Be my One and Only - 私の唯一無二になりなさい von Mina_Tara (**KageHina**) ================================================================================ Kapitel 5: Akt I: Part V – sparkle ---------------------------------- Seit Tobios Einzug waren bereits mehrere Wochen vergangen. Anfangs war es noch ungewohnt gewesen wieder eine Art Familie um sich herum zu haben. Vor allem aber der Trubel war so eine Sache, an den sich der Schwarzhaarige erst wieder gewöhnen musste. Morgens schon das Geschrei im Flur mitzuerleben, ließ den Jüngeren mehr als nur einmal kerzengrad im Bett sitzen. Er brauchte gar keinen Wecker – wozu auch, wenn sich Mutter und Sohn schon morgens in aller Frühe gegenseitig an die Gurgel sprangen. Das Geschrei war nerviger als jeder Klingelton! Und diese Prozedur wiederholte sich jeden Morgen – vor allem war es jedes Mal ein anderes Streitthema. Tobio hatte sich schon das Hirn darüber zermahlen, wie man bloß wegen solchen Kleinigkeiten direkt an die Decke gehen konnte. Diese Familie stammt definitiv nicht von dieser Welt! Dabei wäre der Schwarzhaarige froh gewesen, zumindest einmal normal ausschlafen zu können – aber es war ihm nicht vergönnt gewesen – wozu auch? Zu Keishin hatte sich das Verhältnis seitdem kein bisschen verändert, er und sein Schützling gifteten sich immer noch gegenseitig an – es gab auch schon Situationen, in denen sie sich beinahe die Köpfe eingeschlagen hätten, wäre Kira nicht dazwischen gegangen. Die Mutter seines Bewährungshelfers hingegen war stets freundlich gegenüber dem Zwanzigjährigen gestimmt. Ob es daran lag, dass ihre mütterlichen Instinkte sie dazu verleiteten? Tobio wusste die Antwort bis heute nicht, doch es gefiel ihm, dass es zumindest eine Person im Haushalt gab, die ihm so etwas wie Rückhalt gab – mehr oder weniger. Zumindest erklärte sie ihm genau was zu tun war – nicht so wie der Depp, der ihn immer erst anbrüllte, bevor er überhaupt ein ordentliches Wort mit dem Jüngeren wechselte. Seit zwei Wochen wurde der Schwarzhaarige nun auch in die Arbeiten mit eingespannt. Anfangs war es nur im Haushalt gewesen, seit heute allerdings wurde er auch in der Gartenarbeit eingesetzt. Normalerweise kümmerte sich der Großvater seines Bewährungshelfers um den Garten. Da sich dieser allerdings seit über zwei Monaten in Kur außerhalb der Präfektur befand, blieb die Arbeit wohl oder übel nun an Tobio hängen. Unkraut jäten, Rasenmähen und Holz hacken gehörten zu seinem heutigen Aufgabengebiet. Die Sonne schien ihm bereits seit Stunden auf den Nacken. Es war verdammt warm, dafür das erst Ende April war. Schweißperlen liefen an Tobios Schläfe hinunter – es war anstrengend. Das Rasenmähen hatte er Kami sei Dank schon direkt morgens erledigt, das Unkraut war auch schon aus den Beeten entfernt – momentan nahm er sich eher das Leben am Hacken. Der Schwarzhaarige war diese Art von Arbeit nicht gewohnt. Bei seinen Eltern früher hatten sie hierfür extra Gärtner angestellt, die sich regelmäßig um das Anwesen kümmerten. Keuchend und erschöpft seufzend, wischte sich Tobio den Schweiß von der Stirn und warf einen Blick auf sein Werk. Immerhin ist er doch ein gutes Stück weitergekommen – der Berg an gehacktem Holz konnte sich sehen lassen. Wenn man ihm schon eine Aufgabe übertrug, führte er diese auch meistens zu 100% aus. In dieser Hinsicht war er ein Perfektionist. Nachdem die Arbeit erledigt war, begab sich der Schwarzhaarige nach oben in sein Zimmer, nahm sich frische Kleidung aus dem Schrank und verschwand im Badezimmer. Der heiße Wasserstrahl, der aus dem Duschkopf kam, ließ ihn erschöpft zusammensacken. Seinen Kopf lehnte er hierbei an die kalten Fliesen und genoss das Gefühl des Wassers, das auf ihn niederprasselte und sich seinen Weg an