Champ Stories von Platan (Band 1: Endynalos) ================================================================================ Kapitel 6: Das Original ist tausendmal besser --------------------------------------------- Raelene lebte zwar immer noch bei ihrer Mutter, verbrachte die meisten Nächte aber oft draußen. Camping war, seit ihrer eigenen Arena-Challenge damals, zu einer Leidenschaft für sie geworden. Nur selten nahm sie sich ein Hotelzimmer, wenn sie, aufgrund von Terminen, in anderen Städten übernachten musste. Kurz vor und nach dem Champ-Cup machte sie in der Regel eine Ausnahme, weil sie ihren Pokémon und sich selbst diesen zivilisierten Komfort gönnen wollte, um für den großen Kampf bestmöglich ausgeruht zu sein und sich danach entsprechend erholen zu können. Seit Raelene und Delion sich vorgestern irgendwann – sehr zum Leidwesen der beiden – voneinander loseisen und vorerst wieder trennen mussten, hatte sie ausnahmsweise bei sich zu Hause übernachtet. Auf diese Weise hatte Azurill direkt ihre Mutter und Mampfaxo kennenlernen können, denn sie waren nun eine Familie und dieser Ort war somit auch die Heimat von der Kleinen geworden. Außerdem könnte Delion sie dann einfach von dort abholen, zu ihrer nächsten Verabredung, die an diesem Tag stattfinden sollte. Ihre erste, richtige Verabredung! Vorgestern hatte Delion Raelene noch ganz vorbildlich mit Glurak zu Hause abgesetzt, wo daraufhin die vorläufige Verabschiedung gefolgt war. Dadurch war die Vorfreude auf ihr nächstes Wiedersehen immens gestiegen. Ob es Delion auch so ging? Falls Ja, dürfte er genauso froh sein wie sie, dass sie sich in wenigen Minuten endlich erneut in die Arme fallen könnten. Im Grunde war Raelene bereits von Natur aus ein Frühaufsteher, doch zu diesem Anlass war sie an diesem Tag sogar noch zeitiger auf den Beinen gewesen, damit sie sich ausreichend zurechtmachen konnte. Eine Sache, in die sie normalerweise nicht allzu viel Energie investierte. Letztendlich hatte sie aber nicht wirklich etwas anders gemacht als sonst, trotzdem hielt sich Raelene ungewöhnlich lange im Bad auf. Zwischendurch hatte ihre Mutter deswegen schon mehrmals nachgefragt, ob bei ihr alles in Ordnung sei, worauf Raelene jedes Mal mit einem fröhlichen „Jahaaa~“ antwortete. Wahrscheinlich war es gar nicht mal so schlecht, dass sie sich am Ende doch nicht so herausgeputzt hatte, da sie immerhin campen gehen und ihre Pokémon einander vertraut machen wollten. Bei so einem Vorhaben würde es nur stören, wenn Raelene auf ihre Kleidung oder andere Dingen achten müsste. Zumindest wäre sie dennoch vorzeigbar. Mittlerweile hatte sie ihr Haar so intensiv gekämmt, dass es sich wie Seide anfühlte. Wahrscheinlich hätte Raelene ewig verträumt so weitergemacht, wenn es nicht plötzlich laut und vernehmlich an der Tür geklopft hätte. Sofort hielt sie inne. Das musste er sein! Delion war da! Mehr als pünktlich! Aufgeregt ließ Raelene alles stehen und liegen, stürmte aus dem Bad heraus und rief laut „Ich gehe schon!“. Als sie auf dem Weg zur Haustür an ihrer Mutter vorbeikam, die ein vielsagendes Lächeln auf den Lippen trug, flüsterte Raelene ihr noch rasch zu „Bitte keine peinlichen Geschichten, Mama, ja?