Secrets von Sea9040 ((a Fushigi Yuugi Fanfiction)) ================================================================================ Kapitel 9: 09. Kapitel - NEU ---------------------------- 2004-11-28 Secrets IX. Sonnenaufgang “Wenn du ihn überquerst wirst du sterben.“ Schockiert sah ich erst nach links und dann nach rechts. Doch weit und breit war nichts zu entdecken, was diesen Bach so dermaßen gefährlich machen sollte, das es mich das Leben kosten könnte ihn zu überqueren. Er war schließlich gerade mal knappe zehn Zentimeter tief. “Jetzt komm schon Matuta. Soll das ein schlechter Scherz sein?“ “Das ist es leider nicht. Sobald du einen Fuß auf das andere Ufer setzt stirbst du.“ Der Wind kräuselte das Wasser während sich ihre Worte in mein Bewußtsein sanken. “Rei, ich bitte dich. Bleib stehen oder du wirst sterben.“ Ihre Worte verhallten mit dem Wind während meine Beine gaben unter mir nach. Sterben? Ich? Warum sollte ausgerechnet ich sterben? Es gibt noch soviel das ich tun muß, daß ich tun will… Wie kann ich da sterben? Ich habe so sehr darum gekämpft in diese Welt zu kommen und jetzt soll alles einfach so vorbei sein? Matuta beobachtete mich stumm während mir nach und nach klar wurde, was ihre Worte bedeuteten. War es das? Soll es das wirklich gewesen sein? All die Mühe, all das was ich durchgemacht habe um Ayurus Welt zu finden… Um ihn zu finden! Soll das alles umsonst gewesen sein? Ich liege im Sterben und alles, was mich von der ewigen Nacht trennt ist dieser dünne Bachlauf… den ich bereits zur Hälfte überquert habe? Kann ein Leben tatsächlich so schnell vorbei sein? Bin ich so schwer verletzt? Ist eine Rückkehr unmöglich? Wenn ich sterbe, dann wird er endgültig allein sein… Alles was mit seiner Vergangenheit zu tun hat wird allmählich erloschen… Er wird ganz allein sein… Aber… Tenkous nächtliche Überfälle wären endlich vorbei… Hier wird er mich nie wieder erreichen…. Mein Geist wäre von ihm sicher und ich würde meinen Frieden finden… Doch ist es das wert? Kann ich mein Leben und alles worum ich so lange gekämpft habe einfach so hinter mir lassen? Bin ich tatsächlich in der Lage den Menschen, der mir mehr bedeutet als jeder andere auf der Welt einfach so im Stich lassen? Kann ich das? Nur um meinen eigenen Dämonen zu entkommen überlasse ich ihn einfach so seinem Schicksal? Habe ich überhaupt noch eine Wahl? Wenn man sich so dicht an der Schwelle des Todes befindet gibt es dann überhaupt noch einen Weg zurück? Heiße Tränen rannen über mein während meine Beine und Hände im fließenden Wasser immer weiter abkühlten. Mit einem Mal erschien mir alles, was ich bisher getan hatte vollkommen sinnlos. “Rei.“ Besorgt kam Matuta auf mich zu und schien gar nicht zu merken, wie ihr Kleid immer mehr Nässe in sich aufsog. Das Blau ihres Rockes wurde mit jedem Schritt dunkler. “Es tut mir so leid Rei, aber weiter kann ich nicht gehen.“ Gequält lächelte sie mich an. Sie stand etwa einen halben Meter von mir entfernt. Genau in der Mitte des Bachlaufs. Uns trennten nur noch wenige Schritte. Warum habe ich so sehr darum gekämpft zu ihm zu gelangen, wenn ich am Ende doch sterbe? Wozu das Ganze? Wofür habe ich gelitten? “Schon gut.“ Mühsam schluckte ich die nächsten Tränen herunter und stand auf. Meine Kleidung triefte vor Nässe. Vielleicht ist es besser so… vielleicht sollte ich einfach aufgeben… “Ich kann zu dir kommen.“ Sie schüttelte bedauernd den Kopf. “Du wirst sterben, wenn du das tust.“ Doch ich achtete nicht länger auf ihre Worte. Zu lange hatte ich sie vermißt. Ich machte jenen verhängnisvollen Schritt, der mich noch näher an den Rand des Todes aber gleichzeitig auch in ihre warme Umarmung beförderte. Kaum hatten sich ihre Arme um meinen Rücken geschlossen gaben meine Beine erneut nach. Sie ließ mich nicht los und kniete schließlich mit mir zusammen im kalten Wasser. “Rei, das war dumm.“ Sanft fuhr ihre Hand durch mein Haar als ich zu schluchzen begann. Jahrelang hatte ich mir nicht mehr erlaubt an sie oder ihren gewaltsamen Tod zu denken. Ayuru zu Liebe hatte ich all meine Trauer über ihren Verlust tief in meinem Herzen vergraben. Doch jetzt brach alles aus mir hervor als hätte irgend jemand einen Damm eingerissen. “Es tut mir leid… so leid…“ Meine Stimme konnte die Worte kaum fassen, die mein Herz ihr sagen wollte. Wir hatten uns so lange gekannt, so viele Erinnerungen miteinander geteilt und am Ende hatte ich weder ihr noch ihrer Familie helfen können. Dasselbe galt für Xiao-Zhun, auch sie hatte ich nicht retten können. Ich kam mir so nutzlos, so hilflos vor. Wem nutzte es schon, wenn ich am Leben blieb? Ich war zu schwach. Zu schwach um diejenigen zu beschützen die mir wichtig waren. Immer und immer wieder würde ich mit ansehen müssen wie leiden und ich würde nichts, aber auch gar nichts dagegen tun können. Außer ihr Leid durch mein Eingreifen noch zu vergrößern. Die Zeit verrann und ich stammelte immer und immer wieder dieselben Worte während Matuta mir unbeirrt durch mein Haar strich. “Für was entschuldigst du dich? Rei, ohne dich hätten Ayuru und ich niemals solange überlebt. Du warst immer da, wenn wir dich gebraucht haben.“ Verblüfft sah ich in ihr ruhiges Gesicht. Ist das wahr? Wie kann sie das sagen, wo ich doch immer wieder für Monate oder Jahre aus ihrem Leben verschwunden war… Ich hatte sie und ihn allein in einer feindlichen Welt zurückgelassen. Einer Welt in der sie nach dem Tod ihres Bruders und ihres Vaters vollkommen auf sich allein gestellt gewesen waren. Ich hatte sie ihm Stich gelassen! “Du hast uns niemals im Stich gelassen und das wirst du auch nie. Es ist nicht deine Art vor Schwierigkeiten davonzulaufen. Aus diesem Grund hast du es doch schließlich auch gewagt einen Gott zu verärgern. Komm, nun ist es genug.“ Lächelnd legte sie eine Hand auf meine Wange und wischte behutsam meine Tränen fort. “Rei, du hast mehr für Ayuru und mich getan als jeder andere Mensch. Es wird Zeit, das du deinen Frieden findest.“ Ich sah sie lange an und zwang meine Stimme ihr die Frage zu stellen, die mir auf der Seele brannte. “Kann ich ihn wirklich verlassen?“ Kann ich so egoistisch sein ihn zur Einsamkeit zu verdammen nur um selbst Frieden zu finden? Das sanfte Blau ihrer Augen umfaßte mich wie ein warmer Mantel. “Diese Frage mußt du dir selbst beantworten. Aber er würde es verstehen. Ganz sicher würde er es verstehen.“ Zitternd schmiegte ich mich enger an sie und legte meinen Kopf an ihre Schulter während sich ihre Arme um meinen Rücken schlossen und mich fest an sie drückten. Ich konnte spüren wie mich eine nie gekannte Art von Müdigkeit überfiel. “Glaubst du es war richtig?“ War es richtig, was ich bisher in dieser Welt getan habe? Hätte ich nicht direkt zu ihm eilen sollen, statt mich immer wieder aufhalten zu lassen? “Egal, was du getan oder nicht getan hast. Du hast deine Entscheidungen getroffen, weil du, du bist. Mädchen, du hast mehr Mut als so mancher Soldat.“ Erschrocken fuhr ich auf als eine tiefe dunkle Stimme dicht neben mir aufklang und sich eine starke Hand auf meine Schulter legte. “Aber sie hat recht. Es wird Zeit, das du deinen Frieden findest.“ Ich starrte die wissenden grünen Augen sowie deren Besitzer an, als wäre er ein Geist. “Sana… …san?“ “Ha! Hast du das gehört? Sie kennt meinen Namen!“ Triumphierend sah er hinter sich wo ein beinahe perfektes Abbild Ayurus stand, das mich sanft anlächelte. Meine Lippen zitterten und weigerten sich Worte zu formen. “Und das wundert dich?