Be my One and Only - 私の唯一無二になりなさい von Mina_Tara (**KageHina**) ================================================================================ Kapitel 16: Akt II: Part III – fear -----------------------------------   Seit Shoyos Krankenbesuch sind weitere zwei Wochen ins Land gezogen. Inzwischen war auch wieder Normalität eingekehrt. Tobio hatte Mühe den verpassten Stoff nachzuholen und verbrachte fast täglich seine Nachmittage in der Bibliothek. Nachdem Shoyo ihm, während seiner Abwesenheit, nach Unterrichtsschluss die Unterlagen immer vorbeigebracht hatte, wurde schnell klar, dass der Schwarzhaarige einiges aufzuholen hatte. In Mathe hatte er zu seinem Leidwesen ein ganzes Thema versäumt. Wie schnell zogen die Lehrer bitte den Schulstoff durch – das Ganze grenzte doch schon an Körperverletzung! Mehr als einmal saß Tobio fluchend vor seinen Hausaufgaben und zermaderte sich sein Hirn, sodass dieses schon kurz vorm Schmorr-Brand stand. Warum hatte er bloß solche Probleme mit dem Stoff nachzukommen? Er hatte doch sonst nie Anstalten gemacht, dass er irgendwo nicht mitkam. Sicher, er war auch vor zwei Jahren schon nicht der beste Schüler, aber auch nicht der schlechteste. Um genau zu sein, stand er genau mittendrin – ein typsicher Dreierschüler. Aber davon war der junge Mann inzwischen meilenweit entfernt.   Vor wenigen Tagen hatte er erst eine Fünf in Japanisch mit nach Hause gebracht. Wie zu erwarten war Keishin alles andere als begeistert gewesen. Es war Tobio einfach peinlich, wie sich sein Bewährungshelfer aufführte. Klar, der Blonde wollte nur das Beste für ihn, aber auf diese Art erreichte dieser leider nur das Gegenteil. Tobio fühlte sich schon wie der letzte Versager. Da brauchte er nicht noch einen Brüllaffen, der nachtrat, wenn er schon am Boden lag.   Momentan saß der Schwarzhaarige wieder in der Bibliothek und Sugawara hatte ihm bis eben noch Gesellschaft geleistet. Dieser war schon vor mehr als 10 Minuten bereits nach Hause gegangen. Seufzend legte Tobio seinen Kopf in den Nacken. Bisher hatte zwar Sugawara versucht ihm zu helfen, aber er kam immer noch nicht weiter. Sicher gab der Silberhaarige sein Bestes, aber Tobio konnte nichts mit seinen Erklärungen und Formulierungen anfangen. Sein Klassenkamerad ging es, seiner Meinung nach, viel zu kompliziert an. Tobio hatte schon fast ein schlechtes Gewissen. Immerhin nahm sich Sugawara die Zeit für ihn und diese Geste sollte er wertschätzen. Schließlich erhob sich der Schwarzhaarige und packte seine Tasche zusammen. Ein letztes Mal sah er aus dem großen Fenster und machte sich daraufhin auf den Weg nach Hause.   Der Schulkorridor war bereits in tiefes rot-orange getaucht. Allerdings war nur die Frage - wie lange noch. Denn laut WetterApp wurde für die späte Nachmittagsstunde ein Unwetter gemeldet. Gähnend lehnte sich Tobio gegen die Wand und kramte nach seinem Handy. Er hatte heute keine Muse nach Hause zu laufen – vielleicht war der Brüllaffe ja so gnädig und holte ihn ab. Gerade als er die Nummer wählte, hielt er inne, als er Musik vernahm. Es fühlte sich an, wie ein Déja-Vu, als er seinen Blick in die Richtung wandte, aus der die Musik herkam. Dann erblickte er auch schon eine Tür, die nur leicht angelehnt war. Vorsichtig trat Tobio näher und öffnete diese einen kleinen Spalt. Hohe Decken erstreckten sich in die Höhe, die mit einem Rundbogen kaschiert waren. Rote Sitzstühle füllten den Raum aus und eine große Bühne präsentierte sich am Ende des gigantischen Saals, der mehr an ein Theater erinnerte. Erstaunt betrat der Schwarzhaarige den Raum und schritt langsam an eine Säule heran, an der er schließlich stehen blieb. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit einem jungen Mann, der vorne auf der Bühne auf einem Stuhl saß und seine Fingerkuppen über die Saiten eines großen Flügels gleiten ließ.   What about now? What about today?   Ein Schauder überkam Tobio, als er diese Stimme erneut vernahm, die sich tief in sein Innerstes bohrte. Vor allem, als der Schwarzhaarige auch noch den Schüler erkannte, der am Klavier saß und seinen Kopf der Decke entgegenstreckte. Es war niemand geringeres als Akaashi.   What if you're making me all that I was meant to be?   Wie dessen unerschütterte Stimme von den Wänden wiederhalte. Fassungslos stand Tobio einfach nur da und starrte nach vorn. Es verschlug ihm regelrecht die Sprache.   What if our love never went away?   Diese Emotionen, die aus dieser Stimme sprachen, waren nicht in Worte zu fassen.   What if it's lost behind words we could never find?   Tobio hatte schon vor Längerem mitbekommen, dass Akaashi Mitglied der Musik AG war und auch dort eine hohe Position innehielt. Aber, dass der ruhige Schulsprecher eine solch tolle Stimme besaß, erstaunte ihn.   Baby, before it's too late What about now?   Während der Schwarzhaarige weitersang, entdeckte Tobio schließlich zwei Personen, die wenige Meter neben ihm standen und eine Konversation miteinander führten. Langsam trat er hinter die Säule, damit sie ihn nicht entdecken konnten. Er wollte nicht lauschen, es war nicht einmal seine Absicht.   „Überleg es dir bitte doch noch einmal…“   Die Stimme kam Tobio mehr als bekannt vor. Erneut hielt er inne. Die Neugier überkam ihn schließlich doch und vorsichtig sah er an der Säule vorbei. Er konnte Bokuto erkennen, der dicht neben einer kleineren Person stand, die sich auf einem Stuhl neben ihm niedergelassen hatte. Ihre Blicke waren geradeaus gerichtet. Aufgrund der Dunkelheit war es Tobio nicht möglich die zweite Person direkt zu erkennen. Erst als er dessen leise zarte Stimme vernahm, überkam ihn ein eiskalter Schauer.   „Mein Entschluss steht fest. Ich kann das nicht Bokuto.“   „Shoyo, das ist nicht dein Ernst. Du liebst die Musik – mehr als wir, sogar mehr als Akaashi!“   Tobio versteckte sich schnell wieder hinter der Säule und biss sich auf die Unterlippe. Warum nahm ihn diese Situation so mit? Weil er in Shoyos Stimme die Traurigkeit wiedererkannt hatte? Weil er wieder an jenen Tag zurückdenken musste, wo er den Orangehaarigen in seinem Element erleben konnte? Wie losgelöst er wirkte?   „Bitte hör auf… Du weißt genau, warum ich es nicht kann…“   „Wen willst du hier eigentlich verarschen, Shoyo? Ich sehe dir doch an, dass dir die Musik fehlt. Hör auf etwas anderes behaupten zu wollen! Siehst du denn nicht, dass du kurz davor stehst dich selbst und deine Träume aufzugeben?“   Mit einem Mal kippte die Stimmung, ehe der Orangehaarige aufstand, seine Tasche schulterte und sein Gegenüber mit funkelten Augen anstarrte.   „Im Gegensatz zu euch habe ich keine liebenden Eltern, die zuhause auf mich warten! Ich stehe allein mit der Verantwortung da. Es ist keiner da, der mir diese Arbeit abnehmen kann. Ich kann nicht überall gleichzeitig sein, da bleibt leider etwas auf der Strecke. Halt dich bitte einfach aus meinem Leben raus, ja?“, nach diesen Worten brach Shoyo den Kontakt ab und stürmte an Bokuto vorbei, der ihn noch versuchte aufzuhalten.   „Shoyo – warte doch! So war das nicht gemeint! Shoyo!