“, bevor sie zielstrebig weiterging. Am Ziel angekommen, atmete sie tief durch, strich mit den Händen erneut ihre Haare zurecht, nickte sich selbst zu und öffnete die Tür. Delion stand tatsächlich vor ihrer Tür, um sie abzuholen. Zu einer Verabredung! Und sein Lächeln steckte voller Glück, als schmelze ihm ebenso das Herz wie Raelene, schon während sie sich nur ansahen. Als ihr diese Gedanken innerhalb einer Sekunde durch den Kopf schossen, fing ihr Gesicht an zu strahlen. Alles war gut, sie hatte das nicht nur geträumt. „Hey, Rae~!“ „Hey~! Ich freu mich so, dich zu sehen!“ Zur Begrüßung umarmte Raelene ihn innig. „Du bist super pünktlich, also hast du den Weg hierher gefunden~.“ Er erwiderte die Umarmung sogleich. „Also, eigentlich hat Glurak den Weg gefunden. Du weißt ja, mein Orientierungssinn ist irgendwie nicht vorhanden.“ Sein Partner stand hinter ihm, nur wenige Meter entfernt, und nickte zufrieden, als er hörte, dass ihm das Lob galt. Wie oft Glurak Delion wohl dabei helfen musste, den richtigen Weg zu finden? Sie konnten sich beide glücklich schätzen, dass Delion dank Glurak immer an seinem Ziel ankam, besonders an diesem Tag, an dem es wirklich wichtig gewesen war. Jedenfalls für Raelene. Darum bedankte sie sich auch gleich herzlich bei Glurak dafür, dass er Delion geholfen hatte. Ohne seinen Partner hätte es sonst wohl doch später werden können. „Ich muss eben noch Wolly und Azurill wecken“, erklärte sie entschuldigend. „Die machen ein kleines Verdauungsschläfchen zusammen, im Wohnzimmer, mit Mampfaxo. Wollt ihr mit rein?“ Vielleicht wäre es ihnen lieber, eben draußen zu warten, deshalb überließ sie die Entscheidung besser Delion. Der warf einen kurzen Blick zu Glurak, von dem nur ein Brummen als Antwort kam. Dann sah er wieder Raelene an. „Ich komme gern rein. Glurak möchte draußen warten.“ Welchen Grund Glurak dafür auch haben mochte, Raelene respektierte das und trat nickend zur Seite, womit sie Delion signalisierte, dass er reinkommen durfte ... aber sie zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich ihre Mutter bei ihnen an der Tür stand, mit einem dieser unschuldig neugierigen Gesichtsausdrücke, den nur manche Eltern besaßen. „Heiliges Deponitox!“, stieß Raelene aus. „Mama, wann hast du dich denn angeschlichen?“ Das dunkelgrüne Haar ihrer Mutter war zu einem Dutt hochgebunden und ihre hellbraunen Augen musterten sie beide eingehend. Ähnlich wie bei Delions Familie, war ihre Haut recht gebräunt, anders als bei Raelene. Anscheinend kam sie mehr nach ihrem Vater, den sie aber nie kennengelernt hatte. Bei all den lieben Freunden, mit denen sie in Galar aufgewachsen war, hatte sie ihn jedoch nie ernsthaft vermisst. „Ich wollte unseren Gast nur begrüßen~“, flötete ihre Mutter munter, wobei sie Delion ansah und in die Hände klatschte. „Hallo, Delion! Schön, dich zu sehen. Und herzlichen Glückwunsch, dass ihr endlich zusammengefunden habt!“ Natürlich meinte ihre Mutter es nur gut, brachte Raelene damit aber etwas in Verlegenheit. Schützend legte sie eine Hand auf ihr Gesicht, schielte zwischen den Fingern hindurch aber zu Delion. Er lachte, selbst ein wenig verlegen, und legte sich eine Hand in den Nacken – eine Geste, die man in solchen Situationen scheinbar oft an ihm beobachten konnte, bemerkte Raelene. „Nun, es hat ja auch lange genug gedauert, nicht wahr?