Eine Geschichte ohne Ende von phean (Kleiner Engel lerne fliegen) ================================================================================ Kapitel 7: Schlaflose Nächte ---------------------------- Eng in ihre Bettdecke gekuschelt starrte Hikari vor sich hin. Mit einer Hand hielt sie die Decke fest, während sie mit den Fingern der anderen über ihre Lippen fuhr. Ihr gesamter Körper kribbelte bei dem Gedanken an diesen Augenblick. Es war einfach passiert. Ein kleiner Teil fühlte sich schuldig, doch der andere sehnte sich nach einer Wiederholung. Wie hatte sie je denken können, dass sie ihn vergessen könnte? Das war unmöglich, vor allem wenn er ihre Erinnerungen wieder derart auffrischte. Leicht zuckte die Brünette zusammen, als sie eine Bewegung hinter sich bemerkte. Sie blickte über ihre Schulter, sah aber den anderen mit offenem Mund und zufrieden lächelnd schlafen. Er murmelte vor sich hin, gab aber sonst keinen Laut von sich, das ihn als wirklich wach identifizieren ließ. Erleichtert seufzte sie, ehe die Gedanken zurückkamen und das Gefühl seiner Lippen. Leise erhob sie sich und schlich auf leisen Sohlen durch das Zimmer und schließlich durch die Tür hinaus. Behutsam schloss sie diese hinter sich. Im vorbeigehen nahm sie sich ihr Handy und setzte sich damit auf die Couch. Sie zog sich eine der Kuscheldecken zu sich heran und machte es sich gemütlich, während sie erneut einige Zeit aus dem Fenster starrte. Erst dann blickte sie auf das Display in ihren Händen. Sie drückte auf den Knopf und schob das Bild von Gatomon mit der Pfeife beiseite, sodass sie es entsperren konnte. Ihre Finger glitten wie von selbst zu einem Ordner, der versteckt unter allen Alben in der Galerie war und tippte darauf. Das Vorschaubild war irrenführen, der Ordnername „ouat“ verriet etwas, sofern man wusste, wofür es stand. „Bitteeeee ... nur noch eine Folge ...“, quengelte Hikari und versuchte an die Fernbedienung zu kommen. Leider machte es Takeru nur allzu geschickt und lehnte sich auf dem Sofa immer weiter weg von ihr nach hinten. Bald schon musste sie über ihn krabbeln, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben. „Du hast gesagt, du möchtest nicht so spät ins Bett, weil du so früh raus musst ... also nein ... es gibt keine Folge mehr“, erinnerte er die Jüngere. „Aber ...“, ihr Mund verzog sich schmollend, während sie noch immer halb auf ihm lag. Eine Hand streckte sich nach seiner mit der Fernbedienung ab, mit der anderen stützte sie sich an seiner Schulter ab, um ihn dadurch auch daran zu hindern, weiter von ihr wegzurutschen. Fast kam sie auch schon ran, ihr Gesicht nun verbissen darauf aus, sie sich zu schnappen. Da schnappte er allerdings die Brünette. Sein Arm legte sich um ihre Mitte und zog sie ruckartig hinunter. Ihr Kopf ging neben seinem nieder und ein überraschter Laut drang aus ihrem Mund. Schon im nächsten Moment schmiegte er seine Wange an sie und auch Hikari hielt inne und schloss die Augen. Sie erwiderte es und kuschelte sich an ihn. „Morgen nach deinem Termin schauen wir weiter, ja?“, murmelte er versöhnlich und sah zur Seite. Die Jüngere hob ihren Kopf an und sah ihm in die strahlend blauen Augen, die sie so liebte, „wenn nicht, dann werde ich sauer!“, drohte sie und erntete ein herzliches Lachen. Der Blick der Yagami wurde trauriger, je länger sie die vier Buchstaben betratete. Once Upon a Time. Schnell biss sie sich auf die Unterlippe, damit ihr nicht die Tränen hochstiegen und sie sich an die langen Seriennächte erinnerte. Nein, aber dafür erinnerte sie sich jetzt wieder an den Kuss. Als sie das bemerkte, zuckte sie zusammen und fuhr sich reflexartig über die Unterlippe. Als sie die Finger hob, erkannte sie, dass sie sich aufgebissen hatte. Seufzend fuhr sie mit ihrer Zunge darüber, während Hikari gedankenverloren den Ordner öffnete, der zu Beginn – um jedweden zu verwirren – tatsächlich Bilder der Serie zeigte. Doch schon kurz darauf erschienen die Bilder von Takeru und ihr. Wie sie gemeinsam in die Kamera lächelten. Am Strand. Beim shoppen. Bei Schulausflügen. Vor dem Kino. Beim Essen. Im Vergnügungspark. Am See. Der Ordner war gewaltig. Es gab viel mehr Bilder von ihnen beiden als von Daisuke und ihr. Dieser Umstand hatte sie jedoch nie gestört. Es war einfach so und wurde von ihr nie näher hinterfragt. Der Brünette hatte zwar noch mehr Bilder von ihnen beiden auf dem Handy, doch allzuviele waren das auch nicht. Mit müdem Blick betrachtete Hikari ein Bild nach dem anderen. Bis auf einmal eine Nachricht aufleuchtete. Sie schob sich für einen Augenblick von oben in ihren Bildschirm, dann