Herzschmerzhelden von Maginisha ================================================================================ Kapitel 6: Bevor jemand verletzt wird ------------------------------------- „Michelle hat sich für eine Uni entschieden.“ Ich habe die Augen geschlossen und döse auf dem Bauch liegend vor mich hin. Um uns herum singen Vögel, Kinder lachen und kreischen vergnügt und von Ferne hört man das Platschen und Planschen aus dem großen Schwimmbecken. Alles hätte also ganz wunderbar friedlich sein können – friedlich und michellefrei! – wenn Pascal nicht ausgerechnet mit diesem Thema angefangen hätte. Oder mit irgendeinem Thema. Ich war fast eingeschlafen!   „Mhm“, mache ich unbestimmt und kneife die Augen fest zu. Wenn er denkt, dass ich schlafe, lässt er mich vielleicht in Ruhe. Ich hab mir doch keinen Nachmittag ohne seine blöde Matratze erkauft, indem ich gestern Abend einen 8-Stunden-Hobbit-Marathon mit ihm durchgezogen habe, nur um mich jetzt mit ihm über sie zu unterhalten. Nein, echt nicht. Kein Interesse.   „Sie hat mich gefragt, ob ich mitkomme.“ In meinem Kopf ertönt das Geräusch einer Nadel, die quer über eine Vinylplatte rutscht. Äh, wie? Bitte WAS? Sein Ernst?   Ich bemühe mich, mich nicht zu bewegen, obwohl ich mich fühle, als hätte er mir gerade einen Eimer Eiswasser über den Rücken geschüttet. Meine Finger graben sich in den Stoff meines Handtuchs. Um uns herum singen immer noch Vögel, die Kinder spielen im Park, aber in diesem Moment kommt es mir vor, als würde sich die Welt an mir vorbeidrehen. Kann das blöde Karussell mal jemand anhalten? Ich will aussteigen.   Red weiter. Red verdammt nochmal weiter. Sag, dass du ihr gesagt hast, dass das nicht geht. Weil du mit MIR abhängen wirst. Du hast es versprochen.   „Ich hab mir das Programm mal angeguckt und da wäre sogar für dich was dabei. Kommunikationsmanagement zum Beispiel. Das ist auch nicht zulassungsbeschränkt.“   „Aha“, mache ich jetzt, um überhaupt mal irgendwas zu sagen. Ist ja nicht so, dass ich wüsste, was das ist, dieses Kommunikations-Dingens. Oder dass mich das interessieren würde. Vermutlich nicht.   „Und was willst du machen?“, frage ich, in der Hoffnung, dass er so eine langweilige Idee hat, dass ich sie ihm ausreden kann. „Weiß nicht. Vielleicht das Gleiche. Es gibt auch einige interessante Sachen in Richtung Digitalisierung. Das klang eigentlich ganz cool.“   Immer noch warte ich darauf, dass er mir sagt, dass das nur ein Witz war. Dass wir natürlich nach Hamburg oder Berlin gehen werden und da irgendwas Abgedrehtes wie Japanologie oder so studieren und dann als Mangaka groß rauskommen. Oder dass seine Eltern mich adoptieren und wir den Rest unseres Lebens damit verbringen, ihr Vermögen auszugeben. Mit Pizza und Videospielen und Partys ohne Ende. Letzteres ist natürlich Blödsinn, but a man can dream.   „Und wo?“, frage ich, obwohl ich es eigentlich schon weiß. Michelle hat letztens kundgetan, dass sie unbedingt Agrarbiologie studieren will und da es sie vermutlich weder in den hohen Norden, noch ins tiefste Bayern oder gar nach Ostdeutschland zieht, bleibt da nicht mehr viel übrig. „Na, wo wohl?“   Ich wusste es. Ich wusste es und ich hab damals schon gesagt, dass ich ihr dort viel Spaß wünsche. Mich kriegen dort auf jeden Fall keine zehn Pferde mehr hin. Am Ende laufe ich noch Jamie über den Weg oder sonst irgendwelchen alten Flammen. Danke, aber nein danke. Fabian has left the building und hat nicht vor, den Elvis zu geben.   Langsam drehe ich mich zu ihm herum. Pascal sitzt auf einem bunten Handtuch neben mir. Er trägt lediglich dunkelblaue Schwimmshorts und aus seinen dunklen Haaren rinnen immer noch einzelne Wassertropfen über seine gebräunte Haut. Spätestens in zwei Wochen wird er wieder aussehen, als wäre er nicht von hier. Wirklich beneidenswert. Einzig die blaugrünen Augen, die mich gerade fragend ansehen, passen nicht so ganz ins Bild. „Und? Was meinst du?“, scheinen sie zu fragen. „Machst du es? Für mich? Bitte-Bitte?“   Ich frage mich, wer ihm ausgerechnet diesen Blick beigebracht hat, und weiß, dass ich demjenigen jeden Morgen die Zähne putze. Manchmal ist es wirklich ein Fluch, so begabt zu sein.   „Ich überleg’s mir mal“, sage ich und meine es nicht so. Ich will mir das nicht überlegen. Ich will nicht mit Pascal und Michelle zusammen studieren. Ich will ihn für mich haben. Ganz für mich alleine.   Also doch eifersüchtig?, säuselt eine süffisante Stimme in meinem Hinterkopf, aber ich zeige ihr den Mittelfinger und sage ihr, dass sie sich verpissen soll. Ich weiß doch, dass ich bei ihm keine Chance hätte, und will es auch gar nicht. Er ist mein Freund. Mein bester Freund. Nichts weiter. Ich hab nicht mal nen Ständer gekriegt, als er sich vorhin neben mir umgezogen hat. Da ist nichts und da war auch nichts. Niemals.   Und es wird auch nie was werden.   Die Scheißstimme hat immer noch nicht aufgegeben. Man, haben sich denn heute alle gegen mich verschworen?   „Ich geh pinkeln“, verkünde ich daher und erhebe mich. Pascal bleibt auf unserem Lager am Rand der Wiese zurück und sieht mir nach. Ich weiß, dass er es tut, denn ich fühle seinen Blick in meinem Rücken. Und ich weiß, dass er will, dass ich nachgebe. Aber ich will nicht. Ich will einfach nicht.     Im Toilettengebäude ist es kalt und dunkel und riecht nach Chlor und nassen Papierhandtüchern. Wenigstens das ist mal eine Abwechslung. Ich gehe rein, betrachte einige Augenblicke lang den nassen Kachelboden, drehe mich um und stolziere wieder raus. Das Ganze war eh nur eine Ausrede, um das blöde Studienthema zu beenden. Am liebsten wäre ich ja nochmal mit Pascal ins Wasser gegangen. Einfach nur quatschen, lachen und Scheiße bauen. So wie immer. Aber so wie immer gibt es anscheinend nicht mehr. Dafür hat Michelle gesorgt. Und das Leben. Blöde Kuh!   „Na sieh mal einer an. Der Vogel ist auch hier.“   Och nö, ernsthaft? Die auch noch? Wie die Orgelpfeifen stehen sie da, nebeneinander aufgereiht, starren mich an und feixen. Paul, Jakob, Gregor und Gustav. Und natürlich Bruno, der sie alle bis auf Paul um fast einen ganzen Kopf überragt. Er ist der Einzige, der nicht starrt. Im Gegenteil. Er guckt überall anders hin und findet anscheinend selbst die plattgelatschten Pommes zu seinen Füßen interessanter als mich.   „Ich denk, wir woll’n schwimmen gehen“, brummt er missgelaunt und sieht immer noch nicht her.   Die fünf haben ihre Sachen noch unter dem Arm und sind offenbar gerade erst gekommen. Es reizt mich zu fragen, ob sie denn auch alle ihre Schwimmflügel dabei haben, aber ich lasse es. Ich hab keinen Bock den Rest des Tages unter Wasser zu verbringen. „Na los, kommt schon. Suchen wir uns nen Platz.“   Damit dreht Bruno sich um und lässt mich und die anderen Knalltüten einfach stehen. Verwundert sehen wir ihm nach, bevor Gustav als Erster mit den Achseln zuckt und ihrem großen Anführer zur Liegewiese nachtrabt. Nach ihm trollen sich auch Paul und Gregor in seine Richtung, nur Jakob muss mir anscheinend noch einen mitgeben.   „Verpiss dich von hier, Schwuchtel! Das ist unser Bad.“   Ich schiebe meinen Mundwinkel ein Stück nach oben, um ihm zu zeigen, dass mich das nicht die Bohne interessiert. „Na, wenn du meinst. Ich würd jedoch an eurer Stelle aufpassen. Im Babybecken hat vorhin jemand ein Häufchen gemacht. Nicht, dass du dich aus Versehen reinsetzt.“   Ich sehe noch, dass Jakob das Gesicht zur Faust ballt und mir seine Empörung vor die Füße spucken will, aber da habe ich mich schon umgedreht und ihn ebenso wie Bruno einfach stehenlassen. Mit Sicherheit werde ich nämlich nicht den Schwanz einziehen, auch wenn ich mich jetzt entschließe, auf der anderen Seite des Beckens wieder zu unserem Platz zurückzugehen. Man muss es ja nicht darauf anlegen. Als ich wieder bei Pascal ankomme, erzähle ich ihm von der Begegnung mit der Affenbande.   „Und dann hab ich gesagt, er soll aufpassen, dass er nicht im Planschbecken ersäuft“, schließe ich meine Schilderung, die vielleicht ein kleines bisschen ausgeschmückter war, als es eigentlich abgelaufen ist. Pascal lacht zwar kurz, wird dann jedoch gleich wieder ernst. „Das werde ich jedenfalls nicht vermissen“, meint er mit einem Seufzen und langt in seinen Rucksack, um dort irgendwas zu suchen. Eine Weile lang seh ich ihm dabei zu, bevor ich es doch nicht mehr aushalte. „Was wirst du nicht vermissen?“ Pascal schnaubt und kramt.   „Das mit dir und Bruno. Ich mein, wie lange hat der Frieden jetzt gehalten? Zwei Tage?“   Ohne darauf zu antworten, wende ich den Kopf ab und schaue in die Richtung, wo die anderen jetzt liegen müssen. Sehen kann ich sie nicht, weil die Hecke dazwischen ist, aber irgendwo dort müssen sie sein. Wahrscheinlich trommeln sie sich gerade mit den Fäusten auf der Brust herum und geben Brunftschreie von sich. Bei Bruno könnte ich mir das ziemlich gut vorstellen.   Die Frage ist nur, wen oder was er damit anlocken will.   „Eigentlich hat er ja gar nichts gemacht“, höre ich mich zu meiner Verwunderung sagen. „Also dieses Mal.“ Dieses Mal war es nur Jakob, der rumgestänkert hat. Eigentlich ist es irgendwie immer Jakob, der anfängt. Na ja, fast immer. Bruno ist mehr so der Mann fürs Grobe. Fürs sehr Grobe. Wenn er nicht gerade Sex mit mir hat, versteht sich.   Dabei war er eigentlich ganz sanft.   Die Erkenntnis ist ein bisschen merkwürdig, wo ich hier so sitze mit Pascal mitten im Freibad, aber irgendwie stimmt es schon. Beim Sex war Bruno sogar ziemlich plüschig.   Ich hab Bock auf morgen.   Ob es ihm wohl auch so geht? Oder bereut er, dass er sich darauf eingelassen hat? Und warum beschäftigt mich das eigentlich? Solange er macht, was er soll, kann es mir doch egal sein. Und so schlecht scheint es ihm ja nun auch nicht gefallen zu haben. Immerhin ist er gekommen. Das ist doch schon mal was.   „Haallooo, Erde an Fabian. Bist du noch da?“   Ich drehe den Kopf und sehe, dass Pascal mich mit hoch erhobenen Augenbrauen anschaut. Anscheinend hat er mich was gefragt und ich hab es nicht mitbekommen. „Wie meinen?“   Pascal verdreht die Augen und schüttelt den Kopf.   „Ob wir nochmal ins Wasser gehen, hab ich gefragt.