“, entgegnete Delion Eigentlich hatte Raelene ihrer Mutter kein Wort davon erzählt, wie der Stand zwischen Delion und ihr war – dafür wusste ihr engster Freundeskreis im Großen und Ganzen schon Bescheid. Deshalb war sie verwundert, wie ihre Mutter überhaupt von selbst darauf kam. Darüber sollte sie unbedingt mal mit ihr sprechen, sobald sie wieder die Gelegenheit dazu bekäme. Vorerst winkte Raelene aber nur hastig ab und bat Delion, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. Zum Glück hatten sie schon im Vorfeld geklärt, dass sie kein Geheimnis aus ihrer Beziehung machen würden, also dürfte Delion mit so etwas vielleicht schon gerechnet haben. Im Wohnzimmer lag Raelenes Wolly mitten ihm Raum herum, Mampfaxo hatte sich an sie angelehnt und nutzte sie so als eine Art flauschiges Kissen, während Azurill oben auf ihrem Rücken lag und ein bisschen in der dichten Wolle versank. Alle schliefen friedlich. Es gab wohl kaum einen schöneren Anblick als Pokémon, die sich gut miteinander verstanden und so friedlich zusammen sein konnten. An Delions Blick erkannte Raelene, dass auch er dieses Bild von Wolly, Mampfaxo und Azurill wirklich goldig fand. „Azurill wurde von meinen Pokémon schnell ins Herz geschlossen~“, berichtete sie Delion. „Wie lief es bei dir mit Pichu?“ Auf diese Frage musste er schmunzeln. „Pichu hat sich bei allen ins Herz geschlichen und Maxax hat ihn regelrecht vom Fleck weg adoptiert. Wenn ihn ein feindliches Pokémon nur ansieht, fängt Maxax an zu schnauben.“ Raelene gab einen entzückten Laut von sich. „Ich freu mich schon darauf, das zu sehen~.“ „Ich wecke die Kleinen auf“, schlug ihre Mutter vor, die ihnen – mehr oder weniger heimlich – ins Wohnzimmer gefolgt war. „Hol du doch mit Delion solange deinen Rucksack aus deinem Zimmer und sieh nach, ob du alles dabei hast.“ Moment, Raelene hatte ihr Zimmer noch gar nicht darauf vorbereiten können! All die Fan-Poster von Delion, ihre uralten Zeichnungen und das Merchandise ... obwohl ... es wäre vermutlich irgendwie nicht richtig, alles vorher passend zu präparieren. Zumal Delion nun wusste, wie sehr sie ihn bewunderte ... liebte ... und ihr Zimmer war an sich sowieso ordentlich – auch dank ihrer Mutter. Als Raelene ihm einen fragenden Blick zuwarf, nickte Delion. „Ich würde mich freuen.“ „O-okay.“ Raelene bat ihn, ihr zu folgen, während ihre Mutter mit sanfter Stimme und vorsichtigen Berührungen die Pokémon weckte. Zusammen mit Delion ging sie die Treppe hinauf und mit jedem Schritt erhitzte sich ihr Gesicht mehr und mehr. Wie würde er reagieren? Fände er es cool, dass sie ihn so verehrte? Oder eher unheimlich? Mist, da sind sie wieder, meine verdammten Gedankenkreise, die mich eines Tages noch ins Unglück stürzen werden. Vor ihrer Tür hielt Raelene an und räusperte sich, konnte dadurch aber nicht ihre Unsicherheit überspielen. „Ähm ... können wir uns darauf einigen, dass du am besten nichts sagst zu gewissen ... Sachen?“ Überrascht neigte Delion leicht den Kopf und sah sie blinzelnd an. Offenbar fragte er sich, ob ihr etwas in diesem Zimmer peinlich war und sie daher nicht darüber reden wollte, selbst wenn er es sah. Statt nachzuhaken, nahm er Rücksicht auf sie und versicherte, dass er schweigen würde – auch wenn er nicht wusste, weswegen genau. Dankbar öffnete Raelene anschließend die Tür, um ihn von der Spannung zu erlösen ... falls er überhaupt so aufgeregt war, wie sie glaubte. Wirklich mädchenhaft war ihr Zimmer nicht, wenn man von einigen wenigen Schönheitspflege-Produkten absah, die sie im Laufe der Jahre von ihrer Mutter oder einigen