Hand Overs von DuchessOfBoredom (Seto x Duke) ================================================================================ Kapitel 2: A truth and a beginning ---------------------------------- Am folgenden Tag in der Schule ließ Tea Duke nicht aus den Augen, soweit das eben möglich war, ohne sich zu verraten. Hin und wieder sah sie sogar klammheimlich zu Kaiba, in der Hoffnung, irgendetwas zu entdecken, das ihre Theorie bestätigen konnte: Einen verstohlenen Blick hier, ein kurzes Augenzwinkern da, vielleicht ein zaghaftes Lächeln? Schon in der Mittagspause brach sie das Vorhaben jedoch entnervt wieder ab: Sie hatte definitiv nicht ausreichend einkalkuliert, mit wem sie es hier zu tun hatte. Dass sich ausgerechnet diese beiden durch eine derartige Unvorsichtigkeit verrieten, darauf konnte sie lange warten. Dafür waren sowohl Kaiba als auch Duke viel zu sehr darauf bedacht, ihre wahren Gefühle zu verbergen, wenn auch auf Weisen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Zumindest was Duke betraf, versetzte ihr diese Tatsache immer einen kleinen Stich, wenn sie, so wie jetzt, erkennen musste, dass sie ihn eigentlich gar nicht wirklich kannte. Sie waren nun schon so lange befreundet und trotzdem wusste sie im Grunde nur Oberflächlichkeiten über ihn und sein bisheriges Leben und eigentlich nichts darüber, wie es wirklich in seinem Inneren aussah. Aber sei es, wie es wollte: Wenn sie wissen wollte, was Sache war, musste sie mit Duke sprechen, und zwar allein. Hier in der Schule war das ein Ding der Unmöglichkeit und viel zu auffällig noch dazu. Nein, ein anderer Plan musste her … Es war bereits später Nachmittag, als Tea durch die Straßen Dominos zum Black Clown spazierte. Einen guten Vorwand für ihren ungewöhnlichen Einzelbesuch hatte sie sich bereits zurechtgelegt, doch auch der konnte nicht verhindern, dass ihr Herz schneller zu schlagen begann und ihre Handflächen leicht schwitzig wurden, als sie vor dem Eingang stand. Lampenfieber! Ausgerechnet jetzt! Sie lief noch einmal um den Block, stellte jedoch fest, dass es ihre Aufregung keineswegs linderte. Schließlich überwand sie sich und betrat den Laden. Vorhang auf! Der Black Clown war um einiges größer als das kleine, übersichtliche Geschäft von Yugis Großvater, sodass sie ein paar Minuten lang einfach ziellos durch die Gänge stromern und sich unauffällig nach Duke umsehen konnte – ohne Erfolg. Völlig in Gedanken versunken blieb sie vor einer Vitrine mit besonders seltenen Duel Monsters Karten stehen und sah auf ihre Armbanduhr. Fast zehn Minuten war sie nun schon hier und noch immer keine Spur von Duke. War er heute überhaupt da? Krampfhaft versuchte sie sich daran zu erinnern, ob er in der Schule irgendetwas Besonderes erwähnt hatte. Eine Berührung an ihrer Schulter ließ sie zusammenzucken und herumfahren. „Hey Tea, was machst du denn hier?“ Duke lächelte sie freundlich an und hob entschuldigend die Hände. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!“ Wann war sie eigentlich das letzte Mal mit ihm allein gewesen? Eigentlich … noch nie, wenn sie es genau bedachte. „H-Hi!“ Ihre Wangen wurden heiß. Wieso wurde sie denn jetzt auch noch rot? „Ich … ähm, … suche ein Geschenk für den Sohn meiner Cousine. Sie ist am Wochenende bei uns zu Besuch und der Kleine hatte erst Geburtstag und meine Eltern und ich haben es voll vergessen, darum …“, spulte sie hektisch ihre vorbereitete Geschichte ab. „Versteh schon, es ist also dringend!“, erwiderte Duke amüsiert, aber mit einer verständnisvollen Wärme in seiner Stimme. „Wie alt ist er denn?“ Oh Himmel, mit derartigen Nachfragen hatte sie nicht gerechnet! Warum hatte sie das Improvisationsprojekt in der Theater-AG nochmal ausgelassen?! „Er ist … Moment, lass mich kurz nachdenken, … sieben?!“ „Mag er Brettspiele? Kartenspiele? Oder sollte es eher was für draußen sein?“ „Also ähm …“ Tea war überfordert. Ihr fiktiver kleiner Verwandter hätte definitiv eine bessere Hintergrundgeschichte gebraucht. „Ich schätze … Brettspiele?!“ „Okay, dann komm mal mit!