Unmei no Akai Ito von Amalia-chan ================================================================================ Kapitel 6: Das Ritual der Macht 3/3: Der feine Unterschied ---------------------------------------------------------- Liebe ist, dem anderen sein Anderssein zu gestatten. (Unbekannt) Erst danach nahm sein Raubtiergold sie in seinen verengten Fokus. Seine Klaue pinnte ihren Arm über ihren Kopf, sein Körper alsbald den Ihren gegen die Wand. Ganz nahe kam er ihr. Es erinnerte an wesentlich intimere Momente und entbehrte doch jeglicher Zärtlichkeit, als er sie anknurrte: "Jetzt, Megami, sag, was du zu sagen wünscht!" Für den Moment beherrschte ihr wild pochendes Herz all ihre Wahrnehmung. Seine Berührung erinnerte an den schraubstockartigen Griff noch vor wenigen Tagen und ließ sie innerlich beben vor Zorn. Ihr Blick begegnete ihm nicht minder fest und schien abermals Funken zu sprühen. Ishizu bedurfte eines weiteren Augenblicks, ehe sie ihre Wut soweit unter Kontrolle wusste, um ihre Stimme zu bemühen. „Es war nicht rechtens“, erfolgte dennoch unter ihren starken Gefühlen hervorgepresst. Obwohl er es erwartet hatte, schlackerten dem Dämon die Ohren. Automatisch festigte er seinen Griff um ihr Handgelenk - ungeachtet dessen, wessen schmales Gelenk er da umgriffen hielt. „Wiederhole das“, grollte er bedrohlich. „Es stand dir nicht zu, ihn zu töten“, war für seinen Geschmack fern jeglicher Logik. Hatte sie nichts begriffen oder war das die göttliche Überheblichkeit? „Irrtum, Ishizu. Einzig mir oblag es, ihn für seinen Hochverrat seiner gerechten Strafe zuzuführen“, flüsterte er gefährlich nahe an ihrem Ohr. Instinktiv erschauderte sie ob seiner teuflischen Freude, die seinen Worten mitschwang. Es hatte ihm gefallen. Und genau diese Erkenntnis katapultierte ihre Wut in ungekannte Höhen. „Ihr habt nicht ohne Begründung zu...“, war ein Befehl. „Er langte nach deinem Leben“, fuhr er ihr barsch dazwischen, was diesmal ihre Augen zu Schlitzen verengte. Hatte sie ernsthaft erwartet, dass ihn da die Beweggründe interessierten? „Das spielte doch gar keine Rolle“, donnerte sie zurück. Sie war doch nie ernstlich in Gefahr gewesen. Es wäre ihm, dem wesentlich mächtigeren Wesen, ein Leichtes gewesen, ihn aufzuhalten. Er dagegen hatte nicht über ihre Schützlinge zu richten. Nicht vor ihren Augen. Nicht so. Ihm entfuhr sein gefährliches Knurren. Diesmal heizte es mehr als ihre bloße Wut an. Er bemerkte das Kribbeln, das seine Haut immer drängender erfasste. Sie schien es wirklich ernst zu meinen. Er war fassungslos ob ihres Ungehorsams. „Was hast du jetzt vor, Menschengöttin? Ein Läuterungsversuch“, war grausamer Hohn – und goss Öl in ihr Feuer. „Lass los, du tust mir weh“, fauchte sie so gar nicht erhaben wie für ihre Art üblich. Als sie damit begann, sich physisch seiner Umklammerung zu erwehren, übernahm sein Instinkt. Sie war in keiner Weise darauf vorbereitet und somit maßlos überrumpelt, als der Dämon ihr da harsch seine Lippen aufzwang. Es entbehrte jeglicher Zärtlichkeit. Es ging um Macht. Seine Macht über sie. Zuerst war sie wie gelähmt in ihrer Überraschung gefangen. Dann drohte auch schon ihr Körper der vertrauten Weichheit zu erliegen - aller Gewalt zum Trotz, die seine Berührung mit sich brachte. So urplötzlich wie er sich ihr aufgedrängt hatte, war er auch schon von ihr gewichen, noch ehe sie ihrer Gegenwehr auch nur Ausdruck verleihen hatte können. Erstarrt lag sein Raubtiergold auf ihrem nicht minder erschrocken flackernden Meeresblau. Für