“   Wasser? Ach so, ja. Wasser. Wir sind ja im Freibad. „Klar.“ Ich springe auf. „Wer als Letzter drin ist, ist ne lahme Ente.“   Damit laufe ich los und höre Pascals Protestgeschrei hinter mir, aber das kümmert mich nicht. Hauptsache es geht alles glatt mit morgen.       „Fabiaaan? Kommst du mal?“   Mit einem Stöhnen lasse ich mein Handy sinken und schließe die Augen. Ehrlich, Mutter, welchen Teil von „Ich muss noch für Geschichte lernen“ hast du eigentlich nicht verstanden? Gut, momentan gönne ich mir gerade eine kleine Pause – die dritte, um ehrlich zu sein – aber das kann sie nicht wissen. Schließlich ist die Tür zu. „Ja-ha!“, rufe ich in abgrundtief genervtem Tonfall zurück. Immerhin tue ich gerade etwas für die Schule oder gebe wenigstens vor, es zu tun. Da muss ich die Fassade aufrecht erhalten.   Mit mürrisch verzogenem Gesicht schlurfe ich in die Küche. Dort finde ich meine Mutter vor der Waschmaschine vor, in ihren Händen ein ziemlich großes, ziemlich gelb geflecktes Etwas. Ach du Scheiße!   „Ist das deins?“, fragt sie und hält Brunos Hemd höher. Natürlich ist klar erkennbar, dass das nicht meins ist. Das Hemd ist mir mindestens zwei, wenn nicht drei Nummern zu groß. Insofern ist die Frage eigentlich überflüssig. Zumal ich da eine viel bessere habe. „Ja, aber warum ist es noch dreckig?“   An dieser Stelle sei festgestellt, dass es natürlich nicht höflich ist, was ich da mache. Aber die nächste Frage meiner Mutter sollte deutlich machen, von wem ich diese Art wohl habe. „Das ist dein Hemd? Aber warum ist es so groß? Das ist ja eine … 45?!“   Eine was? Okay, whatever. Brunos Größe halt. Viel wichtiger als die Zahl auf dem Etikett ist doch jetzt wohl, dass es immer noch einen Fleck hat. Einen großen Fleck!   „Du hast gesagt, du wäschst es“, meckere ich daher einfach los, ohne weiter auf ihre Bedenken bezüglich irgendwelcher Maße einzugehen. „Das habe ich“, gibt meine Mutter pikiert zurück. „Aber wie du siehst … „   Sie betrachtet die Bescherung noch einmal von allen Seiten.   „Was ist das überhaupt?“   Die Frage erscheint mir jetzt, im Licht des späten Sonntagvormittags, durchaus gerechtfertigt, denn momentan sieht es so aus, als hätte da ein Elefant draufgepinkelt. Da es hierzulande aber nur höchst selten freilaufende Elefanten gibt und ich mich bestimmt nicht unter einen drunterlegen würde, wenn der gerade sein Geschäft verrichten will …   „Das ist Fruchtsaft“, erkläre ich schnell. Nicht, dass sie noch auf komische Ideen kommt. No Kink-Shaming intended.   „Ach, und wie ist der da draufgekommen?“ Man, die will heute aber auch echt alles wissen.   „Das ist ein Kostüm von der Theater-AG und wir haben bei der Probe rumgealbert. Da ist es passiert.“   Geschichten ausdenken? Kann ich.   „Du spielst Theater?“   Oder auch nicht.   „Nein, äh … nicht ich. Aber Pascal. Das ist sein Kostüm. Ich hab nur angeboten, dass ich es wasche, weil …. weil ich den Saft verschüttet habe.“ Die besten Lügen sind eben immer noch halbe Wahrheiten. „Mhm“, macht meine Mutter endlich halbwegs zufrieden. Die kann aber auch echt neugierig sein. „Ich glaube nicht, dass ich das einfach so rauskriege. Wie alt ist denn der Fleck?“   Ich schürze die Lippen und tue, als müsste ich nachdenken. „Ne Woche? Oder zwei?“   Ziemlich genau.   Meine Mutter guckt mich an und seufzt.   „Ach Fabian. So was muss man doch vorbehandeln und das möglichst sofort. Kein Wunder, dass das nicht rausgegangen ist. Du hättest mir Bescheid geben müssen.“ So, wie sie das sagt, klingt es, als müsste ich das wissen. Wobei es sein könnte, dass sie schon mal was in die Richtung erwähnt hat. Ich hatte da mal eine Phase, in der ich weiße Jeans getragen habe …   „Ja, okay“, antworte ich ein bisschen lahm. „Und kriegst du es trotzdem raus?“   Ich lege sehr viel Hoffnung, noch mehr Reue und eine Riesenportion bitte-bitte in meine Stimme. Noch einmal seufzt meine Mutter. „Ich versuch’s“, verspricht sie. „Am besten weiche ich es gleich mit Essig ein und dann schauen wir mal. Ist aber möglich, dass ich es trotzdem nochmal waschen muss.“   Ich nicke und lächle und mache ganz einen auf braver Sohn. In meinem Hinterstübchen rattert es jedoch bereits. Irgendwie werde ich das Bruno beibringen müssen und ich fürchte, er wird nicht erfreut sein.     Das gute Wetter hat gehalten und trotz einiger Wolken, die gegen Mittag aufgezogen sind, ist es jetzt wieder warm und sonnig. So sonnig, dass ich mich dazu entschlossen habe, mich nur mit meinem froschgrünen Lieblings-Poloshirt bekleidet auf den Weg zu machen. Also natürlich hab ich noch ne Hose und Schuhe und so an. Ich bin ja nicht wahnsinnig und wer weiß, wer das dann wieder filmen würde.   Während ich so durch den Wald latsche, gehe ich die Möglichkeiten durch, wie Bruno wohl reagieren könnte.   Erstens: Er rastet vollkommen aus und haut mir mit Schmackes und Anlauf eins aufs Maul. Möglich wäre es, aber irgendwie glaube ich nicht so recht daran. Immerhin hätte er dafür schon jede Menge Gelegenheiten gehabt und abgesehen davon hat er sich in letzter Zeit erstaunlich zurückgehalten. Man könnte sogar fast sagen, dass er mir ausgewichen ist. Rein körperlich wenigstens.   