“ Routiniert führte er sie zu einem Regal mit Brettspielen für diese Altersgruppe, ließ seinen Blick suchend über die vielen Kartons schweifen, dann beugte er sich nach unten und zog einen heraus. „Das hier ist eigentlich immer eine gute Wahl. Ein Würfelspiel – aber vielleicht bin ich da auch nicht ganz unparteiisch.“ Ein schelmisches Augenzwinkern, dann erklärte er weiter: „Bei diesem Spiel fordert man mit jedem Wurf immer wieder sein Glück heraus und es bleibt konstant spannend, weil es viel hin und her geht. Kinder lieben es, wenn sie sich mehr getraut haben als die Erwachsenen und es sich am Ende lohnt. Außerdem ist das Monster-Thema für Jungs in dem Alter echt ideal. Und als Erwachsener hat man auch eine Menge Spaß damit.“ „Super, das nehm ich!“, nickte Tea schnell und griff nach dem Karton, doch Duke ließ nicht los und neigte den Kopf. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Grüne Augen musterten sie durchdringend. „Warum bist du wirklich hier?“ Sie stockte. „W-woher … ? Ach, vergiss es!“ Dass es nicht ihre schauspielerische Glanzleistung gewesen war, wusste sie selbst. Seufzend und mit einem vergeblichen Kopfschütteln ließ sie das Spiel wieder los, sodass er es an seinen Platz im Regal zurückräumen konnte. „Ja, schwer hast du es mir jetzt nicht gerade gemacht.“, lachte Duke, als er sich wieder erhob und sie erneut ansah. Zum Glück schien er nicht sauer auf sie zu sein, lediglich ein neugieriges Funkeln lag in seinem Blick. „Also?“ Sie schluckte. „Ich … wollte mit dir reden. Unter vier Augen.“ Eine Sekunde lang runzelte er die Stirn, dann nickte er, legte ihr sanft die Hand auf den Rücken und führte sie zur Treppe. Zwei Etagen weiter oben betraten sie einen etwas kleineren Raum, bei dem es sich, dem Schreibtisch, dem Drehstuhl sowie den großflächig mit Ordnern vollgestellten Regalen nach zu urteilen, unzweifelhaft um Dukes Büro handeln musste. Zielstrebig ging er zu der simplen, mit dunklem Stoff bezogenen Couch, die an der Seite des Raumes stand, nahm seine Tasche herunter und bedeutete ihr Platz zu nehmen. Ohne sich anzulehnen oder wirklich in die Polster sinken zu lassen, kam Tea seiner stummen Aufforderung nach und hielt ihre Handtasche umklammert wie einen Rettungsanker. Duke hingegen schien noch immer die Ruhe selbst zu sein, so, wie er sich halb zu ihr gedreht dazusetzte und einen Arm auf der Sofalehne ausstreckte. „Also? Was wolltest du mit mir besprechen?“ „Ich … also … es ist so …“, stammelte sie, ohne ihm wirklich in die Augen zu sehen. Ihre Finger konnten nicht aufhören mit den Griffen der Tasche zu spielen. War das wirklich eine gute Idee gewesen? Was, wenn sie mit alldem kolossal falsch lag? Nein, sie war extra hierher gekommen und wollte sich nicht umsonst zum Affen gemacht haben! Sie kniff die Augen zusammen und ließ den Worten einfach freien Lauf: „Ach, was solls: Läuft da was zwischen dir und Kaiba?“ Im ersten Moment blieb sein Gesicht vollkommen unbewegt. Auch im zweiten, und im dritten ebenso. Was hatte sie auch erwartet? Pokerface konnte er. Schließlich schüttelte er leicht den Kopf und entließ ein leises Schnauben. „Zwischen mir und Kaiba?! Wie kommst du denn auf die Idee?“ Es war nur eine Nuance in seinem Tonfall, subtil, im Grunde nicht hörbar. Jemand, der weniger häufig mit ihm zu tun hatte, hätte mit Sicherheit nichts bemerkt … Augenblicklich kam ihr Puls etwas mehr zur Ruhe. Sie löste den festen Klammergriff um ihre Tasche, stellte sie neben sich ab und lehnte sich nun ebenfalls zurück, den Kopf mit einem Arm an der Sofalehne abgestützt. „Nun, sagen wir, ich habe ein Auge für die kleinen Dinge.“ In seinen Blick trat ein herausforderndes Funkeln. „Zum Beispiel?“ Es klang eher amüsiert als defensiv. „Zum Beispiel Haargummis, die auf mysteriöse Weise Handgelenke wechseln.“ Ein Blinzeln – kurz, unscheinbar, verräterisch. Ein Zucken seiner Hand, unbewusstes Aneinanderreiben der Fingerspitzen … es war ganz eindeutig. Doch noch immer schwieg er und hielt ihrem bohrenden Blick eisern stand. Schließlich – nach fast zwei Minuten unendlich quälender Stille – entließ er einen langen Atemzug und senkte den Blick. „Das hast du bemerkt?!