“ Er kniete sich direkt neben mich und sah mich einem Blick an, der mich schmerzhaft an Ayuru erinnerte. Wenn ich wirklich fortgehe… wer wird sich um ihn kümmern? “Mein Neffe kann sich glücklich schätzen, daß die Götter ihm jemanden wie dich geschickt haben. Du hast den Mut eines Löwen.“ Ich kam nicht dazu meinen Schock zu überwinden und ihm zu sagen wie sehr er sich irrte. Das ich in Wahrheit alles andere als mutig war. Denn plötzlich lag ich in seinen Armen und seine Lippen preßten sich heiß auf die meinen. “AYURU!“ Matutas lauter Protest ging in einem Achterbahnchaos meiner Gefühle unter. Mit wurde schwindelig und als er mich losließ tanzten Unmengen bunter Punkte vor meinen Augen. Ich hatte das Gefühl jeden Moment das Bewußtsein zu verlieren. Bitte Kaen, was immer auch geschieht verlaß ihn nicht. Laß ihn nicht allein, niemals… …und sag ihm wie leid es mir tut… …verzeiht mir, alle beide… …bitte verzeiht mir… …ich habe nicht mehr genug Kraft um zu kämpfen… Hörst du Tenkou? Ich gebe auf… “Nein!“ Entschlossen packte er meine Schultern und sah mich an. Die Augen seines Onkels unterschieden sich lediglich in einigen Farbnuancen von denen Ayurus. Er ließ sämtlichen Widerstand in mir erlöschen. “Egal was du sagst, was man dir auch angetan hast. Du darfst nicht sterben.“ Ohne, das ich mich dagegen wehren konnte griff er unter meine Arme und schleuderte mich so weit von sich wie er nur konnte. Ich landete unsanft im weichen Gras des Bachufers und war nicht in der Lage mich zu bewegen. Meine Lippen brannten nach wie vor von seinem Kuß. “AYURU! Das war nicht deine Entscheidung!“ Wütend fuhr Matuta ihren Bruder an, der sich geistesabwesend mit einem Finger über seine Lippen strich. Nachdenklich sah ich ihn an. Nein, er ist nicht Ayuru. Er ist nicht der Ayuru, dem mein Herz gehört… Aber er hat recht… Ich darf ihn nicht allein lassen. Ich habe es ihm versprochen… …er hat mein Wort, das ich ihn nie wieder verlasse… “Matuta bitte.“ Beruhigend ging Sana-san dazwischen und schaffte es ohne Probleme seine Enkelin zum Schweigen zu bringen. Danach wandte er sich mir zu wobei seine Gestalt sowie die von Ayuru und Matuta immer mehr verschwammen. “Chou no Ao! Egal, was geschieht, vergiß niemals, daß wir von nun an immer über dich wachen werden. Vergiß das nie!“ Nein! Nein, geht nicht! Laßt mich nicht zurück! “Du hast beschützt was uns wichtig war. Nun sind wir an der Reihe das zu schützen, was ihm am Herzen liegt.“ Flehend streckte ich meine Hand nach ihnen aus, doch ihre Gestalten verblaßten immer mehr. “Paß gut auf ihn auf. Zweifel niemals daran, das es richtig war in diese Welt zu kommen.“ In diesem Moment begriff ich, das sie entgegen all ihrer damaligen Worte nicht einen einzigen Moment lang an Matutas Worten gezweifelt hatte. Sie hatten immer geglaubt. “Wir sehr habe ich mir gewünscht, dich nur ein einziges Mal einfach nur als Schmetterling zu sehen.“ Die stille Sehnsucht in Ayurus immer leiser werdender Stimme ließ mich erschaudern. Er hatte mich ebenfalls sehen können? Er hatte mich gesehen?! Wie konnte das möglich sein? Warum hatte er dann nie etwas gesagt? Er hatte Matuta immer so behandelt wie der Rest des Dorfes. Eine arme, verwirrte Frau, die in der Einsamkeit anfing ihren Verstand zu verlieren und deshalb mit einem Schmetterling sprach als wäre dieser ein Mensch. Warum hatte er es ihr verschwiegen? Ich versuchte ihn danach zu fragen, doch meine Stimme versagte ihren Dienst. Mein gesamter Körper wurde immer schwerer und die Dunkelheit umfing mich. “…ru …Ay… u… ru… Ayu…“ Mühsam öffnete ich die Augen. Alles um mich herum war besaß keine festen Konturen und schien immer wieder in sich zu zerfließen. Mein Körper brannte wie Feuer und am Liebsten hätte ich meine Augen wieder geschlossen. Ich wollte noch einmal zurück zu diesem Ort. Dem Ort an dem Matuta wartete… doch das penetrante Rufen eines Namens, das wie eine Beschwörung in meine Ohren Drang hielt mein Bewußtsein fest. “Ayu… ru… Ayuru…“ Seid endlich ruhig. Hört auf mich zu rufen! Ich muß zurück! Ich muß ihnen noch soviel sagen… Doch meine Kehle war vollkommen ausgetrocknet. Ich brachte lediglich ein leises Krächzen zustande. Es reichte aus, um die Stimmen in meiner Nähe schlagartig verstummen zu lassen. Dankbar schloß ich die Augen doch bevor mein Geist erneut auf Wanderschaft gehen konnte versuchte irgend jemand mir eine bittere Flüssigkeit einzuflößen. Hustend spuckte ich sie wieder aus. Mein Körper zitterte als mein Bewußtsein wieder soweit zurückkehrte das ich zumindest erkennen konnte wo ich mich befand. Die Wände aus grobem Stein gehauen waren trist und grau. Schmucklos… harter, kalter Boden… die Dunkelheit nur spärlich durch ein paar Fackeln erhellt… Das war nicht länger die friedvolle Umgebung des Todes. Dies war die Wirklichkeit. Die kalte Zelle tief unter dem kaiserlichem Palast von Kutou… ich war zurück… Ayurus Onkel und Namensvetter hatte mich von der Schwelle des Todes zurück ins Leben befördert. Obwohl er genau gewußte haben mußte, das ich den nächsten Tag nicht überleben würde hatte er mich zurück geschickt. Damit ich seinem Neffen noch ein letztes Mal begegnen konnte bevor mich Shokitei mich hinrichten ließ. Ob ich ihm dafür dankbar sein sollte oder nicht, wußte ich jenen Moment nicht. Dafür andere. Meine Freunde wußten sehr genau wie knapp ich dem sicheren Tod entkommen war. Und sie waren trotz meines nach wie vor besorgniserregenden Zustands erleichtert, daß ich mich nach wie vor unter ihnen befand. Ich glühte vor Fieber und mein Körper wollte und wollte nicht aufhören zu zittern. Die Medizin, die sich versuchten mir einzuflößen oder die lauwarme Suppe behielt ich kaum bei mir. In diesem Zustand würde ich es keinesfalls aufrecht bis auf den Richtplatz schaffen. Das wußten sie, aber Shokitei würde darauf niemals Rücksicht nehmen. Notfalls würde er mich von einem Soldaten dorthin schleifen lassen. “Kaen?“ Wage hatte ich sie unter den verschwommen Gesichtern vor mir erkannt. “Ja?“ Sie klang besorgt. Äußerst besorgt. Es gelang ihr nur mühsam ihre Panik zu verbergen. Irgendwie mußte ich lächeln. “Ich… wäre… fast… gestorben…“ Meine Stimme zitterte, aber nicht weil ich bei diesem Gedanken Angst hatte sondern weil mein Körper immer schwächer wurde. Es fiel mir schwer bei Bewußtsein zu bleiben und die Worte zu formen. “Sag das nicht. Du hattest nur plötzlich Fieber, das ist alles.“ Sie schluckte um sich ihre verborgenen Tränen nicht anmerken zu lassen. Es war wesentlich ernster gewesen als sie bereit war zuzugeben. Komischerweise hatte sich zwischen uns in den vergangen Jahren eine enge Freundschaft aufgebaut. Wir vertrauten und respektierten einander und das obwohl wir in denselben Mann verliebt waren. Wir hatten gelernt die jeweils Andere an seiner Seite als Freundin und nicht als Konkurrentin zu sehen. Er brauchte uns beide und dieses Wissen hatte uns fest zusammengeschweißt. Bisher hatte ich jedoch nicht gewußt wieviel ihr unsere Freundschaft inzwischen bedeutete. Normalerweise war sie heilfroh, wenn es eine Konkurrentin weniger gab, die ihr Ayurus Gunst streitig machte. Warum war mir das bisher nicht aufgefallen? Wir kannten uns doch schon solange… “…Kaen… Du brauchst… mir nichts zu… verheimlichen. Ich habe… ihn gesehen… den Fluß, der… die Lebenden von den… Toten trennt. Sie standen alle… am Ufer…“ Ein Hustenanfall verhinderte, daß ich weitersprach. Vorsichtig half sie mir mich ein klein wenig aufzurichten. Fürsorglich hüllte sie meine zitternden Schultern in eine warme Decke. Dankbar sah ich sie an und fragte mich wie lange ich in diesem Zustand überhaupt noch bei Bewußtsein bleiben würde. Das Fieber sank nicht und ich wurde immer wieder von Schüttelfrost überfallen. Es sah ganz und gar nicht gut aus. “Du solltest nicht sprechen.