführen. In was für eine furchtbaren Misere würde er wohl geraten, wenn ihn Joey Wheeler auf dieser Veranstaltung begleiten würde? Wie tief war er nur gesunken zu glauben, dass dieser Volltrottel ihm helfen könne sich wieder seinem Bruder zu nähern? ~*~ Joey ließ sich Kopfüber von der Bettkante baumeln und blätterte durch ein Magazin. Die Neuigkeit, dass die KaibaCorp. schon bald die erstmals aufregendste Technologie im Bereich Gaming herausbrachte, zierte in Großbuchstaben die Titelseite. Mit dem Text konnte er kaum was anfangen. All dieses Fachchinesisch in Bezug auf Technik, ließ ihn glauben, dass ihm bereits der Kopf schwirrte. Dass es vielleicht daran lag, weil er sich schon etwas länger in dieser Position befand und ihm all sein Blut in den Kopf geflossen war, bezweifelte er. Die Bilder von dem weißen Drachen mit eiskalten Blick und all den anderen Duel Monstern versetzten ihn in völlige Aufregung auf die Vorfreude. Er strampelte kurz mit den Beinen, drückte das Heft an seine Brust und grinste dabei so breit wie ihm nur möglich. Nach einer erneuten Auseinandersetzung mit seinem Vater, aus der er noch glimpflich entfliehen konnte, hatte er sich schnurstracks auf den Weg aufs Anwesen gemacht. Draußen herrschte ein unerbittlicher Sturm, denn die kalte Herbstzeit war angebrochen. Und anstelle ziellos durch die Gegend zu irren, hatte sich Joey die neue Ausgabe seiner Lieblingszeitschrift gegrapscht und sich in seinem Zimmer verschanzt, da Mokuba noch Privatunterricht in Fremdsprachen bekam. Bei dem Gedanken schüttelte es den Blondschopf. Zwar beneidete er die Kaiba Brüder um all ihr Wohlhaben, aber darum beneidete er den Kleinen keineswegs. Seine Augen überflogen erneut den Artikel. Kaiba würde doch eventuell jemanden benötigen, der das Spiel antesten würde und wer käme denn da nicht besser in Frage als er?! Joey betitelte sich nicht nur all zu gerne als einer der besten Duelanten sondern auch als ein Zocker-Profi schlechthin. Leise kicherte er ins Heft rein bis ein lautes Klopfen ihn aus seiner Traumwelt riss. „Jaaaa?“, rief er. Noch immer kopfüber baumelnd blickte er auf und hob verwirrt die Augenbrauen als plötzlich die Person ihm verkehrt herum gegenüber stand, an die er soeben noch gedacht hatte. „Was tust du da ,Wheeler?“ Kaiba hatte die Arme verschränkt und warf ihm einen genervten Blick zu. Es war als müsste Joey nur leise atmen um Kaibas Laune zu vermiesen. „Na chillen.“, entgegnete Joey nichtsdestotrotz locker und rollte sich auf den Bauch. Ihm wurde leicht schwindelig von der Bewegung, weshalb er sich den Kopf hielt und sich die Stirn massierte. Das Heft hatte er auf sein Kissen geworfen. „Was gibt’s?“, fragte er schließlich. Kaiba machte ein paar Schritte auf ihn zu und stand nun etwas näher als zuvor ihm gegenüber. Daher richtete Joey sich auf und verkreuzte die Beine zu einem Schneidersitz. „Ich möchte, dass du Mokuba dazu überredest mit mir auf eine Veranstaltung zu gehen.“ Er schien kurz zu stocken, als hadere er mit sich selbst. Doch dann sprach er weiter. „Im besten Fall solltest du mitkommen...“ Erstaunt runzelte Joey die Stirn. „Was für ne Veranstaltung?“ „Eine Vernissage.“ Lautstark seufzend und ohne zu zögern ließ Joey sich auf den Rücken fallen. „Was?! So was ist doch super ätzend!“ jammerte er. „Ich glaube weder Mokuba noch ich haben Lust auf so was.“ Dabei verschränkte er die Arme schließlich hinter seinem Kopf. „Wheeler,“ knirschte Kaiba zwischen zusammen gepressten Zähnen. „Es spricht schon völlig gegen meine Natur dich um einen Gefallen zu bitten, geschweige denn dich bei solch einer wichtigen Veranstaltung mit zu nehmen. Also lass und das schnell über die Bühne bringen.“ Er blickte Joey mit seinen dunklen tiefblauen Augen an und Joey verstand augenblicklich, wieso er im Besitz des weißen Drachens mit eiskaltem Blick war. Kaiba schloss die Augen. „Was willst du als Gegenleistung?“, fragte er in einem leisen, bedrohlichen Ton. Ein paar Mal blinzelte der Blondschopf, bis er realisierte, dass sich plötzlich ein wundersames Tor geöffnet hatte, in welchem er Seto Kaiba um alles Fragen konnte, was er sich jemals auf der Welt gewünscht hatte. Sein Blick fiel auf das Heft neben sich, welches er soeben noch durchgeblätterte hatte und griff umgehend danach. Dann sauste Joeys Finger auf eine Seite. „Ich will das!“ Kaiba öffnete die Augen erneut und musterte das ihm Gezeigte. Fragend hob er eine Augenbraue. „Du willst in einer Woche 30 Pfund verlieren?“ Joey blinzelte verwirrt und sah auf die Seite. „Was?... Nein!“ Er blätterte durchs Heft. „Verdammte Werbeanzeigen... seit wann steht da so was drin..?!.“, murmelte er dabei. „Das hier!“ Schnell hatte er den Artikel gefunden und hielt ihm diesen seinen Gegenüber regelrecht unter die Nase. Kaiba schob das Heft aus seinem Gesicht und sah seinen Gegenüber weiter fragend an. „Ich will dein neues Game mit dem Gerät testen!“ „Kommt nicht in Frage!“, antworte der Braunhaarige wie aus der Pistole geschossen. Joey ließ das Heft fallen und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Dabei sah der den Braunhaarigen wütend an. „Dann werde ich Mokuba auch nicht fragen!“, entgegnete er schmollend und sah patzig wie ein Kleinkind weg. Wütend ballte Kaiba die Faust. Er wusste wie stur dieser Idiot sein konnte und weiter darauf zu beharren wäre wie mit einem Auto gegen eine Wand zu rasen. Völlig sinnlos. „Von mir aus Wheeler! Aber ich schwöre dir bei Gott, solltest du Jahre lange Arbeit in irgendeiner Weise zu Nichte machen, werde ich dich dem Erdboden gleich machen!“ Joey schlug Kaibas Drohung in den Wind und grapschte vergnügt nach dessen Händen. „Deal!“, grinste er dabei breit und schüttelte die Hände des anderen heftig. Der Ältere entzog sich so schnell wie Joey nach ihm gegrapscht hatte auch wieder aus seinem Griff. „Gut, alles weitere teile ich dir per Mail mit.