“ Eine Welle der Befriedigung rauschte durch ihren Körper, doch sie ließ es sich nicht anmerken, sondern zuckte nur sanft lächelnd die Schultern. „Zufall, mehr nicht. Morgens in Mathe hab ich ihn bei Kaiba gesehen und nachmittags dann an deiner Hand. Das hat mich eben zum Nachdenken gebracht.“ Anerkennend neigte er den Kopf, nahm seinen Arm von der Sofalehne und faltete die Hände locker in seinem Schoß. „Nicht schlecht, Detective Gardner!“ Unweigerlich schlich sich ein kurzes, triumphierendes Grinsen auf Tea Lippen, bevor sie vorsichtig und wieder etwas ernster weiterfragte: „Wie lange schon?“ Er knetete seine Finger und wich ihrem Blick erneut aus. War das da etwa wirklich ein ganz leichter, roter Schimmer auf seinen Wangen? „Etwa … ein halbes Jahr.“ „Und wie …?“, setzte sie an, schob dann aber schnell hinterher: „Also natürlich nur, wenn du …“ „Schon gut.“, beruhigte er sie und schmunzelte, „Wenn ich es dir nicht erzähle, würdest du es am Ende vermutlich auch noch irgendwie selbst rausfinden!“ Das entlockte auch ihr ein leises Kichern. Voller Spannung lauschte sie seiner warmen Stimme, als er zu erzählen begann. ~°~ Um kurz nach 20 Uhr an einem Mittwoch kniete Duke am Boden und verschloss gerade den linken Flügel der gläsernen Ladentür, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Jemand kam die Treppe hoch. Ein routiniertes „Sorry, wir schließen jetzt!“ lag ihm schon auf der Zunge, doch der Blick auf schwarze, elegante Herrenschuhe, den Saum einer dunkelblauen Anzughose sowie eines Mantels ließ ihn innehalten. Er hob den Blick und traf auf blaue Augen, die kalt und ungeduldig auf ihn herabsahen. „Kaiba?! Was machst du denn hier?“, fragte er verwundert und richtete sich auf. Das Gesicht des Firmenchefs blieb so unbewegt und ausdruckslos wie eh und je. „Zeig mir deine kaputte Arena, Devlin, los!“ Im ersten Moment war Duke irritiert, dann verzogen sich seine Lippen zu einem ironischen Grinsen. „Natürlich, wenn du so nett und höflich fragst!“ Er ging einen Schritt beiseite und bedeutete seinem unerwarteten Besucher mit einer entsprechenden Geste einzutreten. „Ich kann mich gar nicht erinnern, den Chef-Service gebucht zu haben … oder kommst du zu allen deinen Kunden höchstpersönlich, wenn es Probleme gibt?“ „Spar dir gefälligst die Witzchen!“ Oh je, wie üblich schien Kaiba nicht in der besten Stimmung zu sein. „Okay, okay!“ Mit einiger Mühe unterdrückte Duke ein amüsiertes Glucksen und deutete auf eine Treppe am Ende des geräumigen Verkaufsraums. „Geh schon mal runter – einfach den Schildern folgen! Ich mach hier nur noch schnell zu.“ Statt einer Antwort nickte der Brünette nur, marschierte geradewegs in die gezeigte Richtung und verschwand nach unten. Duke schüttelte leicht den Kopf, schloss mit wenigen geübten Handgriffen auch noch die andere Seite der Glastür und löschte das große Licht im Laden, sodass nur noch die Schaufensterbeleuchtung übrig blieb. Dann folgte er dem Brünetten. Was auch immer Kaiba vorhatte, dauerte hoffentlich nicht allzu lange; eigentlich wollte er heute nur noch nach Hause, ein wenig auf seiner Couch entspannen und dann ins Bett. Die DDM-Arena befand sich in einem großen Raum im ersten Untergeschoss, der außerdem nur noch ein paar verstreute Sitzgelegenheiten und Beistelltische für Wartende und Zuschauer enthielt. Die Absperrkordel mit dem ‚Defekt‘-Schild daran, die seit etwa anderthalb Wochen gut sichtbar vor dem vorderen Spielerterminal stand, war ein wenig beiseite geschoben worden. Kaiba hatte seinen Mantel über einen der Stühle geworfen, stand auf der Plattform und öffnete den Reißverschluss seines ledernen Laptop-Cases. „Also, Devlin, erzähl mir noch einmal ganz genau, wie es zu den Problemen gekommen ist – fass dich aber bitte kurz, ich habe keine Lust die ganze Nacht hier zu verbringen!