Marriage von writer ================================================================================ Kapitel 15: Autofahrt --------------------- Sakura schnallte sich an und sah ihm dabei zu wie er einstieg. Er sagte nichts, während er ausparkte und vom Parkplatz fuhr. Sie sah kurz aus dem Fenster, Naruto hatte irgendetwas zu Hinata gesagt und sie stand da und kicherte. Naruto lachte ebenfalls. Als Sasuke abbog und auf die Straße fuhr, konnte sie sie nicht mehr sehen. Sakura beneidete Naruto irgendwie ein wenig um seine Art. Er schien nie Angst zu haben und hatte sich kein bisschen einschüchtern lassen. Und sie saß hier neben ihrem Mann und fühlte sich unsicher. "Ich freue mich auf das Wochenende", sagte sie mit einem vorsichtigen Lächeln. "Ich habe mich schon den ganzen Tag gefreut!" Er warf ihr einen kurzen Blick zu. "Ich freue mich auch", sagte er und sah wieder nach vorne. "Wie lange fahren wir?" "Zwei Stunden." Sie schwieg kurz und sah zu wie er an der Ampel eine Adresse in die Navigation eingab. Dann entschied sie ihn einfach zu fragen. "Bist du verärgert? Wegen Naruto?" Er sah sie kurz überrascht an. "Nein", sagte er ruhig. "Wirke ich verärgert?" "Nein!", beeilte sie sich schnell zu sagen. "Ich-" Sie brach ab. Sie war einfach unsicher und ein bisschen nervös wegen des Wochenendes. Sie erhoffte sich zu viel davon und war sich ziemlich sicher, dass ihre Wünsche ein bisschen zu groß für die Realität sein würden und dass sie dann enttäuscht sein würde. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, also nahm sie sich zusammen und antwortete ihm richtig. "Du bist immer so gefasst, dass man oft nicht weiß, wie es in dir aussieht und das verunsichert mich manchmal." "Ich verstehe", sagte er. "Ich bin jedenfalls nicht verärgert. Hab bitte nicht solche Angst vor mir. Ich tue dir nichts." Er lachte leise und ein wenig bitter. "Zumindest nicht mit Absicht." Sie musste lächeln. "Er ist ein seltsamer Typ", sagte er und sie hob überrascht den Kopf, weil er von sich aus ein Gespräch anfing. "Dein Ex." "Kannst du ihn vielleicht einfach Naruto nennen?", fragte sie behutsam. "Er ist hauptsächlich ein Freund für mich. Zusammen waren wir ja nicht sehr lange. Wir waren länger befreundet als wir ein Paar waren." "Verstehe." "Aber ja, Naruto ist oft überraschend anderes als andere Leute", fügte sie lächelnd hinzu. Sie sah wieder zu ihm. "Was hältst du von ihm?" Er überlegte einen Moment, dann sagte er: "Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich denke, dass ich es ganz interessant finde, dass er sich nicht einschüchtern lässt. Allerdings sollte er sich nicht bei jedem so verhalten." "Tut er auch nicht", sagte Sakura. "Er hat ein gutes Gespür dafür, wie er mit Menschen umgehen muss. Das hat mich immer schon fasziniert an ihm." "Aber du hast dich wieder von ihm getrennt?" "Ja", sagte sie nachdenklich. "Ich war einsam, ich fühlte mich geschmeichelt durch sein Interesse und er ist einfach toll. Mit ihm ist es immer lustig und man hat automatisch Freunde, weil er so viele hat und er einen sofort mit integriert. Er ist immer ehrlich und man kann ihm vertrauen. Aber trotzdem habe ich ihn wohl nie so richtig geliebt. Ich weiß auch nicht wieso." Er lachte ein wenig bitter. "Und nun bist du sogar mit jemandem verheiratet, den du nicht liebst. Und es ist nichtmal lustig und das Gefühl mir vertrauen zu können hast du wahrscheinlich auch nicht. Das einzige, was ich dir bieten kann, ist eine Menge Luxus." Sie warf ihm einen raschen Blick zu, aber er sah nach vorne. "Wie war dein Arbeitstag?", fragte sie, weil sie