“ Und damit war er schon wieder aus dem Zimmer verschwunden. Joey schürzte nachdenklich die Lippen, nach dem Kaiba das Zimmer wieder abrupt verlassen hatte. Dies war eine wunderbare Gelegenheit gewesen, in der die beiden Kaiba Brüder sich wieder annähern könnten. Jedoch war der Gedanke an eine langweilige Vernissage nicht aus zu halten. Er fühlte einen leichten Anflug des schlechtem Gewissens. Immerhin hatte er sich nun einen kleinen Vorteil entlocken können. Aber es war eine Vernissage! Joey redete sich ein, dass dies nur eine kleine Entschädigung war für das folgende sterbenslangweilige Wochenende und mit einem breiten Grinsen, rollte er sich vergnügt von links nach rechts. ~*~ „Was soll das heißen ich kann nicht mit dieser Jeans dahin?“ Joey war völlig außer sich, denn gerade hatte ihm Kaiba eröffnet, dass seine Klamottenwahl ein völliger Reinfall sei. Wütend verschränkte er die Arme vor der Brust. Dabei hatte er sich so viel Mühe gegeben die beste und angesagteste Hose aus dem Haus seines Vaters zu schmuggeln. Es hatte Ewigkeiten gedauert sie da raus zu bekommen und er hatte noch ziemliches Glück gehabt. Immerhin war er dem Alten dabei nicht über den Weg gelaufen. Nicht aus zu denken welch Rechtfertigung er ihm schuldig gewesen wäre, hätte er ihn mit all den Sachen aus dem Haus schleichen sehen. „Du kannst uns nicht in einer solch zerrissenen Hose auf ein solch wichtiges Event begleiten.“ Der Blondschopf sah an sich herunter und verstand partout nicht was sein Gegenüber an seinem Outfit auszusetzen hatte. Er trug ein weißes Shirt, darüber eine lässiges hellblaues Hemd, welches er locker offen trug und seine Lieblings Ripped Jeans. Dazu die makellosen weißen Sneakers, für die er ewig hin gespart hatte. Joey beharrte weiter darauf beide in diesen Klamotten zu begleiten, doch Kaiba blieb eisern. Selbst als er einen verzweifelten Blick zu Mokuba warf. Auch ihm waren die Hände gebunden und entschuldigend hob dieser die Schultern. Also rief Kaiba einen seiner Bediensteten zu sich und in Hand umdrehen wurde Joey in einen schwarzen Anzug gesteckt. An den Füßen trug er nun schwarze Budapester und unter seinem Jackett ein rotes Hemd. Mehrmals schaute Joey in den Spiegel und erkannte sich dabei kaum selbst wieder. Auch wenn er zugeben musste, dass es ihm nicht gefiel von Kaiba neu eingekleidet zu werden, so musste er doch gestehen, dass ihm dieses Outfit ziemlich zu sagte. Mokuba trug einen klassischen schwarzen Anzug mit einem weißem Hemd. Als Kaiba neben seinen Bruder trat, musterte Joey diesen kurz. Dieser trug einen weißen Anzug mit einem blauen Hemd darunter. Joey kam nicht umhin zu bemerken, dass dieses Farbe sehr gut zu seinen Augen passte. Als sich ihre Blicke trafen, wandte er sich hastig von ihm ab und war dankbar für Roland, der just in dem Moment angekündigt hatte, dass er den Wagen vorgefahren habe. ~*~ Kaibas Empfinden nach verhielt sich sein Bruder weiterhin wie ein törichtes Kleinkind, denn er weigerte sich neben ihm platz zu nehmen. Der Wagen entpuppte sich als Limousine. Erstens, hatte Kaiba sich schon denken können, dass Mokubas Verhalten ihm gegenüber innerhalb dieser kurzen Zeit nicht umgeschlagen war und den möglichst größten Abstand auch in einem Auto wünschte. Zweitens, würde bestimmt der ein oder andere Journalist oder Fotograf vor Ort sein. Ein glamouröses Auftreten war daher natürlich nur von Vorteil. Die Fahrt über warf er dem Blondschopf den ein oder anderen Blick zu. Dieser schien sich mit Mokuba ausgiebig über die Lehrer zu amüsieren. Er lachte ausgiebig aus vollem Halse dabei und Kaiba wandte unerklärlicherweise den Blick nicht mehr von ihm ab. War es die Lache? War es sein lächerliches Aussehen in diesen makellosen Klamotten? Irgendwas störte Kaiba. Es störte ihn dermaßen, dass er diesen lauten Idioten am liebsten am Kragen packen würde und- Weiter kam er nicht mit seinen Gedanken, den Joey, der nun Kaibas starrende Augen bemerkte sah nun zu ihm rüber und ihre Blicke trafen sich. Der Braunhaarige fühlte sich ertappt und überspielte es mit einem verächtlichen Schnauben, woraufhin er dann aus dem Fenster sah. Allmählich erreichten sie ihr Ziel. Pegasus hatte sich dem Anschein nach ein komplettes Lokal gemietet und keine Kosten gescheut. Mehrere Bodenscheinwerfer flackerten im Nachthimmel und erhellten den langgestreckten Eingangsbereich, auf dessen Boden sich ein roter Teppich erstreckte. Just in dem Moment schien Joey sich von der einen Sekunde auf die nächste zu ändern. Es schien als habe er die Fähigkeit des Sprechens verloren, wofür Kaiba nur all zu dankbar war. Jedoch bereitete ihm seine hibbeligen und sichtlich nervösen Hände Sorge. Wheeler war mit den Gepflogenheiten wohl kaum vertraut und er selbst hatte, dank seinen zahlreichen Terminen, weder die Zeit gehabt ihn in solchen Dingen zu unterrichten. Geschweige den die Lust dazu verspürt. „Alles okay Joey?“, fragte Mokuba besorgt dreinblickend. „Hä? Ah! J-ja... klar!“, brachte der Angesprochene stammelnd hervor, den in diesem Augenblick prasselte ein Sturm von Blitzlichtern auf die Limousine ein. „Sind ne menge Menschen da draußen...“ Kaiba atmete kaum hörbar ein und wieder aus. Dabei schloss er beim Augenverdrehen kaum merklich die Augenlider. Wheeler schien die Angst buchstäblich ins Gesicht geschrieben nach dem er die vielen Journalisten und Paparazzis mit ihren Kameras erblickte. „Würde mich nicht wundern wenn er die halbe Welt eingeladen hat..“ murmelte Kaiba und richtete sich das Jackett. Bei den Worten zuckte Joey sichtlich kurz zusammen. Jeden Augenblick würde Roland ihnen die Tür öffnen, da er bereits aus dem Fahrzeug ausgestiegen war. Kaiba sah mit ernsten Blick zu beiden rüber. „Ich steige aus, dann Wheeler und danach du Mokuba. Keiner von euch bleibt stehen.