Fans geschenkt bekommen hatte. Das Hauptthema ihres Zimmers war vielmehr Delion gewidmet ... und natürlich Pokémon. Dementsprechend waren auch die Wände gestrichen worden: Die obere Hälfte war rot, die untere weiß und ein schwarzer Streifen zog sich durch die Mitte. Es hingen sehr viele Poster und sogar Plakate von Delion herum, an einer Pinnwand über ihrem Schreibtisch waren schlechte Zeichnungen von ihm. Dort lagen auch Zeitschriften mit Interviews oder Leitfäden für Pokémon-Trainer. Raelene las schon immer lieber so etwas, statt richtige Bücher. Merchandise wie eine Geldbörse mit Delion-Motiv besaß sie auch ... ein wenig peinlich war es schon. Wenigstens war ihr Bettbezug gerade nicht ebenfalls von ihm – aber auch so etwas war in ihrem Besitz. Neben einigen Plüschtieren und anderem alltäglichen Kram, war das Zimmer aber ansonsten ziemlich normal. Am liebsten mochte Raelene ihren flauschigen, schneeweißen Teppich, auf dem auch ihre Pokémon gerne herumlagen und oft einschliefen, sogar Wolly. Und die war selbst eigentlich schon eine wandelnde Flauschkugel. Raelene verschränkte die Arme hinter dem Rücken und lächelte Delion nervös an. „Und? Wie findest du es?“ Er wirkte ein bisschen überwältigt von all den Hochglanzpostern und Motiven von sich selbst, die er überall entdeckte, jedoch nicht unbedingt auf die positive Art. Beinahe schien er sogar eher betrübt zu sein, was man nur daran erkannte, dass seine Augen etwas an Glanz verloren. Dann vereinten sich auch noch verschiedene andere Emotionen in seiner Mimik zu einem Ausdruck, den Raelene nicht so recht deuten konnte. Zum einen schien er doch positiv überrascht zu sein, aber ein gewisser negativer Beigeschmack blieb bestehen. Zu gerne hätte sie gerade einen Blick in seinen Kopf geworfen, um herauszufinden, was ihn so sehr beschäftigte. Vermutlich kam es ihr nur so vor, aber die Zeit, in der er schwieg und sich umsah, erschien ihr unerträglich lang. Er kommentierte sicher nur nichts von den Fan-Artikeln, die Raelene besaß, weil er ihr vorhin sein Wort gegeben hatte, nichts zu sagen. „Ich finde es schön“, antwortete Delion, nach einer Weile. „Es sieht gemütlich aus – und sehr nach Pokémon gerichtet.“ Ehe sie darauf etwas erwidern konnte, trat er näher an die Pinnwand heran und betrachtete einige ihrer alten Kinderzeichnungen von ihm. Amüsiert deutete er auf eine davon und wandte sich ihr lächelnd zu: „Also, sehe ich wirklich so aus?“ „Nein“, antwortete sie schmunzelnd. „Das Original ist tausendmal besser.“ Unsicher trat Raelene neben ihn und sah auf den Boden. „Ich hoffe, du denkst jetzt nicht, dass ich einfach nur mit dir zusammen sein wollte, weil ich schon so lange ein Fan von dir bin und du mein großes Idol bist. Wenn ich ehrlich bin, hab ich das Zimmer auch erst etwas anpassen wollen, bevor ich es dir zeige. Damit du nichts Falsches denkst.“ Wie würde sie an seiner Stelle reagieren? Sie wusste es nicht. Solche Dinge waren schwierig einzuschätzen, wenn man nicht selbst in dieser Situation war. Vorhin hatte sie aber den Eindruck gehabt, dass ihr Zimmer ihn etwas schmerzte. Gefundenes Fressen für ihre Unsicherheit. Im Augenwinkel bemerkte sie, wie er die Arme vor der Brust verschränkte. „Hm. Selbst wenn du nur mit deinem Idol zusammen sein wolltest, für mich könnte das in diesem Moment egal sein, denn ich bekomme ja, was ich will. Nämlich eine Beziehung mit dir.