Zweitens: Bruno ist sauer, dass ich mich nicht an die Verabredung gehalten habe, und bläst das Ganze entweder ab oder verschiebt unser Treffen auf einen späteren Zeitpunkt, zu dem ich tatsächlich liefern kann.   Oder Drittens: Wir vögeln trotzdem.   Mit hoch gezogenen Augenbrauen, den Blick auf den Weg gerichtet, überlege ich, wie wahrscheinlich wohl Möglichkeit drei ist. Darauf vorbereitet habe ich mich jedenfalls und natürlich hoffe ich, dass es so kommt. Ich hab Bock auf Sex und wenn er mit Bruno passiert, ist mir das auch recht. Er bringt schließlich eine ziemlich gute Ausstattung mit und ich hätte wirklich nichts dagegen, mich nochmal von ihm beglücken zu lassen. Es fühlt sich gut an und es schadet ja niemandem. Warum also nicht?   Na vielleicht, weil er keinen Bock hat.   Die nervige Stimme ist wieder zurück und anscheinend möchte sie mit mir über Bruno reden. Vielleicht über unsere Begegnung im Schwimmbad. Die zweite, die natürlich nicht ausgeblieben ist, weil wir uns immerhin in Hintertupfingen befinden und nicht in Sharm-el-Sheikh. Es war also klar, dass sich unsere Wege irgendwann kreuzen würden. Im Schatten des Sprungsturms standen wir plötzlich voreinander; beide nur in Badehose, ich trocken, er nass, weil er gerade erst aus dem Wasser geklettert war. Irgendwie hatte ich wohl erwartet, dass er in diesem Moment hingucken würde. Dass sein Blick langsam an meinem Körper entlanggleiten und ihm dabei die Spucke wegbleiben würde. Ein Aufglühen seines Blickes, ein trockenes Schlucken oder wenigstens einen Anflug von Röte auf seinen Wangen, bevor er mich ins nächste Gebüsch zieht und wir gleich dort und auf der Stelle übereinander herfallen. Stattdessen hat er mich einfach zur Seite gedrängt und ist, ohne mit der Wimper zu zucken, in Richtung Sprungturmtreppe davon gelatscht. Ich hab ihm nachgesehen und mich echt gefragt, ob ich gerade im falschen Film bin. Es war, als wären wir uns nie begegnet. Fast schon gruselig. Deswegen bin ich mir auch so überhaupt nicht sicher, ob er heute auftauchen wird.   Die Hütte kommt in Sichtweite und ich sehe schon von Weitem, dass die Tür offensteht. Er ist also gekommen. Entweder das oder sein Vater hat beschlossen, einen spontanen Jagdausflug zu machen. Was wenig wahrscheinlich ist, weil gerade Schonzeit ist. Ja~ha, ich weiß das, ich hab es gegoogelt. Insofern liegt es nahe, dass es tatsächlich Bruno ist, den ich im Inneren herumwerkeln höre, als ich näherkomme. Mit einem letzten tiefen Atemzug trete ich auf die kleine Veranda und klopfe an den Türrahmen. „Hallo?“, frage ich und mag nicht, wie unsicher ich dabei klinge. Es kann doch nur Bruno sein, verdammt nochmal. Kein Grund, sich in die Hose zu machen.   Schon wird die Tür aufgerissen und Bruno glotzt mich an. Für einen Moment sagt keiner von uns was und es ist, als hätte jemand die Zeit angehalten. Fehlt nur noch, dass ein undeutlicher Schatten um uns herumflitzt und Dinge im Raum um Millimeter verschiebt, damit wir nicht davon getroffen werden, wenn die Welt sich wieder normal weiterdreht. Zu meiner Schande ist es dann auch noch Bruno, der sich als Erster wieder fängt. „Du bist früh dran“, meint er und hat damit nicht mal unrecht. Also natürlich ist es schon nach vier, aber er scheint trotzdem noch nicht mit mir gerechnet zu haben. Ich eigentlich auch nicht, aber ich hab mir gedacht, wo ich das Hemd schon nicht mithabe …   „Ich hab dein Hemd nicht mit.“   Oh wow, Fabian. Sehr eloquent. Fantastische Wortwahl. Ein echtes Meisterstück! Und gleich mit der Tür ins Haus. Warum auch nicht? Immerhin hast du so eine bessere Chance wegzulaufen, falls er sich einen Pullover aus deinen Innereien stricken will.   „Es hängt noch auf der Leine, weil meine Mutter es erst heute gewaschen hat. Ich bring es dir morgen in die Schule mit.“   Wenn der Fleck bis dahin weg ist, füge ich in Gedanken hinzu. Immerhin muss ich noch hoffen, dass die Sonne den Rest erledigt, den das Waschpulver nicht geschafft hat. Sagen tue ich es nicht mehr, weil ich das Gefühl habe, dass Bruno.exe gerade kaputt gegangen ist. Jedenfalls regt sich in seinem Gesicht kein einziger Muskel und es wirkt ein bisschen, als hätte auch sein Gehirn die Tätigkeit eingestellt. Oh, halt, Moment. Er hat geblinzelt. „Du hast das Hemd nicht mit?“, fragte er noch einmal nach. Vermutlich will er sichergehen, dass er mich nicht einfach nur aus Versehen umbringt.   Ich versuche ein schiefes Grinsen. „Ja, tut mir leid. Meine Mum hat es nicht so mit dem Kochen und Waschen und so. Und Granatapfelsaft ist wohl ziemlich hartnäckig.“ Während ich noch grinse, scheint ein neuer Gedankengang in Brunos Kopf stattzufinden. Wenigstens huschen seine Augen ganz kurz in Richtung Hütteninneres, bevor sie sich wieder an mich heften. „Und jetzt?“   Fragte er das wirklich gerade mich? „Tja, weiß nicht“, gebe ich mit immer noch halb erhobenen Mundwinkeln zurück. „Wir könnten trotzdem ficken.