“ Die beiden nickten nur stumm und Mokuba tätschelte lächelnd den Blonden, als wolle er ihm Mut zu sprechen. Mit einem zaghaften nicken vermittelte Joey diesem, dass er den aufkommenden Mut verspürte. Kaiba konnte nur mit viel Mühe ein weiteres Augenverdrehen verhindern. Schließlich öffnete sich die Tür und für einen kurzen Augenblick blendete sie die Lichter der Kameras. Wie befohlen dackelten Joey und Mokuba Seto hinterher ~*~ Das Blitzlichtgewitter stürmte wie verrückt auf sie ein. Joey versuchte mit seiner Hand seine Augen zu schützen. Dagegen waren die coolen 3D Filme im Kino eine Lachnummer. Sein Blick fiel auf Kaibas Rücken, der geradewegs über den roten Teppich zu schweben schien. Vornehm und elegant hob er seinen langen geschmeidigen Finger um kaum merklich die Paparazzi links und rechts neben sich zu grüßen. Nur um dann keinen mehr von ihnen eines Blickes zu würdigen und anmutig weiter davon zu schreiten. Waren seine Augen etwa so sehr an dieses grelle Licht gewohnt? Oder lag es an Joey selbst? Er wollte kein weinerliches Kind sein, dass sich krümmend vor der Menge verkroch und der Gedanke ,das Seto Kaiba vor ihm eine solche Souveränität ausstrahlte, gefiel ihm kein bisschen. Also straffte Joey seinen Rücken und versuchte Schritt zu halten. „He Bursche!“, rief ein Mann, der es anscheinend geschafft hatte durch die Absperrung zu kommen und penetrant versuchte Nahaufnahmen der Gäste zu erhaschen. Als die anderen Fotografen diese Lücke erblickten, folgte sie dem Mann und ehe Joey sich versah hielten ihm mehrere Wildfremde ihre Kameralinse vors Gesicht. Die Lichter und Geräusche prasselten so sehr auf ihn, dass ihm dich Sicht genommen wurde und er kaum mehr etwas sehen konnte. Außer kleine, springende, helle Punkte vor den Augen, „Joey!! Pass auf wo du hin trittst!“, hörte er noch Mokuba rufen. Doch es war zu spät, denn Joey versuchte panisch wieder sein Augenlicht zurück zu erlangen, in dem er sich hektisch die Augenlider rieb. Unglücklicherweise während er hinter seinem Vordermann her Trott und diesen dabei mit sich zu Boden riss. Kapitel 5: Vernissage --------------------- Durch die lauten klickenden Geräusche der Kameras und dem Gejubel der Menschenmassen, die an den Absperrungen standen, hatten ihn Mokubas flehende Rufe, er solle doch aufpassen, nicht mehr erreicht. Ehe Joey sich versah spürte er, wie sein Körper fiel und machte sich schon seelisch auf die Zusammenkunft seines Gesichtes mit dem roten Teppich bereit. Eine Weile wartete der Blondschopf, doch der Schmerz blieb aus. Stattdessen spürte er zwei starke Arme, die sich um ihn legten. „Mr. Kaiba! Sind die unverletzt?!“, rief Roland, der sich seinen Weg zu ihnen bahnte. Rolands Stimme war nun unmittelbar neben ihm und Joey hörte, wie er sich immer wieder besorgt nach dem Wohlergehen seines Chefs erkundigte. Bei der Panik, die in seiner Stimme mitschwang, fragte sich dieser zugleich, wann er mit der zeitnahen Kündigung rechnen könne. Moment... Kaiba? Joey sah auf und starrte abrupt in die gefühllosen blauen Augen Seto Kaibas. Nun verstand er warum Roland regelrecht der Schweiß auf der Stirn ausgebrochen war. Das würde sein Untergang sein, Kaiba würde ihn.... ja, was würde er mit ihm anstellen? Joey war starr vor Schreck und traute sich kaum auch nur das kleinste Stückchen Sauerstoff einzuatmen. Es war unvorstellbar für ihn sich auszumalen, was sein Gegenüber mit ihm anstellen würde nach dieser Blamage. Instinktiv entschied er sich daher die Luft anzuhalten und machte sich auf die größte Hasstirade gefasst, die Kaiba ihm jemals darbieten würde. Eine gefühlte Ewigkeit sah er ihm in die Augen, traute sich kaum den Blick des anderen auszuweichen und wartete schließlich vergebens. Denn es geschah rein gar nichts. Unentwegt sah Kaiba ihm schweigend in die Augen. Sein Atem war ruhig und noch immer hielt er Wheeler fest im Griff. Die laute Geräuschkulisse im Hintergrund kam nur gedämpft an sie heran. Es schien beinahe als seien beide Männer in einer Seifenblase gefangen. Joey´s Körper signalisierte ihm bald, dass er nun Sauerstoff benötigte. Nur zögerlich traute er sich lautlos einzuatmen. Die Angst saß noch immer tief in seinen Knochen und da das Blitzlichtgewitter unaufhörlich weiter geführt wurde, begann diese Situation ihn sichtlich nervös zu machen. Die Tatsache, dass Seto Kaiba ihn fest umschlungen in den Armen hielt, trug mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu bei. Joey schob den Gedanken, dass es sich in den Armen dieses Eisklotzes ungewöhnlich warm anfühlte, hastig beiseite. „Kaiba, Sir...“, riss Roland den Braunhaarigen endlich aus seinen Gedanken, der sich ruckartig wieder besann und sich genauso schnell wie er sich wieder gefasst hatte mit Joey aufrichtete. Mit einem Handgriff zog er den Blonden ruckartig mit sich. Joey war etwas schwindelig von dieser hastigen Bewegung. Ihm war seltsam zumute, doch es blieb nicht die Zeit weiter einen Gedanken daran zu verschwenden, denn Kaiba klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich dabei souverän an die Journalisten. „Entschuldigen Sie bitte. Der Freund meines Bruders ist etwas tollpatschig, aber wie Sie sahen, habe ich das schlimmste abwenden können. Nun gut, bitte entschuldigen Sie uns. Wir wollen unseren hochachtungsvollen Gastgeber nicht weiter warten lassen.