“ So einfach wäre das für ihn? Als sie den Blick wieder hob, sah sie einen ernsten Delion vor sich. Das erinnerte sie fast an ihre rebellische Phase, in der sie ihn viel zu oft zu so einem Gesichtsausdruck getrieben hatte, wenn auch größtenteils nicht aus böser Absicht. Deshalb empfand sie das als ziemlich unangenehm. „Aber ich glaube nicht, dass es dir nur darum ging“, fuhr er fort. „Also mach dir keine Sorgen.“ Lächelnd stieß er ihr sanft gegen die Schulter. „Mich wundert eher, dass du noch nicht entzaubert von mir bist, nachdem du mich so oft geschlagen hast.“ Erleichtert erwiderte Raelene sein Lächeln. Wenn sie immer so offen und ehrlich bei Delion sein könnte, sah die Zukunft traumhaft schön aus. „Ich denke ja, bisher hatte ich immer nur Glück. Außerdem“, sie griff nach seinen Händen und drückte sie sanft, „habe ich mich in den Menschen verliebt, der du bist. In Delion, nicht in irgendeinen Champ. Deine Begeisterung für Pokémon-Kämpfe, dein gutes Herz, wie du lachst und strahlst, wenn du dich freust ... das sind nur ein paar von vielen Dingen, wegen denen ich hin und weg von dir bin. Ich kann es kaum erwarten, noch mehr Seiten von dir kennenzulernen.“ „Siehst du?“ Plötzlich leuchteten seine Augen regelrecht vor Freude. „Ich wusste doch, dass es dir nicht darum geht~. Schließlich habe ich mich auch nicht ohne Grund in dich verliebt.“ Mit diesen Worten zog Delion Raelene näher zu sich und küsste sie, schon deutlich inniger, als beim letzten Mal. Falls er sich bisher zusammengerissen hatte, war es kein Wunder, dass er es nun endlich nachholen wollte. Raelene erwiderte den Kuss auch sofort, aus Verlegenheit ein bisschen zurückhaltender, und strich mit einer Hand dabei durch seine Haare. Wenn er sich so freute wie in diesem Moment, erfüllte das ihr Herz mit Glück. Raelene wollte alles tun, um ihn, wenn möglich, immer so strahlen zu lassen. Er hatte es verdient. Irgendwann löste er sich wieder von ihr und wirkte überaus beschwingt. „Okay~! Sollen wir uns dann mal um deinen Rucksack kümmern?“ Delion konnte es wohl kaum noch erwarten, endlich mit ihr und den Pokémon alleine in den Kronen-Schneelanden zu sein. Ein Wunsch, den Raelene voll und ganz teilte, darum brach sofort die Motivation aus ihr heraus. „Ja, schnappen wir ihn uns~.“ Der Rucksack stand schon vor dem Bett bereit und war prall gefüllt, immerhin wären sie nicht nur zu zweit, sondern obendrein mit zwölf Pokémon beim Camping. Das dürfte ziemlich lebhaft werden. Darauf freute sie sich schon riesig. Sie kontrollierte kurz nochmal alle Taschen und überlegte, ob sie an alles gedacht hatte, bis sie schließlich nickte und ihn sich überzog. „Okay, wir können los.“ Von unten war schon Azurill zu hören, das langsam richtig munter wurde. „Azurill ist ein richtiges Energiebündel, was?“, fragte Delion, während er bereits in Richtung Tür strebte. „Es ist ein Wunder, dass unser Haus noch steht“, sagte Raelene amüsiert, als Antwort auf seine Frage. Eilig folgte sie ihm, blieb im Türrahmen aber kurz stehen und warf einen Blick über die Schulter. Von nun an könnte sie dieses Zimmer nach und nach mit Fotos füllen, von Delion und sich, mit ihren Pokémon. Somit könnte sie dieses reine Fan-Image abstreifen und auch für sich selbst vorwärts kommen. Darum beschloss sie, nicht ohne einige Schnappschüsse hierher zurückzukehren. Anschließend stiegen sie zusammen die Treppen wieder nach unten, wo sie bereits von Wolly und Azurill erwartet wurden. Mampfaxo schlief aber natürlich immer noch. Ihn aus seinem Verdauungsschläfchen zu wecken war nahezu unmöglich. Deshalb hatte ihre Mutter ihn in sein Körbchen gelegt, damit es für ihn weiterhin weich und kuschelig blieb. Wolly und Azurill hüpften auf Raelene zu und stießen fröhliche Laute aus. „Na, gut geschlafen?