nicht so recht wusste, was sie darauf antworten sollte. "Frustrierend", sagte er. Sie waren nun aus der Stadt raus und er fuhr auf die Autobahn auf. "Wir sind an etwas dran, aber wir kriegen sie nicht richtig zu fassen, sie sind uns immer einen Schritt voraus. Und wir müssen das hinkriegen, weil viel davon abhängt." "Darfst du konkreter werden?" "Nein", sagte er. "Ich könnte es natürlich trotzdem tun", fügte er hinzu. "Du wirst es wohl kaum jemandem erzählen. Aber ich will dir nicht die Stimmung verderben. Es ist kein angenehmes Thema." "Ich verstehe", sagte sie und beharrte nicht mehr darauf, weil sie dachte, dass er vielleicht selbst lieber seine freie Zeit genießen und nicht daran denken wollte. Sie betrachtete durch die Scheibe die leuchtend orangenen und roten Streifen des beginnenden Sonnenuntergangs. Es war noch hell, aber die Bäume und Büsche am Rand der Autobahn waren langsam schon eher dunkle Silhouetten, als dass man noch viele Details hätte erkennen können. Sie mochte diese Herbstabende. Es war ein bisschen unheimlich, aber es hatte auch seine ganz eigene Ästhetik. "Ich fühle mich sicher mit dir", sagte sie leise und eigentlich mehr zu sich selbst. "Wie bitte?", fragte er. Sie tauchte wieder aus ihren Gedanken auf und registrierte jetzt erst so richtig, dass sie es laut gesagt hatte. "Ich dachte gerade darüber nach, was du eben gesagt hast", erklärte sie. "Darüber, dass du mir nichts außer Luxus bieten könntest. Aber das stimmt nicht, da ist noch etwas anderes. Bisher war ich so überfordert mit dieser ganzen Situation, die meine Eltern mit ihrer Lüge erschaffen haben, dass ich ständig verängstigt war und darum habe ich es noch nie so richtig wahrgenommen. Aber ich fühle mich immer sehr sicher, wenn ich in deiner Nähe bin. Das ist auch etwas Wertvolles. Es ist ein schönes Gefühl." Er warf ihr einen schnellen Blick zu und sah dann wieder nach vorne. Er schwieg und sie blickte auf ihre Hände. Dann räusperte er sich leicht und sagte: "Danke." Sie musste lächeln. Es hatte geklungen, als ob er sich etwas hätte bemühen müssen, um die Fassung zu wahren. "Ich werde weiter die Worte 'meine Frau' benutzen", teilte er ihr nach einem Moment mit. "Ich weiß, ich habe nichts dafür geleistet, aber dennoch, bin ich stolz, dass du meine Frau bist. Ich sage das gerne. Ich mache das nicht nur wegen irgendwelcher Besitzansprüche." "Nur weil ich hübsch bin", sagte sie leise und sah zu wie ein paar Vögel in einer beinahe perfekten pfeilartigen Form über den Abendhimmel zogen. "Sonst ist nichts an mir besonders toll oder faszinierend. Aber das scheint Männern vielleicht auszureichen." Das war etwas, was sie immer schon gestört hatte. Sie hatte Glück mit ihrem Aussehen gehabt, und sie wollte auch nicht undankbar sein, aber sie wollte dennoch gerne etwas tun und erreichen, was nicht damit zusammenhing. Er lachte leise. "Ein bisschen komplexer ist das für mich schon", sagte er. "Selbstverständlich bist du mir hauptsächlich durch dein ansprechendes Äußeres aufgefallen. Mir und allen anderen. Aber es ist nicht nur das, was ich an dir mag." Sie sah wieder zu ihm. Er blickte auf die Straße vor sich. Er wirkte entspannt und - wie sie glaubte - auch zufrieden. Sie fand es schön ihn so zu sehen. Sein Smartphone in der Ablage zwischen ihren Sitzen klingelte und die Anzeige der Freisprecheinrichtung des Autos zeigte den Namen ihres Vaters an. "Anruf annehmen", sagte Sasuke routiniert und einen Moment später sagte Sakuras Vater schon: "Guten Abend Schwiegersohn!" "Guten Abend", erwiderte Sasuke bloß in seinem üblichen neutralen