Halloween in Atlantis von Chai-Cherry-Tea ================================================================================ Kapitel 2: Rodney [DieLadi] --------------------------- Als Rodney McKay an jenem Dienstag Morgen erwachte - oder war es ein Freitag? Er war sich nicht sicher. Da er nahezu immer arbeitete, auch an jenen Tagen, an denen er eigentlich frei gehabt hätte, war er mit den Tagen schon seit langem durcheinander gekommen. Und als man auf Atlantis in der Pegasusgalaxie den zweiten Freitag eingeführt hatte, war die Sache hoffnungslos geworden. Nun, hier auf der Erde hatten sich zwar die Wochentage normalisiert, aber Rodneys Arbeitsrhythmus war noch immer so verrückt wie vorher, und daher war er sich wahrhaftig nicht sicher, ob es Dienstag oder Freitag war. Seinethalben gar Sonntag. Nun, wie auch immer, als er erwachte, fühlte er eine dunkle Schwere auf sich lasten, die er sich erst einmal nicht erklären konnte. Schlaf war etwas, was in Rodneys Leben keine allzu große Rolle spielte. Atlantis war, ungeachtet der Tatsache, dass sich diese wunderbare Stadt nun auf der Erde befand, immer noch eine Quelle des Wissens und der Inspiration, ein köstliches Buffet für wissenschaftliche Neugier und Forscherdrang. Und davon hatte Rodney mehr, als gut für ihn war. Ein Tag konnte nicht genug Stunden haben, um seinem Wissensdurst zu fröhnen. Und so blieb er auch hier, wo Atlantis nun auf den Wellen des Atlantik schaukelte, nun ja, genau genommen schaukelte sie nicht, sondern lag stabil... Also jedenfalls, er blieb auch hier länger in seinen Labors, als jeder seiner Mitarbeiter. Er ging erst dann in sein Bett, wenn er sich überhaupt nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Oder wenn einer seiner Kollegen es nicht mehr mit ansehen konnte und ihn regelrecht in seine Kabine schleifte. Oft genug war das auch Jennifer. Jennifer, die ihn zu seinem größten Erstaunen immer noch liebte, und zwar genauso wie er war. Und die er deswegen zutiefst verehrte und bewunderte. Da er nun aber oftmals erst zu Zeiten schlafen ging, wenn andere schon tief und fest im sanften Reich der Träume ruhten, war das Aufstehen am nächsten Morgen im Allgemeinen etwas, was er gerade zu hasste und verabscheute. Das hielt ihn zwar nicht davon ab, früher als jeder andere im Labor zu sein. Aber der Augenblick, wenn sein Wecker klingelte war etwas, was für ihn dem Fegefeuer gleich kam. Schon manch einer seiner Wecker hatte sein mechanisches oder digitales Leben lassen müssen, als er krachend an einer Wand zerschellte. Schon manch einer, der Rodney versucht hatte, sanft und freundlich zu wecken, hatte erschrocken feststellen müssen, dass das nichts daran änderte, das Rodney kurz nach dem Aufwachen vom Modus grummeliger Troll bis zum Modus feuerspeiender Drachen nur Sekunden brauchte, und dabei weder Freunde noch Verwandte kannte. Jeder der sich ihm in diesen Zeiten in den Weg stellte, hatte, wenn auch nicht körperlichen, so doch seelischen blutenden Wunden zu rechnen. Jennifer war klug genug, grundsätzlich später aufzustehen als er, denn seine Liebe zu ihr hielt ihn davon ab, sie aus dem wohlverdienten Schlaf zu reißen. Als er nun also an diesem was - auch - immer - es - nun - für - ein- Wochentag sein mochte erwachte, war die Tatsache, dass er sich schrecklich fühlte, erst einmal nicht ungewöhnlich. Was ungewöhnlich war, war aber der Umstand, dass Jennifer nicht neben ihm im Bett lag. Und auch sonst nicht in der Wohnung zu sein schien, denn er hörte nicht ihr leises Summen, dass sie manchmal von sich gab, wenn Sie ihre Sinne der ersten morgendlichen Tasse Kaffee hingab, denn im Gegensatz zu Rodney war sie in der Lage, die Morgenstunden zu genießen. Jennifer war nicht da, und das war äußerst ungewöhnlich. Für Rodney, der sich an ihre Gegenwart in einem Ausmaß gewöhnt hatte, das ihn selber erstaunte, war ihr Fehlen sogar beunruhigend. Es könnte bedeuten, dass ein medizinischer Notfall vorlag, zudem sie als die immer noch amtierende Oberärztin der Stadt hinzugerufen worden wäre. Doch nein, er hatte keinen Kuss