“ Mit diesen Worten zog er von dannen. Joey, noch immer recht verwirrt, sah ihm nach. Diese elegante Haltung und das würdevolle Verhalten, selbst bei dieser nun doch ziemlich peinlichen Situation, die er, Joey Wheeler, hervorgerufen hatte, war ihm völlig neu. Der Kaiba den er kannte, hätte ihn doch zumindest mit seinem messerscharfen Blick erstochen. Stattdessen hatte dieser einen leichtes Lächeln auf den Lippen hervor gebracht und war die Ruhe selbst gewesen als er davon schritt. Ob Kaiba ihn nur aus Reflex aufgefangen hatte? Immerhin musste er sich ziemlich schnell nach ihm umgedreht haben, als Joey in seinen Armen gelandet war. Bei dem Gedanken legte der Blondschopf leicht den Kopf schief. Natürlich hatte er das müssen! Es wäre doch die Lachnummer des Abends gewesen, hätte Joey vor all diesen Kameras den Boden geknutscht. Eine Hand, die seine umschloss, riss ihn aus seinen Gedanken. Mokuba hatte nach dieser gegriffen und bedeutete ihm nun endlich weiter zu gehen. Drinnen im Saal angekommen, atmeten alle drei sichtlich erleichtert aus und Kaiba wandte sich mit einem großen Schritt Joey zu, der leicht zusammen zuckte als er der Braunhaarige sich vor ihm aufbäumte. Mit zusammen gepressten Lippen stand er dem Größeren gegenüber. Zu früh war die Erleichterung in ihm aufgestiegen, einer bevorstehende Wutrede entkommen zu sein. Innerlich bereitete er sich auf die Erniedrigung vor. „Seto, das war keine Absicht gewesen!“, platzte es aus Mokuba, der Joey noch davor bewahren wollte. Doch sein Bruder ignorierte ihn. „Irgendwas getan?“ Joey blinzelte verwirrt. War das gerade aus Seto Kaibas Mund gekommen? „Äh... was?“ „Ob du dich verletzt hast, Wheeler. Ich kann jetzt keine humpelnde Begleitung gebrauchen!“ Joey kam nicht umhin Mokuba anzublinzeln, der seinen irritierenden Blick nur mit einem genauso großen Fragezeichen auf dem Gesicht erwiderte. Joey räusperte sich. Ein vergeblicher Versuch, die sichtliche Irritation zu verbergen. „Ehm.. nein.“, antwortete er dann. „Alles gut.“. Kaiba nickte, machte dann auf dem Absatz kehrt und Schritt in die Mitte des Saals. Mokuba und Joeys Blicke verfolgten Kaiba, der von den ersten Geschäftsleuten mit einen Glas Champagner in Empfang genommen wurde und sahen zu, wie er dieses dankend annahm. „Hast du ne Ahnung was das war....?“, fragte Joey, noch immer mit den Blick auf den älteren Kaiba Bruder gerichtet. „Hab nicht den blassesten Schimmer...“, erwiderte Mokuba im selben Tonfall. ~*~ Er versuchte zu zuhören, antwortete auf Nachfrage mit kurzen angebundenen Worten wie „Sicherlich.“ „Keines Wegs.“ und nickte zustimmend wenn es angebracht war an manchen Stellen. Doch seine Gedanken waren nicht Teil der Gespräche gewesen. Zwar war er körperlich anwesend, doch gedanklich schien es Kaiba nicht im geringsten möglich die Unterhaltungen mitzuverfolgen. Innerlich ließ er immer wieder den Moment Revue passieren, als Mokuba schrie und er noch im letzten Augenblick nach diesen blonden Volltrottel greifen konnte. Mit dem Fang von Wheeler hatte er eine peinliche Bruchlandung vermeiden können. Nicht aus zu denken was passiert wäre, hätte er ihnen eine solche Blamage bereitet. Leicht schüttelte er den Kopf und schielte zu seinen Gesprächspartnern, in der Hoffnung, dass sie seinen inneren Monolog nicht mitbekamen. Doch er musste sich keine Sorgen machen. Die Gespräche, wer über die größere Yacht verfügte, schienen sie völlig zu vereinnahmen. Die schweigenden Minuten, in denen sich beide Männer nur stumm angestarrt hatten, waren noch immer präsent und ließen sich schwer abschütteln. Joeys glänzende Bernsteinfarbene Augen hatten ihn für den Bruchteil einer Sekunde all die Kameras um ihn herum vergessen lassen und er kam nicht umhin sich einzugestehen, dass es nicht das erste Mal war, wie der Blick des anderen ihn völlig unfokussiert werden ließ. Inständig hoffte er, dass es den Außenstehende nicht aufgefallen war. Aber wahrscheinlich waren alle so von seiner sturzflutartigen Rettung fasziniert gewesen, dass sie es wohl kaum bemerkt hatten. Wie lange wohnte er denn nun schon bei ihnen? Kaiba blickte grübelnd in sein Glas, doch so genau konnte er sich die Frage nicht beantworten. Womöglich lag es einfach nur daran, dass er sich an Wheelers ständige Anwesenheit gewöhnt hatte. Immerhin war dieser jetzt nun schon eine geraume Zeit bei ihnen untergekommen und die abendlichen Geräuschkulissen, die er und Mokuba verursachten, während Kaiba in seinem Büro saß und noch den letzten Papierkram durchging, waren kaum mehr weg zu denken. Das letzte Mal hatten sich die beide Chaoten, aus einem ihm unerklärlichen Grund, vorgenommen Hockey im Wohnzimmer zu spielen. Als eine teure Designer Vase zu Bruch ging, hatte sich Joey immer wieder mit tiefen Verbeugungen entschuldigt, während Mokuba sich nur trotzig weg gedreht hatte, teilnahmslos daneben stand und seinen Schläger inspizierte. Innerlich seufzte er auf und schüttelte etwas kräftiger den Kopf. Der pubertierende Mokuba strapazierte seine Geduld mehr als es ihm ins Geheim lieb war. „Finden sie etwa nicht, Mr. Kaiba?“ Der Angesprochene richtete seinen Blick auf. Er hatte nichts mehr von den Gesprächen mitbekommen. „Aber nicht doch, selbstverständlich.“ antwortete er galant, hob sein Glas an und nahm ein Schluck. Hoffend, dass nun der nächste wieder das Wort ergreifen würde. „Ich sag es doch. Ein Event wo es ein solch mächtiges Preisgeld zu gewinnen gibt! Das würde die Werbetrommel schlagen. Und zwar gewaltig!“, lachte ein korpulenterer Herr, der sich bei jedem Gekicher den rundlichen Bauch hielt und dieser dabei auf und ab bebte. Kaiba ermahnte sich innerlich, schloss all diese Gedanken in eine tiefe Ecke und versuchte sich erneut auf die Gespräche der Anwesend zu konzentrieren. ~*~ Als der Kellner mit einem Tablett voller kleiner Köstlichkeiten an Joey vorbei huschte, stibitze er sich eine Handvoll und schaufelte sich diese sogleich in den Mund. Wer hätte gedacht, dass er sich hier den Magen voll schlagen konnte? Diese Kerle mit dem weißen Hemden und roten Westen huschten an ihm wie Engel vorbei und Joey glaubte regelrecht in einem Paradies gelandet zu sein, welches dem Schlaraffenland glich. Wäre da nur nicht dieser grauhaarige Kauz dahinten gewesen, der mit seinem grellen Gelächter ihn auf die Palme brachte. „He Mokuba,“ schmatze er und spülte alles mit einem Glas Sekt runter, welches er sich wieder gekonnt von dem Tablett eines Kellners geschnappt hatte. „Wer isn der Kerl mit den grauen langen Haaren?