Tonfall. "Störe ich dich gerade?", fragte ihr Vater. "Ein wenig", erwiderte Sasuke. "Aber ich nehme an, es geht um meinen Antrag von heute Mittag." "Nun, ja, das tut es wohl. Ich habe darüber nachgedacht, aber das ist mir zu riskant. Darin werde ich dich nicht unterstützen." "Ich verstehe", sagte Sasuke kühl. Einen Moment herrschte Stille. "Du bist seit einigen Tagen sehr unterkühlt", sagte ihr Vater. "Gibt es ein Problem? Soll ich wegen etwas mit Sakura sprechen? Ich weiß, sie kann manchmal eigenwillig und störrisch sein. Wenn dich das stört, könnte ich-" "Nicht nötig", unterbrach ihn Sasuke kühl. "Sakura verhält sich ganz wunderbar, es gibt nichts, worüber ich mich beschweren könnte. Und sie ist vielleicht deine Tochter, aber sie ist nun auch meine Ehefrau. Es ist nicht mehr angebracht, dass du ihr sagst, wie sie sich zu verhalten hat." "Ja, das ist jetzt wohl deine Aufgabe." Sakura verkrampfte ihre Hände in ihrem Schoß um den Stoff ihres Rocks. Es ärgerte sie so furchtbar ihren Vater so reden zu hören. Sie kannte ihn schon ihr Leben lang, sie kannte seine Sicht auf die Welt und auf Frauen. Aber irgendwie fiel ihr erst seit ihrem Auszug so richtig auf, wie schrecklich er war. Wieso hatte sie das eigentlich immer alles mit sich machen lassen? 'Weil sie dich die ganze Zeit manipuliert und unter Druck gesetzt haben', dachte sie. 'Und weil du viel zu hilflos und verunsichert warst, um ganz allein gegen deine Familie anzukommen. Und weil du sehr introvertiert bist. Und weil du geliebt werden wolltest und man dir Liebe immer entzogen hat, wenn du dich nicht wie gewünscht verhalten hast.' "Wenn du den Antrag nicht unterzeichnen willst, dann finde ich einen anderen Weg", sagte Sasuke und sie war froh, dass er wieder das Thema wechselte. "Sasuke, du bist mein Schwiegersohn und wir sollten zusammenhalten, aber tu nichts Unüberlegtes!", sagte ihr Vater warnend. "Ich bin schon lange Politiker, ich habe gelernt, dass man Dinge immer sorgsam abwägen muss. Du bist noch jung und ehrgeizig und-" "Ich weiß was ich tue, danke", unterbrach ihn Sasuke ruhig aber entschieden, sodass ihr Vater verstummte. "Als Innenminister bin ich der oberste Dienstherr der Polizei", sagte ihr Vater. Nun klang er verärgert. "Vergiss nicht, dass du mir unterstehst!" Sasuke lachte leise und freudlos. "Solange du Innenminister bist, ja", sagte er. "Aber sowas lässt sich ändern." Es herrschte einen Moment Schweigen. "Das war der Deal", sagte ihr Vater kühl. "Du hast dafür meine Tochter bekommen, das war dir ja offenbar sehr wichtig." "Und du hast sie für diese Position und eine beträchtliche Summe Geld hergegeben", erwiderte Sasuke entspannt. "Ich habe bei dir um ihre Hand angehalten. Das ist soweit ich das sehe kein allzu verwerfliches Unterfangen. Du hättest 'nein' sagen können. Aber das hast du nicht. Du hast dich darüber gefreut, du hast deine Bedingungen gestellt und wir haben sie alle erfüllt. Wir sind beide keine Heiligen. Ich habe Sakura bekommen und du diese Position. Aber vergessen wir nicht, wie die Realitäten sind. Ich sehe nicht, was du tun könntest, um sie mir wieder wegzunehmen. Anders herum allerdings..." Er beendete seinen Satz nicht, aber ihr Vater schien auch so zu verstehen. Sakura war froh, dass Sasuke nicht auch erwähnt hatte, dass ihre Eltern die Uchihas und sie selbst getäuscht hatten, was die Bedingungen für diese Ehe anging. Sie hatte, seit sie das erfahren hatte, noch nicht wieder Kontakt zu ihnen gehabt und sie wusste nach wie vor nicht, wie sie damit umgehen sollte. "Drohst du mir?", fragte ihr Vater kalt. "Weil ich