“ Ich schüttelte leicht den Kopf und bereute das augenblicklich. Mir wurde schwindelig. “Nein, ist schon… gut.“ Der Blick mit dem sie mich ansah spiegelte deutlich wieder, daß ihrer Meinung nach rein gar nichts in Ordnung war. Aber sie ließ mich gewähren. Sie kannte mich zu gut. “…Ich war bereits… zur Hälfte dort…“ Scharf sog sie die Luft ein. “Aber… es war noch zu… zu früh. Ich konnte… noch… nicht… gehen…“ “Rei!“ Ich lächelte sie beruhigend an, als ich das Entsetzen auf ihrem Gesicht bemerkte. Mir wurde kälter und am Liebsten hätte ich mich hingelegt und geschlafen, aber das würde sie wahrscheinlich nur noch mehr in Panik versetzen. Außerdem hatte ich oft genug gesehen wie schwierig es war jemanden am Leben zu erhalten, der gerade dem Tod entkommen war. Schlaf konnte in einem solchen Fall durchaus tödlich sein. “Hilfst du… mir?“ Mißtrauisch sah sie mich an. “Wobei?“ “Shokitei… er wird mich… ver… urteilen. Ich muß… ihm aufrecht… gegenüberstehen.“ “Das ist unmöglich! Rei, dafür bist du viel zu schwach! Es ist ein Wunder, das du die Nacht überlebt hast.“ Sie hielt kurz inne. Es schien ihr zum ersten Mal bewußt auszufallen, das sie meinen richtigen Namen benutzte und mich nicht länger Ayuru nannte. Aber weder Suboshi noch Ranui schien das zu berühren. Sie standen wie Salzsäulen direkt hinter ihr und wagten nicht sich zu bewegen. Beinahe so, als hätten sie Angst, daß eine ihrer Bewegungen meinen Zustand plötzlich rapide verschlechtern könnte. “Kaen… bitte…“ Ich sah sie flehend an. Bitte laß nicht zu, daß ich diesem Mann kniend gegenübertreten muß. Diesen letzten Triumph kann ich ihm nicht gönnen. Ich muß aufrecht stehen, wenn er sein Urteil verkündet. Ganz egal, was das letztendlich für meinen Körper bedeutet. “Nein! Auf gar keinen Fall. Rei, das ist Wahnsinn!“ Sie wußte was ich von ihr verlangte, aber sie weigerte sich es zu akzeptieren. “Du läßt… mir… keine… andere Wahl…“ Mühsam schob ich die Decke von meinen Schultern und sank auf die Knie. Mein Körper ächzte bei dieser Bewegung als wäre ich dabei dem Mount Everest zu besteigen. Aber das war mir egal. Wenn sie mir nicht half mußte ich es allein schaffen. Ich würde Shokitei nicht kniend begegnen! “Rei, was bei allen Göttern hast du vor?!“ Ich rutschte ein kleines Stück von ihr weg und spürte die kalte Felswand an meiner rechten Schulter. Endlich! Langsam zog ich mich an dem rauhen Stein in die Höhe und mußte immer wieder darum kämpfen auf den Beinen zu bleiben. Alles um mich herum drehte sich und ich bekam kaum noch Luft. Aber ich stand. Jetzt kam nur noch eines. “Ranui! Suboshi!“ Ihre Stimme hallte so scharf wie ein Schwert durch die Zelle als ich versuchte einen Schritt nach vorn zu machen. Ehe ich mich versah hatte sich Ranuis Arm fest um meine Taille geschlungen und zwang mich zurück auf das Strohlager. “Bist du vollkommen wahnsinnig?!“ Rüde drückte er meinen Oberkörper nach unten und zog mir die Decke bis unters Kinn. “…Ich… muß… stehen…“ “Nein, du bleibst liegen. Du wirst nicht eher aufstehen bis sie es dir erlaubt, klar?“ Ranuis Stimme war kühl und dunkel. Diesen Klang hatte ich bei ihm noch nie vernommen. Er reichte jedoch aus um mich soweit einzuschüchtern, daß ich gehorsam nickte. Es hätte auch nicht mehr sonderlich viel genutzt sich noch weiter gegen ihn behaupten zu wollen. Mein Körper war fast vollkommen taub und nur noch ein dumpfes Pochen in meinem linken Arm erinnerte mich daran, das ich überhaupt noch einen besaß. Ich fühlte mich seltsam schwerelos. “Suboshi, Wasser! Schnell!“ Nervös beugte sich Kaen über mich und hielt zitternd ihre Hand an meine Stirn. “Rei, wage es jetzt bloß nicht schlapp zu machen. Bleib schön wach! Oder ich werde Vernunft in dich einprügeln.“ Ihre kühle ihrer Hand wirkte beruhigend auf mich. Ich versuchte ihr so gut es ging zu gehorchen. “Hier!“ Vor lauter Aufregung verteilte Suboshi direkt auch noch die Hälfte des Wassers in mein Gesicht. Es war aber nur halb so schlimm, da Kaen ohnehin vorgehabt hatte mir den gesamten Inhalt des Bambusröhrchens ins Gesicht zu schütten. Die plötzliche Kälte brachte mich augenblicklich wieder zurück. Die bleierne Müdigkeit, die mich überfallen hatte war verschwunden. “Gut, das scheint gewirkt zu haben.“ Zufrieden nickte sie Suboshi zu und wies ihn an noch mehr kaltes Wasser zu holen. Ranui wurde losgeschickt um Tücher oder Stoffreste zusammen zusuchen, die sie bald brauchen würde. Anscheinend war mein Fieber noch lange nicht soweit gesunken, das sie glaubte mich allein lassen zu können. “Mach dir keine Sorgen Rei, wir schaffen das hier. Du wirst nicht sterben.“ Ich lächelte sie schwach an. Nein, noch würde ich nicht sterben. Ich würde sterben sobald die Sonne aufging und Shokitei auf dem Richtplatz sein Urteil über mich fällte… Ich hatte keine Ahnung wieviel Zeit verging oder was um mich herum geschah, aber irgendwann spürte ich eine angenehme Kälte an meinen Schenkeln, die sich nach und nach über meinen gesamten Körper ausbreitete. Kurz bevor mein Geist sich in einen erholsamen Schlaf flüchten konnte rüttelte Kaen mich noch einmal wach und flößte mir bittere Medizin ein, die ich gehorsam herunter schluckte. Erst danach ließ sie mich schlafen wobei ihre, Ranuis und Suboshis Stimmen mich beruhigend einhüllten. Es war lange her, das ich mich so sicher und geborgen gefühlt hatte. Zufrieden ließ ich die Müdigkeit gewinnen und zum ersten Mal seit langer Zeit war es mir vollkommen egal, ob Tenkou meine Träume heimsuchte oder nicht. Seltsamerweise hielt er sich von mir fern und ich wachte mit dem seltsamen Gefühl auf, das sich etwas Entscheidendes verändert hatte. “Seit wann befindet er sich schon in diesem Zustand?“ Ayurus kühle Stimme brachte mich dazu meine Augen zu öffnen. Die Morgensonne stach jedoch so schmerzhaft in sie, daß ich sie sofort wieder stöhnend zusammen kniff. “Seid letzter Nacht, Nagako-sama. Er hatte einen schweren Fieberanfall. Er hat nur knapp überlebt.“ Kaens Stimme war vollkommen ruhig und sachlich. Es war nicht die geringste Spur von Mitleid darin zu spüren. Wir sind wohl alle drei gute Schauspieler. “Sieh zu, daß du ihn auf die Beine bringst. Unser Kaiser wird sein Urteil am Mittag verkünden.“ Mit einem eisigen Blick sah Ayuru auf mich herunter und verließ mit raschen Schritten die Zelle. Ich konnte hören wie er den Soldaten außerhalb Anweisungen gab wie mit dem Rebellen weiter zu verfahren war. “Dich wieder auf die Beine bringen… hmm…“ Soi sah mich lange an und ihr Blick wurde immer mehr von Sorge überschattet. Vorsichtig schob ich meine rechte Hand unter der Decke hervor und tastete nach ihr. “Weiß er überhaupt was er da verlangt?“ Behutsam drückte ich ihre Hand, die neben mir auf dem Stroh ruhte. Sie zuckte unter dieser zaghaften Berührung zusammen als hätte sie jemand mit einer Nadel gestochen. Ich sah sie fest an. “Es ist… mir egal was… tu, was du… tun mußt…“ Sie sah mich lange an und seufzte. “Wir werden sehen ob es wirkt. Warte hier auf mich.“ Ich brachte ein heiseres Lachen zustande. “…Glaubst… du ich laufe… dir… weg?“ Sie grinste mich schief an und erhob sich langsam wobei ihre Bewegungen seltsam steif aussahen. Fluchend dehnte und streckte sie sich. Anscheinend war sie die ganze Nacht über nicht von meiner Seite gewichen. Ihre Kleidung war vollkommen zerknittert und mit Stroh übersäht, aber seltsamerweise zeigten sich unter ihren Augen keinerlei Schatten. Sie muß sich sicher gewesen sein, daß ich überleben würde. Ansonsten hätte sie bestimmt nicht geschlafen. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf ein klein wenig konnte aber weder von Ranui noch von Suboshi die geringste Spur entdecken. Leise ließ Kaen mich wissen, das sie die Beiden zurück in die Kaserne geschickt hatte, damit sie ihr nicht länger im Weg herumstanden. Aber ich ahnte den wahren Grund. Ayuru war in dieser Nacht ebenfalls unerkannt an mein Krankenlager geeilt und hatte sich solange wie es ihm nur möglich gewesen war dort aufgehalten. Mit einem seligen Lächeln sah ich ihr hinterher bis sie die Zelle verlassen hatte. Was sagst du nun Tenkou? Ich lebe und ich werde dich auch dieses Mal nicht gewinnen lassen. Herausfordernd funkelte ich die Felsendecke an. Du kriegst mich nicht klein! Niemals! “Rei?“ Ich hob meine rechte Hand kurz an um deutlich zu machen, daß ich wach war. Mein linker Arm bestand inzwischen nur noch aus einem einzigen schmerzenden Etwas, das sich egal wie sehr ich es versuchte nicht einen Millimeter bewegen ließ. “Ich habe dir etwas zu Essen und frisches Wasser mitgebracht.“ Dankbar lächelte ich Suboshi an, der mir sichtlich verlegen dabei half mich aufzusetzen. Vorsichtig reichte er mir das mit Wasser gefüllte Bambusrohr das mir sofort aus der Hand rutschte. Verblüfft starrte ich meine rechte Hand an. Sie war zwar in der Lage sich zu bewegen, aber nicht um Gewicht zu halten? “Warte.“ Zitternd hielt er mir das Rohr an die Lippen und dankbar ließ ich das kühle Naß in meine Kehle laufen, bis ich mich beinahe daran verschluckte. Ich hatte das Gefühl plötzlich kurz vor dem Verdursten zu stehen und Suboshi hatte sichtliche Mühe mich davon abzuhalten mich selbst zu ertränken. Mit den Reisbällchen war es dann doch einfacher. Ihr Gewicht konnte meine Hand halten und ich verspeiste sie mit atemberaubender Geschwindigkeit. “Kann ich dir eine Frage stellen?“ Mittlerweile saß ich mit dem Rücken an der Wand und eine dicke Decke hüllte sich warm um meine Schultern. Er kniete direkt vor mir und sah mich ernst an. Noch während ich nach dem nächsten Reisbällchen griff nickte ich ihm aufmunternd zu. “Warum hast du uns nicht deinen richtigen Namen verraten? Warum hast du gelogen? Ich dachte wir wären Freunde…“ Hinter diesen Fragen lag noch wesentlich mehr verborgen, aber er hatte alles gesagt, was er sagen wollte. Nachdenklich ließ ich meine Hand mit dem Reisbällchen sinken und suchte seinen Blick. “Was hätte es denn geändert? Was hätte es geändert, wenn ihr ihn gewußt hättet? Ein Name ist nicht wichtig. Wichtig ist einzig und allein die Person, die du kennst. Ihr Name ist egal. Ob ich nun Rei oder Ayuru heiße… Was bringt es dir zu wissen, das Ayuru der wichtigste Mensch in meinem Leben ist…“ Seine Augen weiteten sich bei meiner Erklärung immer mehr. “Nein, es hätte rein gar nichts geändert. Wir wären immer noch Freunde. Nur mit dem Unterschied, das eine schmerzhafte Erinnerung auch weiterhin eine Erinnerung geblieben wäre…“ “Ist er tot?“ “Er war ein Hin. Wie viele von uns haben überlebt?“ Er schluckte und sah mich entschuldigend an während ich erneut in das Reisbällchen biß. Es war so lange her doch die Erinnerung an den Untergang der Hin war in der letzten Nacht erneut aus meinen Inneren hervorgebrochen. Obwohl ich froh war, das Ayuru das Massaker überlebte hatte begann ich mich allmählich zu fragen ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die Soldaten ihn damals ebenfalls getötet hätten. Nachdem ich meine Mahlzeit beendet hatte zog sich Suboshi mit einer geflüsterten Entschuldigung zurück. So wie es aussah hatten die Wachen den Auftrag jeden meiner Besucher genau zu überwachen und dafür zu sorgen, daß sich niemand von ihnen länger als nötig in meiner Zelle aufhielt. Allerdings konnten sie nicht verhindern, das Ranui sich über all ihre Anweisungen hinwegsetzte. Gegen sämtliche ihrer Proteste immun schleppte er einen Krug Sake und diverse Süßspeisen in meine Zelle. Ich lächelte ihn spöttisch an als er sich wutschnaubend vor mich kniete. “Du machst es ihnen nicht gerade leicht.“ Mit einem Kopfnicken deutete ich in Richtung Zellentür. Die Wachen hatten sich mit einem hilflosen Schulterzucken schließlich zurück auf ihre Posten begeben. “Ach was! Das sind Grünschnäbel weiter nichts! Wären sie echte Soldaten, dann wüßten sie das einem Gefangenen eine ordentliche Henkersmahlzeit zu steht.“ Erschrocken hielt er inne. “Es tut mir leid. Ich wollte damit nicht-“ “Schon gut.“ Unterbrach ich ihn. “Ich weiß selbst am Besten, was mich heute erwartet. Ich kann keine Gnade erwarten.“ Grinsend sah ich ihn an. Er war selten verlegen. “So solltest du nicht reden. Vielleicht gibt es noch einen Weg. Wenn du mit dem Kaiser reden würdest-“ “NEIN!“ Ich fuhr auf nur um direkt wieder zurück zusinken. “Nein. Auf keinen Fall.“ Ich würde Shokitei nicht um Gnade anflehen. Niemals! “Du hast wirklich Mut. Aber ist es das wirklich wert? Willst du dein Leben tatsächlich wegwerfen?“ Wütend funkelte ich ihn an. “Und wie würde mein Leben aussehen, wenn er mir tatsächlich Gnade gewährt? Soll ich den Rest meines Lebens in seinem Harem verbringen?!“ Sein Protest erstickte auf seinen Lippen als er die Bedeutung meiner Worte begriff. Shokitei wußte nach wie vor nicht, das ich eine Frau war und ich hatte nicht vor es ihn wissen zu lassen. “Nein, das nicht. Du würdest daran zugrunde gehen. Es würde dich vernichten.“ Da das Thema damit erledigt war bot er mir einen Schluck Sake an. Wie ich feststellen mußte war er verdammt gut. Auch die Leckereien waren von bester Qualität. Er beobachtete jede meiner Bewegungen ganz genau und schien irgend etwas abschätzen zu wollen. Fragend sah ich ihn zwischen zwei Bissen an. “Die Männer und der Meister mögen dich. Sie baten mich dir das auszurichten.“ Nickend bedankte ich mich für diese Ehre und kämpfte darum meinen Tränen zurück zuhalten. “Du hättest mit ihm fliehen sollen…“ Nachdenklich sah ich das Sakeschälchen in meiner Hand an. Yuen-Lao… ich werde ihn und die Anderen nie wiedersehen… “Meinst du? Ja… vielleicht hätte ich mit ihm gehen sollen.“ Ich habe ihn so sehr verletzt… Gedankenverloren leerte ich den Inhalt meines Schälchens nur um direkt Nachschub zu erhalten. “Ihr hört jetzt sofort auf mit diesem Quatsch!“ Vor lauter Schreck ließ Ranui den Sakekrug in seiner Hand fallen und starrte Kaen, die hinter ihm stand fassungslos an. Sie bebte vor Zorn. “Mach, daß du hier rauskommst!“ Energisch wies sie zur Tür und er hütete sich davor ihr zu widersprechen. Bedauernd sah er mich an und verschwand dann mit hocherhobenem Kopf. Sichtlich darauf bedacht Kaen nicht zu deutlich merken zu lassen wieviel Respekt er vor ihr hatte. Das leichte Grinsen in ihrem Gesicht zeigte jedoch deutlich, wie wenig Erfolg er hatte. “Soldaten! Sie glauben immer, das Sake das beste Heilmittel für alles ist.“ Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern. “Ach komm schon. Du weißt doch genauso gut wie ich, das es in einer solchen Situation rein gar nichts bringt sich zu betrinken.“ Seufzend ging sie vor mir in die Hocke und strich sanft über meine Wange. “Wenigstens hast du wieder etwas Farbe.“ Ich schaffte es ein schwaches Lächeln zustande zu bringen. Mit einem Ruck löste sie ein dickes Bündel von ihrem Rücken. Aus diesem förderte sie neue Kleidung sowie diverse Reinigungsmittel und Kämme zum Vorschein. “Jetzt verwandeln wir dich erstmal wieder in ein menschliches Wesen und dann sehen wir weiter.