“ Mokuba runzelte die Stirn und sah Joey leicht schmunzelnd an. „Das ist Maximilian Pegasus, er gibt diese Veranstaltung.“ Joey zog die Mundwinkel runter, nickte beeindruckt und warf dem Mann einen beträchtlichen Blick zu. Kein wunder dass der Kerl sich so aufführte. Als ein weiterer Kellner an ihm vorbei schwebte, stellte er sein leeres Glas auf dessen Tablett wieder ab. „Mokuba!“ Es war Kaiba, der mit seiner Hand kurz winkte und seinem Bruder zu verstehen gab, dass er sich zu ihm gesellen solle. Dieser schien jedoch nicht in Traum daran zu denken der Anweisung folge zu leisten und kehrte ihm den Rücken zu. „Ich geh nicht hin.“, motzte er dabei. Joey kam nicht umhin zu denken, wie goldig der kleine Mokuba mit seinem ach so bösen Blick war und lächelte schief. „Nun mach schon, die wollen wohl den cooleren Kaiba Bruder kennen lernen.“ Bei den Worten grinste Mokuba und schüttelte den Kopf. „Ich lass dich nicht alleine.“ „Schon okay Mokuba, ich schau mich um.“ Er zögerte, stellte sich abwechselnden von einem Fuß auf den nächsten, schien eine gefühlte Ewigkeit zu überlegen und seufzte dann schließlich resignierend. Dann nickte er und ging widerwillig zu seinem älteren Bruder. Joey grinste ihm nach, war sichtlich zufrieden über die Entscheidung des Kleineren und spazierte durch die riesigen Säle. Die ganzen Menschen, die sich aufspielten als seien sie besser als das normale Fußvolk waren ihm zu wider. Also ging er in die hinterste Ecke und schlenderte dabei an all den wunderschönen in goldfarbenen gerahmten Gemälden vorbei. Als er an einem weiterem Ölgemälde vorbei kam, zog genau jenes seine Aufmerksamkeit auf sich und er betrachtete es intensiv. Es war ein weißes Pferd mit langen schwunghaften Flügeln. Die einzelnen Federn waren wunderschön detailliert gezeichnet und auf seiner Stirn war ein silbernes Horn zu erkennen. Die Augen waren in einem tiefen blau. Daneben war ein muskulöser und zugleich Splitterfaser nackter Mann abgebildet. Bei näherer Betrachtung erkannte Joey die Ähnlichkeit zu Maximilian Pegasus, den der Mann auf dem Bild hatte langes silbernes Haar. Er streckte seine Hand nach dem Pferd aus, so als sei er kurz davor gewesen es zu berühren. Auch wenn er nicht darauf erpicht war Pegasus in seinem Adams Kostüm zu begutachten, hatte dieses Bild etwas unschuldiges. Er sah den hoffnungsvolle Blick des Mannes, der sich sehnlichst wünschte eins zu werden mit diesem majestätischen Fabelwesen. Den Arm mit letzter Kraft ausgestreckt, den muskulösen Oberkörper angespannt und- „Ihnen scheint mein Gemälde ja sichtlich zu zusagen.“ Erschrocken wirbelte Joey herum und erblickte den Künstler höchstpersönlich. Maximilian Pegasus lächelte ihn freundlich an und reichte Joey ein Rotwein Glas. Mit verwirrten Blick sah er dieses an und griff danach, ohne darüber nach zu denken. Dunkler Rotwein war zwar nicht sein Lieblingsgetränk, aber nach dem er so offensichtlich auf den gemalten nackten Körper seines Gegenübers gestarrt hatte, traute er sich kaum es abzulehnen. Schließlich gesellte sich Pegasus neben ihn und schaute auch auf das Bild. „Sie sind der Bursche, der diese bemerkenswerte Pirouette hingelegt hat, nicht wahr?“ Anstelle zu antworten nickte Joey nur und spürte, wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg. Dieser Abend würde an Peinlichkeiten womöglich nicht mehr zu übertreffen sein. Pegasus wandte sich zu ihm und verbeugte sich leicht. „Meine Name ist Maximilian Pegasus.“ Joey blinzelte und schaltete etwas spät, als er merkte, dass sein Gegenüber nun auch eine Vorstellung Seinerseits erwartete. „Jo-Joey Wheeler. Freut mich Sie kennen zu lernen.“, nuschelte er noch immer peinlich berührt ausgerechnet ihn vor diesem Bild an zu treffen. „Nun Mr. Wheeler, alle meine Gäste sind mir bekannt. Nur Sie erblicke ich heute Abend zum ersten Mal.“, redete Pegasus weiter mit dem Gesicht zum Gemälde gerichtet. „Sie verkehren kaum in solchen Kreisen, nicht wahr?“ Joey zuckte mit der Schulter. „Einen Nobody wie mich lädt man nicht auf diese Events ein.“, gab er leise von sich und grinste den Anderen schließlich an. „Nicht das mich das stören würde. Mir reicht mein popeliges Normalo-Leben.“ Anerkennend nickte Pegasus daraufhin nur und trat einen Schritt an Joey näher. „Mich würde dann mal brennend interessieren, welcher Teil dieses Bildes Sie als Nobody so vereinnahmt hat.“ Seine Stimme glich einem Flüstern. „Das Pferd.“, antwortete er und sah in den Augen des anderen, dass dieser auf eine genauere Beschreibung wartete. Leise räusperte sich Joey und sah auf das Fabelwesen. „Mich hat die Anmut dieses prächtigen Pferdes fasziniert. Ich bin gefesselt gewesen von ihrem Talent, diese magische Atmosphäre eingefangen zu haben.“ Joey schien in Gedanken völlig ab zu driften. „Jeder würde sich doch wünschen diesem geheimnisumwobenen Tier nahe zu kommen...“ Dabei betrachtete er die dunklen Augen, des Pferdes, die ihn nicht mehr los zu lassen schienen. Dachte an dieses unbeschreibliche dunkle blau, welches ihn zuvor noch angesehen hatte. In welches er noch bis vor kurzem regelrecht versunken war. Diese Arme, die ihn dabei fest umschlungen hielten. Seinen Geruch, den er in dem Moment wahrgenommen hatte... Ein Arm legte sich von hinten über Joeys Schultern, riss ihn somit aus seinen Gedanken und spürte plötzlich den heißen Atem von Pegasus an seinem Ohr. „Mr. Wheeler... Sie sind, wie es mir scheint, ein wahrer Kunstliebhaber.“, flüsterte er. „Aber ich würde nur zu gerne wissen, was Sie von mir dort halten.“ Pegasus kicherte leise und Joey nippte, völlig paralysiert von dieser Handlung und nicht wissend wie er sich als nächstes verhalten sollte, an seinem Rotwein. Inständig in der Hoffnung, dass dieses Gespräch bald ein Ende haben würde. Da sie sich jedoch abseits der Menge befanden, würde wohl kaum jemand auf sie Aufmerksam werden. Weshalb Joey nun fieberhaft überlegte, wie er nun ohne große Mühe aus dieser Unterhaltung entfliehen konnte. Mit seiner Hand griff Pegasus nun nach Joeys Kinn und richtete seinen Blick auf den Mann in dem Gemälde. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich an die Original Größe gehalten habe.“ Erschrocken drehte er hastig seinen Kopf zur Seite, um den Blick von dem abzuwenden, auf welches Pegasus zwanghaft versuchte es zu richten. Auf keinen Fall würde er sich nötigen lassen auf das Gemächt eines anderes Mannes zu starren. Und das sollte er auch spüren! Wütend stieß er Pegasus mit dem Ellenbogen von sich, was dazu führte, dass dieser sein Weinglas fallen ließ. Mit einem lauten Geräusch zerschellte das Glas und die dunkelrote Flüssigkeit breitete sich auf den weißen Marmorboden aus. Für Joey jedoch völlig nebensächlich, denn sein Blick war voller Zorn auf den den Älteren gerichtet. „Was soll der Mist alter?!“ Pegasus kicherte und schien sich dabei prächtig zu amüsieren. Erfüllt von rasender Wut sah er den Grauhaarigen an und nahm zu spät wahr, wie nun die Aufmerksamkeit der Gäste auf seinen Schultern ruhte. Aus dem Augenwinkel sah er Kaiba, der ihm augenscheinlich einen ermahnenden Blick zu warf. Auch Mokuba sah nun zu ihnen rüber und schien Joey anzusehen, dass etwas nicht stimmte. Er wollte schon los sprinten und diesem zur Hilfe eilen, doch Kaiba ergriff seinen Arm und zwang ihn an seiner Seite zu bleiben. Bei dem Anblick der beiden versuchte sich Joey wieder zusammen zu reißen. Er rief sich ins Gedächtnis, dass alles was er hier tat Auswirkungen auf die Kaiba Brüder haben würde. Also schluckte er jegliche Beleidigungen, die in all seiner Rage im Kopf herum schwirrten, hinunter. Pegasus machte wieder einige Schritte auf ihn zu. „Bitte entschuldigen Sie vielmals, aber so wie Sie Herrn Kaiba umschlungen und nun mein Bild betrachtet haben, hat mir wohl einen völlig falschen Eindruck vermittelt.“ Wie bitte?!, schoss es ihm durch den Kopf während eine Augenbraue nach oben schoss. Welchen Eindruck sollte er den vermittelt haben? Er war doch nur, so ungeschickt wie er nun mal war, gestolpert. Und Kaiba hatte ihn aufgefangen. Da war doch nichts dabei gewesen. Also wovon sprach der Kerl dann da? In Joeys Kopf herrschte ein tobender Sturm. Pegasus schritt, während Joey in seinem inneren Monolog gefangen war, auf ihn zu und griff erneut nach seinem Kinn. Wutentbrannt starrte der Blondschopf ihn an, rührte sich jedoch nicht mehr. Er musste seine impulsive Art unter Verschluss halten, sonst würden man vielleicht noch Mokuba und Kaiba dank ihm von dieser todlangweiligen Veranstaltung entfernen und sie vor die Tür setzen. Pegasus Griff wurde kräftiger. Am liebsten hätte Joey ihm eine gedonnert, so dass ihm Hören und Sehen verging. Doch Kaibas Blick sprach Bände. Blamiere mich nicht! Lächerlich, dass sein einziger Gedanken ausgerechnet in diesem Augenblick Kaiba galt. Joey kniff die Augen zusammen. Lange würde er das nicht aushalten, zu sehr brodelte es in ihm. Er war bereit dem Kerl die hochnäsige Visage zu polieren, sollte er es tatsächlich wagen sich ihm weiter zu nähern. Vielleicht würde er es irgendwie schaffen diesen Mistkerl niederzustrecken ohne großes Aufsehen zu erregen. Wofür es dem Anschein nach eh schon zu spät war. Also bereitete er sich mit geballter Faust auf den Schwung vor als er plötzlich eine Hand auf seine Schulter spürte. „Genug der Spielerei, Pegasus.“ Joey glaubte seinen Ohren nicht zu trauen als er Kaibas Stimme vernahm. Abrupt hatte der soeben Angesprochenen von ihm abgelassen und zog dabei einen Schmollmund. „Mir bereitete es nun mal Freude mit dem niederen Volk zu spielen.“, kam es von Pegasus, der dabei unschuldig die Schultern hoch zog. Joey blinzelte mehrmals bis er dann zu Kaiba sah, der mit ernster Miene den Älteren beäugte. Ein zartes, kaum merkbares Lächeln huschte über die Lippen des Braunhaarigen und schließlich sank seine seine Hand von Joeys Schulter. „Natürlich, aber ich möchte dich doch bitte daran erinnern, dass wir wichtigere Dinge zu besprechen haben. Also sei so gut und verschone ihn.“ Pegasus, dem ganz klar anzusehen war, wie sehr er sich über diese Unterbrechung ärgerte, wandte sich sichtlich widerwillig von Joey ab und setzte zum Gehen an. Noch bevor er mit Kaiba verschwand warf er Joey einen letzten Blick zu. „Faszinierend, wie sehr er meiner verstorbenen Frau ähnelt.“, schmunzelte er noch. „Besprechen wir doch alles bei einem netten Glas Rotwein.“, sagte er dann schließlich an Kaiba gerichtet bevor er davon schritt. „Joey geht’s dir gut?!“ Joey beobachtete stumm die beiden beim Gehen und antwortete nur mit trockener Kehle: „Ja, alles gut Mokuba.“ ~*~ „Du hättest dich doch nicht echt von diesem Kerl knutschen lassen, Wheeler?“, fragte Kaiba mit hochgezogener Augenbraue. Nicht das es von großem Interesse war mit wem Wheeler herumtollte, doch Mokuba war nicht mehr zu bremsen gewesen als er sah wie Pegasus den Blondschopf pisakte. Und auch Kaiba musste sich eingestehen, dass ihm der Anblick missfiel. Immerhin war er wegen diesem Kerl hier um Geschäfte zu machen und nicht um zu sehen zu müssen wie er sich mit Wheeler amüsierte in dem er ihn schamlos um den Hals fiel. „Äh was?! Nein! Natürlich nicht!“, schnaubte er „Ich meine... ich wollte euch beide nicht schon wieder blamieren...“, nuschelte er schließlich. Nun schossen beide Augenbrauen in die Höhe. So wie er den blonden Chaoten aus der Schule kannte war er eigentlich im Glauben gewesen, dass er viel früher über Pegasus hergefallen wäre. Meistens folgte nämlich nach seinem wahllosen rumgebelle die Fäuste, die er nur allzu gerne sprechen ließ. Kaiba glaubte in jenem Moment auch eine geballte Faust aus dem Augenwinkel gesehen zu haben und war innerlich erleichtert rechtzeitig dazwischen gegangen zu sein. Auch über die Tatsache, dass Joey erstaunlicherweise so lange an sich gehalten hatte. „Seto, gehen wir nach hause?