seinem Körper hinabbahnte. Genüsslich schloss Tobio seine Augen. Ruhe, er hatte zumindest einen Augenblick für sich. Das kam die letzten Wochen auch eher selten vor. Normalerweise stand Keishin schon mit der nächsten Aufgabe in den Startlöchern. Doch anscheinend hatte der Jüngere seine Arbeit endgültig für heute getan. Als der Schwarzhaarige aus der Dusche stieg, wickelte er sich das Handtuch um die Hüfte und schritt auf den Badezimmerspiegel zu, der aufgrund der Hitze beschlagen war. Nachdenklich wischte Tobio mit seiner Hand über die beschlagene Fläche und legte sein eigenes Spiegelbild frei. Wasserperlen tropften an seinen langen schwarzen Strähnen herab. Bislang konnte er sich erfolgreich vor einem Friseurbesuch drücken – doch langsam wurde es Zeit für einen neuen Haarschnitt. Vorsichtig stützte sich der Schwarzhaarige am Waschbecken ab und sah sich genau an. Obwohl er nur einen halben Tag in der Sonne verbracht hatte, hatte er sich doch tatsächlich einen leichten Sonnenbrand zugezogen. Behutsam fuhr Tobio die Hautstellen an Hals und Nacken nach. Dadurch, dass er ein sehr heller Hauttyp war, neigte er zu Sonnenbränden. Das war schon damals in seiner Kindheit so gewesen. Aus diesem Grund mied er auch die Sonnenstrahlen und verbrachte die meiste Zeit unter dem Sonnenschirm. Als Tobio sich allerdings genauer seiner Statur widmete, musste er hart schlucken. Er war viel zu dünn gebaut - normalerweise hatte er früher Sport getrieben und besaß auch eine entsprechend gut definierte Figur. Vielleicht sollte er sich langsam mal wieder dem Joggen widmen und eine gesunde Ernährung wäre auch von Wichtigkeit. Tobio musste zugeben, dass es ihm, seit er hier auf dem Land angekommen war, besser ging als vorher. Es verblüffte ihn ja schon selbst - dass sie alle recht behalten sollten. Allerdings setzte ihm der Gedanke an die vergangenen Tage mit Tooru immer noch schwer zu, aber es wurde besser – Tag für Tag. Das Erste, was Tobio damals nach seinem Einzug machte – er widmete sich seinem Laptop, der vor seinem JVA-Aufenthalt mindestens ein Jahr lang zuvor ohne Akku im Schrank vor sich hinvegetiert hatte. Es tat weh, wenn er die Bilder sah, die ihn zusammen mit seinem Freund zeigten. Wie sie zusammen in die Kamera gelacht hatten. Sein Herz schmerzte immer noch sehr, wenn er die schönen Augenblicke vor sich sah. Wie sehr sehnte sich Tobio nach dieser Zeit zurück. Wo alles noch normal war und sie unbeschwert ihr Leben führten. Es hätte alles anders kommen können, hätte er nur eher hingesehen. Aber der Schwarzhaarige realisierte inzwischen, dass es keinen Weg mehr zurückgab – er musste weitermachen, wie auch immer er das anstellen sollte. Nachdem Tobio seine frische Kleidung angezogen hatte, betrat er erneut sein Zimmer und ließ sich auf sein Bett sinken. Er trug einen dunkelblauen Hoodie und schwarze enganliegende Jeans. Kurz saß er einfach nur da und schaute zur Decke auf. Sein Kopf war wie leergefegt. Wenige Minuten später widmete Tobio die Aufmerksamkeit seinem Nachtischschrank und öffnete die erste Schublade. Hervor kam ein schwarzes Notizbuch, das er vorsichtig hochhob und durchblätterte. Ein weiterer Gegenstand, der wie sein Laptop, ewige Zeiten vor sich hin gestaubt hatte. In dessen Inneren befanden sich seine Bilder. Zeichnungen von einzelnen Gegenständen, Landschaften und auch Tieren. Es befand sich auch ein Portrait von Tooru darin. Behutsam fuhr er mit seinen Fingerkuppen über die Bleistiftzeichnung. Tobio erinnerte sich noch genau an diesen Moment - wie der Braunhaarige damals gedankenversunken aus dem Fenster geschaut hatte, als sie Sonntagsmorgens am Küchentisch saßen. Es war ein Bild, das sich tief in Tobios Netzhaut gebrannt hatte, woraufhin er einfach nicht anders