“ Lächelnd beugte sie sich runter und tätschelte die beiden. „Bereit für unseren Ausflug? Wir werden eine Menge Spaß haben~.“ Aufgeregt stimmten ihre Pokémon zu, also rief Raelene sie zurück in ihre Bälle. Ihre Mutter wirkte zufrieden und bat Delion und sie darum vorsichtig zu sein, auch wenn sie erfahrene Champs waren. Delion versicherte ihr deshalb sogleich, dass sie auf sich Acht geben würden und bedankte sich für ihre Fürsorge. Nachdem Raelene dann noch eine herzliche Umarmung mit ihrer Mutter ausgetauscht hatte, verließen sie das Haus zu zweit. Draußen wartete Glurak immer noch auf sie, allerdings war er inzwischen nicht mehr allein. Zahlreiche Wollys von den Furlongham umgebenden Feldern hatten sich um Glurak herum versammelt und gaben anerkennende „Woll“-Ausrufe von sich. Ratlos blickte Glurak auf sie alle hinab. „Awww, er hat so flauschige Fans~“, kommentierte Raelene. „Heh, wenigstens war Glurak anscheinend beschäftigt.“ Wie sein riesiges Glurak so dastand, umringt von Wollys, war wirklich zu niedlich. Es erinnerte Raelene ein wenig an Liberlo, wenn er anderen Pokémon voller stolz seine Ballkünste demonstrierte. Sie waren eben beide richtige Stars, auf ihre Weise. Auch unter den Pokémon. Anscheinend könnte Glurak trotzdem etwas Hilfe gebrauchen. „Okay, ihr Lieben!“ Raelene klatschte laut in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Wollys auf sich zu ziehen. „Wer will mal Gluraks atemberaubenden Flugkünste sehen? Dann müsst ihr bitte ein kleines bisschen Platz machen.“ Die Wollys zögerten erst, tauschten Blicke miteinander – und bildeten dann tatsächlich einen geordneten Kreis, der Glurak genug Platz ermöglichte, um seine Schwingen ausbreiten zu können. „Nicht schlecht“, bekundete Delion. Wollys waren eben super-neugierig und verstanden Menschen obendrein auch noch sehr gut. Nur ihr eigenes Wolly überhörte manchmal absichtlich Dinge, wenn es lieber noch mehr spielen wollte. Da mangelte es Raelene oft an Strenge, weil Wolly einfach noch so klein und ganz besonders liebenswürdig war. Ihren anderen Pokémon, allem voran Liberlo, gefiel das wahrscheinlich gar nicht. Der Ditto-Champ war nun mal nicht perfekt, aber das versuchte Raelene schon lange nicht mehr zu sein. Delion und Raelene näherten sich Glurak, der auch ein paar Sachen für das Camping bei sich trug, wie ihr auffiel. Schon bevor sie vor ihm standen, wies Delion sie an, Glurak ihren Rucksack zu geben, so dass er ihn vorne mit den anderen Sachen für sie tragen könnte. Dem ging Raelene nach, ohne es zu hinterfragen. Immerhin hatte sie schon gegen Glurak gekämpft und wusste, wie stark er war. Dieses zusätzliche Gewicht bemerkte er sicher kaum. Nachdem ihr Rucksack sicher in seinen Klauen lag, neigte Glurak bereits wieder den Körper nach unten, damit Delion aufsteigen konnte. Wie schon beim letzten Mal reichte er Raelene dann von oben seine Hand, um ihr ebenfalls hochzuhelfen. Ohne zu zögern nahm sie das dankend an und ließ sich von ihm auf Glurak ziehen. Schon zum zweiten Mal, aber es war wieder ein unbeschreibliches Gefühl. Raelene tätschelte zur Begrüßung Gluraks Hals, woraufhin er ein tiefes, freundliches Brummen von sich gab. „Alles klar, ich bin bereit~“, verkündete Raelene. „Und die Wollys auch.