Marriage von writer ================================================================================ Kapitel 1: Kälte ---------------- Leider schien es, dass sie mit dieser Gewissheit Recht behalten hatte. Sie war unglücklich. In dieser Familie herrschte eine Kälte, die für sie kaum zu ertragen war. Es war schlimmer als das, was sie von der Ehe ihrer Eltern kannte. Das hatte sie erwartet. Aber es war schlimmer als das, was sie erwartet hatte. Flitterwochen hatte es keine gegeben. Selbstverständlich nicht. Sie waren nicht verliebt und die Hochzeit war mehr eine Formalie gewesen und eine Gelegenheit in ihren gesellschaftlichen Kreisen die Verbindung ihrer Familien bekannt zu geben. Sakura hatte die Feier an Sasuke Uchihas Seite tapfer durchgestanden, gelächelt, die Glückwünsche entgegen genommen, andere Frauen ihren teuren Ring bewundern lassen und neben ihm gesessen. Gesprochen hatten sie kaum mit einander. Einmal hatte sie es versucht. Sie hatte ihn nach den Reden angelächelt und gesagt, dass sie hoffte, dass sie gut miteinander auskommen würden und dass sie sich richtig kennenlernen würden. Er hatte sie einen Moment angesehen. Dann hatte sein Bruder etwas zu ihm gesagt und er hatte sich zu Itachi Uchiha hinüber gebeugt, um ihm zuzuhören. Das war während der Feier der einzige Moment gewesen, in dem sie kurz die Gelegenheit gehabt hatte, etwas zu ihm zu sagen, ohne, dass es jemand gehört hätte. Dennoch ignorierte er sie nicht vollkommen. Er sprach nicht mit ihr, er beachtete sie auch nicht groß, aber er berührte sie manchmal. Ganz leicht. Er berührte ihren unteren Rücken mit seinen Fingerspitzen, wenn er sie in eine Richtung dirigieren wollte, oder er fand, dass sie sich zu weit von ihm entfernte. Er schien sie an seiner Seite halten zu wollen. Sie kam sich furchtbar eingesperrt vor und es kam ihr merkwürdig vor, dass er nun das Recht hatte, sie anzufassen. Während der Zeremonie hatte er ihre Hand genommen, um ihr den Ring anzustecken und nachher hatten sie natürlich den obligatorischen Kuss ausführen müssen. Kurz und förmlich, vor all diesen wichtigen Gästen war das so auch richtig. Das waren ihre ersten wirklichen Berührungen gewesen. Selbstverständlich wusste sie, dass jeder erwartete, dass es dabei zwischen ihnen nicht bleiben würde. Sie waren nun verheiratet. Dennoch, so richtig bereit fühlte sie sich nicht für mehr Intimität. Einfach weil sie ihn überhaupt nicht kannte und nicht das Gefühl hatte, sich ihm öffnen oder ihm vertrauen zu können. Und deshalb fühlten sich seine kleinen Berührungen so merkwürdig für sie an und sie hatte sich zusammenreißen müssen, ihm nicht auszuweichen. Sie seufzte leise, während sie in ihrem Schlafzimmer in der Dunkelheit vor dem riesigen Flügelfenster stand und in die noch junge Nacht hinaus schaute. Der Mond war voll und leuchtete über den weiten, gut gepflegten Rosengarten unter ihrem Fenster. Dahinter waren die großen alten Eichen nur als tiefschwarze Silhouetten zu sehen. Ein leichter Wind kräuselte die Blätter und erschuf kleine wogende Bewegungen in den Baumkronen. Sakura war fertig damit ihre langen Haare für die Nacht zu einem lockern Zopf zu flechten und sie unten mit einem feinen Gummi zu befestigen, wie ihre Mutter es ihr gezeigt hatte. Damals, vor so langer Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Sie legte ihre Hand auf den Knauf und öffnete eine Hälfte des großen Fensters, um hinaus auf den Balkon zu treten. Es war Spätsommer und die Nächte waren noch warm. Dennoch, in dem feinen seidenen Stoff ihres kurzen Nachthemds fror sie. Es war eher ein dekoratives als ein praktisches Kleidungsstück. Auf ihrer Haut stellten sich aufgrund der Kühle die feinen Härchen auf, doch das war ihr egal. Sie wollte nur einen Moment den Wind spüren. Sie schloss die Augen, hielt ihr Gesicht in den Wind und genoss den Geruch des Sommers. Rosen, Blätter, Zweige, Gras...Freiheit... Sie öffnete leicht die Augen, als sie die Schlafzimmertür hörte. Also musste es nun elf Uhr sein. Denn er kam meistens um diese Zeit in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Geduscht und bereit zum Schlafen. Also fast. Schlafen würden sie erst danach. Sie blieb dort stehen und wandte sich nicht zu ihm um. Er sprach sowieso nicht mit ihr. Seit beinahe vier Monaten waren sie nun verheiratet, doch