1000 Ways to Die in the West von Hotepneith (Die Memoiren eines Flohgeistes) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Wenn du wünscht die Scylla zu vermeiden, verfällst du der Charybdis   Homer: Odyssee   Der Rest des großen Jahresfestes verlief ohne Störungen, allerdings wurden im Dorf bereits am nächsten Tag die potentiellen Ehepartner getuschelt. Ich hätte gehofft, so ich diesem Schicksal nicht entrinnen konnte, dass ich zumindest Ayumi heiraten sollte, meine Schwester oder im Blut eben auch nicht, bei der Vorgeschichte. Sie kannte ich und sie war ruhig, still. Aber sie sollte Akari bekommen. Mutter Nene meinte zu mir, als wir gemeinsam das Dach unseres Hauses reparierten, dieses Mädchen da sei etwas für mich. Ein Flohmädchen, dessen Namen ich heute verdrän.… äh, vergessen habe. Es ist doch soviel passiert inzwischen. Jedenfalls wurde bestimmt, dass ich bei Meister Mikoto bleiben sollte, wenn die Eltern und Heranwachsenden das Dorf in drei Tagen verlassen würden um die erste Jagd zu begehen. Nur wenige andere Flohgeister würden mit uns zurück bleiben, jene, die ihren Partner in den letzten Jahren verloren hatten und auch entweder keinen neuen gefunden oder auch diesen verloren hatten, oder eben auch das dritte Kind, das Eltern aufgenommen hatten.   Es dauerte etwas, bis ich begriff, oder eher, zu begreifen glaubte, und meinen Lehrer fragte. „Es will mir scheinen, sensei, als wird damit gerechnet, dass bereits nicht alle Eltern oder Heranwachsenden von dieser ersten Jagd zurückkehren.“ Meister Mikoto sah mich aus seinen großen dunklen Augen an, ehe er seinen Schnurrbart strich. „Ja, du hast recht. Wer von dieser Jagd allein, ohne Partner oder versprochenen Partner, zurückkehrt wird einem derjenigen zugeteilt, die jetzt mit uns im Dorf bleiben. Natürlich erst, wenn auch du zurück bist.“ „So ist schon die erste Jagd gefährlich?“ fragte ich, den dicken Kloß im Hals schluckend. „Gerade die erste Jagd. Du stellst wirklich intelligente Fragen für einen so jungen Floh. Aber, das habe ich mir schon gedacht, du denkst einfach zu viel. Sei vorsichtig, lerne viel, gerade über die anderen Lebewesen und versuche deine Partnerin und vor allem deine Kinder durchzubekommen, ihnen das Überleben beizubringen. So kannst du dem Dorf am Besten helfen.“ „Ja.“ Ich senkte den Kopf. Was sollte ich auch anderes gegenüber dem Mann sagen, der so viel für unser Dorf, seine Bevölkerung, getan hatte? Dass ich nicht heiraten wollte, dass ich Sicherheit wollte, die es für unsereins nicht gab? Illusionen. So meinte ich nur: „Ich weiß. Warum nur habe ich das Gefühl, dass ich der Einzige bin, in meinem Jahrgang, der Angst hat?“ „Du hast Fantasie. Und denkst. Beides kann gut und schlecht sein, wie ein Schwert. Menschen und manche Yōkai tragen es, Myōga. Manche schützen damit, manche morden. Eine Waffe hat immer zwei Seiten. Und der Wille, das Denken, ist eine magische Waffe. Keine Magie in dem Sinn, wie es manche Yōkai vermögen, aber doch mächtiger als man denken sollte. Und, wenn es dich tröstet – denke daran, ich habe dort draußen allein überlebt, ich habe in den Hekashin gefunden und wieder zurück. Das schafft man. Mit Vorsicht und Klugheit.“ Ja, da hatte der Meister natürlich recht. So seufzte ich nur etwas. „Aber aufgeregt darf ich sein.“ „Natürlich, Myōga, das sind wohl alle bei dem ersten Biss. Suche dir ein Säugetier danach einen Oni, möglichst einen Berggeist. Und nie einen …“ „Waffentragenden Yōkai,“ ergänzte ich im Chor mit ihm. Ja, das war mir klar.   