“ Der Angesprochenen blickte seinen jüngeren Bruder an. Er verzog keine Miene, war jedoch mehr als erleichtert zu hören, dass Mokuba endlich wieder Notiz von ihm nahm und ihn mit seinen liebevollen Kulleraugen regelrecht anflehte. Ihm jetzt diesen Wunsch ab zu schlagen wäre ein herber Rückschlag. Mokuba würde ihn als Antwort weiter aus seinem Leben außen vor lassen. Kaiba spürte, dass die jetzige Entscheidung ausschlaggebend war für ihre weitere Beziehung. Doch so früh nun von dieser Veranstaltung zu verschwinden schien auch keine Option für ihn zu sein. „Schon gut Mokuba, ohne Kaiba wäre ich wohl völlig eskaliert! Ich bin deinem Bruder zum Dank verpflichtet!“, den letzten Satz hatte Joey mit geschwollener Brust von sich gegeben und dabei versucht so hochnäsig wie die Damen und Herrschaften um sie herum zu klingen. „Von mir aus können wir noch bleiben.“ Mokuba lachte. Zugegebenermaßen musste Kaiba sich eingestehen, dass er dankbar dafür war, dass Wheeler die Entscheidung für ihn übernommen hatte. „Lasst uns danach doch einen Film schauen wenn wir das hier überstanden haben.“ „Ja, aber ich suche aus!“, entgegnete Mokuba. Kaiba, der davon ausging in den Plänen der beiden nicht mit einbezogen zu werden wandte das Gesicht ab. „Es sei denn du willst nicht Seto.“ Sein leichter verwirrter Blick fiel zu Mokuba und dann zu Wheeler, der ihn siegessicher angrinste. Kaiba kniete sich zu Mokuba, so dass er auf Augenhöhe mit ihm war und legte eine Hand auf dessen Schulter. „Das ist eine gute Idee.“, sagte er und lächelte seinen kleinen Bruder an. ~*~ Nach dem Joey und Mokuba den weiteren Verlauf des abends entschieden hatte, war Seto wieder zu seiner Runde zurückgekehrt. Der Raum war erfüllt von Gelächter und klirrenden Gläsern. Leise drang die Musik an sein Ohr und mit einem durchdringenden Blick der durch den Saal glitt, nippte Seto Kaiba an sein Getränk. Vorsichtig benetzte er seine Lippen mit dem dunklen Rotwein, der manch einen sein Monatsgehalt kostete. Während er dabei in der Runde stand und seinen Mitmenschen nur halbherzig Gehör schenkte, dachte er noch lange an den Anblick mit Pegasus und Wheeler zurück. Ohne diese beiden Herrschaften, die sich just in dem Moment über Joey amüsiert hatten, wäre dieser Vorfall völlig an ihm vorbei gegangen. Nicht aus zudenken was geschehen wäre, wenn Seto nicht eingegriffen hätte. Wie ein Hai, der auf Beutezug im tiefen Meer war, suchten seine Augen unweigerlich bei dem Gedanken nach ihm und fanden den Blondschopf letztendlich lachend in der Ecke mit Mokuba vor. Ein erdrückendes Gefühl machte sich in seiner Brust breit und der Drang, sich zu ihnen zu gesellen stieg in ihm auf. Höchstwahrscheinlich war es einfach nur die Lust ihm wie sonst auch zu verärgern. So dass all seine Aufmerksamkeit nur ihm galt und Wheeler sich dabei voll auf seine Worte konzentrierte. Kaiba schmunzelte für den Bruchteil einer Sekunde bei dem Gedanken. Zog jedoch dann die Augenbrauen zusammen. Es erschien ihm seltsam sich zu wünschen, dass Wheeler ihm all seine Geistesgegenwart schenkte, nur damit er seinetwegen einen Tobsuchtsanfall bekam. Was dachte er sich nur dabei?! Ganz davon abgesehen das dies hier nicht der beste Ort dafür war. Die Dämlichkeit dieses Idioten schien langsam wohl auf ihn abzufärben. Mit einer hastigen Bewegung kippte er seinen Rotwein hinunter und stellte es auf ein Tablett ab, die ein Kellner beim galanten vorbei schweben auf seiner Handfläche balancierte. Sein wievieltes Glas war das jetzt nun gewesen? Durchaus war Seto Kaiba was das Trinken anbelangte sehr resistent. Immerhin war dies nicht seine erste Vernissage und auch abends nach getaner Arbeit gönnte er sich gerne mal einen vollmundigen Brandy. Aber selbst er merkte wann es genug war und räusperte laut, um auf sich aufmerksam zu machen. „Entschuldigt bitte, aber ich habe morgen früh einen dringenden Geschäftstermin, den ich um jeden Preis wahrnehmen muss.“ Mit dieser Aussage nickte er den Herren und Damen um sich herum verabschiedend zu und gesellte sich ohne weiteren Umschweif zu Joey und Mokuba. ~*~ Roland, dessen Blick immer noch zu vermitteln schien, dass er weiterhin mit der augenblicklichen Kündigung rechnete, stand bereits neben ihrem länglichen schwarzen Gefährt und öffnete ihnen demütigst die Türen. Zu Kaibas großen erstaunen gab es keine Diskussionen über die Sitzordnung, denn Mokuba setzte sich kommentarlos neben ihn. Und während das Auto sich langsam in Bewegung setzte fragte sich Seto woher diese gutwillige Laune seines Bruders stammte. Ob es wahrscheinlich daran lag, das Mokuba nun vermutlich das Bild vor Augen hatte, wie sein Bruder Wheeler aus den langen Krallen Pegasus befreit hatte? Mit dem Blick aus dem Fenster gerichtet grübelte er eine Weile vor sich hin. Nicht nur, dass er Joey Wheeler als Anstandswauwau benutzen konnte, nun war er auch der perfekte Vorwand um mit seinen Bruder wieder ins Reine zu kommen. Der einzige Haken an der Sache: Er musste nett zu Wheeler sein. Bei dem Gedanken schauderte es den Braunhaarigen unwillkürlich. Wie zur Hölle sollte er es schaffen das länger als eine Tag durch zu stehen? Mokuba erblickte ein Kino, welches zu Seto Kaibas Missgunst klein und völlig unbedeutend aussah. Mit einer Handbewegung teilte er Roland mit, sie am Eingang raus zu lassen. Nur mit sehr viel Mühe konnte er sich verkneifen die Augen zu verdrehen als die anderen beiden sich für einen hirnrissigen Action Film entschieden. Natürlich war davon auszugehen gewesen, dass er den Film nicht mit all seinen Sinnen mitverfolgte. Es war allein schon der Tatsache verdankt, dass Kaiba kein Wort verstand. Also zückte er sein Handy und arbeitete einige Emails ab. Bis Joey ihn irgendwann anstupste und ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, dass Mokuba im Kinosessel eingeschlafen war. „War wohl´n langer Tag.