diesen Antrag nicht unterschreibe?" "Nein", sagte Sasuke ruhig. "Du willst den Antrag nicht unterzeichnen und das akzeptiere ich. Ich weiß, es wäre riskant. Aber es hätte klappen können und ich hätte es aufgrund der schwierigen Situation gerne versucht. Mit meiner Aussage eben wollte ich dich lediglich daran erinnern, dass du in keiner Position bist, in der du mir sagen könntest, was ich tun oder lassen soll, nur weil du rein formal mein Vorgesetzter bist. Und ich würde es begrüßen, wenn du auch Sakura nicht mehr vorschreibst, was sie zu tun oder zu lassen hat. Sie gehört nun zu mir. Und es gefällt mir nicht, wie du über sie sprichst." "Ich verstehe", sagte ihr Vater immer noch ein wenig kühl, aber auch versöhnlich. "Ich wollte dich nicht verärgern." "Gut." "Ich wünsche dir ein schönes Wochenende." "Ja." "Anruf beenden", sagte Sasuke und fast im gleichen Moment ertönte das Signal, das angab, dass die Sprachsteuerung die Verbindung unterbrochen hatte. "Es tut mir Leid", sagte Sasuke und warf wieder kurz einen Blick zu ihr herüber. "Es war sicher sehr unschön, das mit anzuhören." Sakura bemühte sich sich zusammenzunehmen und sie ließ ihren Rock los und strich den Stoff wieder glatt. "Ich kenne ihn ja", sagte sie. "Aber es ist schwierig für mich. Immer befand ich mich in einem Umfeld, wo Männer mir sagen konnten, was ich darf und was nicht. Während des Studiums habe ich für eine kurze Zeit eine ganz andere Welt kennengelernt. Naruto und seine Freunde zum Beispiel, sie leben in einer ganz anderen Realität. Sie würden sich einer Frau gegenüber nie derart übergriffig verhalten. Während des Studiums habe ich erst gemerkt, dass meine Realiät so vollkommen rückschrittlich ist, was diese Dinge angeht." "Du denkst, dass ich nicht besser bin als er." "Nein", sagte sie. "Du bist etwas besser." "Vielleicht kann ich mit der Zeit noch etwas dazulernen", sagte er. "Ich werde es versuchen. Ich bin einfach so aufgewachsen und habe das alles nie hinterfragt." "Danke, dass du mich verteidigt hast", sagte sie. "Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob du das für mich getan hast, oder weil du fandest, dass er sich in etwas eingemischt hat, was deiner Meinung nach dir gehört. Er schwieg einen Moment. "Beides", sagte er schließlich. Das hatte sie sich gedacht. Aber wenn sie geduldig war, dann würde er vielleicht wirklich ein wenig dazulernen können. Zumindest zeigte er Bereitschaft dazu. Oder gab das jedenfalls vor. Und immerhin war er ehrlich. Damit konnte sie deutlich besser umgehen, als mit diesem unterschwelligen subtilen Druck, den ihr Vater immer ausgeübt hatte, um sie in die Richtung zu manipulieren, die ihm gefiel. "Ich muss noch einmal Madara anrufen", sagte Sasuke. "Danach war es das mit Arbeit, ich verspreche es." Aber sie hatte nichts dagegen. Je mehr sie mitbekam, desto besser. Sie wollte endlich alles verstehen, was um sie herum vor sich ging. "Sasuke", sagte Madara beiläufig zur Begrüßung. "Hallo Madara", erwiderte Sasuke gelassen. "Sakura hört mit. Unser Innenminister stellt sich leider quer." "Nun, das war zu erwarten", sagte Madara. "Es war trotzdem richtig, dass du es versucht hast. Aber selbstverständlich ändert sich dadurch nichts an der Situation." "Nein." "Dann schicke ich Izuna übers Wochenende nochmal zum Verhandeln. Aber das wird wohl auch erfolglos sein. Also werden wir in diesem Fall zu unschöneren Mitteln greifen müssen, um unsere Interessen durchzusetzten." "Ja." "Gut, danke für die Information Sasuke. Gibt es noch etwas?" "Nein", erwiderte Sasuke. "Ich bleibe selbstverständlich