Ich hatte an diesem Tag kein Glück, dachte ich, als mir das Flohmädchen über den Weg lief, auf das mich Mutter hingewiesen hatte. Sie blieb vor mir stehen. „Myōga, schön, dich noch im Dorf zu sehen.“ „Äh, wo sollte ich denn sonst sein?“ fragte ich etwas verwirrt zurück. „Ich komme ja erst dran, wenn meine Eltern zurück sind, ich bin das dritte Kind.“ Sie schien erleichtert. „Ja, das stimmt natürlich. Ich dachte nur, du bist wieder bei Meister Mikoto.“ „Ja, ich lerne sicher viel bei ihm,“ gab ich zu. „Aber ich muss auch lernen Blut zu trinken, zu jagen.“ „Das stimmt. Und es beruhigt mich, dass du so vernünftig bist. Guck nicht so, Myōga. Du hast doch gehört, dass wir Gefährten werden sollen?“ „Nun ja, nichts offiziell,“ gab ich zu. „Was meinst du aber?“ „Wenn wir zusammen sind, wirst du doch die Lehrstunden bei Meister Mikoto sein lassen?“ „Was?“ Ich starrte sie an. „Wie kommst du denn auf diese Idee? Willst du etwa andeuten, dass Meister Mikoto, unser Dorfvorsteher, der Mann, der so viel für unser Dorf getan hat, ein schlechter Lehrer wäre?!“ „Nein, natürlich nicht,“ bemühte sie sich sichtlich. „Ich meinte nur, wir sind doch dann fertig ausgebildet.“ „Fertig? Hast du bemerkt, wie viele verschiedene Tiere und Yōkai es in Japan gibt? Lernen wird wohl unser ganzes Leben lang dauern.“ „Ja, das weiß ich schon.“ Sie schien nach Worten zu suchen. „Und das meinte ich ja auch nicht. Aber du wirst doch mit mir den Nachwuchs versorgen wollen, auf die Jagd gehen.“ „Ja.“ Was meinte sie nur? Sie atmete so auf. „Ja, und dann wirst du doch auch Zeit brauchen, ich meine, das dumme Zeug mit dem Lesen und Schreiben braucht doch kein Floh!“ Wie konnte man nur die Kunst des Schreibens so missachten? Aber, das wusste ich inzwischen durchaus, dass es wichtiger war den Nachwuchs durchzubringen, ein erfolgreicher Jäger zu sein. Allerdings wollte ich Meister Mikoto verteidigen. „Nun, unser Lehrer kann das und so ist es wohl nicht schlecht auch davon eine Ahnung zu haben, wenn man Dorfvorsteher sein will, oder?“ „Oh, ja.“ Sie lächelte sichtlich erfreut. „Ja, das stimmt wohl. Natürlich. Aber ebenso natürlich auch muss der Nachwuchs durch. Das hat Vorrang, da sind wir uns einig? Ich meine, ich habe sicher nichts dagegen die Partnerin des Dorfvorstehers zu sein, aber eben ….nun ja, zweitrangig.“ „Ja, ich verstehe,“ murmelte ich. Und das tat ich. Das war das Schicksal, das mir bestimmt war und nichts und niemand würde es ändern können. Warum nur konnte ich nicht Ayumi bekommen, sondern musste mit dieser bissigen ….Das sollte ich nicht mal denken… Nun, mit ihr auskommen? „Ich wünsche dir jedenfalls guten Erfolg bei deiner ersten Jagd.“ Das war sicher höflich und unverfänglich. Wie sollte ich sie bloß dazu bekommen, dass ich weiter bei Meister Mikoto lernen durfte? Ob ich mit ihm darüber sprechen sollte? Oder schickte sich das nicht, Lehrer hin oder her? „Danke.“ Sie lächelte. „Ich hoffe doch, dass wir bei der nächsten Zeremonie eigene Eier in den Baum hängen können. Ach, ihr Männer wisst gar nicht, wie gut ihr es habt.“ Sie hüpfte von dannen. Ich hoffte, sie werde meinen nächsten Satz nicht mehr hören. „Nein, aber ihre Frauen werden es ihnen schon sagen!“   Am folgenden Tag zogen die Eltern mit ihren Kindern in Zweierteams aus dem Dorf. Nur zehn Leute blieben zurück. So leer hatte ich es hier noch nie gesehen und ich wandte mich unwillkürlich an meinen Lehrer. Meister Mikoto sah, dass ich zu ihm blickte, aber er guckte in die Runde. „Geht in eure Häuser. Repariert, tut, zu was ihr sonst keine Zeit habt, bis alle, hoffentlich, zurück sind. Myōga, komm. Wir werden die erste Wache übernehmen.