“ Eventuell hilft es ja, wenn ich ihm alle anderen Täfelchen wegnehme und nur noch das übrig lasse, auf dem steht, was ich gerne hätte. Bruno scheint über die Möglichkeit nachzudenken.   Na komm schon, dazu muss man nicht Einstein sein. Sag einfach Ja und wir können Spaß haben.   „Okay.“   Na gut, besonders enthusiastisch war das jetzt nicht, aber ich kann damit arbeiten. „Lässt du mich dann auch rein?“ Während ich das frage, schiebe ich die Lippen ein ganz kleines bisschen nach vorne. Es ist kein richtiger Schmollmund, allenfalls ein wenig kokett. Trotzdem sieht Bruno es wohl, denn er wirkt mit einem Mal wieder nervös. Seine Hand schließt sich stärker um den Türgriff und sein Blick fällt nach unten, bevor er mit einem Ruck zur Seite tritt und den Weg freimacht. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln und trete ein. Drinnen hat immer noch alles Holzfällercharme. Dieses Mal hat Bruno die Vorhänge allerdings schon zugezogen und auf der Bank liegen eine Sporttasche und eine Wolldecke bereit. Eine merkwürdige Zusammenstellung, wenn man die draußen herrschenden Temperaturen bedenkt.   „Wofür ist die?“, frage ich deshalb, während Bruno die Tür abschließt und danach ein Stück hinter mir stehenbleibt. „Na ja, ich … ich hab gedacht, das ist ein bisschen bequemer. Für dich.“   Ich muss nicht hinsehen um zu wissen, dass seine Ohren schon wieder glühen wie entzündete Himbeeren. Er zappelt, weiß anscheinend nicht wohin mit seinen Händen und schwankt zwischen Loslegen und Davonlaufen. Wenn es nicht Bruno wäre, von dem wir hier reden, würde ich das vielleicht sogar ganz süß finden. Er ist so besorgt um mich.   „Ah“, mache ich, um ihn aus seiner Lage zu befreien. Wir wollen ja nicht, dass er gleich vor lauter Nervosität Schwierigkeiten hat, einen hochzukriegen. „Ja. Na ja, weil … der Tisch ist ja kalt und so. Aber wir können sie auch auf den Boden oder … wohin du willst.“   Jetzt gucke ich ihn doch an. Einfach, weil ich weiß, dass ihn das vermutlich vollkommen aus der Fassung bringt. Und das macht mir Spaß, muss ich ja zugeben.   „Das ist nett von dir.“   Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihm zu sagen, dass ich keine Pussy bin, aber wo er mich jetzt so treuherzig ansieht, komme ich mir dabei ein bisschen vor, als würde ich einen dieser triefäugigen Lawinenhunde treten wollen. Die Viecher können ja schließlich nichts für ihr Aussehen. Und sie meinen es ja gut.   „Dann äh … wohin?“, stottert Bruno weiter und weicht meinem Blick schon wieder aus.   „Auf den Tisch. Danke.“   Ich sehe Bruno dabei zu, wie er sich die Decke schnappt und auf dem Tisch zurechtlegt. Eigentlich war das, was ich gesagt habe, nicht mal gelogen. Es ist wirklich nett von ihm, dass er sich darüber Gedanken gemacht hat, auch wenn ich bezweifle, dass das mit der Decke hinhauen wird. So wie ich es einschätze, wird die garantiert hin und her rutschen wie ein frisch lackierter Schweinebauch.   Aber vielleicht könnte das auch ganz reizvoll sein, denke ich, während ich mir ein paar nette Stellungen vorstelle, in denen man diese Tatsache nutzen könnte. Mhmmm, gar nicht übel. Wenn ich dann noch die Knie …   „Fertig“, verkündet Bruno in diesem Moment jedoch und guckt, als hätte er für zwei gedeckt. So mit Silberbesteck, Platztellern und einer roten Rose in einer hohen, weißen Porzellanvase. Fehlt nur noch der Kellner, der uns die Weinkarte präsentiert und zu einem Chardonnay rät. Ich lach mich kringelig.   „Schön“, entgegne ich mit einem Grinsen. „Können wir dann ficken?“   Bruno nickt. Und dreht sich um. Eigentlich würde ich ja zu gerne wissen, was ihm gerade so durch den Kopf geht. Vermutlich nicht viel. Meine Gedankengänge werden jedenfalls zunehmend eingleisiger, während ich neben ihn trete und meinen Rucksack ebenfalls auf die Bank befördere. Ein Reißverschlussöffnen und einen gezielten Griff später, habe ich die Tube mit dem Gleitgel in der Hand. Was zugegebenermaßen kein Kunststück ist. Immerhin ist außer ihr und meinem Handy nichts viel weiter darin. „Hast du die Kondome?“   Wieder nickt Bruno, greift in die Tasche und zieht ein neues Päckchen heraus. Es ist ne andere Marke als die, die ich hatte. Sehen irgendwie edler aus. Ich muss schon wieder grinsen. „In Unkosten gestürzt?“, frage ich und Bruno hebt tatsächlich kurz den Blick, bevor er den Kopf wieder senkt und ihn schüttelt. „Nein, die … die hatte ich noch.“   Uh, okay, er hat also wirklich schon. Oder er wollte wenigstens, denn die Packung ist, wie mir ein schneller Blick verrät, noch original verschlossen.   Tja, bleibt mehr für mich, denke ich, bevor ich Hand anlege, um mich aus meinen Klamotten zu befreien.   Auch Bruno zieht sich aus. Dieses Mal langsamer und deutlich gefasster als beim ersten Mal. Ab und an wirft er einen Seitenblick zu mir, als wolle er sehen, wie weit ich bin. Ich lasse mir jedoch nichts anmerken und streife mir einfach weiter Stück für Stück meine Kleidung vom Leib, bis ich am Ende vollkommen nackt bin. Er hat noch seine Boxershorts an und ich verkneife mir, „Erster!