“ Nun, da waren sie ja schon mal zwei. Der stechende Blick aus den blauen Augen brachte ihn dazu seine Fragen vorerst hintanzustellen und stattdessen wunschgemäß zu berichten: „Vor etwa zehn Tagen wurde beim Hochfahren der Arena angezeigt, dass es ein Update gibt. Abends nach Geschäftsschluss hab ich es dann installieren lassen. Beim ersten Spiel am nächsten Tag haben die Hologramme erst ganz komisch geflackert, dann wurden irgendwann gar keine mehr angezeigt. Mehrere Neustarts haben nichts gebracht. Ich musste mich also entschuldigen und hab den Kids jeweils einen DDM- und einen Duel Monsters-Booster geschenkt, als Entschädigung, weil sie ja eigentlich bezahlt hatten. Dann hab ich bei deinem Kundenservice angerufen und …“ „Ja ja, der Rest ist mir bekannt.“, wiegelte Kaiba unwirsch ab, zog ein Kabel aus seinem Laptop-Case und verband seinen Computer mit der Arena. Duke hielt es für einigermaßen ungefährlich, ein wenig näher zu kommen und ihm in angemessenem Sicherheitsabstand über die Schulter zu sehen. Das Diagnose-Tool, das gerade lief, kam ihm vage bekannt vor. „Ich kann mich natürlich irren, aber ich glaube, das haben deine Techniker jedes Mal gemacht, wenn sie hier waren.“ „Sicher haben sie das, aber ich überzeuge mich gern selbst.“, antwortete der Brünette scharf ohne vom Bildschirm aufzusehen oder das Malträtieren der Computertastatur einzustellen. Duke nickte nur. Vermutlich war es besser, nichts zu sagen, auch wenn ihm die Frage förmlich auf der Zunge brannte, warum um alles in der Welt ausgerechnet Kaiba hier war. Ja, die KC-Techniker, die bisher gekommen waren und sich die Arena angeschaut hatten – fünf an der Zahl –, hatten nicht herausgefunden, wo das Problem lag, aber das war doch noch lange kein Grund, anstelle eines kompetenten Third-Level-Supports gleich den Erfinder höchstpersönlich hinzuschicken, noch dazu, wenn der auch ein vielbeschäftigter CEO war! Außerdem hatte Kaiba selbst seines Wissens nach mit der Entwicklung der DDM-Arenen gar nicht wirklich etwas zu tun gehabt. Abgesehen von zwei kurzen Terminen in Kaibas Büro, bei denen es hauptsächlich um Vertragswerk gegangen war, hatte er im Entwicklungsprozess sonst nur mit Angestellten aus anderen Abteilungen der KC in Kontakt gestanden. Nach etwa fünfzehn Minuten hielt er die angespannte Stille nicht mehr aus, die nur gelegentlich von einem unzufriedenen Brummen seitens des Brünetten unterbrochen worden war. „Schon etwas herausgefunden?“, erkundigte er sich vorsichtig. „Ein Software-Fehler ist es nicht.“, gab Kaiba lakonisch zurück, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen oder sich zu ihm umzudrehen. Eine Spur von Ärger begann in seiner Brust hochzuköcheln. Dafür raubte ihm Kaiba ernsthaft seinen Feierabend?! Das hätte er ihm auch sagen können! „Zu dem Ergebnis sind deine Techniker auch gekommen. Die Hologramm-Generatoren haben sie auch alle geprüft, konnten aber nichts feststellen.“ Nicht, dass Kaiba diesen zeitraubenden Prozess jetzt auch noch wiederholen wollte! Doch der Brünette schüttelte nur den Kopf und klappte energisch den Laptop zu. „Selbstverständlich konnten sie das nicht, das ist ja auch kompletter Blödsinn! Warum sollten die alle zur gleichen Zeit kaputt gehen?!“ Die blauen Augen blitzten auf. „Aber es wäre natürlich möglich, dass … “ Kaiba trat von der Plattform herunter, ging ein Stück an der Arena entlang und tastete einen Bereich an der Seite ab. Schließlich verharrte seine Hand an einer leicht vorstehenden Kante und betätigte einen offenbar gut verborgenen Knopf. Fast wie ein Handschuhfach im Auto öffnete sich eine kleine Klappe und auf einmal hielt der Firmenchef mehrere Schraubendreher – einen etwas größeren und drei sehr kleine – sowie zwei kompakte Zangen in der Hand. Dukes Augenbrauen wanderten unwillkürlich nach oben. „Wow, ich wusste gar nicht, dass …“ „Wissen die wenigsten.“, schnitt ihm der Brünette das Wort ab und umrundete die Arena weiter. Auf der anderen Seite auf Höhe der Spielfeldmitte ging er in die Hocke und begann damit, zwei große Abdeckungen aufzuschrauben. „Was wird das?