konnte, als diese Szene auf Papier zu verewigen. Der Schwarzhaarige tat es, weil es ihm Freude bereitete. Die Kunst generell ließ ihn aufleben. In der Schule waren alle Lehrer von seinem Talent mehr als begeistert gewesen. Sie rieten ihm auf eine Künstlerschule zu gehen - dass er sein Hobby zum Beruf machen sollte. Seine Eltern allerdings machten sich daraus nichts, sie unterstützten ihn kein bisschen dabei. Sie waren fest auf die Politikerkarriere aus. Er sollte wie seine Schwester auch politisch arrangiert sein. Allerdings wusste Tobio damals schon, dass er anders war und dass das Leben, das ihm seine Eltern vorschrieben, nicht seine Erfüllung war. Er war totunglücklich gewesen. Tief in Gedanken versunken, erhob sich der Schwarzhaarige wenige Sekunden später und ließ das Notizbuch in der Bauchtasche seines Hoodies verschwinden. Der Pullover war ihm etwas zu groß, aber das kam dem Jüngeren gerade recht. Bevor Tobio erneut das Zimmer verlassen wollte, griff er nach dem Mäppchen, das sich auf dem Sideboard befand. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, schritt der Schwarzhaarige die Treppen hinunter und betrat erneut den Garten. Inzwischen lag das Anwesen komplett im Schatten des großen Tannenbaums, der sich nah am Gemäuer befand. Als das blaue Augenpaar die Hängeschaukel ausfindig machen konnte, steuerte er direkt darauf zu und ließ sich nieder. Dann zog Tobio erneut sein Notizbuch hervor und griff nach dem Bleistift, der sich zuvor im Mäppchen befand. Nachdenklich ließ sich der Schwarzhaarige zurück in die weiche Rückenlehne sinken. Sein Blick war gegen Himmel gerichtet, an dem wenige weiße Wolken vorbeizogen. Eine leichte Brise wehte ihm entgegen. Danach widmete er sich wieder der leeren weißen Seite. Seine Hoodie-Kapuze zog er sich währenddessen tief ins Gesicht. Er wusste nicht, wie er beginnen sollte, es fehlte etwas. Als Tobio Gezwitscher neben sich vernahm, entdeckte er einen kleinen Vogel, der sich am Wasserspender niedergelassen hatte, der sich direkt neben der Schaukel befand. //Na sowas, du kommst mir gerade recht, Kleiner~// Ein zärtliches Lächeln zierte Tobios Lippen, als er sein Notizbuch näher zu sich zog und die ersten feinen Striche ansetzte. Genau das hatte ihm gefehlt – Inspiration! Immer wieder wanderte das blaue Augenpaar zu dem kleinen Piepmatz, der friedlich im Wasser hin und her planschte. Freudig hob dieser seine Flügel in die Luft und tauchte immer wieder ab. Sobald der Vogel wieder auftauchte, schüttelte er sein Gefieder. Diesen Vorgang wiederholte er mehrmals hintereinander. Tobio war komplett in seiner eigenen Welt, als er die Szene vor sich aufs Papier brachte. Er war durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Linie für Linie – Schattierung für Schattierung folgte. Das Bild nahm langsam erste Züge an. Immer wieder leckte sich Tobio über die Lippen – eine Angewohnheit, die ihn ständig begleitete, wenn er hoch konzentriert war. Er genoss die Stille und die Ru - „HEY BAKAYAMAAAAA~!“ und schon war die Ruhe dahin und der kleine Vogel ebenfalls, der sich vor lauter Schreck in die Lüfte erhoben hatte und davongeflattert war. Ein Murren entwich aus Tobios Kehle, als er das Nachsehen hatte. Da flog sie dahin – seine Inspiration! Tobio hätte vor lauter Wut beinahe den Bleistift in der Mitte durchgebrochen. Mehr als angefressen, sah er zu dem Blondhaarigen rüber, der am Türrahmen stand und ihm zuwinkte. Warum tauchte dieser Depp immer zum ungünstigsten Zeitpunkt auf? War das denn die Möglichkeit? „Was ist?!“ „Wäh~ was ist?! Das geht auch höflicher, Gruftie! Beweg deinen faulen Arsch!!