daran hatte sich nichts geändert. Er war immer noch ein Fremder für sie. Abgesehen von den Berührungen. Sie hörte, wie er wie immer die Tür abschloss und dann sein Smartphone und seinen Geldbeutel auf seinem Nachttisch ablegte. Dann kam er zu ihr auf den Balkon und trat hinter sie. Immer noch blieb sie so stehen. Sie mochte das Gefühl des Windes auf ihrem Gesicht. Ein paar Sekunden stand er einfach nur hinter ihr, vielleicht sah er sich auch die Landschaft an. Was er wohl dachte? Sie hatte es ihn einmal gefragt, aber er hatte nicht darauf geantwortet. Also hatte sie es nicht wieder versucht. Sie spürte hinter sich die Wärme, die von ihm ausging. Schließlich hörte sie das leise Rascheln des Stoffs seines T-Shirts, weil er seinen Arm hob. Gleich darauf spürte sie seine Finger an ihrem Nacken. Er strich zärtlich ein paar Haarsträhnen beiseite, die nicht in ihrem lockeren Flechtzopf geblieben waren, der über ihrer Schulter lag und berührte mit seinen Lippen kurz ihre Haut dort. Dann griff er von hinten mit seinem Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Er legte auch seinen anderen Arm um ihren Oberkörper und griff mit seiner Hand um ihren Oberarm, kurz unter ihrer Schulter. Sein Griff war fest und sie fühlte sich wie immer gefangen. Dennoch hatte sie nichts gegen die Berührung. Sie hatte sich an seine Nähe gewöhnt. Mittlerweile. Am Anfang war es schwierig gewesen. Sie erinnerte sich noch gut an die Nacht ihrer Hochzeit. Bereits am Morgen dieses Tages war der Umzug erledigt worden. Also hatte man sie direkt nach dem Fest hier her gebracht. Auf das riesige Anwesen der Uchihas. In ihr neues Zuhause. Es war schon Nacht gewesen. Sie hatte sich fremd gefühlt in diesem neuen Schlafzimmer und sich sehr unwohl gefühlt, obwohl alles wunderschön eingerichtet war. Den ganzen Tag über, wenn sie zwischen den Gesprächen, dem Smalltalk und den Glückwünschen einen Moment Zeit gehabt hatte, hatte sie sich gefragt, wie die Nacht verlaufen würde. Ob er erwarten würde, dass sie miteinander schliefen. Und das hatte er erwartet. In ihrer Unizeit hatte sie kurz einen Freund gehabt, sie war also nicht vollkommen unerfahren gewesen. Doch sie war auch mit fünfundzwanzig noch Jungfrau gewesen. Man hatte ihr früh klar gemacht, dass sie sich das für die Ehe aufheben sollte und sie hatte das akzeptiert. Also war sie sehr nervös gewesen. Und es war ihr schwer gefallen, seine Berührungen und das Intimste, was zwei Menschen miteinander teilen konnten, zuzulassen. Aber er war einigermaßen zärtlich gewesen und sie hatte es irgendwie geschafft es durchzustehen. Doch es war ihr so falsch vorgekommen zu akzeptieren, dass dieser fremde Mann ihr nun so nahe kommen durfte und dass sie hinzunehmen hatte, dass er ihren Körper anfassen durfte, wie es ihm gefiel. Doch darin hatte sie schließlich irgendwie eingewilligt, als sie vor allen Leuten 'ja, ich will' gesagt hatte. Jetzt war es anders. Mittlerweile hatte sie sich an ihn gewöhnt. Mittlerweile genoss sie seine Berührungen sogar. War doch die Wärme, die von seinem Körper ausging, die Einzige, die sie in diesem Haus verspürte. Auch wenn es bloß körperliche Nähe war, war es Nähe. Und diese Nähe war das Einzige, das dafür sorgte, dass sie sich mit irgendjemandem hier verbunden fühlen konnte. Sie wusste nicht, was er darüber dachte. Ob er es wollte, oder ob er bloß seine Pflicht tat. Aber wenn sie nicht ihre Periode hatte, dann wollte er sie jede Nacht bevor sie schliefen. Und sie freute sich beinahe auf diesen Moment des Tages. Es war der Moment, in dem sie sich am wenigsten unwohl fühlte. Unten fuhr ein Auto auf den Hof vor den Haupteingang. Sakura sah zu wie Madara Uchiha, der Chef des Geheimdienstes, ausstieg und mit ihm Sasukes älterer Bruder Itachi, der für Madara arbeitete. Es war nicht unüblich, dass die Männer dieser Familie lange arbeiteten und erst spät nach Hause kamen. Sakura sah zu, wie die beiden in der Ferne über den Hof auf den Eingang zu gingen. Als sie die Tür öffneten, fiel kurz Licht auf den Hof. In diesem Moment hob Itachi den Kopf und sah zu dem Balkon hinauf, auf dem sie standen. Wahrscheinlich hatte er den weißen, durchscheinenden Stoff ihres Nachthemdes in der Dunkelheit leuchten sehen und war aus dem Augenwinkel auf die Bewegung aufmerksam geworden, die der Wind verursacht hatte. Im