“, erkundigte Duke sich zweifelnd. Kaiba wollte doch jetzt nicht etwa anfangen, die Arena auseinanderzunehmen?! „Ich war eigentlich der festen Überzeugung, ich hätte mich einigermaßen klar ausgedrückt.“, antwortete der Brünette, während er die erste der beiden Metallplatten zur Seite stellte, „Ich versuche herauszufinden, was mit deiner Arena nicht stimmt. Hast du ein Problem damit?“ „Nein, natürlich nicht, aber …“ Was wurde aus seinem Feierabend? „Schön! Dann wäre das ja geklärt. Und jetzt halt gefälligst den Mund und lass mich weitermachen!“ Dukes Kinnlade klappte leicht nach unten. Das war doch einfach unfassbar! Dieser Mistkerl wagte es, einfach so unangekündigt hier aufzutauchen, ihm ohne jede Erklärung seinen Mittwochabend zu klauen und dann auch noch so mit ihm zu reden?! In seinem eigenen Laden?! Nein, nicht aufregen! Es ging um seine Arena, Kaiba versuchte sie zu reparieren und wenn er sie dafür halb auseinandernehmen musste, dann war das nun einmal so. Er atmete einmal tief durch und schluckte die schnippische Antwort, die ihm auf der Zunge gelegen hatte, für’s Erste widerwillig hinunter. Ein leises Knacksen war zu hören, als Kaiba sich erneut hinhockte, um nach dem prüfenden Blick auf die Leiterplatten und unzähligen Kabel auf der Oberseite des geöffneten Bereichs auch noch die Unterseite zu begutachten. Wieder leises Murren und Kopfschütteln, dann legte der Brünette das Werkzeug auf dem Boden ab und richtete sich auf. „Und?“ Geradezu genussvoll ließ Duke seine ganze Gereiztheit in dieses eine Wort fließen. So viel konnte er sich wohl erlauben. Wortlos rauschte Kaiba an ihm vorbei, zog sein Jackett aus und hing es über denselben Stuhl, auf dem auch sein Mantel lag. Seine schlanken Finger benötigten nur wenige Handgriffe, um die Manschetten des blütenweißen Hemdes zu öffnen und die Ärmel nach oben zu krempeln, bevor er fast gemächlich zu der freiliegenden Technik zurückschlenderte. Was sollte das denn nun schon wieder? Konnte dieser Typ nicht einfach mal wie ein normaler Mensch erklären, was Sache war?! Wieder beugte der Brünette sich nach unten und scheuchte ein paar Wollmäuse aus dem Zwischenraum der Metallsäulen, welche die Arena im Boden verankerten. Was zum … ? Dukes Augen weiteten sich, als der Firmenchef sich auf einmal auf den Rücken legte und seine obere Körperhälfte komplett unter der Arena verschwand. Zugegeben, damit hatte er jetzt nicht gerechnet! Ungläubig trat er etwas näher heran und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aus diesem Blickwinkel hätte Kaiba auch glatt als Automechaniker durchgehen können … die Kleidungsfarbe passte ja auf jeden Fall schon mal. „Steh da nicht nur dumm rum, Devlin, sondern sorg lieber für ein bisschen mehr Licht hier unten!“ Schon wieder dieser arrogante Befehlston! Sein Kiefer verkrampfte sich unwillkürlich. Mit jeder Minute konnte er Joey mehr verstehen: Normalerweise stand er ja über so etwas, aber heute … heute war er einfach nur fertig und wollte nach Hause! Dumm nur, dass das Business nunmal leider vorging und eine funktionierende DDM-Arena für den Laden immens wichtig war. Widerstrebend zückte er also sein Smartphone, hockte sich mit aktivierter Taschenlampenfunktion neben den angewinkelten Beinen des Firmenchefs hin und versuchte ihm irgendwie zu leuchten, ohne sich dabei den Arm zu auszurenken. „Halt das Licht dahin!“, herrschte der Brünette ihn an und das Brodeln in seiner Brust wurde stärker. Seine Finger schlossen sich fester um das Telefon, doch er presste nur die Lippen aufeinander und folgte dem harschen Befehl ohne Widerrede. Fragte sich nur, wie lange ihm das noch gelingen würde … Kaiba nahm den Schraubenzieher, den er eben noch in der Hand gehalten hatte, quer in den Mund und griff stattdessen nach einem noch kleineren Modell, um zwischen den unzähligen dünnen, bunten Kabeln herumzustochern – so zumindest sah es aus Dukes Perspektive aus. Was auch immer Kaiba da suchte, er schien es jedenfalls nicht zu finden. Es folgten einige weitere, brüske Anweisungen das Licht anders zu halten, denen er zähneknirschend nachkam, doch