“ Sie wartete meine Antwort nicht ab sondern machte sich direkt an die Arbeit. Ich war heilfroh, daß uns niemand beobachten konnte. Immerhin hatte sie mir innerhalb von Sekunden jeglichen, noch so kleinen Stoffetzen vom Körper entfernt und wusch mich gründlich von oben bis unten. Lediglich mit meinem linken Arm verfuhr sie etwas sanfter. So wie es schien hatte sich die Wunde nicht entzündet und sah auch ansonsten ziemlich gut aus. Abgesehen davon, daß sie nach wie vor ziemlich beängstigend aussah. “Er hat sich große Sorgen um dich gemacht.“ Vorsichtig half sie mir dabei mich anzuziehen und achtete peinlich darauf, daß weder der frische Verband an meinem linken Arm noch der um meinen Brüste verrutschte. “Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er dich letzte Nacht hier raus geholt und soweit fortgeschafft wie nur eben möglich.“ “Ich weiß. Es ist grausam, was ich ihm antue.“ Sorgsam schloß sie die lange Jacke um meinen Oberkörper. Der Stoff war dunkelblau mit hellblauem Besatz. Reine Seide. “Nein. Du hast dein Versprechen erfüllt.“ Sie sah mich fest an. “Du bist hier. Das ich das Wichtigste.“ Ich schüttelte leicht den Kopf. “Es wäre besser, wenn ich den Rebellen nie begegnet wäre.“ Sie begann leicht zu lachen und sah mich dann amüsiert an. “Wenn ich eines über dich weiß Yume no Miko, dann das du niemals ruhig zusehen könntest, wenn um dich herum Unrecht geschieht. Das hast du noch nie gekonnt.“ Immer noch lachend setzte sie sich in meinen Rücken und begann damit meine Haare zu kämmen. “Darum habe ich dich immer beneidet. Du sagst frei heraus was du denkst und es ist dir egal, was du damit eventuell auslöst. Dein kleiner Aufstand auf dem Marktplatz hat für eine Menge Wirbel gesorgt.“ Ich wußte nicht was ich ihr darauf antworten sollte. Sicher, ich hielt mit meiner Meinung nicht sonderlich lange hinter den Berg, aber meistens brachte mir das nur Schwierigkeiten. Für etwas Besonderes hatte ich diese Eigenschaft eigentlich nie gehalten. “Trotzdem hättest du vorsichtiger sein können. Shokitei wird nicht eher ruhen bis er sich an dir gerächt hat.“ Sie zog leicht an meinen Haaren bevor sie diese zu einem Dutt zusammenfaßte und unter einem weißen Tuch versteckte. “Ich wünschte wirklich, wir hätten mehr Zeit miteinander verbringen können.“ Sie schlang ihre Arme um mich und preßte sich fest an meinen Rücken. “Kaen…“ Vorsichtig legte ich meine rechte Hand auf einen ihrer Arme. “Laß dich nicht unterkriegen. Versprich es mir.“ Ihre Umarmung wurde fester und nie ist mir eine Antwort leichter gefallen als in diesem Moment. “Niemals.“ Ich schloß die Augen und lauschte ihrem regelmäßigen Herzschlag. “Das werde ich niemals. Das verspreche ich dir, Kaen.“ Dankbar löste sie ihre Umarmung und kam hinter meinem Rücken hervor. “Gut, dann brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen, wenn ich dir das hier gebe.“ Sie zog aus dem inzwischen deutlich zusammengesunkenen Beutel eine kleine Phiole. Um den rundlichen Bauch der kleinen Flasche schlängelte sich ein silberner Drache bis hinauf zum Hals. Sie war blau wie das Meer und dünnem Glas gefertigt, das keinen Blick ins Innere zuließ. Was auch immer sich in ihrem Inneren befinden mochte, es mußte unendlich kostbar sein. “Was ist das?“ Neugierig betrachtete ich den zierlichen Gegenstand von allen Seiten. Aber es gab keinen Hinweis darauf, was sich in seinem Inneren verbarg. “Ein Gift.“ Zum Glück war es Kaen, die die Phiole festhielt. Ansonsten hätte ich sie in diesem Augenblick wahrscheinlich einfach fallen lassen und sie wäre am Boden zerschellt. “Es wird dir ermöglichen den Richtplatz aufrecht zu erreichen und vor Shokitei zu stehen. Aber sobald die Wirkung nachläßt…“ Sie versuchte meinem fragenden Blick auszuweichen entschied sich dann aber dagegen. “Wenn die Wirkung nachläßt wird sich dein Zustand mehr als nur verschlimmern. Es kann sein, das du es nicht überlebst.“ Behutsam schloß sie meine rechte Hand um die kleine Flasche. “Wie schnell wirkt es?“ Entschlossen und öffnete ich die Phiole. Ein merkwürdiger Blumenduft strömte aus der Öffnung. “Beinahe sofort. Wie lange die Wirkung anhält kann ich dir nicht sagen. Zwei Stunden, vielleicht drei oder sogar vier. Ich weiß es nicht.“ Ich war ihr dankbar für ihre Ehrlichkeit. Nun, im Notfall würde mir eine Stunde reichen. “Danke.“ Ohne zu Zögern schluckte ich den gesamten Inhalt der Phiole hinunter. Mit einem Lächeln gab ich ihr die Glasflasche zurück. “Wenn die Wirkung nachläßt wirst du es sofort merken.“ Ihre Hand verkrampfte sich um das zierliche Gefäß. “Soi, ich danke dir für alles.“ Tränen begannen sich in ihren Augen zu sammeln, die sie ärgerlich wegwischte. “Paß gut auf ihn auf. Er ist das Kostbarste, was ich besitze.“ Noch während ich ihr das sagte löste ich das Lederband von meinem Hals und drückte ihr das goldene Ankh, das daran hing in die Hand. “Das werde ich.“ Sie schloß ihre Hand fest um den Anhänger und stand entschlossen auf. Wir wußten beide, daß ich nicht nur den Anhänger gemeint hatte. “Wenn du stirbst gehört er mir.“ Ihre Stimme klang trotzig. Amüsiert lächelte ich. Sie wollte meinen Kampfgeist anstacheln. “Die Soldaten werden dich bald abholen. Es ist besser du ruhst dich noch etwas aus.“ Ihr Gesicht war von mir abgewandt, damit ich ihre Tränen nicht bemerkte. Ich tat ihr den Gefallen und legte mich gehorsam hin. Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Zelle Nachdenklich starrte ich die trostlose Decke über mir an. War es richtig was ich tat? Es war nicht mehr zu ändern. Ich ging meinem Tod entgegen… Nun denn, ich würde es Shokitei keinesfalls leicht machen. Wenn er mich schon verurteilte, dann würde ich zumindest meinen Standpunkt vertreten. Ich würde nicht klein beigeben. Niemals! Irgendwann sank ich in einen leichten Schlaf aus dem mich die schweren Schritte rund eines Dutzend Stiefel weckten. Noch ehe einer der Soldaten meine Schulter berühren konnte stand ich auf und funkelte sie eisig an. “Bringen wir es also hinter uns.“ Sichtlich geschockt von der Tatsache, daß ich trotz meiner Verletzung noch aufrecht stehen konnte führten sie mich durch die dunklen Gänge des Kerkers hinaus zum Richtplatz. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und ihre Strahlen verwandelten die Fläche auf der ich stand in reines Weiß. Shokitei saß auf einer Art Thron weit über mir und bedachte mich mit einem kalten Lächeln. Die letzte halbe Stunde hatte er damit zugebracht mir all meine Vergehen vorlesen zu lassen und hier und da über eine mögliche ‚angemessene’ Strafe zu sinnieren. Einige Male hatte ich es gewagt ihn zu unterbrechen. Aber schon bald hatte ich festgestellt, daß es besser war, wenn ich schwieg. Denn jedes Mal wenn ich den Mund aufmachte traf mich von einem der Soldaten, die in meiner direkten Nähe standen ein mörderischer Schlag in den Rücken. Dennoch stand ich nach wie vor aufrecht. Nach und nach rann mir der Schweiß in den Nacken. Es war unnatürlich warm an diesem Tag doch es zählte nur, daß ich meine Schwäche so gut wie möglich verbarg. Dank des Giftes oder was auch immer Kaen mir gegeben hatte war das auch gar nicht so schwer. Mein gesamter Körper fühlte sich seltsam leicht an und ich spürte so gut wie keine Schmerzen mehr. Nur die Riemen meiner Fesseln störten mich. “Nun gut, ein solcher Mut sollte belohnt werden. Meint ihr nicht auch?“ Fragend sah Shokitei in die Runde aber er rechnete nicht wirklich mit einer Antwort. Dieser Prozeß war eine reine Farce. Das Urteil stand ohnehin schon fest. “Löst seine Fesseln. Er soll die Chance bekommen um sein Leben zu kämpfen.