“ Wache? Aber ich folgte ihm die rote Felswand empor. Dort war ich noch nie gewesen. Ich kannte den Fels nur von unten. Hier oben war es eben, windig und, nun ja, ohne großartige Pflanzen. Ich erkannte einiges an Gras, ohne den Namen zu wissen. Im Hintergrund hoben sich weitere Hügel oder Berge, mit Bäumen bewachsen. Unser Dorfvorsteher blieb stehen. „Hier halten wir Wache, wie du schon bei unserem Fest mitbekommen hast. Dann sind es vier, heute nur wir zwei. Wir stehen Rücken an Rücken um eine möglichst große Fläche absehen zu können. Das Gefährlichste für uns Flohgeister sind Vögel, seien sie Tiere oder Yōkai, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen. Aber auch Echsen könnten es unerwarteterweise wagen hier empor zu klettern. Behalte daher immer den Himmel und auch den Boden vor dir im Auge. Ich werde es auch tun. Da nur so wenige im Dorf verblieben sind, werden die scharfen Augen der Jäger kaum hierher fallen, aber unsereins muss immer vorsichtig sein.“ Er drehte sich von mir weg und ich folgte seinem Beispiel. Ich zögerte, aber dann frage ich doch: „Wir sind so bedroht, unser Volk ….warum schützt uns der Herr der westlichen Länder nicht?“ Meister Mikoto entkam ein seltsamer Laut, ehe er nach Luft zu ringen schien. „Oh, das kannst du nicht wissen,“ gab er dann zu. „Der Fürst des Westens ist ein Hund, ein Daiyōkai dieses Volkes. Und wenn ein Hund etwas nicht will ist es sich mit Flöhen gemein zu machen. Er lässt uns leben, das ist doch schon etwas. Überdies – er schützt den Westen, keine einzelnen Personen. Unser Leben, der Heilige Baum, das wird geschützt. Niemand einzelner. Dafür hätte er kaum Zeit und sogar Macht.“ „Ihr sagtet, er habe nur eine Tochter.“ Ich war enttäuscht. Gab es wirklich keinen Schutz für einen armen Floh? „Dann wird deren Ehemann der neue Herr?“ „Mal sehen. Bislang sollen alle Interessenten den Klauen des Fürsten zum Opfer gefallen zu sein. Er ist wohl noch stark genug jeden Gegner zu beseitigen.“ „Gegner? Ich meinte seinen Schwiegersohn, sensei.“ Mikoto klang nachsichtig. „Schwerttragende Yōkai. Jeder deiner Stärke ist Feind. Und wir müssen noch froh sein, Myōga. Weiter drüben im Osten, ich war dort nie, leben Drachen, genauer, der Herr der Drachen. Da ist selbst das Leben eines Artgenossen, gleicher Wesen, nichts wert. Armer, kleiner, intelligenter Floh. Finde dich damit ab, dass unser Leben sehr gefährlich ist.“ „Ja, sensei.“ Was sollte ich schon sagen. „Hast du deine Braut schon kennen gelernt?“ „Ja.“ Ich zögerte, aber meine Meinung verschwieg ich wohl besser. „Sie meinte, sie wolle mit mir viel Nachwuchs.“ „Gut, das ist wichtig für das Dorf. Nun, für alle Flohgeister.“ Er klang so beruhigt, dass ich mich dem Himmel zuwandte. Manches musste man wohl einfach verschweigen, nicht zuletzt im eigenen Interesse. Und doch wünschte ich mir, dass ich weder noch hätte: weder die Braut noch das gefährliche Leben im Dorf und außerhalb. Aber, ich war nur ein Flohgeist und offenbar auf der untersten Stufe der Nahrungskette. Was sollte ich dagegen schon tun. Lernen, beschwor ich mich „Sensei, dieser Vogel … er hatte rote Augen und war ein Yōkai. Muss ich auch nach so etwas Ausschau halten?“ „Ja. Sie sind einzeln schon gefährlich, denn sie könnten Vorboten sein ….“ Unser Dorfvorsteher klang plötzlich zitternd. „Damals, als sie uns so verheerend überfielen, sandten sie auch nur ein oder zwei dieser scheinbaren Krähen aus, die uns kaum auffielen, ja, uns in Ruhe ließen. Dann aber kamen ...sie.“ „Das ...die Katastrophe damals?