“ zu rufen. „Das Beste kommt immer zum Schluss“, sage ich stattdessen und schenke der Region zwischen seinen Beinen noch einen laaaaangen Blick, bevor ich mir meine Tube schnappe und hinter ihm rum zum Tisch gehe. Blauer, flauschiger Stoff erwartet mich. Ist allerdings nur Polyester, wie mir ein schneller Griff verrät. Währenddessen packt Bruno die Preiszucchini aus. Ich spüre quasi den Hauch von nacktem, erregtem Fleisch hinter mir. Unwillkürlich lecke ich mir über die Lippen. Das wird so verdammt gut werden.   Als ich jedoch den Deckel des Gleitgels öffne, höre ich hinter mir ein Räuspern. „Soll ich dir helfen?“   Ich stoppe, die erste Portion schon auf meinen Fingern. Ein großer, durchsichtiger Batzen, der nur darauf wartet, auf und in mir verschmiert zu werden. Und jetzt will Bruno mir dabei helfen? Ich schnaube belustigt. „Kannst du das denn?“, frage ich und weiß, dass das ein bisschen fies ist. Es hat ihn vermutlich schon einiges an Überwindung gekostet, mich überhaupt zu fragen. „Nein, aber … ich könnte es lernen, oder? Du bringst es mir bei.“   Klar. Ich bring dir bei, wie man einen Bottom gescheit auf Sex vorbereitet. Der Gedanke ist so absurd, aber andererseits … warum eigentlich nicht? „Am einfachsten lernt man es, wenn man sich selbst mal ficken lässt“, werfe ich ihm mit Genuss an den Kopf und sehe aus den Augenwinkeln, wie er ein bisschen blass um die Nase wird. „Das, also … so habe ich das nicht gemeint.“   Ich grinse mir eins. „Okay, dann muss ich es dir wohl erklären. Obwohl du doch letztes Mal ziemlich genau hingesehen hast.“   Binnen Sekunden wechselt Brunos Gesichtsfarbe von Kalkleiste zu Tomatensoße. Sogar die Zucchini erhält einen kleinen Knick. Na, das wollen wir ja nun wirklich nicht riskieren. „Gib mir deine Hand“, fordere ich ihn auf. „Ich zeig dir, was du machen musst.“   Tatsächlich tritt Bruno noch einen Schritt näher. Er ist jetzt so nahe, dass ich ihn berühren könnte und für einen Moment bin ich versucht, ihm doch einfach praktisch vorzuführen, wie sich das mit dem Vorbereiten anfühlt. Aber dann entscheide ich mich dagegen. Nicht, dass die Zucchini noch mehr zusammenschrumpelt. „Das Wichtigste ist erst mal, dass deine Fingernägel möglichst kurz sind. Und sauber natürlich. Wenn der andere vorher geputzt hat, willst du ja nicht gleich wieder Dreck reinschleppen. Der Rest ist individuell. Nicht jedem gefällt alles. Du wirst ausprobieren müssen, was gut ist und was nicht.“   Bruno sieht aus, als hätte ich ihn gerade aufgefordert, eine Hexadezimal-Gleichung mit 13 Unbekannten zu lösen. Immerhin war meine Erklärung hinreichend unpräzise. „Und was magst du?“, fragte er mich dann auf einmal und wagt es tatsächlich, mich anzuschauen. Er sieht aus, als würde er es ernst meinen.   „Warum findest du das nicht raus?“, erwidere ich jedoch nur mit meinem Grinsen und drehe mich um. Klar könnten wir jetzt auch einfach nur Sex haben, aber wenn er drauf besteht, noch Vorspiel zu machen …   Immer noch feixend lehne ich mich über den Tisch und strecke Bruno meinen Hintern entgegen. Die Decke unter mir ist tatsächlich flauschig genug, um bequem zu sein. Unwillkürlich schließe ich meine Augen, und entspanne mich. Wenigstens so lange, bis Bruno mir das kalte Gel direkt auf den Eingang tropft. „Hey“, rufe ich, jedoch ohne die Augen zu öffnen. „Vorwärmen nächstes Mal.“ „Ja. Ist gut.“   Bruno schnauft. Er hat bereits begonnen, das glitschige Zeug zu verteilen. Vor und zurück gleiten seine Finger. Wenn er so weitermacht, tropft die ganze Soße gleich auf den Boden. Ich beschließe zu intervenieren.   „Konzentration, Herr Spaich. Da ist ein Loch, da wollen Sie rein.“ Bruno zuckt hinter mir zusammen, aber ich kann hören, wie er grinst. „Wird gemacht“, bestätigt er mein Kommando und fängt tatsächlich an, seinen Finger in meinen Schließmuskel zu bohren. Oh man, doch nicht so. „Mit Gefühl“, herrsche ich ihn an und erreiche damit immerhin, dass er den stümperhaften Versuch aufgibt. Man sollte echt denken, dass er sich noch nie mit einem Anus beschäftigt hat. Was vermutlich stimmt, wenn ich die Umstände bedenke. „Am besten, ich mache es selber.“ „Nein!“   Bruno klingt regelrecht verzweifelt. „Nein, bitte. Ich krieg das hin.“   Ich seufze und verdrehe innerlich die Augen. Eigentlich sollte ich mir wohl zu schade dafür sein, hier als sein Versuchsobjekt herzuhalten. Zumindest, wenn er sich dabei so dämlich anstellt. Aber andererseits bin ich ihm wohl noch ein bisschen was schuldig wegen des Hemdes. Also ergebe ich mich in mein Schicksal und beschließe, das Ganze zu genießen. Irgendwie.   Bruno zögert jetzt merklich hinter mir. Dann jedoch, als ich schon überlege, das Ganze abzubrechen, tritt er wieder näher an mich heran. Seine Hand landet auf meinem Hintern und fängt an, ihn leicht zu massieren. Erst die eine, dann die andere Backe. Das fühlt sich gar nicht mal schlecht an, auch wenn ich ihm zu gerne sagen würde, dass das eigentliche Ziel dazwischen liegt. Dementsprechend seufze ich leise, als seine Finger endlich in die Rille gleiten. Sie halten jedoch nicht am anvisierten Zielpunkt an, sondern fahren tiefer und tiefer, bis sie bei meinen Eiern ankommen. Dort greifen sie zu und zwar so kräftig, dass es sich tatsächlich gut anfühlt. Selbiges gilt für den Moment, als sich seine Finger um meinen Schwanz legen. Unwillkürlich spreize ich die Beine noch ein wenig weiter und strecke meinen Rücken durch. Oh ja, das ist gut. Ziemlich gut sogar.   „Mhmmm“, mache ich und merke kaum, dass sich seine zweite Hand jetzt tatsächlich an meinem Eingang zu schaffen macht. Er reibt und drückt und schiebt und wichst mich dabei so meisterhaft, dass ich glatt hier und jetzt kommen könnte. Es würde sicher nicht lange dauern. „Wenn du so weitermachst, wird das aber ein kurzes Vergnügen“, weise ich Bruno dementsprechend darauf hin, dass er seine Sache gerade etwas zu gut macht. Sofort lässt er mich los. Ich kann hören, wie er atmet. „Soll ich aufhören?“   Ich grinse, weil klar erkennbar ist, wie sehr ihn das Ganze angemacht hat. Wenn ich es verlangen würde, würde er vermutlich sogar Männchen machen. „Nein, du sollst endlich anfangen“, entgegne ich süffisant grinsend und strecke ihm meinen Hintern noch ein wenig mehr entgegen. „Steck ihn rein.“   Was folgt, ist das typische nervöse Gefummel, das er letztes Mal schon abgezogen hat. Kondompackungen können wirklich die Hölle sein. Vor allem mit glitschigen Fingern. Kurz darauf spüre ich das vertraute Gewicht und den Druck an meinem Eingang. „Na los, Bruno“, fordere ich noch einmal. „Steck ihn rein.“   Und er tut es. Und es ist geil, wie beim ersten Mal. Auch wenn meine Beine am Ende schon anfangen zu zittern und ich mir sicher bin, jeden Moment zusammenbrechen zu müssen, ist es doch unheimlich gut und ich komme. Gefühlt gleich mehrmals. Er hat mich vollkommen geschafft. Scheiße ja!     Langsam richte ich mich auf. Bruno steht mit dem Rücken zu mir und zieht gerade das Kondom ab. Wenn man ihn sich so ansieht, ist es fast schade, dass er wohl nur aktiv machen wird. Bei dem Hintern könnte ich mir glatt überlegen, ihn mal zu ficken. So ganz unverbindlich natürlich.   Bruno, der meinen Blick anscheinend bemerkt hat, hebt den Kopf. Ein kleines Lächeln erscheint an seinen Mundwinkeln, auch wenn er sich wohl nicht so recht traut. Dabei stände ihm eigentlich ein Siegergrinsen zu. Ja, Junge, du hast es geschafft. Eins mit Auszeichnung und Sternchen. Urkunde gibt es hinten links und bitte jeder nur ein Kreuz. Ich nicke ihm nochmal zu, greife nach meinem Rucksack und nestele die Packung Taschentücher heraus, an die ich dieses Mal gedacht habe. Noch bevor ich jedoch eins rausgezogen habe, steht Bruno plötzlich neben mir. „Willst du ein Handtuch?“   Ich gucke zu ihm hoch und entdecke einen Hauch von Unentschlossenheit mit einer guten Portion Nervosität. Woher kommt das denn jetzt? „Öhm … klar. Warum nicht?“, antworte ich, denn immerhin wäre das wirklich praktischer. Bruno nickt und holt ein Gästehandtuch aus seiner Sporttasche. Mit gesenktem Blick reicht er es mir. „Kannst dich austoben. Ich hab noch eins.“ Damit wendet er sich wieder ab und zieht tatsächlich noch ein zweites Tüchlein aus seiner Tasche. Himmel, was ist der? Zauberkünstler?   Ich bediene mich reichlich an Wasserhahn und Handtuch. Während ich anschließend jedoch noch überlege, ob ich das jetzt wohl auch waschen müsste – was soll das werden? Verfrachtet der langsam aber sicher seinen gesamten Hausstand in unsere Wohnung? – überrascht mich Bruno schon mit dem nächsten Angebot. „Auch was zu trinken?“, fragt er und hält mir eine Flasche hin. Drinnen ist laut Etikett irgendein isotonischer Hastenichtgesehen. Ganz Sportler, unser Bruno. „Klar, warum nicht?“, sage ich wieder und nehme die Flasche entgegen. Ich nehme einen Schluck und lasse mich dann, immer noch nackt, neben Bruno auf die Bank sinken. Er hat inzwischen schon wieder seine Shorts an, macht jedoch keine Anstalten, sich weiter anzuziehen. Stattdessen spielt er mit dem Flaschendeckel herum, als würde ihm irgendetwas auf der Seele brennen. Aber noch bevor ich beschlossen habe, ob mich das überhaupt interessiert, hat Bruno schon wieder das Wort ergriffen. „Ich hab nachgedacht“, eröffnet er mir und ich ziehe besorgt die Augenbrauen nach oben. Wenn er schon so anfängt …   „Wegen Donnerstag. Weil ich doch erst gedacht hab, dass du … Und vielleicht könnte ich ja wirklich … Nicht, dass du dann enttäuscht bist … Aber wenn du darauf bestehst, dann … “   Ääääh, Moment, halt mal, Stopp. Sätze beenden? Kontext? „Wovon redest du?“   Bruno schreckt von der Betrachtung des kleinen Plastikteils hoch und starrt mich an.   „Von Gregor“, sagt er, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Wenn ich gewusst hätte dass er das gefilmt hat, hätte ich ihm gleich gesagt, dass er den Scheiß lassen soll.“   Also wenn ich ne Animefigur wäre, würde ich jetzt wahrscheinlich gerade nervöses Augenzucken bekommen. Daran hat er gedacht, als ich ihm ein eindeutig zweideutiges Angebot gemacht habe? Und warum hab ich nicht daran gedacht?   Darauf verweigere ich die Aussage.   