erreichbar, aber bitte sag allen, dass ich nur in Notfällen angerufen werden möchte." "Mache ich", erwiderte Madara. "Genießt euer Wochenende, ihr habt etwas schöne Zeit zu zweit verdient!" "Danke." "Was macht ihr denn?", fragte Sakura sofort besorgt, sobald Sasuke den Anruf beendet hatte. "Um was geht es denn bei all dem?" Aber sie wusste, dass sie umsonst fragte. "Es geht in diesem Fall um meine Arbeit", sagte er bloß ausweichend. "Ihr seid schrecklich!", sagte sie. "Das alles macht mir Angst. Ist es legal, was ihr tut?" "Bisher ja", sagte er bloß. Sie stöhnte. "Du brauchst keine Angst zu haben", sagte er ruhig. "Du bist vollkommen sicher. Du hast eben selbst gesagt, dass du dich sicher fühlst in meiner Nähe. Und das kannst du auch." "Ja", sagte sie verstimmt und eindringlich. "Unter normalen Umständen! Aber nicht, wenn ich denke, dass ihr irgendwelche merkwürdigen halb legalen Dinge tut! Dann fühle ich mich überhaupt nicht sicher! Dann mache ich mir Sorgen! Auch um dich! Und um alle anderen!" "Das ist unnötig", sagte er. "Wir haben alles im Griff." "Das sagt ihr Männer immer! Bis euch euer Größenwahn auf die Füße fällt und ihr es doch nicht mehr im Griff habt!" "Wir haben alles im Griff", wiederholte er bloß. "Das glaubt ihr!" "Sakura, diese Diskussion dreht sich im Kreis und wird nirgendwo hinführen. Ich bitte dich damit aufzuhören", erwiderte er immer noch vollkommen ruhig. "Wenn es an der Zeit ist, dann wird Madara dir alles erklären. Für den Moment hast du keine andere Wahl, als es zu akzeptieren und dich auf mich zu verlassen. Aber ich verspreche dir, dass ich gut aufpassen werde. Ich habe ebenfalls kein Interesse dran, dass dir oder mir selbst irgendetwas passiert, egal in welcher Form auch immer. Vertrau mir ein bisschen." Sie drehte wütend den Kopf weg und sah aus dem Seitenfenster. Wieso hatte sie nicht einfach ein ganz normales Leben? Dieser Reichtum und ihr gutes Aussehen brachten nur Probleme mit sich! Eine Weile ärgerte sie sich und für die nächsten dreißig Minuten schwieg sie. Er sagte auch nichts. Entweder war er nun ebenfalls verärgert oder er ließ ihr Raum für sich. Dann wurde sie wieder ruhiger und empathischer und erinnerte sich daran, dass andere Leute auch Probleme hatten. Andere als sie vielleicht, aber in keinem Leben ging es problemlos zu. Mit Sicherheit hatten andere sogar viel schlimmere Sorgen und Probleme als sie. Sie saß hier auf dem Weg in ein schönes Wochenende, sie bekam beinahe alles, was sie wollte und ihr ging es zumindest momentan sehr gut. Also konnte sie nur versuchen die guten Momente zu genießen und sich den schlechen Dingen zu stellen, wenn es soweit war. So wie jeder andere Mensch auch. "Können wir an der Raststätte dort anhalten?", fragte sie schließlich und deutete auf das Schild. Sie hatte im Restaurant ziemlich viel Wasser getrunken, als sie mit der Situation zwischen Naruto und Sasuke so überfordert gewesen war. "Ich müsste mich kurz entschuldigen." "Selbstverständlich", sagte er höflich. Er stieg mit ihr aus und sie fragte sich, ob er dachte, dass sie vor lauter Ärger am Ende abhauen würde. Aber im nächsten Moment fand sie sich für diesen kindischen Gedanken selbst albern. Sicher dachte er das nicht! Einige Meter weiter war sie fast schon froh, dass er neben ihr her ging, weil ein paar Lastwagenfahrer der eher unangenehmen Sorte zusammen vor der Tür der Raststätte standen und sie sich bei ihren Blicken sicher war, dass sie einen blöden Spruch gemacht hätten, wenn sie alleine gewesen wäre. Sasuke legte beinahe ohne sie zu berühren seinen Arm um sie, als sie zwischen