“ „Okay, du hast es gehört, Glurak, los!“ Das ließ sein Partner sich nicht zweimal sagen. Kräftig schlug er mit den Schwingen – diesmal sogar besonders eindrucksvoll – dann erhob er sich mit verstärkter Eleganz in die Luft. Von den Wollys erntete er dafür begeisterte Jubelschreie, die aber schon bald verklangen, als sie erst einmal weit genug oben waren. Dennoch ließ Glurak es sich nicht nehmen, eine extra Runde zu drehen, ehe er schließlich in Richtung der Kronen-Schneelande abdrehte. „Starker Auftritt~“, lobte sie Glurak. „Da nehmt ihr beiden euch nichts, was?“ Auch Delions Pokémon standen viele Jahre im Rampenlicht, also wussten sie natürlich, wie sie sich in Szene zu setzen hatten. Besonders Glurak. Wahrscheinlich würde Liberlo, sobald er sich an Delions Pokémon gewöhnt hatte, öfter mal versuchen, sie ähnlich mit seinen Tricks zu beeindrucken. Glurak dürfte eine Art Vorbild für ihn sein. „Kannst du mich wieder festhalten?“, bat Raelene Delion, wobei sie lächelnd über ihre Schulter blickte. „Sicher~“, antwortete er erfreut. Er schlang seinen Arm um ihre Taille, um sicherzugehen, dass sie nicht herunterfiel – und um sie einfach nur festzuhalten, wie sie es sich gewünscht hatte. Kaum zu glauben, dass Raelene ihn so offen darum bitten konnte, obwohl sie vorgestern noch beinahe verglüht wäre wegen dieser Nähe zu Delion. Nun fühlte es sich ganz natürlich an, bei ihm zu sein. Zwar wurde Raelene auch diesmal wieder rot, aber nur aus Freude. Außerdem konnte sie sich nun beruhigt zur Seite lehnen und sich so von oben auch nochmal die Umgebung anschauen. Ein unruhiges Gefühl blieb zwar stets bestehen, aber sie wusste, mit den beiden war sie sicher. Schon bald waren dann mehrere Minuten Flugzeit verstrichen und die Kronen-Schneelande kamen in ihr Sichtfeld. Eisige Windzüge kamen ihnen bereits entgegen. „Ich dachte mir, wir campen heute bei dem großen Baum!“, erklärte Raelene, die mit der Stimme gegen den Wind ankämpfte. „Da ist es auch für Pichu und Azurill nicht zu kalt! Und es gibt eine Menge Beeren dort!“ Hinzu kam, dass sie unbedingt ein Foto mit Delion an diesem Ort haben wollte, doch das behielt sie erst mal für sich. Der Baum war groß genug, dass man ihn schon aus weiter Entfernung sehen konnte. So eine rosafarbene Baumkrone mit weißer Spitze fiel auf. Glurak dürfte also keine Probleme haben, ihn anzusteuern. „Gute Idee!“, rief Delion zurück. „Das sieht nach einem schönen Platz aus!“ „Ist es auch~! Da gibt es jede Menge Platz für uns alle!“ Raelene war froh, dass Delion der Vorschlag gefiel. Sie war ein regelrechter Fan der Kronen-Schneelande und flüchtete immer wieder mal dorthin, wenn ihr alles zu viel wurde. Einen besseren Ort, um etwas Ruhe zu genießen, gab es nicht. Außerdem tummelten sich dort auch viele wilde Pokémon, es wurde also nie langweilig. Und es gab unglaublich viel zu entdecken. Als ihr die Höhe dann doch wieder ein bisschen zu viel wurde, lehnte sie sich zurück und rückte näher an Delion heran. „Bald kommt der Moment der Wahrheit!“ Besorgt sah Raelene nach hinten, zu Delion. „Was machen wir, wenn sich unsere Pokémon nicht vertragen?!