der Gesichtsausdruck des Brünetten wurde, soweit er sehen konnte, nicht zufriedener und wenn er sich nicht ganz täuschte, konnte er sogar den einen oer anderen genervten Seufzer vernehmen. Um ein Haar hätte Duke das Telefon fallen lassen, als Kaiba seine Hand mit dem Schraubenzieher kraftvoll und lautstark auf den Boden knallte. In einer fließenden Bewegung rutschte der Firmenchef wieder ein Stück unter der Arena hervor und sah ihn eiskalt und mit unverhohlener Geringschätzung an: „Mein Gott, Devlin, merkst du nicht, dass das so nichts wird?! Du musst mit dem verdammten Licht schon richtig her kommen, sonst sehe ich nichts!“ Moment mal, hatte die ganze passive Aggressivität der letzten Minuten etwa ihm gegolten?! „Ehrlich, Kaiba, du …“, wollte er gerade zu einer entrüsteten Antwort ansetzen, doch eine drohend hochgezogene Augenbraue des Brünetten ließ ihn sich wieder auf seinen Vorsatz besinnen. Ungläubig deutete er auf den kaum einen Meter breiten Zwischenraum zwischen den Säulen. „Du meinst, ich soll mich da noch mit dazu quetschen?!“ „Ja doch! Und jetzt mach schon!“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwand Kaiba wieder unter der Arena. Mit einem extra lauten und langgezogenen Seufzen legte Duke sich ebenfalls auf den Boden. Sein neuer Pullover würde hinterher definitiv in die Wäsche müssen, aber was tat man nicht alles für’s Geschäft?! Der Brünette war noch ein Stück weiter nach rechts gerückt und hatte ihm so etwas Platz gemacht, sodass Duke mit dem leuchtenden Handy in der Hand neben ihn unter das Panel robben konnte. Auch das Werkzeug hatte Kaiba für ihn aus dem Weg genommen und es mangels Alternativen auf seinem Oberkörper abgelegt. Naja, wenn er schon nicht in der Lage war, Bitte zu sagen, war das wohl auch das Mindeste! In dem Zwischenraum war es erwartungsgemäß eng. Das ungewohnte Gefühl der Nähe war kaum weniger unangenehm als die Wärme, die von Kaibas Körper ausging und sich mit seiner eigenen multiplizierte. Eine diffuse Aufregung machte sich in ihm breit. Soweit er sich erinnerte, hatte er Kaiba abgesehen von einem kurzen, kräftigen Händedruck beim Vertragsabschluss nie berührt; jetzt waren es nicht viel mehr als zehn Zentimeter, die ihre Körper noch voneinander trennten, an den Schultern sogar noch ein paar weniger. War irgendjemand Seto Kaiba schon einmal so nah gewesen? Noch dazu in einer so überaus … horizontalen Position? Schnell schob er die Gedanken wieder beiseite und widmete sich ganz der optimalen Ausleuchtung der Technik über ihnen. Je schneller er die unangenehme Situation hinter sich brachte, umso eher konnte er in seinen sich stetig verkürzenden Feierabend starten. Von dem kleinteiligen Elektronik-Gewirr über sich hatte er keinen blassen Schimmer, sodass seine Augen sich wie von allein das nächstbeste, interessantere Beobachtungsobjekt suchten: Kaibas haselnussfarbene Haare hingen ihm nicht wie sonst in die Stirn, sondern fielen leicht nach hinten, sein Brustkorb hob und senkte sich ruhig und regelmäßig, seine langen, schlanken Finger schienen genau und fast von allein zu wissen, was sie da taten und welches der winzigen Schräubchen und Kabel sie wie zu lösen hatten. Es war zugegebenermaßen ebenso faszinierend wie beruhigend, dem Firmenchef dabei zuzusehen, wie er vollkommen konzentriert in einer Sache aufging, die er absolut zu beherrschen schien. Wie aus dem Nichts riss Kaiba auf einmal ruckartig den Kopf nach oben, sodass Duke zum zweiten Mal beinahe das Handy fallen gelassen hätte. Die Bauchmuskeln unter dem weißen, schmal geschnittenen Hemd spannten sich erkennbar an, ein paar der Knöpfe sperrten durch die plötzliche Bewegung ein wenig auf und gewährten Duke so einen flüchtigen Blick auf die nackte Haut darunter. Er musste unwillkürlich schlucken und bemerkte erst mit leichter Verspätung, dass Kaibas Hände still hielten und blaue Augen ihn regelrecht durchbohrten. „Wenn ich mehr als zwei Hände hätte, Devlin, würde ich mir liebend gerne selbst leuchten! Da dem aber nicht so ist, bin ich bedauerlicherweise auf deine Mithilfe angewiesen! Willst du, dass deine Arena funktioniert, oder nicht?!