“ erkundigte ich mich mehr als zögernd, hin und her gerissen zwischen Neugier und Mitleid. „Ja. Paradiesvögel. Was für ein Name für eine entsetzliche Spezies!“ „Wie ...wie sehen sie aus?“ „Groß, riesig, mit einem großen Körper und einem noch größeren Maul, scharfen Krallen an den Füßen. Und dazu, grässlich, sitzen auf dem Rücken zwei Oberkörper, menschlich, würde ich sagen, die lenken und auch greifen und fassen können…. Mörderische Bestien, ja.“ Ich wagte nicht mich umzudrehen. Mein Lehrer klang so ängstlich, so panisch, und mir wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, was damals abgelaufen sein musste, warum anschließend alle ihn, der danach so viel gelernt hatte, als Dorfvorsteher akzeptiert hatten. Und, wie viel mir noch an Wissen und Erfahrung fehlte. „Die Höhlen schützen gegen sie?“ „Ja, die tiefsten. Sie können auch greifen und reißen Steine auseinander….“ „Und deswegen sind wir auch im Dorf nicht sicher.“ „Sehr richtig, Myōga. Sehr richtig.“   Ich hatte das Gefühl damit sei alles gesagt und er wolle das Thema nicht noch vertiefen. Paradiesvögel! Wie konnte man Bestien solchen Namen geben? Oder, wer hatte ihnen den gegeben? Flohgeister ja wohl kaum. Woher kamen eigentlich die Namen der Pflanzen und Tiere? Der Berge und Yōkai? So viele Fragen und so wenig Ahnung. Konnte man das im Hekashin bei Meister Nekohiko lernen?   Ich weiß nicht, wie lange wir dort standen. Es wurde langweilig, aber unser Dorfvorsteher schien zu ahnen, wenn ich in der Aufmerksamkeit nachließ, obwohl wir doch Rücken an Rücken standen, denn er fragte mich dann immer wieder etwas. So meinte ich irgendwann selbst, als ich merkte, dass ich wieder blinzelte: „Warum tragen schwertragende Yōkai eigentlich eines? Sie müssten doch so mächtig genug sein sich gegenseitig umzubringen,.“ „Das vermutlich schon. Aber gerade mächtige Wesen treffen untereinander Abkommen, leben nach strikten Regeln, um keine überflüssigen Toten zu verursachen, als Art zu überleben. Selbst der Herr der Drachen soll nicht jeden umbringen Und der ist dafür bekannt … aber zumeist sollen es Wesen anderer Arten sein.“ „Dann sollte ich wohl nie in das Land der Drachen,“ gab ich eilig zu Protokoll. „Es liegt im Osten, wenn ich das recht verstanden habe.“ „Ja, also, östlich des westlichen Fürstentums. Wie erwähnt, ich war dort nie. Ich hörte nur, von anderen, zugegeben, dass Drachen dazu neigen auch den harmlosesten Wanderern die Kehle auszureißen.“ Ich schluckte. „Das ist wirklich nicht nett….“ „Ach, nett. Kleiner Myōga – niemand ist nett zu dir. Gut, deine Eltern und ich, vielleicht, aber sonst …. Und Wesen anderer Arten werden dir nie wohlgesinnt sein, gleich welcher.“ Und doppelt kein Yōkai, kein Hundeyōkai und schon gar kein Daiyōkai. Ja, ich hatte verstanden Einsam war man als Flohgeist in seinem oft so kurzen Leben. Es war … man könnte fast trübsinnig werden. Kein Wunder, dass es die meisten bevorzugten im Dorf zu leben, sich um den Nachwuchs zu kümmern, zu überleben und eben nicht weiter nachzudenken. Wissen konnte auch weh tun, erkannte ich. War es womöglich besser nichts zu lernen, nichts zu wissen? Aber dazu wusste ich wiederum schon wieder zu viel. Eine verzwickte Lage. Ich sah zum Himmel auf. Oben kreiste ein Falke, aber der tat uns nichts, das wusste ich. Als Beute waren wir für das Tier zu uninteressant, zu klein. Selbst von einer Maus hätte er mehr. Ob fliegen wohl schön wäre? Ich sah in den blauen Himmel zu der dunklen Silhouette auf. Und eigentlich nur darum fiel mir auf, wie der Vogel plötzlich abkippte, eilig weiterflog und so suchte ich die Luft hastig nach etwas ab, was ihn erschreckt haben könnte. Aber ich konnte keine anderen dunkeln Schemen erkennen. Erst als ich, weil mich die Sonne blendete, wieder tiefer guckte, erkannte ich etwas, das schwer flatternd auf die Anhöhe zukam. Groß, fliegend, mit seltsamen Auswüchsen oben…. Ich konnte es kaum erkennen, keuchte jedoch: „Sensei!