gespürt. Und wann immer Jennifer des Nachts durch solche Dinge von seiner Seite fortgerissen worden war, hatte sie ihm einen sanften Kuss auf die Stirn gesetzt. Er hatte dabei gebrummt und geknurrt, es jedoch insgeheim genossen. Einen solchen Kuss hatte es heute Nacht nicht gegeben, also musste etwas anderes der Grund sein, dass Jennifer nicht da war. Rodney versuchte, sich umzuschauen, und stellte fest, dass alles um ihn herum finster war. Erschrocken fuhr er aus dem Bett hoch. Finsternis - das war etwas, was es in Atlantis so nicht gab, irgendwo war immer ein sanftes Licht. Selbst in ihrem Schlafzimmer gab es diese eine Wand, die einfach leuchtete. Ganz wenig nur, ganz tief gedimmt, und doch: Er kontrollierte so vieles in dieser Stadt mit reiner Willenskraft, doch diese eine Wand konnte er nicht zum Verdunkeln bringen. Doch jetzt war sie einfach dunkel. Tiefschwarz. Rodney spürte, wie sein Herz schneller klopfte, wie sein Atem schneller lief. Eine klassische Angstreaktion, denn auch wenn Rodney Medizin für nichts anderes als modernes Voodoo hielt, war er sich doch der wissenschaftlichen Vorgänge in seinem Körper bewusst. Adrenalin und Noradrenalin und so weiter... Dieses Wissen änderte aber nichts daran dass er sich in diesem Augenblick schrecklich zu fürchten begann. Er tastete auf seinem Nachtschränkchen nach seinem Intercom. Seine Finger fanden es. Nun, wenigstens das. Er klemmte es sich hinter das Ohr, tippte darauf und sprach: "Jennifer?" Doch er bekam keine Antwort. "Hier spricht McCay, Sheppard hören sie mich?" Wieder nichts. "Carson?" "Teyla?" "Conan?" (Er konnte selbst jetzt nicht anders, als den großen Satedaner mit seinem Spottnamen anzusprechen.) Panisch öffnete er den All Over Kanal, den normalerweise jedermann in der Stadt hörte. "Hallo? Hier spricht McKay. Hört mich irgendjemand?" Stille. "Irgendjemand? Hallo?" Rodney zitterte. 'Okay, McKay', sagte er zu sich selbst. 'Bleib ganz ruhig. Es ist sicher nichts Schlimmes passiert, vermutlich haben wir nur einen Stromausfall, der auch die Kommunikation lahmlegt.' Das gedacht zu haben war jedoch keine gute Idee, denn sofort sprang sein Gehirn darauf an: 'Und warum haben wir Stromausfall? Ist wieder ein Sturm über die Stadt hereingebrochen? Oder die Wraith? Oder Kolja...? Oh Gott oh Gott oh Gott ...' Nachdem er eine Weile hyperventiliert hatte, versetzte er sich selbst eine schallende Ohrfeige. 'Verdammt noch mal, McKay!', hörte er John Sheppards Stimme in seinem Kopf. 'Jetzt reißen Sie sich zusammen!' Das schien zu wirken. Jedenfalls ein bisschen. Er atmete tief durch und streckte die Beine aus dem Bett. Vorsichtig tastete er mit den Füßen nach dem kleinen flauschigen Bettvorleger, der dort liegen musste. Ja, der war tatsächlich da. Er rappelte sich in die Höhe und stand nun unsicher in ihrem Schlafzimmer. Gut, sagte er zu sich selbst, wenige Schritte nach rechts, dort ist die Tür zum Wohnraum. Und weil Jennifer im Gegensatz zu ihm selbst in ihrem Quartier immer für eine gewisse Grundordnung sorgte, war nicht zu erwarten, dass hier irgendwelche Dinge herum lagen, über die er stolpern konnte. Also tastete er sich Schritt für Schritt zu besagter hat Tür vor. Er erreichte sie und öffnete sie. Im Wohnzimmer schien ist genauso dunkel zu sein. Auch hier kein einziges Licht, nicht der winzigste Schimmer. Selbst aus den großen gläsernen Fenstern, die hoch oben in der Stadt einen wunderbaren Blick auf den Ozean gewährten, war nichts zu sehen: Weder die fernen Lichter von San Francisco, noch Sterne am Himmel oder die Positionslichter eines in der Ferne vorüber fahrenden Schiffes. Was zum Teufel ging hier vor? Blitzschnell arbeitete nun Rodney Gehirn. In irrer Hochgeschwindigkeit feuerten seine Synapsen: Viele viele Gedanken, panische Gedanken zuerst, alles überwältigende Angst. Doch dann nach und nach nahm sein analytischer Geist die Sache in die Hand. Die beruhigende Stimme John Sheppards, die dabei in seinem Hinterkopf erklang, trug das ihre dazu bei, ihn ein klein wenig aus seiner Panik zu reißen. Was also würde John tun, dachte er