“ Offenbar hatte er, ohne es zu bemerken, das Handy sinken lassen und überhaupt nicht mehr darauf geachtet, ob er das Licht noch auf die richtige Stelle richtete. Seine Kehle war staubtrocken; mehr als ein stummes Nicken brachte er nicht zustande. „Na also, dann konzentrier dich gefälligst und leuchte wieder dahin!“ Noch immer etwas durcheinander folgte Duke dem Fingerzeig und zwang sich erneut, das Telefon still zu halten, während Kaibas Hände nur wenige Zentimeter von seinen entfernt herumwerkelten. Der raue Tonfall den der Brünette weiterhin anschlug, wann immer er Korrekturen einforderte, ließ ihn seinen kurzen Aussetzer schnell wieder vergessen: „Mehr nach links! … Nein, wieder etwas mehr nach rechts!“ Duke musste die Zähne fest zusammenbeißen und tief ein- und ausatmen, um nicht jede Sekunde aus der Haut zu fahren. „Himmel, ist das denn so schwer?!“, herrschte ihn der Brünette schließlich völlig entnervt an und schloss die Finger um sein Handgelenk, um ihn genau und unmissverständlich zu der richtigen Stelle zu dirigieren, doch Duke reagierte schnell. „Hör mal, Kaiba, so langsam reicht es mir!“, fauchte er zurück und entzog sich energisch dem Griff. Er ließ den Arm mit dem Telefon sinken, richtete sich ein wenig auf und funkelte den Firmenchef an. „Ich versteh dich ja: Offensichtlich hast keinen Bock hier zu sein – und keine Sorge, du bist damit nicht alleine: Ich habe mir meinen Abend ehrlich gesagt auch anders vorgestellt! Allerdings würdest du wohl kaum an einem Mittwoch abends um neun in meinem Laden unter meiner Arena liegen, wenn es nicht aus einem mir unerfindlichen Grund wirklich wichtig wäre! Zusätzlich bist du in Ermangelung anderer Personen auf meine Hilfe angewiesen, wie du ja schon selbst so zutreffend bemerkt hast! Also würde ich dir empfehlen, an deinem Ton zu arbeiten oder ich werfe dich hochkant hier raus und kann dann endlich nach Hause gehen!“ Unwillkürlich erschauderte Duke, als sich die Augen seines Gegenübers bedrohlich verengten, doch er ließ sich davon nicht einschüchtern und hielt dem Blick eisern stand. Die Kälte in den blauen Augen ließ ein wenig nach und vielleicht, ganz vielleicht, war tatsächlich eine winzige Spur von Respekt durch Kaibas Blick gehuscht. Jedenfalls folgte keine bissige Erwiderung, keine Drohung, dass die Arena dann eben kaputt bleiben würde und Duke einfach sehen sollte, wo er blieb. Stattdessen atmete der Brünette nur einmal tief durch und ballte seine Hand fest zusammen. „Würdest du an diese Stelle hier leuchten, Devlin … bitte?“ Er hatte die Worte regelrecht hervorgepresst und vor allem das letzte schien ihn einige Überwindung gekostet zu haben. Dukes Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Schmunzeln. „Aber liebend gerne doch, Kaiba!“, erwiderte er mit zuckersüßer, übertriebener Höflichkeit und hob das Handy erneut nach oben. Na also, es ging doch! Warum denn nicht gleich so? Die unterschwellige Anspannung zwischen ihnen ließ zwar nicht merklich nach, doch ihre Zusammenarbeit funktionierte in der Folge tatsächlich etwas besser: Wann immer Dukes Arm ermüdete, nahm er das Smartphone in die andere Hand und gab sich redlich Mühe, dabei nicht einen Millimeter von dessen aktueller Position abzuweichen; Kaiba – anscheinend nun mit seiner Leistung zufrieden – wechselte in einem Fort zwischen den verschiedenen Werkzeugen und suchte weiter intensiv nach was auch immer. Wie spät war es eigentlich? Gefühlt lagen sie schon mindestens eine halbe Stunde hier unten … Liebend gerne hätte er einfach nachgeschaut, doch das Display des Telefons zu aktivieren, würde eine plötzliche Bewegung des Lichtkegels auslösen, was wiederum Kaiba (vor allem zum jetzigen Zeitpunkt) gar nicht gefallen würde. Dessen Lippen waren fest aufeinander gepresst, die Augenbrauen zusammengezogen, seine Schultern und Arme sichtlich verkrampft. Mittlerweile wirkte er weniger konzentriert, als vielmehr gestresst. Hin und wieder rieb er sich mit dem Handrücken über die Stirn – zu recht, denn so langsam wurde es wirklich warm hier unten. Wie konnte Kaiba unter diesen Umständen nur immer noch eine Krawatte tragen? Schließlich entließ der Brünette ein frustriertes Schnauben und ließ das Werkzeug sinken. „Der Hologramm-Splitter ist nicht die Ursache.