“ Meister Mikoto fuhr herum, das spürte ich mehr, als ich es sah, denn ich rieb die tränenden Augen. „Oh nein!“ Er klang schrill. „Er hat uns gesehen, schnell, spring, Myōga, renne! Nicht ins Dorf, weg, nur weg!“ „Ein Paradiesvogel?“ fragte ich noch, aber ich erkannte, wie er schon eilig davon hastete und versuchte seinen Sprüngen zu folgen. Etwas rauschte knapp hinter mir, neben mir, und ich erkannte aus den Augenwinkeln eine scharfe Klaue, die mich gerade noch so verfehlt hatte. In jäher Panik raste ich davon, sprang, wie ich nie zuvor gesprungen war, hastete Meister Mikoto nach. Nun, zumindest glaubte ich das. Hinter mir verklang irgendwann das Flügelrauschen, aber ich bekam es nicht mehr mit. Ich war schweißgebadet, mein Herz schlug bis zum Hals und meine Lungen schrien nach Sauerstoff, den ich kaum mehr bekam. Aber mir war klar, dass ich um mein Leben hetzte. Nur noch weg, das war alles, was zählte. Und so sprang ich, weitere Sprünge als je zuvor, auf Bäume, auf Felsen auf ...ich wusste es nicht einmal mehr.   Irgendwann kam ich zu Bewusstsein. Ich hing in einem Baum, klammerte mich an ihn und rang keuchend nach Atem. Mein Herz überschlug sich noch immer, aber mehr als da sitzen, ja, das bekam ich dann erst mit, ich saß auf einem Ast, war unmöglich. Es dauerte, bis ich irgendwie piepste: „Meister Mikoto?“ Niemand antwortete, außer dem Wind. Ängstlich blickte ich mich um. Ich saß auf einem Baum, in einem Wald, umgeben von Lauten, die ich noch nie gehört hatte. Immerhin war dieser grässliche Vogel nicht mehr da und ich erholte mich langsam. Nur, wo war Meister Mikoto? Hatte der ihn etwa….? Nein, er war doch vor mir gewesen? Aber, wo war er? Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich einigermaßen wieder bei Atem war und mich richtig umsehen konnte. Ja, ich war in einem Wald. Irgendwie musste ich jedoch meinen Lehrer verpasst haben, als er eine Kurve schlug oder so. Nun, dann sollte ich möglichst hoch in den Baum steigen und erkunden, wo mein Dorf lag. Es war ja zum Glück ein sehr hoher Baum. Noch ein wenig mühsam kletterte ich die wenigen Äste hinauf und hockte mich hin. Und, was soll ich sagen. Eine schreckliche, eisige Furcht, wenn auch eine ganz andere als bei dem Paradiesvogel, stieg in meinen Adern auf, eine Kälte, die meine Wirbelsäule einfrieren ließ. Ich saß auf einem hohen Baum, inmitten eines Waldes, ja. Dieser Wald befand sich in einem Tal, groß und weit, ähnlich einer Schüssel, umgeben von ebenso mit Bäumen bestandenen Anhöhen. Kein Dorf in Sicht, keine rote Felswand. Woher war ich nur in dieses Tal gekommen? Und wohin sollte ich zurück? Ich hatte keine Ahnung. In meiner Panik war ich blindlings gesprungen. Und jetzt…. Ich ließ mich auf den Zweig unter mir sinken. Ich war weg. Weg vom Dorf, das doch relative Sicherheit bot, weg von allem, was ich kannte. Und ich hatte keine Chance schnell dorthin wieder zurück zu finden. Ich war erledigt, alleine. Ein einsamer, junger, unerfahrener Flohgeist in einer mehr als feindlichen Umwelt. Ich spürte, das meine Augen brannten und begann zu weinen. Zu weinen, wie nie zuvor und auch nur ein einziges Mal später in meinem Leben. Ich hatte mich nicht nur verirrt. Ich war verloren.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)