ihnen hindurch gingen und er sah einen von ihnen so eindringlich an, dass er schließlich seinen Blick von ihr abwandte. Dann hielt er ihr die Tür auf und ging mit ihr bis zu den Toiletten. "Ich warte", sagte er bloß und sie nickte. Als sie zurück kam, fragte er höflich, ob sie etwas Essen oder trinken wollte und sie ließ es zu, dass er eine Flasche Wasser für sie kaufte, da sie sich wieder beruhigt hatte und versöhnlich gestimmt war. Auf der Toilette war sie zudem zusätzlich daran erinnert worden, dass sie es eigentlich ziemlich gut hatte, da sie beobachtet hatte, wie eine erschöpfte Mutter ganz entnervt mit ihrem Kind umgegangen war und dabei wütend über ihren 'nutzlosen Mann' geschimpft hatte. Sakura hatte den Mann der Frau beim hineingehen gesehen und war sofort einfach nur froh gewesen, dass sie nicht mit ihm verheiratet war. Also bedankte sie sich bei Sasuke mit einem Lächeln, als er ihr das Wasser reichte. Er geleitete sie erneut durch die Gruppe der Männer vor der Tür und wollte ihr ein paar Meter weiter beim Auto auch wieder die Beifahrertür aufhalten, doch sie blieb stehen. Sie hatte nicht vor einzusteigen. Er sah sie fragend an, während sie versuchte ihren Mut zu sammeln. "Machst du jetzt eine Szene?", fragte er mit einem leichten Stirnrunzeln. "Nein!", sagte sie rasch. "Ich habe mich längst wieder beruhigt!" "Aber?" "Ich wollte etwas fragen", sie zögerte. Dann sprach sie es einfach aus. "Kann ich fahren?" "Was?" Die Frage hatte ihn offenbar so kalt erwischt, dass er es nicht geschafft hatte, wie sonst immer höflich 'wie bitte' zu fragen und er wirkte ein wenig perplex. Sie riss sich rasch zusammen, weil sie bei seinem Gesichtsausdruck beinahe gelacht hätte. Allein um diese Verblüffung zu sehen, war die Frage schon gut gewesen. "Darf ich nicht?", fragte sie. "Ich habe auch einen Führerschein." Er sah sie an als wäre sie ein bisschen verrückt. "Das ist mir bewusst", sagte er langsam und als käme er gerade nicht so ganz mit. "Allerdings ist das ein sehr teures Auto. Ich hänge daran. Und an meinem Leben auch." "Denkst du Frauen können kein Auto fahren?", fragte sie empört. "Das habe ich nicht gesagt." Nun sah er ein wenig belustigt aus. "Selbstverständlich können Frauen Auto fahren. Vielleicht sogar besser als Männer. Frauen sind in der Regel weniger waghalsig. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass du besonders viel Fahrerfahrung hast. Bist du außerhalb der Fahrschule überhaupt gefahren?" "Nicht viel", gab sie zu. Er zog eine Augenbraue hoch. "Fast gar nicht. Ein paar Mal." Er öffnete den Mund, vielleicht um ihr mitzuteilen, dass in diesem Fall dann doch besser er weiterfahren würde, aber sie sagte rasch: "Bitte lass mich fahren! Ich war gut in der Fahrschule! Und wenn ich es schlecht mache, dann können wir gleich wieder tauschen! Aber Sasuke, ich bin fünfundzwanzig und ich komme mir immer noch vor wie ein kleines Mädchen, weil mich alle ständig so behandeln. Und das verstehe ich sogar, ich habe in so vielen Dinge keine Erfahrung und keine Ahnung, wie etwas läuft! Aber das liegt daran, dass ich nie Erfahrungen machen darf! Wie soll ich denn Auto fahren lernen, wenn ich es nie tun kann? Niemand traut mir etwas zu!" Er sah sie an und sie sah ihn an und hoffte, dass er es zulassen würde. Sie war nervös. Ausgerechnet auf der Autobahn oder in den Bergen Fahrübungen zu machen, war vielleicht nicht die beste Idee. Und dieses Auto war ziemlich groß. Das ging ihm wahrscheinlich auch gerade durch den Kopf. "Oder bist du zu sexistisch, um dich von deiner Frau fahren zu lassen?", fragte