sich. Licht. Er brauchte Licht. Aber wo zum Teufel sollte er Licht herbekommen? Sein Intercom. Nichts hatte daran geleuchtet. Die kleinen Dioden, die normalerweise anzeigten, welchen Kanal man benutzte, wie hoch die Lautstärke eingestellt war und so weiter. Rodney versuchte es trotzdem. Normalerweise hatte dieses Intercom eine kleine Kopflampe. Wie zu erwarten war, funktionierte die nicht. Er tastete im Zimmer umher. Keiner der Lichtschalter funktionierte. Normalerweise wurden diese kaum benutzt, da hier, in seinem Quartier, alles auf seine und Jennifers Gehirnströme geprägt war, und so schier durch Willenskraft funktionierte. Aber heute ging nichts. Was nun? Vermutlich würde es in der Küche auch nicht anders aussehen. Und selbst wenn er sich bis dorthin vortasten würde, die Küche war etwas, das er und Jennifer so gut wie nie benutzten, und von dem er eigentlich nicht verstand, dass die Quartiere hier auf Atlantis so etwas besaßen. Nun, er hatte jedenfalls nicht die geringste Ahnung, wo er dort Streichhölzer finden sollte ... Gab es hier so etwas überhaupt? Oder eine Taschenlampe, oder was auch immer. Atlantis war das modernste, was man sich überhaupt vorstellen konnte. Die größten Geister, die in diesem und dem so fernen Pegasus- Universum jemals gelebt hatten, hatten sie erschaffen. Und doch war er nun an einem Punkt, wo nichts funktionierte, nicht einmal die Türen glitten von alleine auf, man musste sie von Hand betätigen. Er fühlte sich einfach hilflos. Dann fiel ihm der Leuchtstern ein. Leuchtsterne waren Wesen, die in den Tiefen der Ozeane das Planeten gelebt hatten, auf dem sich Atlantis zuvor befunden hatte. Sie lebten in in höchstem Wasserdruck und tiefster Finsternis. Ganz ähnlich, wie es auch auf der Erde Tiefseelebewesen gab. In dieser Finsternis lebten Tiere, die, wiederum ganz ähnlich, ein natürliches, biologisches Leuchtmittel erschaffen hatten, mit dem sie funkelten und glühten und somit Fressfeinde vertrieben, und Beute anlockten. Einen solchen Leuchtstern hatte John Sheppard ihm und Jennifer zur Hochzeit geschenkt. Er hatte mithilfe von Antikertechnik und zugegebenermaßen mit sehr viel Hilfe von Zelenka einen Kanister geschaffen, der den Druck erzeugte, den der Leuchtstern brauchte, und der diesem exotischen Wesen durch Schwingungen, die der Gedankenbeeinflussungstechnik der Wraith gar nicht unähnlich waren, Finsternis vorgaukeln. Dieser Leuchtstern war ein biologisches Wesen. Und was immer hier passiert war, Stromausfall oder feindlicher Angriff, ihn würde man nicht ausschalten können. Es sei denn man tötete ihn natürlich, aber darüber wollte Rodney jetzt nicht nachdenken, denn das seltsame Wesen war ihm erstaunlicherweise ans Herz gewachsen. Also tastete er sich in Richtung Badezimmer. Bevor er die Tür zum Bad öffnete, blieb er jedoch wie angewurzelt stehen. Die Schwingungen. Wenn sie es nun waren, wenn sie irgendwie der Schutzhülle des Kanisters entkommen waren und nun ihm Finsternis vorgaukelten...? Er atmete erneut tief durch. Er würde es gleich sehen. Denn wenn das zuträfe, würde er auch den Leuchtstern nicht erblicken können. Mutig und panisch zugleich stieß er also die Tür zum wunderschönen Badezimmer auf. Und zu seiner größten Erleichterung sah er einen leichten Lichtschimmer, als er vorsichtig hinein blickte. Er öffnete die Augen weit, und da sah er es. Das zarte, durchschimmernde Wesen, wie es im Kanister hin und her schwamm und leuchtete. Glitzerte, funkelte, Lichtstrahlen um sich warf. Es war da, und es war nicht finster. McKay atmete tief und erleichtert aus. Der Kanister war nicht groß, so dass er ihn gut mit beiden Händen packen und vor sich her tragen konnte. Er würde ihm nun als Lichtquelle dienen, und er würde sich damit Schritt für Schritt durch die Wohnung wagen. Hinaus auf den Flur. Und dann weiter in die Stadt hinein. Um herauszufinden was eigentlich los war. Irgendwo mussten ja schließlich die anderen sein, irgendjemanden musste er doch auftreiben können. Und Jennifer. Er musste Jennifer finden. Es zerriss ihm das Herz, wenn er daran