Die kleine hämische Stimme grinst sich eins und hält stattdessen ein Bild hoch, auf dem Brunos Schwanz abgebildet ist. Jaja, schon klar. Botschaft angekommen. Das löst aber nicht mein Problem, dass Bruno hier gerade einen auf reumütig macht. Als wenn das jetzt noch irgendwas ändern würde. Wenn er einen Arsch in der Hose hätte, hätte er gleich was dagegen unternommen.   Du weißt doch, dass er das nicht hat.   Ich unterdrücke ein Seufzen. Natürlich weiß ich, dass er das nicht hat. Sonst würde er wohl einfach dazu stehen, dass er auf Schwänze steht. Denn dass er das tut, darüber müssen wir uns wohl nicht unterhalten. Ich weiß es und er weiß es auch. Irgendwo tief in sich drin, weiß er es. Aber zugeben? No way. Lieber würde er mich öffentlich verprügeln als zuzugeben, dass er mich fickt. Und ich kann ihm das nicht mal wirklich verübeln. Doch, kann ich. Weil ich nämlich derjenige bin, der die ganze Scheiße abbekommt, nur weil er zu feige ist. Was meint der denn, wie es ist, immer der Buhmann zu sein? Das ist nämlich ziemlich zum Kotzen. „Tja, Shit happens“, sage ich deswegen nur und versuche so zu tun, als wenn mir das egal wäre. Neben mir rutscht Bruno auf der Bank herum. Mir ist klar, dass er gerne noch irgendwas sagen würde, aber ich hab keinen Bock mehr auf seine Entschuldigungen. Am Ende kommt er noch damit um die Ecke, dass er mich immer nur dumm angemacht hat, damit keiner merkt, dass er eigentlich auf mich steht, oder irgend so ein Scheiß. Danke, aber nein danke. Ich verzichte.   „Ich werd dann mal“, sage ich und erhebe mich. Meine Klamotten sind schnell zusammengesucht und noch schneller angezogen. Bevor ich jedoch verschwinden kann, schiebt Bruno sich in meinen Weg. Er sieht geknickt aus. „Es tut mir wirklich leid,“ sagt er noch einmal. „Ich mach’s wieder gut, ja?“   Sein Versprechen entlockt mir ein Schnauben. Wiedergutmachen? Wie denn? Will er mir Blümchen kaufen? Oder ne Entschuldigungskarte? „Ich sorge dafür, dass die anderen dich in Ruhe lassen.“ Wie er da so steht und mich anguckt wie ein großer, treudoofer Hütehund, merke ich, wie mein Widerstand anfängt zu bröckeln. Das kann nicht klappen. Das wird nicht klappen. Aber irgendwie … „Und wie willst du das anstellen?“ Die Frage wird ja wohl noch erlaubt sein. Immerhin wird er ihnen wohl kaum erzählen, dass wir neuerdings Fuckbuddies sind. Bruno senkt den Kopf.   „Ich werd einfach sagen, dass ich keinen Stress mehr will so kurz vor dem Abschluss. Oder dass mein Trainer mir Druck macht. Dass ich mir keinen Fehltritt mehr leisten kann, weil ich sonst rausfliege.“   Vorsichtig hebt er den Blick, als wolle er nachsehen, ob ich damit einverstanden bin. Und ich? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Keinen Ärger mehr mit den Spacken zu haben, wäre wirklich cool. Aber die Begründung? Irgendwas in meinem Magen krampft sich zusammen. Ich will das nicht. Nicht so.   Reiß dich zusammen, Fabian. Nimm, was du kriegen kannst, und gib nichts wieder zurück.   „Okay“, mache ich deswegen und schiebe einen entschlossenen Ausdruck auf mein Gesicht. „Aber ich will das volle Programm. Kein Getuschel, keine Gerüchte und vor allem kein Geschubse und kein Rumgenerve mehr. Wenn ich auch nur eine Schwanzspitze von den Losern zu sehen bekomme, hat sich das Ganze erledigt. Hab ich mich da klar ausgedrückt?“   Bruno sieht aus, als hätte ich ihm in die Eier getreten. Gleichzeitig aber auch irgendwie … glücklich? Oh Himmel, er steht hoffentlich nicht auf so was? Das ist nämlich nicht meine Baustelle. Nein, wirklich nicht.   „Klar,“ stößt er hervor und irgendwie warte ich fast darauf, dass er anfängt mit dem Schwanz zu wedeln. Was zugegebenermaßen echt abgefuckt wäre. Allerdings scheint er noch nicht fertig zu sein. „Da wäre noch was.“   Er schluckt, bevor er weiterredet.   „Du sagst doch niemandem was hiervon, oder?“   Für einen Moment bin ich versucht zu antworten, dass ich das nicht versprechen kann. Ich sollte nämlich dringend mal einen Psychologen aufsuchen, wenn mir was an meinem Seelenheil liegt. Oder einen Priester. Oder wenigstens Pascal in die ganze Sache einweihen, denn meinen besten Freund dauernd darüber belügen zu müssen, was ich am Wochenende so treibe, ist garantiert nicht gut fürs Karma. Zumal er mich zu gut kennt, um mir auf Dauer abzunehmen, dass ich sonntagnachmittags für die Schule lerne. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis er was spitz kriegt. Außerdem wäre es durchaus gerecht, wenn Bruno mal am eigenen Leib erfahren würde, wie das ist, wenn alle mit dem Finger auf einen zeigen.   Aber andererseits …   Ich schüttele leicht den Kopf. Natürlich werd ich keinem was sagen. Manchmal kann ich zwar ein Arschloch sein, aber so ein Arschloch bin ich ja nun auch wieder nicht. Auch wenn ich es ihm wirklich gönnen würde. Nur mal für einen Tag. „Na gut, dann … bis morgen?“   Selbst Bruno scheint klar zu sein, dass das hier mit uns absolut schräg ist.   „Ja, bis morgen“, sage ich jedoch nur und beschließe insgeheim, dass es höchste Zeit ist, das hier ein für alle Mal zu beenden. Bevor jemand verletzt wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)