“, äffte Keishin den Jüngeren nach und schritt auf ihn zu. Bevor sein Bewährungshelfer bei ihm ankam, verstaute Tobio das Buch direkt wieder in der Bauchtasche. Gerade er sollte die Bilder nicht zu Gesicht bekommen – nur über seine Leiche. „Was hast du überhaupt hier gemacht?!“, prüfend sah sich der Blondhaarige um. „Die Ruhe genossen, ist das etwa verboten, Herr Kommandant?“, wütend verschränkte Tobio wieder seine Arme vor seinem Oberkörper. Was wollte der Idiot bloß von ihm? Er hatte doch alles getan, was er von ihm verlangt hatte. „Rasen gemäht?“ „Ja..“ „Unkraut entsorgt?“, auf die Frage hin zündete sich der Blonde eine Zigarette an und sah zu seinem Schützling hinunter. Tobio schluckte daraufhin schwer. Er war schon komplett auf Entzug. Seine letzte Zigarette war vor einer Woche gewesen, als er sich heimlich nachts rausgeschlichen hatte. Leider war sein Vorrat komplett aufgebraucht und er musste sich bei der nächsten Gelegenheit neue besorgen. „Ja..“, murmelte der Schwarzhaarige in seinen nicht vorhandenen Bart und wand den Blick ab. Am liebsten hätte er Keishin die Zigarette wie eine diebische Elster aus dem Mund geklaut. Er musste der Versuchung widerstehen. „Holz gehackt?“ Nun war doch endlich gut – oder? Hatte dieser Depp keine Augen im Kopf? „SAG MAL BIST DU BLIND?! Wie denkst du wohl ist der Holzstapel dort hinten zustande gekommen? Und Wusch~ es war Zauberei Mister Ich-will-Chef-sein-und-steh-unter-Mamas-Schlappen!!“, mehr als angepisst, deutete Tobio auf den Holzhaufen, der wenige Meter von ihnen weg stand. „WIE WAR DAS?!“, und schon war der Blondhaarige wieder auf 180. Sofort packte Keishin Tobio am Kragen und zog ihn zu sich. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast. Das Blickduell, das sich die beiden Streithähne daraufhin lieferten, sprach Bände. Die Blitze schlugen hin und her. Jedoch schlich sich ein siegfreudiges Lächeln auf Keishins Gesichtszüge, als er wieder von dem Jüngeren abließ und ihm einen Einkaufszettel und Scheine entgegenhielt. „Mach dich nützlich und besorg uns was zum Essen. Ma ist heute auf einem ihrer Ladiestreffen und kommt erst sehr spät nach Hause. Ich denke Ramen dürfte genügen, oder?“ Irritert hob Tobio eine Augenbraue und nahm den Einkaufszettel genauer unter die Lupe. Tatsächlich – nur Ramen und Kleinzeugs. War wohl für den Haushalt gedacht – also nichts was im eigenen Laden zum Verkauf angeboten wurde. Danach widmete der Schwarzhaarige seine Aufmerksamkeit wieder dem Blonden, der ihn immer noch abwartend anschaute. „Mehr nicht?“ „Mehr nicht… na los, bevor ich verhungere!“ „Ja… ja.... wie ihr befielt eure Majestät~“ „HALT EINFACH MAL DEN RAND DU GRÜNSCHNABEL!!!“ [am selben Tag, etwa 15 Minuten später] „Wie der Typ mir auf die Eier geht, unglaublich ..“, knurrte Tobio und kickte einen Kieselstein, den er zuvor auf der Straße entdeckt hatte, vor sich her. Was bildete sich dieser Fatzke eigentlich ein? Seit er den Blonden vor fast zwei Monaten kennengelernt hatte, hat dieser es mit Rekord auf Platz 1 seiner roten Liste geschafft. Und das innerhalb weniger als 24 Stunden! Hatte der Typ keine Hobbys? War es vielleicht auch sexuelle Frustration? Was auch immer es war – es war nervig - sogar nerviger als nervig! Tobio brodelte innerlich. Seine Hände hatte er hierbei in seinen Hosentaschen verborgen und seine Haltung war gekrümmt. Eine Abwehrhaltung, wie sie im Buche stand – keiner sollte ihn auch nur ansprechen! Es waren kaum noch Leute unterwegs – immerhin war es schon 18 Uhr. Ein erleichtertes Seufzen verließ Tobios Lippen. Er hatte seine Ruhe – Kami sei Dank. Der Supermarkt, den der Jüngere einmal zusammen mit Kira besucht hatte, war nur 700 Meter entfernt. Er musste hierfür nur einen kleinen Park durchqueren und schon war er im richtigen Viertel. Als Tobio dort angekommen war und alles zusammengesucht hatte, griff er noch nach einer