“ Es wäre jedenfalls ein Albtraum, wenn das passieren sollte – denn dann könnten sie ihre Pokémon nie zusammen campen lassen und müssten sie immer in ihren Bällen lassen, sobald sie sich trafen. „Ich hoffe mal, dass das nicht passiert! Aber wenn doch, müssen wir uns irgendetwas überlegen!“ „Ja, du hast recht! Wir werden sicher eine Lösung finden!“ Da musste Raelene zuversichtlich sein. Eigentlich glaubte sie nicht, dass ihre Pokémon sich nicht ausstehen könnten, aber man konnte es trotzdem nie genau wissen. Kurz vor Freezedale lehnte sie sich wieder zur Seite, diesmal sogar ein kleines Stückchen weiter, um nach zwei bestimmten Personen Ausschau zu halten, aber sie konnte sie nicht entdecken. Inzwischen hingen sie mit Sicherheit auch nicht mehr so oft in dieser Gegend herum wie damals. Wann hatte sie die beiden zuletzt mal gesehen? Das war auch schon viel zu lange her. „Ich habe hier so viele lustige und interessante Dinge erlebt!“, berichtete Raelene, wobei sie ganz nostalgisch wurde. „Davon muss ich dir nach und nach unbedingt erzählen!“ „Auf jeden Fall~! Ich will alles erfahren, was du erlebt hast!“ In nächster Zeit mangelte es ihnen also schon mal nicht an Gesprächsstoff. Wobei Raelene aber auch nichts dagegen hätte, einfach schweigend seine Nähe zu genießen. Auf jeden Fall wollte sie ein paar Abenteuer zusammen mit Delion erleben. Leider waren sie dazu bisher ja nie gekommen, weil sie sich voneinander distanziert hatten. Also musste das unbedingt nachgeholt werden. Der Baum war inzwischen schon zum Greifen nahe. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, wirkte er noch farbenfroher und schöner als vorher. Auch der dezent süßliche Duft, der in der Luft lag, verzauberte einen regelrecht. „Da wären wir~! Das ging schnell!“ „Klar, mit Glurak immer!“ Am gewünschten Ort angekommen, senkte Glurak seine Flugbahn, indem er mehrere Schleifen drehte, bis er schließlich neben dem gewaltigen Baumstamm auf dem Boden aufsetzte. „Gut gemacht, Partner“, sagte Delion zufrieden. Er kletterte als erstes hinunter, so dass er Raelene auch wieder helfen könnte abzusteigen. Dabei schien er etwas abgelenkt von dem gigantischen Dyna-Baum zu sein, den er wohl zum ersten Mal sah. Seine Faszination konnte Raelene nur zu gut verstehen, denn so war es ihr damals auch gegangen. Das satte Grün um einen herum und die klaren Gewässer taten ihr übriges dazu. Kaum stand sie mit beiden Füßen wieder auf festem Grund, bedankte sie sich bei Delion und Glurak. „Aaah~. Ist schon eine Weile her, seit ich zuletzt hier war.“ Meistens trieb sie sich eher im Schneegebiet herum, zumal das auch besser für das Training ihrer Pokémon geeignet war. Unter schwierigen Umständen trotzdem noch eine gute Leistung zu erzielen stärkte Körper und Geist ... oder so ähnlich. An diesem Ort spürte man aber rein gar nichts mehr von der Kälte, sondern es war angenehm warm. Erstaunlich, denn das Schneegebiet war gar nicht allzu weit entfernt. „Ja, hier ist es perfekt.“ Motiviert breitete Raelene die Arme aus. „Ich würde sagen, wir verlieren keine Zeit und lassen direkt alle raus~.“ Delion tätschelte gerade noch Gluraks Hals und nickte. „Gut, dann machen wir das.“ Es brauchte nur zwei Handbewegungen von ihm, um all seine Pokébälle zu ziehen und sie in die Luft zu werfen, worauf seine restlichen Pokémon freikamen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)