dachte, dass er sie vielleicht nicht finden würde... Nein. Er musste Jennifer finden. Einsam, Schritt für Schritt, ging er zurück ins Wohnzimmer. Zwar funkelte der Leuchtstern wunderschön, aber der Lichtkreis, den er um sich warf, war nicht besonders groß. Die Finsternis hier schien besonders dick und schwer zu sein, wie eine dickliche Suppe, in der der Löffel stecken bleibt. Rodney schauderte es. Und irgendwie, das war ihm vorher gar nicht so aufgefallen, irgendwie fühlte der Boden sich glitschig an. Er beschloss, darüber vorerst nicht nachzudenken. Er tastete sich langsam voran, bis er an der Ausgangstür ihres Quartiers stand. Wieder ein tiefes Durchatmen, dann stieß er sie auf. Auch draußen herrschte Finsternis. Sein Leuchtstern schenkt ihm auch hier nur wenige Zentimeter um ihn herum ein wenig Licht. Doch es reichte, um Fuß vor Fuß vorwärts zu kommen. Wenngleich es ihn erstaunte, dass er nicht gegen eine Wand stieß, denn so groß und breit hatte er die Korridore auf Atlantis nicht in Erinnerung. Schließlich blieb sein Fuß an irgendetwas hängen, was auch immer es war. Es fühlte sich an wie ein glitschiger runter knorpeliger Knubbel im ebenso glitschigen Boden. Rodney schluckte. Dennoch kniete er zu Boden, und tastete das seltsame Ding ab. Es schien mit dem restlichen Boden zu verwachsen, oder um genau zu sein, es schien ein Auswuchs dessen zu sein. Es fühlte sich... fischig an. Er drückte ein wenig zu und irgendetwas schien sich zu tun. Bewegung kam in den kompletten Untergrund und irgendwie begannen nun die Wände um ihn herum zu schimmern... Aber es waren nicht die Wände, wie er sie erwartet hätte. Wände der Stadt Atlantis. Oder überhaupt irgend eines Gebäudes. Es war eher etwas biologisches. Und dieses was auch immer es war, biologische, begann nun auch zu schimmern. Es schien auf den Leuchtstern zu reagieren. Und Rodney erinnerte sich dunkel daran. Diese Tiefwassertiere reagierten aufeinander. Wenn eins auf ein anderes traf, das leuchtete, wurde auch des ersten Tieres Biolumineszenz aktiviert. Selbst dann, wenn dieses Tier sie sonst nicht nutzte. Sie kommunizierten so miteinander. Aber... Rodney zitterte. Der Atem stockte ihm. Ihm wurde schlecht, als ihm klar wurde was das bedeutete. Wenn dieses glitschige Zeug um ihn herum, dass nun mit Biolumineszenz leuchtete, ein Tier war, dann hieß das ja- Dass er sich in diesem Tier befand ... Das hieß ja ... Dass dieses Tier ... Ihn verschluckt hatte ... Gefressen ... Oh Gott. Und es würde ihn langsam verdauen ... Und so groß wie es war, entsprach es dem Wal aus seinem Albtraum, den er seit Kindertagen hatte ... Er war von einem Wal gefressen worden ... Rodneys Finger krallten sich verzweifelt in den seltsamen Knubbel am Boden, und so sehr er auch versuchte zu beruhigen, und so sehr er sich nach John Sheppards beruhigender, befehlender Stimme sehnte oder nach Jennifers zärtlichen Worten ... Es gelang ihm nicht, diese in seinem Kopf zu hören. Was er hörte waren Schreie. Laute Schreie, verzweifelte Schreie. Es waren seine eigenen Schreie, die in seinen Ohren gellten. ------- Todd sah zufrieden auf vor seinem inneren Auge den im Schlaf wild um sich schlagenden McKay. Es war ein glücklicher Zufall gewesen, dass die Ärztin, die sich mit McKay eine Behausung teilte, Dienst hatte, als ihm die Idee gekommen war, dass McKay sein nächstes Halloweenspielzeug sein sollte. Dass ihm die Sache mit dem Wal eingefallen war, bereitet ihm großes Vergnügen. Nun, er würde McKay noch eine Weile in seinem Traum lassen, im Magen das Wals, bevor er ihn dann doch irgendwann wecken würde. Ob McKay sauer sein würde? Sicher, McKay war immer sauer. Jedenfalls auf ihn. Aber er würde es verstehen, denn immerhin war ja Halloween, und da erschreckte man sich nun einmal gegenseitig, so hatte es das Buch,dass er von Wolsey bekommen hatte, erklärt. Todd stützte sein Gesicht mit dem nicht gerade menschlichen, aber irgendwie un-Wraith-haften Grinsen in seine Hände, und schaute Rodney weiterhin zufrieden bei seinen Albträumen zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)