“, flüsterte Joey. Kaiba betrachtete seinen Bruder und stimmte ihm schließlich stumm zu. Die beiden Männer entschieden ihn nicht zu wecken. Also nahm Kaiba ihn auf den Arm, brachte ihn in den Wagen und setzte den Kleineren neben sich ab. Joey nahm ihm Gegenüber platz, versank in seinem Sitz und schien sichtlich erschöpft. Er sah mit müden Augen aus dem Fenster und während der Fahrt verlor keiner ein Wort. Beide schienen ihren Gedanken nach zu hängen. Ab und an hörte man Mokuba atmen, der sich dann raschelnd an seinen Bruder kuschelte. Und als habe Wheeler die Stille nicht mehr ausgehalten, durchbrach er mit seiner Stimme diese. „Der Stolpervorfall tut mir leid. Ich wollte das wirklich nicht.“, flüsterte er. Kaiba blickte zu ihm rüber „Ich muss gestehen, dass es mein Fehler war. Zu glauben, dass alles glatt laufen würde war einfältig von mir gewesen.“, antwortete er und sah den Blondschopf ruhig an. Mit einem tiefen Atemzug holte Joey Luft. Sein Brustkorb hob sich langsam und mit einem tiefen Seufzer atmete er alles wieder aus. Dann presste er die Lippen aufeinander und nickte sehr lang, bis sie sich schließlich zu einem schmunzeln verzogen und er ihn ansah. „Jap... das war´s.“ Kaiba hob eine Augenbraue. Anstelle eines Konters eine lächelnde Zustimmung zu erhalten verwirrten ihn und für einen flüchtigen Moment amüsierte es ihn sogar. Er kam nicht umhin zu schnauben während er einen Mundwinkel anhob. „Ah! Hast du gerade gelacht?!“ Joey hatte sich sprunghaft im Sitz aufgerichtet und zeigte auf ihn. Mokuba verzog die Augenbrauen und grummelte vor sich hin. „Sei leise, du Idiot! Du weckst ihn noch auf!“, schimpfte Kaiba leise. Sein Gegenüber ließ sich entschuldigend und geräuschlos wieder in den Sitz sinken. Auf eine Antwort sollte Joey vergeblich warten und so schwiegen sie wieder beide bis sie das Anwesen erreichten. Dort angekommen hievte er seinen kleinen Bruder aus dem Wagen und betrat das Haus. Joey, dessen Zuneigungen zu Mokuba augenscheinlich gewachsen war, folgte ihm wortlos. Als sie dessen Zimmer erreichten warf ihm der Blonden einen kurzen Blick mit hochgezogener Augenbraue zu. Das Bild eines braven Hund, der auf die Erlaubnis seines Herrschen wartete, schoss Kaiba in den Kopf. Da es nicht seine Absicht war den Kleineren zu wecken, gab er dem Blonden mit einem stillschweigenden Nicken seine Zustimmung den Raum zu betreten. Joey ging so leise wie ihm nur möglich auf das Bett zu und warf die Bettdecke zurück, damit Kaiba ihn schließlich sanft hinein legen konnte. Dann deckte er seinen Bruder zu, setzte sich auf die Bettkante und strich ihm sanft das Haar aus dem Gesicht. Nicht zu fassen dass er erst diese Nähe zu ihm wieder erlangte, weil er Wheeler aus dieser brenzligen Situation mit Pegasus befreit hatte. Ihm blieb keine andere Wahl. ~*~ „Du sagtest du wirst mir helfen, Wheeler.“, setzte er sehr leise an, ohne den Blick von Mokuba zu heben. Ein gekipptes Fenster ließ die kühle Nachtluft hinein und wehte dem eben Angesprochenen über seine angespannten Schultern. Diese ruhige aber dennoch bedrohliche Tonlage, die in Kaibas Stimme mitschwang, verknüpft mit dem liebevollen Blick auf seinen kleinen Bruder gerichtet, löste in ihm ein seltsames Gefühl in der Magengegend aus. Das Atmen fiel ihm abermals an diesem Abend schwer. Das Mondlicht fiel just in dem Moment auf Kaibas Gesicht als dieser den Blick erhob und den Blonden im Raum fixierte. Joey wunderte sich einen kurzen Augenblick, den er glaubte die Spiegelung des Mondes in seinen tiefen blauen Augen gesehen zu haben. Er war wie paralysiert als er dabei ein pochen in seinem Brustkorb verspürte. Dabei schien er eine Erklärung zu suchen, wieso ihn abermals an diesem Abend Kaibas Augen so beschäftigten. Dieser schien von dem Gefühlschaos seines Gegenübers natürlich nichts mitzubekommen und wurde spürbar ungeduldig. Also hob Joey mechanisch das Kinn und senkte es wieder. Hoffte dabei inständig, dass es wie ein natürliches Nicken aussah. Der Braunhaarige erhob sich, ging mit lautlosen Schritten auf ihn zu, packte Joey am Handgelenk und zog ihn bestimmend aus Mokubas Zimmer. Als er die Tür hinter sich geräuschlos schloss wandte er sich wieder an den Blonden. „Mokuba ist anscheinend nur zufrieden mit mir, wenn ich dir gegenüber wohlgesinnt bin,“ begann er leise zu sprechen. Seine Hand umschlang noch immer fest sein Handgelenk und Joey konnte den Blick nicht davon abwenden. Er fühlte beinahe wie er neben sich stand und versuchte die Situation einzuordnen. Doch Kaiba unterbrach seinen Gedankengang. „Also, hier ist ein weiterer Deal,“ drang seine leise zischende Stimme an sein Ohr. „Ich werde mich bemühen in Mokubas Anwesenheit... nett zu dir zu sein.“ Joey spürte wie schwer es ihm fiel dies über seine Lippen zu bringen und auch er musste sich eingestehen, dass es in seinen Ohren völlig falsch klang. „Und du wirst mir dabei helfen!“ Da sein Blick noch immer auf den Griff um sein Handgelenk ruhte, merkte er nicht wie Kaiba sich bei diesen Worten seinem Gesicht bedrohlich näherte. „Wheeler!“, zischte er erneut bestimmend und drückte sein Handgelenk fester. Dabei erschrak Joey, sah auf und zuckte sichtlich zusammen als er den anderen gefährlich nahe vor sich erblickte. Er wusste, dass Kaiba eine Antwortet erwartete, aber dieses pochen in seiner Brust, welches nun abgeklungen war, hatte ihn verwirrt. Die komplette Situation überforderte ihn sichtlich. Er starrte seinen Gegenüber an, versuchte seine innere Mauer wieder zu errichten und diese seltsamen panischen Gefühle in sich zu unterdrücken. „Deal?!“ Joey atmete tief durch, während Kaiba ihn mit seinem Blick fest in die Augen sah. „Deal.“, antwortete er schließlich mit fester Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)