nächsten Moment hatte Sakura keine Gelegenheit mehr nach unten in den Hof zu schauen, denn Sasuke hatte sie losgelassen, sie am Oberarm gegriffen und nach drinnen gezogen. Vielleicht gefiel es ihm nicht, dass man sie so leicht bekleidet sah. Oder es war Zufall gewesen und ihm war zu kalt geworden. Er schloss den Fensterflügel und wandte sich zu ihr um. Nun, wo sie den Wind, den sie so liebte, nicht mehr spüren konnte, bemerkte Sakura, dass ihr schrecklich kalt war. Also drehte sie sich zu dem großen Bett und kroch unter die Decke. Sie beobachtete wie Sasuke um das Bett herum ging und auf seiner Seite ebenfalls unter die Decke stieg. "Geht es wieder?" "Ja", antwortete sie leise. "Es ist vorbei." Er sagte nichts weiter dazu. Er sprach nur, wenn er eine Information brauchte. Das war nicht seine Schuld, glaubte sie. Sie nahm an, dass er das so gelernt hatte. So machten das alle hier. Vor allem die Männer. Es war einfach schrecklich. Er griff nach ihr und zog sie zu sich. Er berührte sie und als er sie küsste, glaubte sie unter seiner ständigen Kontrolliertheit ein wenig Leidenschaft zu fühlen. Auch deshalb mochte sie diese Momente. Wenn er mit ihr schlief, dann zeigte er ihr ein bisschen mehr als das, was er sonst von sich preisgab. Sie glaubte zu fühlen, dass er sie wollte. Doch vielleicht wünschte sie sich das auch bloß. Vielleicht wollte sie das glauben, damit sie das Gefühl hatte für jemanden hier einen Wert zu haben, einfach damit sie sich nicht vollkommen überflüssig vorkam. Sie stellte sich vor, dass auch für ihn dieser Moment etwas an seinem Tag war, auf das er sich freute. Sie hoffte wirklich, dass er nicht bloß seine Pflicht erfüllte. Bei diesem Gedanken überkam sie ein schrecklich schlechtes Gewissen. Aber sie schob das Gefühl beiseite. Darüber konnte sie auch später nachdenken. Jetzt wollte sie einfach nur seine Zuwendung genießen. Und doch...sie wusste, dass sie nicht ewig so weiter machen würde können. Sie würde damit nicht ewig durchkommen. Was sie tat war nicht richtig. Doch was er mit ihr machte vertrieb für eine Weile alle Gedanken aus ihrem Kopf. Danach ging sie in ihr Bad, das direkt mit ihrem Schlafzimmer verbunden war. Sie machte sich frisch, zog sich wieder an und sie erledigte, was es zu erledigen gab. Dann ging sie zurück ins Schlafzimmer, legte sich wieder zu ihm und versuchte den Mut für das zu finden, was sie sich in den letzten Tagen fest vorgenommen hatte. "Ich wollte etwas mit dir besprechen", sagte sie in die Dunkelheit. Nach dem Sex lag immer jeder auf seiner Bettseite. Das Bett war groß, sie berührten einander nicht. Er lag still, aber sie hatte im Dunkeln erkennen können, dass er sie betrachtet hatte, als sie wieder aus dem Bad gekommen war. Er war also wach. Doch er antwortete nicht. Wahrscheinlich wartete er, dass sie ihm sagte, was sie wollte. Sie räusperte sich leicht. Es würde nicht funktionieren. Aber sie musste es einfach trotzdem versuchen. "Ich möchte gerne auch arbeiten gehen", sagte sie. Er schwieg. Er würde dazu nichts sagen. Frauen in ihren Kreisen gingen für gewöhnlich nicht arbeiten. Was das anging war es beinahe wie im Mittelalter. Und in dieser Familie war es besonders schlimm. Frauen hatten hier ihre eigenen Aufgaben. Das hatte sie gewusst, als sie eingewilligt hatte ihn zu heiraten. Trotzdem. Sie wollte auch eine eigene Aufgabe. Etwas, das nichts mit dieser Familie zu tun hatte. Etwas, das nur ihr gehörte, in dem sie sich beweisen konnte, in dem sie gut sein konnte. Sie wollte nicht umsonst so viel Zeit und Energie in ihr Studium gesteckt haben. Sie hatte nicht nur studiert, weil es sich für ihre Schicht so gehörte. Sie hatte wirklich in diesem Beruf arbeiten wollen. Sie hatte gewusst, dass man es ihr nicht erlauben würde. Aber sie konnte einfach nicht so weiterleben wie in den letzten Monaten. Sie hatte es wirklich versucht, sie hatte sich bemüht sich einzufügen, aber es erstickte sie. Sie war eingesperrt. Es gab keine Schlösser, aber sie konnte nirgendwo ohne Aufsicht hingehen. Sie wurde überall hingefahren, man brachte ihr alles, was sie haben wollte, man begleitete sie immer. Ihre Freiheit war bloß Schein. "Können wir darüber sprechen?", fragte sie. Aber sie wusste, dass er nicht antworten würde. Und das tat er auch nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)