sie. Sie hoffte, ihn damit ein wenig zu provozieren. Aus dem Augenwinkel nahm sie deutlich wahr, wie die Lastwagenfahrer sie interessiert beobachteten. Sein Mundwinkel zuckte leicht. "Ich gebe zu, da ist vielleicht etwas dran." "Du hast gesagt, du würdest versuchen etwas dazuzulernen!" Er fing an leicht zu grinsen. "Na schön", sagte er. Er ging zu ihr und hielt ihr den Schlüssel hin. "Versuchen wir es. Aber bring uns bitte nicht um!" "Du bist furchtbar!" Nun grinste er richtig. Sie nahm ihm den Schlüssel aus der Hand und stolzierte um das Auto herum zur anderen Seite. "Geht das in den Schuhen?", fragte er skeptisch, als er sich neben sie setzte und die Tür zu zog. Er grinste immer noch. "Ja!", sagte sie ärgerlich. Sie hatte schließlich heute keine besonders hohen Absätze an. "Ich hatte in der Fahrschule auch solche Schuhe an." "Na dann!", sagte er belustigt. "Ich hoffe allerdings, dass wir nicht von Polizeibeamten kontrolliert werden. Dann müsste ich zugeben, dass ich als einer ihrer höchsten Vorgesetzten mir gerade nicht ganz sicher bin, welche Absatzhöhe zum Fahren zulässig ist." "Diese ist zulässig!", sagte sie entschieden und schnallte sich an. "Mein Fahrlehrer hat sich nicht beschwert." Immer noch grinsend sah er ihr zu, wie sie den Sitz und die Spiegel sorgfältig richtig einstellte. Sie tat zwar vor ihm so, als würde sie sich das hier vollkommen zutrauen, damit er sie fahren ließ, aber eigentlich war sie furchtbar nervös. Während sie die Rückspiegel prüfte, sah sie deutlich, dass die Lastwagenfahrer immer noch zu ihnen hinsahen, während sie aus ihren Kaffeebechern tranken. Sie hoffte bitterlich, dass sie nicht gleich beim Ausparken eine Schramme in sein Auto machen würde, vor allem nicht auch noch vor diesem Publikum! Das wäre wirklich am Rande dessen, was sie an Peinlichkeit würde ertragen können. Aber sie wollte nicht bis in alle Ewigkeit nur sein hübsches Vorzeigepüppchen bleiben. Und daher musste sie anfangen Dinge zu tun, vor denen sie Angst hatte und die sie sich eigentlich selbst nicht zutraute. Er musste sehen, dass sie es schaffte Dinge zu bewältigen, die sie sich vornahm. Andernfalls würde er sie niemals ernst nehmen, wenn sie ihm sagte, dass sie einen Job wollte. Und alle anderen auch nicht. Aber vor allem wollte sie sich selbst beweisen, dass sie das schaffen konnte! Also startete sie entschlossen den Motor. 'Ganz langsam!', sagte sie sich in Gedanken. 'Mach einfach alles ganz langsam und in Ruhe! Dann schaffst du es!' Und so machte sie es auch. Beinahe zu ihrem eigenen Erstaunen stellte das Ausparken kein Problem dar und sie schaffte es wieder auf die Spur des Parkplatzes zu fahren. "Da ist die Ausfahrt", sagte Sasuke neben ihr ruhig und deutete in die Richtung, weil sie gerade versucht hatte sich zu orientieren. Sie blickte nochmal kurz in die Spiegel und fuhr dann los. Soweit schien es zu klappen. Trotzdem klopfte ihr Herz aufgeregt in ihrer Brust. Zuletzt hatte sie vor über zwei Jahren mal die Möglichkeit gehabt selbst zu fahren. "Aarghh, mein Stolz!", sagte Sasuke immer noch grinsend, als sie vorsichtig an den Lastwagenfahrern vorbeifuhr, um zu der Ausfahrt zu kommen. "Ich weiß nicht, ob mein Ego sich davon je wieder erholt!" "Hör auf, du bist furchtbar!", sagte sie. Sie wollte sich konzentrieren, aber irgendwie war ihr nun nach seinem Kommentar nach lachen zu Mute und sie musste sich bemühen ernst zu bleiben. Die Lastwagenfahrer hatten auf jeden Fall ihren Spaß. Sie lachten und einer fing an ihr übertrieben zu applaudieren. Wahrscheinlich hatten sie ihr Gespräch eben mithören können und nun machten sie sich über sie lustig. Aber es war ihr egal. Sasuke schwieg nun zum Glück, vielleicht weil er ebenfalls ein bisschen nervös war, weil sie nun auf die Autobahn auffahren musste, doch auch das klappte problemlos. 