“ Er schloss die Augen und massierte sich kurz mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. „Verdammt!“, fluchte er ungewohnt heftig durch seine zusammengebissenen Zähne und Duke zuckte reflexhaft zusammen, als seine flache Hand im selben Moment mit einem lauten Knall auf die Metallsäule zu seiner Rechten traf. Ganz offensichtlich war Kaiba sauer. Verdächtig sauer. Was hatte das alles nur zu bedeuten?! Langsam ließ Duke das Handy sinken, deaktivierte das Blitzlicht und musterte den Brünetten eindringlich. In seiner Stimme lag kein Vorwurf, einfach nur ernsthaftes Interesse: „Jetzt mal ehrlich, Kaiba, was ist eigentlich wirklich los? Warum bist du hier, um an meiner kaputten Arena zu schrauben, und nicht einfach ein anderer Techniker oder einer deiner Ingenieure?“ Der Brünette begegnete seinem Blick nicht, sondern starrte einfach weiter gerade nach oben. Sekunden verstrichen. Offenbar schien es dieser Sturschädel vorzuziehen, sich weiterhin auszuschweigen. Duke entließ ein Seufzen und konnte angesichts von so viel Starrsinn nur den Kopf schütteln. Er streckte die Füße ein wenig weiter aus, bereit, sich im nächsten Moment nach vorne zu ziehen und aufzustehen. „Es ist nicht nur deine Arena, Devlin.“ Augenblicklich hielt er inne und ließ sich zurücksinken. Ungewohnt leise fuhr Kaiba fort, bemühte sich jedoch, trotzdem möglichst kühl und sachlich zu klingen. „Alle DDM-Arenen funktionieren seit dem Update nicht mehr. Niemand hat bisher eine Lösung gefunden. Kein Techniker, kein Ingenieur, alle vollkommen ratlos. Unter normalen Umständen wäre das schon schlecht, aktuell ist es eine mittelschwere Katastrophe.“ Unwillkürlich senkte auch Duke seine Stimme und wagte erneut einen vorsichtigen Blick nach rechts. „Warum das?“ Der Brünette atmete gedehnt aus und vermied es weiterhin standhaft, ihn anzusehen. „Pegasus hat mir vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass er plant, dein Spiel noch stärker zu pushen, weil es sehr gut läuft.“ Duke nickte; die gute Nachricht hatte er ebenfalls bereits erhalten. „Wenn er zu Ohren bekommt, dass unsere Arenen streiken und das Problem nicht schnellstens behoben wird, könnte er auf ausgesprochen dumme Gedanken kommen.“ „Das heißt?“ Die blauen Augen verengten sich und Kaibas Griff um das Werkzeug wurde merklich fester. „Schröder Corp. Meinen Informationen zufolge hat er von Ziegfried mehrere konkrete Angebote vorliegen. Ich kann es mir also nicht leisten, dass gerade jetzt diese Arenen nicht funktionieren!“ Kaum hatte er geendet, rutschte Kaiba auf dem Boden nach vorn und erhob sich, fast, als wolle er ihm und damit auch der Wahrheit so schnell wie möglich wieder entfliehen. „Verstehe.“, brachte Duke gerade noch hervor und tat es dem Brünetten dann gleich. So erhaschte er gerade noch, wie Kaiba die Hand mit den Schraubenziehern in die Hüfte stemmte und sich mit seiner freien Hand durch die Haare fuhr. Ohne das Werkzeug abzulegen, lehnte der Firmenchef sich mit vor der Brust verschränkten Armen an den Rand der Arena und starrte ins Leere. Duke biss sich leicht auf die Unterlippe, bevor er die betretene Stille durchbrach: „Kann … ich dir was zu Trinken oder so anbieten?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Kaiba aufsah; fast, als würde er von irgendwo ganz weit weg in die Realität zurückkehren. „Kaffee.“ Mit einem einzelnen Kopfnicken verließ Duke den Raum und entschwand zügig nach oben. Im Treppenhaus verlangsamte er sein Tempo allmählich und ließ sich mehr Zeit beim Erklimmen der Stufen zum Pausenraum. Gott wusste, dass er eine Pause nach alldem, was er heute Abend bereits erlebt und erfahren hatte, wirklich gut gebrauchen konnte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)