“   Wie ein Wirbelwind fegte der Angesprochene an der Säule vorbei. Das Einzige, was Tobio währenddessen erkennen konnte, waren Tränen, die an Shoyos Wangen hinabliefen, als er die Tür aufstieß und lautstark ins Schloss fallen ließ. Das hatte definitiv gesessen. Ein letztes Mal sah der Schwarzhaarige zu Bokuto rüber, der sich seufzend an die Stirn fasste und sich auf den Platz sinken ließ, wo zuvor noch Hinata gesessen hatte. Im selben Augenblick gesellte sich auch Akaashi zu ihm und nahm neben ihm Platz.   „Gescheitert?“, fragte der Schwarzhaarige und putzte seine Brille, ehe er sie wieder aufsetzte.   „Ach, Akaashi, ich weiß nicht, was ich mit ihm noch machen soll. Als Freund ist es doch meine Pflicht ihm meine Meinung zusagen. Ich kann mir das Trauerspiel langsam nicht mehr mitansehen und du doch genauso wenig“, kam es leise von dem Grauhaarigen, der sich daraufhin durch die Haare fuhr.   Der Angesprochene, der neben ihm saß, ließ seinen Blick sinken.   „Je mehr du ihn bedrängst, desto mehr macht er dicht… gib ihm Zeit“   Tobio hatte genug gehört. Leise trat er wenige Schritte zurück und verschwand auch schon hinter der Tür, woraufhin er sich wieder im Schulflur befand. Seine meeresblauen Iriden glitten durch den riesigen Raum, auf der Suche nach einer bestimmten Person, aber Shoyo war wie vom Erdboden verschluckt.   //Ob er schon nachhause gegangen ist?//   Während Tobio durch den Flur schritt, konnte er durch die Fenster dabei zusehen, wie sich draußen der Himmel verdunkelte. Dunkle graue Gewitterwolken türmten sich am Himmel auf. Das Unwetter hatte sie doch schon ziemlich schnell erreicht und er hatte Keishin immer noch nicht angerufen, ob er ihn abholen kann. Nun blieb dem Brüllaffen ja keine andere Möglichkeit übrig. Hoffentlich war der Blonde zur Abwechslung mal gut drauf. Ergebend zückte Tobio sein Handy und wählte die Rufnummer.   „Ja, bitte?“, kam es mürrisch wenige Sekunden später von der anderen Leitung, woraufhin Tobio schon genervt aufseufzte. War ja klar, dass dieser Miesepeter wieder schlechte Laune hatte.   „Hör mal, kannst du mich abholen kommen?“, bei der Frage sah der Schwarzhaarige aus dem Fenster, wo gerade draußen begann die Welt unterzugehen. Es stürmte, hagelte und schüttete wie aus Kübeln. Zudem zuckten Blitze über den Himmel und der Donner ließ nicht lange auf sich warten.   „Ja doch… bleibt mir ja auch nichts anderes übrig… bevor du mir noch im Sturm verloren gehst. Bleib wo du bist, klar?!“, keifte Keishin und legte einfach auf.   //Depp// schoss es Tobio durch den Kopf, als er sein Handy wegpackte und seinen Rucksack schulterte. Warum musste sein Bewährungshelfer nur so ein Arsch sein?   Der Schwarzhaarige trat nach draußen und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle, die sich vor dem Schulgelände befand. Immerhin war diese überdacht und so konnte er sich zum Schutz drunterstellen. Bis er jedoch dort ankam, blieb ihm nichts anderes übrig als durch den Regen zu laufen. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht und innerhalb von Sekunden war er komplett durch Nest. Kurz darauf blieb Tobio stehen und sah zum Himmel auf. Die Regentropfen bahnten sich ihren Weg durch seine Haarsträhnen hinunter zu seinen Wangen. Irgendwie hatte der Regen etwas Nostalgisches an sich. Ihm machte es nichts aus im Regen zu stehen und von oben bis unten nass zu sein. Andere würde es stören, ihn jedoch beruhigte es. Der Himmel erhellte sich und innerhalb von Sekunden hallte der Donner aus den Wolken wider.   