kleinen Zigarettenschachtel und bezahlte alles bar an der Kasse. Den Kassenzettel verlangte der Schwarzhaarige erst gar nicht – die Dumpfbacke musste ja nicht wissen, dass Tobio sich auf seine Kosten eine Packung Zigaretten gegönnt hatte. Nachdem er alles in der Tüte verstaut hatte, machte er sich zurück auf den Heimweg. Währenddessen steckte er sich seine Kopfhörer in die Ohren und lief seelenruhig den Weg entlang. Unterwegs zog er sich noch eine Zigarette aus der Packung und genoss das Nikotin, das ihn umgab. Endlich kam er wieder zur Ruhe. Er musste sich seinen Vorrat gut einteilen. Wer wusste schon, wann er das nächste Mal per Zufall die Gelegenheit erhalten sollte. Tief in Gedanken versunken, schritt er erneut durch den Park. Die Sonne ging bereits am Horizont unter und ein frischer Frühlingswind wehte ihm entgegen. Als Tobio feststellte, dass sich unterwegs seine Schnürsenkel selbständig gemacht hatten, blieb er stehen und ging in die Hocke. Während er seine Schnürsenkel zuband, war ihm ein Hörer aus dem Ohr gefallen. Gerade als sich der Schwarzhaarige erhoben hatte und den Stöpsel wieder einstecken wollte, erreichte ihn eine zarte Melodie. Augenblicklich hielt Tobio in seiner Bewegung inne. Ruhige Klänge eines Keyboards drangen an sein Ohr. Immer wieder wiederholten sich die zarten rythmischen Töne. Vielleicht ließ jemand gerade auch nur ein Radio laufen. Gerade als sich Tobio achselzuckend den Hörer wieder platzieren wollte, hielt er erneut inne. Zarte Töne erreichten erneut sein Ohr – allerdings waren diese anders als zuvor. Sie klangen so sanft – eine Gänsehaut kroch sein Rückgrat hoch. Es fühlte sich an wie ein Flüstern, das vom Wind davongetragen wurde. Seine Augen weiteten sich. Neugierig sah sich Tobio um. Nein – diese Töne klangen echt. Die Melodie musste von einer Violine stammen. Wieder suchte das blaue Augenpaar die Umgebung ab. Doch nirgends war die Quelle ausfindig zu machen. Schließlich nahm Tobio den zweiten Hörer ebenfalls aus dem Ohr und steckte diese in seine Bauchtasche. Immer noch fasziniert von diesen schönen Klängen, die ihn umgaben, suchte er erneut den Park ab. Es waren kaum noch Menschen unterwegs - also wo genau befand sich der Musiker, der diesem Streichinstrument solch schöne Töne entlockte? Neugierig folgte der Schwarzhaarige der Musik und konnte im unteren Tal des Parks einen Pavillion ausfindig machen. Dahinter befand sich ein großer See, in dem sich bereits das Spiegelbild der untergehenden Sonne widerspiegelte. Es wirkte auf den ersten Blick wie ein Gemälde eines Künstlers. Vorsichtig schritt Tobio den Abhang hinunter und bewegte sich auf das Gemäuer zu, das bereits von Efeu und Sträuchern umwachsen war. Die Pflanzen hatten das komplette Mauerwerk in Beschlag genommen. Je näher Tobio kam, desto lauter und klarer wurde die Musik. Der Schwarzhaarige hatte das Gefühl, das sich sein Herz im Takt zur Melodie mitbewegt – wie war so etwas nur möglich? Schließlich konnte er die Silhouetten von zwei Personen erkennen. Bei der ersten Person handelte es sich um eine junge Frau, vielleicht in seinem Alter – oder ein - zwei Jahre jünger. Sie besaß blondes Haar, das ihr bis zur Schulter reichte - ihr Pony war mit einem Klipp an der Seite befestigt. Sie saß auf einem kleinen Hocker und ließ ihre zierlichen Finger über die Tasten des Keyboards gleiten, das sich vor ihr befand. Sie trug einen beigen Rock und eine weiße Bluse zierte ihren Oberkörper an dessen Dekolleté sich auch eine beige Schleife befand. Auf den ersten Blick wirkte das Outfit wie eine Schuluniform. //Das ist also Person Nummer 1…// Neugierig lief Tobio an den Sträuchern vorbei, die den Pavillion umgaben und versteckte sich hinter einem Baum, der sich direkt nebendran befand. Er stand mindestens drei Meter von ihnen weg. //Und wo haben wir Nummer 2?