“ Dabei sah er mich an wie ein Habicht, der gerade seine Beute fixierte. Ich wendete meinen Blick erst ab als ein Soldat meine Fesseln mit dem Schwert löste. Vorsichtig zog ich meine Arme nach vorn und rieb über meine schmerzenden Handgelenke. Dabei kam ein kleines Stück von Kaens kunstvollem Verband unter meiner Kleidung zum Vorschein. Doch das war kein sonderlich großes Geheimnis. Die Soldaten wußten so gut wie alle anderen, daß man mich bereits schwer verwundet hatte. Ich würde kaum in der Lage sein einen Kampf zu bestreiten oder diesen zu überleben. “Danke.“ Der Soldat nickte mir kurz zu und zog sich zurück. “Gebt ihm ein Schwert. Ich werde seinen Gegner bestimmen.“ Shokitei genoß es sichtlich alle um sich herum im Griff zu haben. Er gab mir nicht die geringste Chance. Jedenfalls war das seine Meinung. Als ich die Waffe in der Hand hielt zog ich sie prüfend aus der Scheide und lächelte ihn über die Klinge hinweg kalt an. Ein kleiner Moment… die Soldaten müssen nur einen Moment abgelenkt sein… “Sein Gegner…“ Suchend striff der Blick sein Blick über die versammelten Soldaten doch ich hatte sein kurzes Zögern als ich ihn angelächelt hatte bemerkt. Nach wie vor hatte er Angst vor mir und wollte nun ein für alle mal klarstellen, das ich ihm unterlegen war. Wir würden sehen in wie weit er damit recht behielt. Mit einem Schwert in der Hand sahen meine Chancen gar nicht mal mehr so schlecht aus. “…der Seiryuu Seishi SUBOSHI!“ “WAS?!“ Fassungslos starrte ich ihn an. “Es sollte eine Ehre für dich sein Rebell, das ich einen der Seiryuu Seishis gegen dich antreten lasse.“ Ich zischte einen Fluch zwischen meinen Zähnen hindurch wobei hundehäutiger Bastard einer Chimäre noch das harmloseste aller verwendeten Wörter darstellte. Shokiteis Gesicht lief purpurrot an und er schrie Suboshis Namen beinahe über den Platz. “Hier!“ Ich wirbelte herum und konnte sehen wie sich die Reihen der Soldaten teilten, um ihm Platz zumachen. Ranui legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter doch er schüttelte sie wortlos ab. Er hielt den Blick gesenkt als er den Platz betrat und hob ihn erst wieder als Shokitei ihn ansprach. “Ich erwarte, daß du diesem unverschämten Rebellen gegenüber nicht die geringste Gnade zeigst.“ Suboshi kniete kurz nieder. “Wie ihr befehlt euer Majestät.“ Langsam stand er auf und sah mich unergründlich an. Das Ryuuseisui zum Angriff bereit. “Suboshi…“ Ich schluckte als ich die Entschlossenheit in seinem Blick bemerkte. Ihm blieb keine andere Wahl. Er mußte ernsthaft gegen mich zu kämpfen. Mein Blick flog hinauf zu Shokitei der triumphierend auf mich hinunter sah. Er wußte genau, daß ich es niemals fertig bringen würde Suboshi ernsthaften Schaden zu zufügen und genau aus diesem Grund hatte er ihn zu meinen Gegner gewählt. Suboshi war ein Seishi und mein Freund. Shokitei war sich sicher, daß ich verlieren würde. “Du solltest dir Mühe geben nicht allzu schnell zu sterben.“ Er lächelte mich honigsüß an und ich verfluchte den Tag an dem ich ihn der Klinge meines Schwertes hatte entkommen lassen. “Es gewinnt derjenige, der am Ende noch lebt oder in der Lage ist zu stehen.“ Das er mir dabei keinerlei Chancen einräumte brauchte er nicht extra zu betonen. Ich war mit dem Schwert nicht schlecht, aber gegen Suboshi würde ich nur mit einer Waffe gewinnen können, die ich auch im Schlaf beherrschte und das war der Kampfstab. Doch den hatte man mir weder gegeben noch hätte ich ihn richtig einsetzen können, da mir im linken Arm nach wie vor jegliche Kraft fehlte. “Beginnt!“ Ich verstärkte meinen Griff um das Schwert und erwartete Suboshis ersten Angriff, dem ich knapp ausweichen konnte. Danach war es nur reines Reagieren und Parieren auf all seine Angriffe. Ich konnte meine Deckung nicht aufgeben um selbst einen Angriff zu starten. Dafür war er einfach zu schnell. “Du solltest besser aufpassen.“ Seine Faust rammte sich schwer in meinen Magen doch es gelang mir ihn mir mit meinem Schwert vom Leib zu halten. “Danke für den Tip.“ Keuchend wechselte ich die Position und wehrte seinen nächsten Angriff ab. Doch leider war ich dabei nur halb so vorsichtig wie ich hätte sein sollen. Urplötzlich sauste ein Ball seines Ryuuseisui auf mich zu und es blieben mir nur knapp zwei Sekunden um auszuweichen. Ein lautes Raunen ging durch die Reihen der Soldaten als ich mich mit einem kunstvollen Überschlagsalto aus der Gefahrenzone beförderte. Für den Moment war ich gerettet, aber es war ein Fehler gewesen meinen linken Arm voll zu belasten. Die Wunde war aufgerissen und das Blut begann sich langsam seinen Weg durch meine Kleidung zu suchen. Nicht mehr lange und ich würde diesen Kampf verlieren. Es hieß alles oder nichts. Ohne die geringste Rücksicht auf meine Wunden zu nehmen stürmte ich nach vorn und es gelang mir sogar ein paar Mal Suboshi zu treffen ehe mich seine Angriffe wieder soweit zurück drängten, das ich keine Chance mehr hatte überhaupt in seine Nähe zu kommen. Es sah ganz und gar nicht gut aus. Er hatte das Ryuuseisui bereits zum entscheidenden Schlag erhoben. Mitleidig schloß er die Augen. “Es tut mir leid.“ Sein Ryuuseisui sauste auf mich zu als ein lauter Schrei über den Platz hallte. “REI-SEMPAI!“ Ohne auf die Gefahr zu achten in die sie sich begab stürmte Yui auf mich zu. Sie lief damit genau in die Flugbahn des Ryuuseisui. Zu Tode erschrocken versuchte Suboshi noch die Richtung seiner Waffe zu ändern, doch es war zu spät. Sie würde Yui treffen, wenn nicht… Blitzschnell schoß ich nach vorne und warf sie zu Boden während das Ryuuseisui über mich hinwegsauste und dabei sowohl meinen Rücken als auch meinen linken Arm streifte. Ich schrie als die Nähte, die die Wunde bisher zusammengehalten hatten endgültig rissen. “Sem… pai…“ Zitternd kroch Yui unter mir hervor während mein Blut lautlos zu Boden tropfte. Mein Rücken und mein Arm brannten vor Schmerz. “Yui-chan…“ Die Wunde an meinem Arm pochte immer schmerzhafter. Ich hatte Mühe mich gerade zu halten. “Jag mir bloß nie wieder so einen Schrecken ein.“ Zitternd sah sie mich an. An ihrer Kleidung klebte mein Blut. “Yui-sama, alles in Ordnung mit euch?“ Leichenblaß tauchte Suboshi hinter uns auf. Vorsichtig kämpfte ich mich auf die Beine. Mein linker Ärmel war inzwischen blutdurchtränkt. “Ihr ist nichts passiert.“ Erleichtert atmete er auf und reichte mir eine Hand. Yui stand bereits neben uns und klopfte sich geistesabwesend den Staub von ihrer Kleidung bevor sie wütend auf mich zustürmte. “Was um alles in der Welt tut ihr hier?!“ Ihre Stimme überschlug sich fast als sie die Wunden an Suboshis und meinem Körper bemerkte. Es war kaum zu übersehen, daß wir einen Kampf auf Leben und Tod geführt hatten. “Kämpfen! Sie kämpfen um das Leben dieses Rebellen!“ Shokitei war bereits von seinem improvisierten Thron aufgestanden und funkelte Yui drohend an. Suboshi schob sich schützend vor sie und gab mir damit die Chance mein Schwert aufzuheben. “Bleibt wo ihr seid!“ Ich stellte mich neben Suboshi und hob mein Schwert angriffsbereit. “Seiryuu no Miko, ich respektiere, daß ihr um euren Seishi besorgt seid, aber dieser Kampf ist noch nicht zu Ende.“ “Seiryuu no Miko? Yui-chan, was in aller Welt hat das zu bedeuten?“ Doch statt meine Frage zu beantworten stellte sie sich dem Kaiser entgegen und nach einer kleineren Diskussion hatte sie durchgesetzt, das dieser Kampf beendet war. Shokitei beugte sich zähneknirschend den Wünschen seiner Miko. “Suboshi! Sempai! Runter mit den Waffen!“ Ihr Ton ließ keinerlei Widerspruch zu und erleichtert gehorchte Suboshi ihr. Sein Ryuuseisui sank harmlos zu Boden. Bei mir hingegen dauerte es wesentlich länger bis ich mein Schwert sinken ließ. Das plötzliche Auftauchen von Yui hatte mich in eine Art Schockzustand versetzt aus dem ich mich nur langsam befreite. “Sempai bitte.