'Eigentlich ist es gar nicht schwer', dachte sie fast ein wenig überrascht. Das Auto ließ sich gut fahren, obwohl es ziemlich groß war. Aber sie achtete darauf nicht schnell zu fahren und sicher auf der rechten Spur zu bleiben. Als ein Lastwagen sie am Berg ausbremste, überholte sie ihn. Auch das klappte problemlos. Ein Blick auf die Navigation sagte ihr, dass sie nun einfach nur eine ganze Weile würde geradeaus fahren müssen. Sie entspannte sich ein wenig. "Siehst du?" fragte sie lächelnd. "Wir leben noch!" Sasuke hatte die ganze Zeit still neben ihr gesessen, vermutlich um ihr ihre Konzentration zu lassen. Anfangs hatte sie aus dem Augenwinkel wahrgenommen, dass er sehr konzentriert den Verkehr mit beobachtet hatte. Doch nach einer Weile hatte er sich in seinem Sitz bequem zurechtgesetzt und nicht mehr mit über die Schulter gesehen, wenn sie die Spur wechselte. "Noch!", sagte er. "Ich koste jede Sekunde voll aus!" Aber es klang, als würde er einen Scherz machen und schon wieder grinsen. Sie musste nun doch lachen. "Du bist unmöglich!" "Ja", sagte er beiläufig. "Macht es dir etwas aus, wenn ich aus deiner Wasserflasche trinke?" "Ja!" "Tatsächlich? Ich habe eigentlich nur der Höflichkeit halber gefragt!" Er klang verwundert. Sie musste wieder lachen. "Das war ein Geschenk. Das Wasser gehört mir!" Selbstverständlich machte es ihr nichts aus, sie wollte sich bloß etwas rächen, weil er sie so aufgezogen hatte. Das schien er nun auch zu verstehen und er griff sich die Flasche, die sie in die Halterung zwischen sie gestellt hatte. "Hey!" "Konzentrier dich lieber aufs Fahren!" Sie lachte und er grinste wieder. Er öffnete die Flasche und trank einen Schluck. Dann schloss er sie wieder und stellte sie zurück. Sie war froh, dass er einfach ruhig neben ihr saß und dass er nicht ständig an ihr herummäkelte oder ihr gut gemeinte Ratschläge gab, wie ihr Vater es getan hätte. Und so konnte sie sich entspannen und mit der Zeit fühlte sie sich immer sicherer. Sie schaffte es sogar die engere Straße hoch in die Berge zu bewältigen, auch wenn ihr das mehr abverlangte als die breite Autobahn. Sie war so auf die Straße konzentriert, dass sie gar keine Gelegenheit hatte sich umzusehen und ihre Umgebung wahrzunehmen. Besonders da es nun dunkel war. Als sie bei dem Hotel ankamen, war zwar alles hell und hübsch erleuchtet, aber sie stand nun vor der Hürde einparken zu müssen und das stresste sie etwas, sodass sie wieder darauf verzichtete sich umzusehen. "Das passt", kommentierte Sasuke nun doch, als sie zögerte, weil sie nicht wusste, ob sie rückwärts so weiterfahren sollte und er griff nach dem Lenkrad, um ein bisschen nachzukorrigieren. Und weil sie sich die letzte Stunde über die ganze Zeit so sehr konzentriert hatte und sie nun ganz erschöpft war, ließ sie es zu, dass er ihr ein wenig half. "Es ist angenehm mit dir zu fahren", sagte er höflich, sobald sie den Motor abgestellt hatte. Sie sah ihn glücklich an. Sie fand das nett von ihm. Er hätte auch 'gut gemacht' oder so etwas sagen können. Aber was er gesagt hatte, klang nicht so überheblich und von oben herab. Natürlich war Autofahren eine Kleinigkeit. Das war etwas, das jeder konnte. Aber dennoch war sie stolz auf sich. Einfach weil sie sich durchgesetzt hatte und sie sich ihrer Angst gestellt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)