// Als Tobio wieder seinen Blick nach vorne richtete, erstarrte er. Das blaue Augenpaar weitete sich. Auf dem Mauergeländer saß ein junger Mann. Er trug einen schlichten grauen Pullover, der ihm wohl etwas zu groß war. Um seinen Hals gewickelt, befand sich ein schwarz-rot karierter Schal, der ein gutes Stück seines Oberkörpers bedeckte. Zudem trug der junge Mann eine dunkelblaue enganliegende Jeans, die an den Kniekehlen aufgerissen war. Eine weiße Violine befand sich auf seiner linken Schulter und immer wieder strich er zart mit seinem Bogen über die Saiten. Sein Kopf war zu Boden gerichtet und seine Augen waren geschlossen – er befand sich in höchster Konzentration. Immer schneller zog er den Bogen durch, wodurch die Klänge immer heller und die Takte schneller wurden. Die letzten Sonnenstrahlen trafen schließlich dessen Haarschopf, woraufhin der junge Mann seinen Kopf anhob. Das war der Moment, in dem Tobio dachte einen Herzstillstand zu erleiden. Orangene Haare wehten im Wind, während leuchtend - glänzende braune Augen in die Ferne blickten. Die Sonnenstrahlten trafen genau auf das goldene Metall des Brillengestells, das das Gesicht des jungen Mannes schmückte. Der Orangehaarige erstrahlte regelrecht im Antlitz der untergehenden Sonne – er wirkte wie ein Engel, wie er dasaß und dem Streichinstrument weiterhin diese wunderschöne Melodie entlockte. Ein zärtliches Lächeln zierte dessen Lippen. Der kleine Kerl strahlte so viel Hoffnung und Leidenschaft aus. Aber dennoch lag auch ein Hauch von Sehnsucht in seinen braunen Iriden. Total gefangen von dem Bild, das sich wenige Meter vor ihm bot, ließ der Schwarzhaarige die Einkaufstüte zu Boden fallen. Er konnte die aktuelle Lage kein bisschen beschreiben – war regelrecht gefesselt von dem Anblick. Was war das bloß für ein Gefühl? //Wunderschön … // Ein eiskalter Schauer jagte über seinen Rücken, während sein Herz in diesem Moment wieder angefangen hatte zu schlagen. Zudem sich eine wohltuende Wärme in seinem Körper ausbreitete. Schnell wand Tobio den Blick ab und versteckte sich wieder hinter dem Baum. Sein Herz schlug schneller. Er hatte das Gefühl, das seine Beine augenblicklich nachgeben würden. Bevor der Schwarzhaarige den Halt verlieren konnte, lehnte er sich gegen den Baumstamm und platzierte seine Hand auf seiner linken Brust. Danach wand er sich wieder dem Orangehaarigen zu, der immer noch in seiner eigenen Welt vertieft war. Wie er einfach dasaß und seinen Blick auf den Horizont gerichtet hielt. Wie diese wunderschönen braunen Augen im Sonnenlicht aufleuchteten. Wie die Kirschblütenblätter durch dessen Haare wehten. Tobios Herz schlug immer schneller – es drohte ihm bereits aus dem Brustkorb zu springen. Verdammt nochmal – was war bloß in ihn befahren? //Erde an Tobio.. was stimmt bloß nicht mit dir?// Der Schwarzhaarige war unfähig sich zu rühren. Er war an Ort und Stelle wie festgefroren – gefangen in diesem Traum, den er nicht so schnell beenden wollte. Tobio konnte einfach nicht wegsehen. Er war so fasziniert von diesem Anblick. Es war das erste Mal seit fast zwei Jahren, dass er sich so lebendig fühlte – dass er das Gefühl hatte keine leblose Hülle seiner Selbst zu sein.     Was war bloß geschehen? Sollte dieser kleine Kerl etwa dafür verantwortlich sein?         Das war genau der Augenblick, in dem Tobio langsam realisierte, dass sein Leben weitergehen und ein neues Abenteuer seinen Lauf nehmen sollte. Was er allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte - es sollte sich um ein Abenteuer handeln, das seine Gefühlswelt gehörig auf den Kopf stellen wird.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)