Plötzlich blitzten Bilder vor Tobios Augen auf. Alte Erinnerungen, die ihn wieder zurückkatapultierten zu jener Nacht. Als Tooru regungslos vor ihm lag und er ihn im strömenden Regen in den Armen gehalten hatte. Wie sein Blut die Pfützen rotgefärbt hatte. Tobio spürte, wie es ihm erneut die Kehle zuzog, ihm die Luft zum Atmen raubte. Er hatte zwar das Geschehene inzwischen gut verarbeiten können, aber manchmal gab es immer noch Momente, wie diese, die in ihm wieder diese Erinnerungen auslösten. Schnell setzte sich Tobio daraufhin in Bewegung. Die nassen Haarsträhnen klebten ihm im Gesicht. Es war ein unangenehmes Gefühl, aber diese Erinnerungen waren es noch viel mehr. Er musste sich ablenken, und zwar schnell. Er musste diese Bilder aus seinem Kopf bekommen. Gerade als der Schwarzhaarige an der Bushaltestelle ankam, fanden diese Erinnerungsfetzen in seinem Inneren ein jähes Ende, als er jemanden zusammenkauernd auf der Bank sitzen sah. Tobio erkannte sofort, um wen es sich dabei handelte.   „Shoyo?“   Der Größere nahm neben dem Orangehaarigen Platz, doch dieser reagierte nicht. Der Angesprochene saß zusammengekauert auf der Bank und hatte seine Knie hochgezogen. Sein Kopf bettete auf seinen Oberarmen, die er auf seinen Knien abgelegt hatte. Sein ganzer Körper zitterte.   „Hey, was ist los?“, kaum hatte Tobio die Frage ausgesprochen, zuckte der Kleinere neben ihm zusammen. Shoyo sah auf und blickte neben sich. Es war unschwer zu erkennen, dass er geweint hatte. Seine sonst so strahlend braunen Augen waren geschwollen und rot angelaufen. Sein Atem ging hektisch und bevor er dem Schwarzhaarigen antworten konnte, blitzte es erneut und der Donner, der diesem folgte, ließ den Boden unter ihren Füßen vibrieren. Sofort schreckte der Kleinere wieder in sich zusammen und hielt sich beide Hände an den Kopf.   „Es soll einfach nur aufhören…“, Shoyos Hände zitterten und seine Augen waren vor Schreck geweitet.   Irritiert hob Tobio eine Augenbraue nach oben. Was war bloß mit dem Orangehaarigen los? So aufgelöst und verschreckt kannte er den Kleineren gar nicht. Zumindest nicht mehr, seit Wakatoshi von der Schule geflogen war. Es war unverkennbar, dass Hinata komplett neben sich stand. Wie in Trance, als ob er geistlich überhaupt nicht anwesend wäre.   „Was soll aufhören?“, kam von dem Schwarzhaarigen und kramte währenddessen ein Taschentuch hervor, das er Shoyo reichte.   „Dieses Unwetter…“, hauchte Shoyo leise und nahm dankend das Taschentuch entgegen.   Tobio sah den Kleineren einfach nur nachdenklich an. Seine negativen Gedanken waren innerhalb von Sekunden verpufft, als er Shoyo so aufgelöst dasitzen sah. Nachdenklich wand er den Blick ab und sah gen Boden, der bereits von Wasserpfützen übersäht war.   „Hast du Angst vor Gewitter?“, fragte Tobio vorsichtig und sah wieder zu seinem Nachbarn, der auf die Frage hin kurz nickte.   „Ich ertrag den Donner nicht…“, sprach Shoyo leise mehr zu sich selbst und fuhr zitternd mit seinen Händen über seine Oberarme. Seine braunen Augen sahen starr zu Boden. Jeglicher Glanz war aus ihnen entwichen. Tobio saß weiterhin stillschweigend neben dem Jüngeren, als sich dieser ihm schließlich zuwandte.   „Jetzt musst du mich bestimmt für einen Versager halten, oder? Das Superhirn, das Angst vor Unwetter hat – das ist doch mehr als nur peinlich“, Shoyos Worte sprühten nur so von Spott und Hohn. Hatte er tatsächlich sich gegenüber diese Einstellung?   „Hör auf damit, jeder hat doch vor etwas Angst…“, Tobio fuhr sich seufzend über den Nacken, der ihm schon seit Tagen höllisch wehtat. Er musste sich diesen im Schlaf letztens verrenkt haben.   Bevor der Größere Shoyo jedoch aufmunternd zureden konnte. kam auch schon der Bus um die Ecke gefahren und der Orangehaarige sprang auf. Da hatte es jemand aber ziemlich eilig.   „So ich … muss los… danke nochmal für das Taschentuch… Man sieht sich…“, es war immer noch unverkennbar, dass Hinata komplett neben sich stand. War es wirklich nur wegen dem Gewitter oder hatte seine Stimmung mit der Auseinandersetzung von eben zu tun? Tief in Gedanken versunken verabschiedete sich der Schwarzhaarige von dem Jüngeren, der daraufhin auch schon in den Bus stieg. Seufzend sah Tobio dem Bus nach, als dieser wegfuhr und um die nächste Straßenecke bog. Er fühlte sich unwohl dabei den Kleineren einfach so allein heimfahren zu lassen, aber wie würde diese Aktion rüberkommen? Er wollte nicht, dass Shoyo noch dachte, er würde ihn bevormunden. Das Recht stand Tobio einfach nicht zu, dafür kannte er den Jüngeren noch nicht so lange.           Am selben Abend lag Tobio nachdenklich im Bett und starrte die Decke über sich an. Sein Zimmer lag in kompletter Dunkelheit und das Unwetter hatte sich inzwischen verzogen. Der Geruch von frischem Regen lag noch in der Luft und ein kühler Wind schlug ihm entgegen, da das Fenster neben seinem Bett komplett geöffnet war. Es war schön frisch und diese Abkühlung war nach den letzten warmen Sommertagen auch mehr als notwendig. Immer wieder drifteten seine Gedanken zu dem Jüngeren ab. Warum war Shoyo heute Mittag so drauf gewesen? Warum stand der Kleinere so neben sich? Generell hatte die Situation Tobio zum Nachdenken angeregt.   Was war das heute Morgen für eine Auseinandersetzung mit Bokuto? Dann die Äußerung bezüglich seiner Eltern? War Shoyo ein Waisenkind oder scherten sich seine Alten etwa einen Dreck um ihn? Allein bei dem Gedanken wurde Tobio schon speiübel. Ausgerechnet jetzt musste er an seine „Familie“ denken, sofern man sie so nennen konnte. Ja, er hasste sie regelrecht. Aber das tat gerade nichts zur Sache. Shoyo ging es schlecht und das wurde dem Schwarzhaarigen mehr als bewusst. Gleichzeitig fiel Tobio auf, dass er die letzten Tage generell viel zu oft an den Jüngeren dachte. Er sorgte sich definitiv zu oft um ihn. Es war ewig her, dass Tobio sich Gedanken über eine einzelne Person machte. Es war schon surreal. Es war seit der Auseinandersetzung mit Wakatoshi, seitdem er sich aus irgendeinem Grund für den Kleineren verantwortlich fühlte. Ihn schützen musste. Es kam tief aus einem Innern und das behagte dem Schwarzhaarigen überhaupt nicht. Seit er hier angekommen war, hatte sich so vieles in seinem Leben verändert. Während der Schwarzhaarige weiterhin in seinen Gedanken vertieft war, klopfte es kurz an der Tür und Herr Ukai Senior betrat das Zimmer.   „Hey Jungchen, warum zu später Stunde noch wach?“   „Herr Ukai!“, sofort sprang Tobio vom Bett auf.   „Hey beruhig dich. Ich dachte nur, ich frag mal nach, ob alles in Ordnung ist, da du noch nicht im Bett bist“, kam es von dem Senior, der daraufhin gegenüber von Tobios Bett Platz nahm.   „Ach, alles gut. Heute ist einfach nicht mein Tag…“, seufzte der Schwarzhaarige und nahm wieder am Bettrand Platz, ehe er sich rückwärts auf die Matratze fallen ließ. Gedankenversunken starrte Tobio die Decke über sich an.   „Hm, ich verstehe…“, der alte Mann widmete währenddessen seine Aufmerksamkeit seinem Gehstock, den er bei sich trug. Seit der Ältere in Reha gewesen war, war er auf das Hilfsmittel angewiesen.   „Hör mal, ich bin eigentlich noch wegen etwas anderem hergekommen. Ich fahre kommendes Wochenende nach Tokio. Ich geh alte Kollegen im Polizeipräsidium besuchen. Vielleicht hast du Lust mich zu begleiten. Immerhin könntest du währenddessen sein Grab besuchen. Das letzte Mal warst du glaub ich vor zwei Jahren dort, oder?