verschwand sie und das Symbol der App blieb oben zurück. Doch es reichte aus, dass sie erstarrte. Ihre Finger begannen zu zittern, als sie eine Wischbewegung machte und erneut seinen Namen las. Daneben schien das aktuelle Profilbild zu sein, mit dem er sich präsentierte. Darauf strahlte er in die Kamera, trug einen Hut und ein Hemd mit einer Weste darüber. Die Brünette biss sich wieder fester, denn das Bild sah verdammt gut aus. Dieser Gedanke erschreckte sie ebenso stark wie er nach Sehnsucht schrie. Ihr Daumen zitterte über dem Feld mit seinem Chat. Ein Zeichen zeigte ihr, dass dort eine ungelesene Nachricht auf sie wartete. Den Anfang davon konnte sie bereits sehen. Tief holte Hikari Luft, sollte er die App offen haben, müsste er sehen, dass sie online war. Es gab ihr ein komisches Gefühl, zu wissen, dass sie beide noch die gleiche Nummer hatten und einander nicht gelöscht. Irgendetwas in ihr hatte damals gesagt ‚nein‘. Sein Chat war in der Zeit immer weiter hinunter gerutscht, sodass sie ihn irgendwann aus dem Blick verloren hatte, weil sie nie so weit hinunter scrollte. Sie hatten aufgehört, sich zu schreiben. Tief atmete Hikari durch als sie darauf tippte. Zuerst fiel ihr das Datum der letzten Nachricht auf, sie war mehrere Jahre alt. ‚Egal was passiert – ich liebe dich!‘ Die Brünette schüttelte ihren Kopf und sah auf die neue Nachricht, die den Bildschirm deutlich mehr einnahm. Zunächst waren die Worte noch verschwommen, weil sie sich nicht direkt darauf fokussierte. Doch sie sollte es wohl. Takeru, 02:48 Vermutlich hätte ich mich ankündigen sollen. Aber irgendwie war dafür keine Zeit und noch viel wichtiger, ich wusste nicht, wie ich das machen sollte. Dabei hast du mich vermutlich genauso sehr überrascht, wie ich dich. Trotz allem ist es schön, dich wiederzusehen, wieder mit dir sprechen zu können. Du hast einen neuen Weg eingeschlagen, vermutlich einen, bei dem du Sicherheit verspürst. Ich hätte niemals erwarten können, dass du auf mich wartest, auch wenn ein kleiner Teil es sich gewünscht hätte. Immerhin wusste auch ich nicht, was die Zukunft mir bringt. Es tat trotzdem weh, dich mit ihm zu sehen. Auch wenn es falsch ist, er ist mein Freund. Und trotzdem ... Nie hat sich etwas so richtig angefühlt, wie heute Abend! Hikaris Magen zog sich zusammen und ein Kloß setzte sich iihr bei seinen Worten in den Hals. Er wusste genau, in welche Lage er sie brachte. Denn Takeru wusste, wie es ihr ging. Er wusste, dass sie ebenso empfand. Immerhin hatte sie ihn nicht direkt von sich gestoßen. Die Jüngere hatte den Kuss erwidert, obwohl sie ihn danach ruckartig beendet hatte. Das, was er geschrieben hatte, zeigte ihr das Gefühlschaos, in dem auch sie sich befand. Sie beide waren in ihren Emotionen verstrickt und konnte nicht damit umgehen. Es war schwer zu beschreiben. Tief atmete Hikari durch, bevor sie in das Textfeld tippte, um eine Antwort zu verfassen. Immer wieder sah sie dabei zur Tür zum Schlafzimmer und dann aus dem Fenster. Dahinter sah sie die Lichter der Stadt, die zwar nur noch vereinzelt brannten, aber sie waren da. Hikari, 03:02 Ich weiß nicht, ob es das einfacher gemacht hätte ... Egal wie, die Zeit ist nicht stehen geblieben und das wird sie auch nie. Alles geht seinen Lauf, also wäre es in jedem Fall seltsam gewesen. Sie hielt inne. Ihr Herz sprang im Viereck. Prompt begann Hikari auf ihrem Daumennagel zu kauen. Doch schon nach kurzem besann sie sich eines besseren und tippte weiter. Es war unfair, dass er von Warten sprach, denn es war nichts in der Richtung zu lesen gewesen. Die Gespräche und Nachrichten hatten mit der Zeit abgenommen. Statt schier jede Stunde, nur noch jeden Tag, jeden zweiten, zweimal die Woche, einmal alle zwei Wochen, einmal im Monat ... zum Geburtstag ... Hikari, 03:03 Die Zukunft ist unbestimmt. Niemand hatte gesagt, dass Warten eine Option ist, zumal die Dauer unbestimmt wäre. Also sag so etwas nicht so einfach ... Hikari, 03:03 Wenn er dein Freund ist, hättest du das nicht getan! Takeru, 03:03 Wenn er dein Verlobter ist, hättest du das nicht erwidert ... Hikari zuckte zusammen, als sie auf ihre Nachricht seine Antwort sah, hatte sie nicht auf ihren Nagel gebissen, sondern auf den gesamten Daumen. Natürlich ... Und doch, hatte es sich auch für sie richtig angefühlt. Als hätte sie das zurück, was sie vermisst hatte, was sie schon immer gewollt hatte. Ihn. Nie hatte Hikari sich jemand anderen an ihrer Seite gewünscht. Jetzt war es Daisuke, der diese Position inne hatte. Hikari, 03:10 Das sagt wohl alles ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)