“ Flehend sah sie mich an. In ihren Augen schimmerten Tränen. “Bitte Sempai, bitte laß es fallen.“ Mein Verstand pochte unaufhörlich darauf, das ich auf gar keinen Fall aus meiner Rolle fallen durfte und dies vielleicht die letzte Chance sein würde, die ich erhielt um uns ein für alle Mal von Shokitei zu befreien. Doch mein Herz schlug bereits so laut, das ich ihn kaum noch hören konnte. Je näher Yui mir kam desto mehr zitterte meine Hand, die das Schwert festhielt und als sie genau vor mir stand konnte ich einfach nicht mehr. Die Verzweiflung in ihren Augen war zu viel für mich. Ich ließ das Schwer fallen und schloß sie fest in meine Arme. “Yui-chan.“ Mit einem leisen Aufschrei schlang sie ihre Arme um meinen Rücken und begann hemmungslos zu schluchzen. “Sempai! Rei-sempai.“ Sie klammerte sich in einer Verzweiflung an mich, die ich von ihr nicht mehr gewöhnt war. Das letzte Mal als sie sich in meinen Armen derart hatte gehen lassen war schon so lange her. Damals waren sie und Miaka noch im Kindergarten gewesen und hatten sich wegen irgendeiner Kleinigkeit furchtbar gestritten. Es hatte fast eine Woche gedauert bis sie überhaupt wieder miteinander sprachen doch danach war ihre Freundschaft noch enger gewesen als zuvor. “Yui-chan…“ Sanft strich ich mit der Hand durch ihr Haar. Sie regte sich nicht im Geringsten und in mir allmählich ein Verdacht auf. Doch das war weder die Zeit noch der Ort um sie danach zu fragen warum sie in meinen Armen lag und sich die Seele aus dem Leib weinte. “Tss, es hat also tatsächlich funktioniert. Kaum zu fassen.“ Irritiert sah ich Suboshi an, der verächtlich zu Ayuru hinübersah, der zufrieden vor sich hin grinste und damit Shokitei in ziemliche Verwirrung stürzte. “Was geht hier vor sich? Nakago! Ich verlange eine Erklärung.“ “Wie ihr wünscht euer Majestät.“ Mit einer leichten Verbeugung machte Ayuru einen Schritt nach vorn und hob seine Stimme etwas, damit ihn alle Umstehenden verstehen konnten. “Vor einiger Zeit ist ein Eindringling im Palast aufgetaucht, den die Seiryuu no Miko als einen Freund aus ihrer Welt erkannt hat. Bisher ist noch ungeklärt warum, aber irgendwie ist dieser Mensch gemeinsam mit ihr und der Suzaku no Miko in unsere Welt gelangt und hat nach unserer Seiryuu no Miko gesucht. Leider fiel er eines Tages in die Hände der Rebellen und es ist ihnen gelungen seinen Geist zu manipulieren. Von da an hielt er sich für einen gewissen Ayuru, der schon bald zu ihrem Anführer aufstieg. Doch wie man deutlich sieht ist er nun wieder ganz der Alte. Anderenfalls hätte er Yui-sama wohl kaum erkannt.“ Ich starrte ihn entgeistert an. Was um alles in der Welt sollte das bedeuten? Hat er das etwa von Anfang an geplant? “Dieser unverschämte Rebell soll die Seiryuu no Miko kennen?“ Shokiteis Stimme überschlug sich fast vor Hysterie doch ein kurzer Blick von Ayuru reichte aus um ihn verstummen zu lassen. Die Beiden führten einen leisen Wortwechsel den ich nicht verstand, aber es war deutlich zu spüren, daß Shokitei diese Entwicklung ganz und gar nicht gefiel. So ein Pech aber auch. “Sieht ganz so aus, als wärst du endlich wieder bei klarem Verstand.“ Suboshi klopfte mir leicht auf die Schulter und sah dann kopfschüttelnd auf Yui hinunter, die ihr Gesicht immer noch an meiner Brust verbarg als hätte sie Angst davor, daß ich verschwinden könnte sobald sie mich losließ. “Du hast unserer Miko ganz schöne Kopfschmerzen bereitet. Zum Glück hat sie dich trotz deiner Verkleidung erkannt.“ Ich brachte keine Antwort außer einem Nicken zustande. Viel zu schnell hatte sich die Situation geändert. Vor noch nicht einmal drei Minuten hatte ich mit meinem Leben so gut wie abgeschlossen und nun stand ich plötzlich unter dem Schutz der Seiryuu no Miko und ihrer Seishis. Nachdem Ayuru und Shokitei ihre Unterhaltung beendet hatten kamen beide auf Yui und mich zu. Mit wenigen Worten erklärte Shokitei mich zu einem persönlichen Diener der Seiryuu no Miko, der nur ihren Befehlen oder denen seines Shoguns zu gehorchen hatte. Danach drehte er sich auf dem Absatz um und kehrte in den Palast zurück. Auch Yui löste sich allmählich von mir und mit einer einfachen Geste strich ich ihr die letzten, verbliebenen Tränen aus dem Gesicht. “Mach dir keine Sorgen um mich, Yui-chan. Ich komme gleich nach.“ Für eine Sekunde sah sie mich zweifelnd an aber nickte dennoch. Wahrscheinlich ahnte sie, daß ich mich erst noch von meinen Freunden verabschieden wollte ehe ich ihr in das Innere des Palastes folgte. “Sie zu, das du nicht zu lange brauchst. Soi wird dich abholen.“ Nach dieser äußerst freundlichen Aufforderung schlang Ayuru einen Arm um Yui und führte sie zielstrebig in den Palast zu führen. Ohne es zu wollen blies ich beleidigt die Backen auf. Was bildete sich dieser Kerl ein? Als wenn ich Yui in diesem Zustand länger als nötig allein lassen würde. Mit einem reiflich schlechten Gewissen machte ich mich auf den Weg zu meinen Freunden. Es überraschte mich nicht im Geringsten das sie mich ansahen als wäre ich ein unheilvoller Geist. Selbst der Meister sah mich skeptisch an. Anscheinend hatte auch er nicht mit einer derartigen Entwicklung gerechnet. Ich musterte die Gesichter um mich herum und faßte dann einen Entschluß. Leider kam ich nicht dazu ihn auch in die Tat umzusetzen. Die Welt um mich herum wurde plötzlich stumm und verschwand schließlich in einem Meer von Farben, die sich stetig miteinander mischten. Außer einem schnellen Wechsel von rotgelb zu blau bekam ich nichts mehr mit. Kaen hatte mich gewarnt. Sobald das Gift seine Wirkung verlor würde ich es sofort merken. “Es tut mir leid…“ Ich war mir nicht sicher ob sie meine Worte überhaupt noch hören konnten. Meine Welt bestand nur noch aus grellen Farben in denen sich undeutlich ihre besorgten Gesichter spiegelten. Ihre Lippen bewegten sich zwar, aber kein einziges Geräusch drang mehr an meine Ohren. Und nach und nach verblaßten auch die Farben. Mein Körper bewegte sich nicht mehr und sank nur noch in sich zusammen. Ich nahm es kaum wahr. Mein Geist schien sich vollkommen von seiner sterblichen Hülle zu befreien und zum ersten Mal die Welt um sich herum bemerken. Doch noch ehe mich das Feuerwerk der Farben ganz verbrennen konnte versank es in der Dämmerung. An seine Stelle trat eine angenehme Dunkelheit, die mich wie ein schützender Mantel umgab. Als ich endlich wieder in der Lage war klar zu denken und meine Umgebung zu erkennen befand ich mich bereits im Inneren des Palastes. Ich erschreckte eine Dienerin, die gerade dabei war mir das Gesicht abzutupfen beinahe zu Tode als ich sie ohne Vorwarnung fragte ich mich befand. Sie rannte so schnell aus dem Raum, daß unmöglich war ihr irgend etwas hinterher zu rufen. Suchend sah ich mich um, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung wo genau im Palast ich mich befand. Der Raum war äußerst kostbar ausgestattet, aber von dieser Art gab gut und gerne drei Dutzend in jedem wichtigen Flügel. Durch die großen Fenster fiel das Licht der Nachmittagssonne und zauberte orangefarbene Muster auf den Boden. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, aber stechender Schmerz in meinem linken Arm ließ mich augenblicklich zurücksinken. Stimmt ja, ich bin verletzt. Behutsam zog ich an dem Stoff meiner Kleidung und war überrascht einen frischen Verband zu entdecken. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte war Suboshis Waffe, die mich sowohl am Arm als auch am Rücken getroffen hatte. Der Verband hätte eigentlich komplett mit Blut getränkt sein müssen. Irgend jemand hatte sich also bereits um meine Wunden gekümmert. Umgezogen hatte man mich auch. Wie lange war ich weggetreten? War immer noch derselbe Tag? Oder hatte ich mein Bewußtsein für länger verloren? Probeweise hob ich den linken Arm ein klein wenig an und war überrascht, das sich in meinem Rücken lediglich ein leichtes Ziehen einstellte. Dafür pochte der Rest des Armes unglaublich. Seufzend ließ ich ihn wieder sinken. Anscheinend nicht lange genug. “Schön, das du wieder bei Bewußtsein bist.“ Lächelnd sah ich zu der Gestalt hoch, die sich neben dem Bett aufgebaut hatte. Kaen besaß nach wie vor die Eigenschaft einen Raum nahezu unhörbar zu betreten. Sie bewegte sich geschmeidig wie eine Wildkatze. “Enttäuscht?“ Verwegen grinste ich sie an. “Von wegen! Hier, trink das.“ Mit professioneller Routine half sie mir dabei mich aufzusetzen und drückte mir einen Becher mit dampfendem Inhalt in die Hand. Ich hatte große Probleme meinem Blick aus ihrem Ausschnitt zu nehmen. Die Dienerinnen des Palastes waren alle so gekleidet als müßten ihre Brüste jeden Moment aus dem Stoff ihrer Kleider fallen. “Was ist das?“ Vorsichtig schnüffelte ich an dem Gebräu konnte aber nichts Merkwürdiges feststellen außer das es stark nach Kräutern roch. “Medizin. Immerhin willst du doch wieder gesund werden.“ Augenzwinkernd bedrohte sie mich mit ihrem Zeigefinger. “Schmeckt die genauso gut wie beim letzten Mal?“ Grinsend ließ sie sich zu mir aufs Bett fallen. “Kann sein.“ Ich verzog das Gesicht. “Aber dieses Mal ist etwas ist Zucker drin.“ Versuchte sie mich zu motivieren? Trinkt sie eigentlich ihre eigene Medizin, wenn sie krank ist? “Soll mich das jetzt überzeugen?“ Immer noch reiflich mißtrauisch nippte ich schließlich an dem Zeug und war überrascht, daß es zum einen äußerst angenehm temperiert und zum anderen unheimlich süß war. “Sieht ganz so aus als würde es dir schmecken.“ Und wie! Noch ehe sie sich versehen hatte war der gesamte Becher leer und in meinem Magen breitete sich eine angenehme Wärme aus. “Krieg ich noch mehr davon?“ All meiner Zweifel zum Trotz war ihre Medizin dieses Mal ziemlich lecker gewesen und mein Magen signalisierte mir deutlich, daß ich unheimlichen Hunger hatte. “Keine Chance! Das ist Medizin und alles andere als leicht zu beschaffen.“ Sie tippte mir leicht gegen die Stirn. “Aber ich hab dir etwas zu Essen mitgebracht, wenn es dich interessiert.“ Und ob mich das interessierte. Kaum hatte sie das Tablett auf die Laken gestellt war ich schon mit Feuereifer bei der Sache. Dafür reichte eine Hand vollkommen aus. “Um deinen Appetit müssen wir uns jedenfalls keine Sorgen machen.“ Fast hätte ich mich an einer Teigtasche verschluckt, aber in letzter Minute gelang es mir noch sie runterzuschlucken. “KAEN!“ Sie bog sich vor Lachen als sie in mein zutiefst empörtes Gesicht sah. Irgendwo zwischen all ihren Lachern brachte sie den Hinweis unter, das ich mich entweder fürs Essen oder schimpfen entscheiden sollte. Beides zusammen wäre nicht sonderlich hilfreich um ernst genommen zu werden. Schmollend widmete ich mich also den köstlichen Speisen und bedachte sie statt dessen mit giftigen Blicken. Sie kicherte immer noch. “Was ist so verdammt lustig? Ich wäre immerhin fast gestorben. Hast du kein Mitleid mit mir?“ Mit ihrer Beherrschung war es beinahe vorbei. Als sie sich endlich wieder gefangen hatte bekam ich auch eine Antwort. “Eigentlich nichts! Ich hätte nur nicht geglaubt, das du wirklich so versessen aufs Essen bist.“ Seufzend ließ ich die Stäbchen aufs Tablett sinken und bedankte mich für die hervorragende Mahlzeit. Es war klar von wem sie gehört haben mußte, daß ich eine riesige Schwäche für die chinesische Küche hatte. “Hey, versetz gefälligst in meine Lage. Hättest du keinen Hunger, wenn du das alles heil überstanden hättest?“ “Heil ist wohl ein klein wenig übertrieben.“ Kritisch zog sie eine Augenbraue nach oben und deutete auf den Verband, der unter meinem linken Ärmel hervorlugte. “Du weißt, was ich meine.“ Vorsichtig stellte sie das Tablett zur Seite und sah mich ernst an. “Ja. Aber es hätte auch schiefgehen können. Er hat ziemlich hoch gepokert.“ “Wußtest du etwa bescheid?“ Es hätte mich noch nicht einmal gewundert. Wenn Ayuru schon Suboshi eingeweiht hatte. “Nein, ich habe bis zuletzt versucht ihn zu überreden diesen Prozeß abzublasen aber er hat mir nicht mal zugehört.“ Behutsam griff ich nach ihrer Hand. “Er wird seine Gründe gehabt haben.“ Ihr Blick verdüsterte sich leicht. “Ja, vielleicht…“ Nachdenklich sah sie an ehe sie hektisch in einer Falte ihres Kleides zu wühlen begann. “Hier, ich gebe ihn dir zurück.“ Sanft drückte sie mir das goldene Ankh in die Hand. “Danke.“ Vorsichtig schloß ich die Finger um den Anhänger. Er war eine der letzten Erinnerungen die ich noch an meine Eltern besaß. “Keine Ursache. Er gehört schließlich dir.“ So wie sie das sagte klang es ganz so als würde sie noch etwas ganz anderes meinen. “Bist du eifersüchtig auf mich?“ Sie brach in schallendes Gelächter aus und erklärte mir unter diversem Kichern und Tränen, das sie das ganz bestimmt nicht sei. Als sie sich endlich wieder soweit im Griff hatte, das sie nicht mehr bei jedem Satz in schallendes Gelächter ausbrach erfuhr ich, was sie wirklich beschäftigte. Sie machte sich große Sorgen darum was von nun an aus mir werden würde. Meine Verbindung zur Seiryuu no Miko schützte mich zwar momentan vor Shokitei, aber nur solange dieser auch weiterhin nicht erfuhr, daß ich eine Frau war. Sollte dies bekannt werden, dann wäre ich nirgendwo mehr sicher vor seinem Zorn. Selbst Ayuru oder die Miko würden mich dann nicht mehr schützen können. “Zum Glück hat die Seiryuu no Miko bereits eingewilligt diese Komödie weiterzuspielen.“ Rückartig fuhr ich auf. Der Schmerz, der daraufhin in meinem linken Arm explodierte ließ mich nach Luft schnappen. “Yui-chan hat was?!“ Mir stand der Schweiß auf der Stirn und der Raum begann sich allmählich um mich herum zu drehen. “Beruhige dich. Sie hat allen gesagt, daß du aus ihrer Welt stammst. Sie hat nur verschwiegen, das du in eine Frau bist.“ “Und wenn sie es herausfinden? Kaen, sie ist in großer Gefahr wenn sie mich deckt!“ Keuchend ließ ich mich zurückfallen und verfluchte den Tag an dem ich so dumm gewesen war mich derartig verletzen zu lassen. “Jetzt hör aber auf! Meinst du ernsthaft, das ER es zulassen würde, das irgend jemand dir oder der Miko auch nur ein einziges Haar krümmt?“ Nein, das würde er ganz bestimmt nicht. Er würde sie mit seinem Leben schützen, da war ich mir ganz sicher. Viel zu lange hatte er auf das Erscheinen der Miko gewartet. Trotzdem… “Außerdem sind die anderen Seishis auch noch da. Der Kaiser wäre mehr als nur dumm, wenn er versuchen würde unserer Miko etwas anzutun.“ Ihr strenger Gesichtsausdruck brachte mich zum Lachen. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie sie sich ganz allein vor Shokitei stellte und diesen zu Asche verbrannte. Eine Vorstellung, die mir außergewöhnlich gut gefiel. “Ruh dich aus. Ich komme später wieder.“ Zum Abschied half sie mir dabei das dünne Lederband mit dem Ankh um meinen Hals zu legen und wuschelte mir kurz durch die Haare. “Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich bin, das du hier bist.“ Warm sah sie mich an. Ich hielt ihre Hand fest und erwiderte das Lächeln, das sie mir schenkte. Zwischen uns hingen Worte, die wir nicht aussprechen mußten. Wir waren Freundinnen und daran würde sich niemals etwas ändern. 2005-10-29 edit: 2007-05-27 Fortsetzung: Kapitel 10 – Fluchtgedanken Sea9040@yahoo.de Erläuterungen: siehe „Secrets – Important things“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)