“   Sofort hielt Tobio inne und setzte sich auf. Seine Augen weiteten sich, ehe er einen Blick auf den Kalender richtete, der neben seinem Bett an der Wand hing. Sofort blieb sein Herz stehen, als er das Datum sah. Tatsächlich – am kommenden Sonntag ist der 15. September. Toorus Todestag. Verdammt. War die Tragödie nun schon ganze drei Jahre her? Es stimmte, er war zwar damals auf der Beerdigung gewesen. Aber er konnte sich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, nicht mehr an den Tagesablauf erinnern. Er war zwar körperlich anwesend gewesen, allerdings stand er damals noch komplett neben sich. Der Ältere bemerkte die Eiseskälte, die von seinem Gegenüber ausging und räusperte sich kurz.   „Du musst dich nicht direkt entscheiden, denk einfach mal drüber nach. Aber nach allem wäre es, denk ich, ein guter Abschied. Immerhin hast du in ein neues Leben gefunden, vielleicht willst du es ihm ja persönlich mitteilen. Wenn es dir lieber ist, kannst du auch gern einen Freund fragen, ob er dich begleitet.“, nach diesen Worten erhob sich der ältere Ukai und schritt zur Tür, ehe er die Klinke in die Hand nahm.   „Er wäre stolz auf dich, Tobio… Sag mir einfach bis Morgenabend Bescheid, ob du mitfahren willst, ja?“, dann fiel auch schon die Tür ins Schloss. Es waren Worte, die eine spezielle Nachwirkung mit sich zogen.   Der Angesprochene saß auf seinem Bett und starrte ins Leere. Drei Jahre. Ganze drei Jahre war nun alles schon her. Nachdenklich fuhr sich Tobio durchs Gesicht und widmete seine Aufmerksamkeit dem Nachtschränkchen. Vorsichtig öffnete er die Schublade und holte sein Notizbuch hervor. Zuvor legte er sich zurück ins Bett und ließ sich in die Kissen fallen. Dann blätterte er die Seiten einzeln durch. Sah sich jede Zeichnung im Detail nochmal an. Tiere, Pflanzen, Naturbilder. Danach griff er nach dem Bilderrahmen, in dessen Innern sich die Zeichnung von Tooru befand. Wie der Brünette am Kaffeetisch saß und nach draußen schaute. Es war das einzige Portrait, das in diesem Notizbuch vorher enthalten war. Seufzend ließ Tobio seine Fingerkuppen über die Zeichnung wandern. Sie bedeute ihm viel – auch heute noch. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Sollte er tatsächlich an jenen Ort zurückkehren? Was geschah, wenn er wieder in ein Tief fallen sollte? Tobio fühlte sich hin und her gerissen. Nachdenklich klappte er daraufhin das Buch zu, legte es zurück in die Schublade und widmete sich wieder dem Bilderrahmen. Dann schmiegte er den Gegenstand an seine Brust, während er wieder aus dem Fenster sah. Seine Gedanken kreisten.   Es wäre der erste richtige Todestag, den Tobio nun in der Realität wahrnehmen würde. Die vorherigen beiden Todestage verbrachte er auf der Straße, zudem er damals auch Raum und Zeit nicht mehr realisiert und komplett in seiner eigenen Scheinwelt gelebt hatte. Wenn Tobio so darüber nachdachte, klang das alles mehr als fernab der heutigen Zeit. Was soll er tun? Soll er sich tatsächlich jetzt schon seiner Vergangenheit stellen?   Zudem Ukai ihm die Wahl ließ, ob er einen Freund mitnehmen will oder nicht. Wer käme da überhaupt in Frage? Mit wem sollte er sein Geheimnis teilen? Wenn Tobio ehrlich zu sich selbst war, gab es derzeit nur eine einzige Person, die er fragen könnte. Und dann stand der Schwarzhaarige auch schon vor dem nächsten Dilemma. Wie soll er sie am besten darauf ansprechen?   Seufzend fuhr sich Tobio daraufhin an die Stirn. Er konnte sich das ganze Szenario jetzt schon in seinem Kopf ausmalen und es würde in einem Chaos enden, dessen war er sich bewusst.   „Owei… das kann ja heiter werden…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)