den Moment erfüllte einzig das Geräusch ihrer Atmung die Stille. Er war ihr immer noch so nahe, dass ein jeder seiner Atemzüge heiß gegen ihr Gesicht prallte. Erschrocken zuckte sie zusammen, als der Aufprall laut durch die Schiebetüren drang, sobald der Diener vor eben diesen ehrerbietig auf die Knie und Stirn gefunden hatte. Wie aufs Stichwort wich er von ihr. Mehr unbewusst umfasste sie ihr Handgelenk sogleich und beorderte sein Raubtiergold für den Moment weg von ihrem Gesicht hin zu dem Ergebnis seiner Schwäche. „Er war verzweifelt“, war ihr ein Anliegen. Es war fast nur ein Wispern. Unmöglich, dass es von den menschlichen Ohren aufgefangen worden war. Sein dezentes Nicken versicherte ihr, dass es sein Gehör dennoch erreicht hatte. Kurz glitt sein Blick noch einmal über ihre Gestalt. Er hatte längst zur Ausdruckslosigkeit zurückgefunden und doch vermeinte sie den Anflug von Bewegung darin vernommen zu haben. Dann war er durch die Türen und ließ sie allein. Das Rascheln der Blätter, welche sich im Wind vor ihrer Veranda bogen, drang an ihre Ohren, als Yoko den Ärmel richtete. Es lenkte ihren Blick hinaus durch die geöffneten Schiebetüren in den traditionell gehaltenen Garten. Sie hoffte, am morgigen Tag Zeit zu finden, um diesen besichtigen zu können. Die Dämmerung langte bereits nach den letzten Strahlen der Sonne. Natürlich hatte sie sich umziehen müssen, so oder so. Dennoch musste sie zugeben, dass sie sich in den Lagen an Stoff wesentlich wohler fühlte, nicht nur, weil sie unbefleckt waren. Ihre Last war ihr beinahe wie ein Schutz geworden, welcher sie samtigweich umhüllte. Die flammenen Motive waren in Pechschwarz gehalten, der Grundton des Kimonos dagegen in Helligkeitsabstufungen von Indigoblau. Sie nahm an, dass auch dieses Kleidungsstück mit Bedacht ausgewählt worden war. Gerade besah sie sich in der Spiegelfläche, als das Schaben der Türen ihre Aufmerksamkeit gen Vorraum lenkte. Man hatte ihnen einen Flügel mit getrennten Bereichen zugewiesen. Sie teilten sich den weiträumigen Vorraum, danach trennten sich die Gemächer. Seine Unterredung hatte lange gedauert. Es mochte nicht der ideale Start gewesen sein, dennoch war sie überzeugt davon, dass es Dämonen schlecht überraschen konnte, dass einer Göttin missfiel, wenn sie einen Ihrer Schützlinge vor ihr abschlachteten. Allzu groß konnte der Schaden da nicht sein, hoffte sie. Außerdem hatte Haruki sich einem ganz anderen Vorwurf gegenübergesehen. „Lass uns allein“, galt einzig Yoko, welche bereits ehrfürchtig mir ihrer Stirn gen Boden gesunken war, noch bevor seine hünenhafte Statur sanfte Schatten durch das Japanpapier in den Raum geworfen hatte. Sie behielt ihr Augenmerk auf ihrer Spiegelung, ihn in ihrem Rücken. So vermochte sie es, seinem Blick über ihre Rückenansicht zu folgen, noch während Yoko sich anschickte, dem Befehl Folge zu leisten. Yoko war nicht entgangen, wie verstört ihre Göttin gewesen war, also nahm sie an, es sei des Streits wegen; hatte das Schloss doch merklich an Temperatur verloren. Natürlich wusste sie, wann die Magie ihrer Herren gefährlich anstieg. Was allerdings die Göttin so erzürnt hatte, war der unter Dämonen aufgewachsenen Menschenfrau ein Rätsel. Ishizu entging derweil nicht, dass die Menschenfrau, welche ihr wie eine Zofe dienlich war, es dabei wie stets nicht einmal wagte, ihren Blick über den Rand seines Obis zu erheben. Ihr Handeln war begleitet von mehr Furcht denn Ehrerbietung. Ein leises Seufzen spannte bei dieser wehmütigen Erkenntnis die Lagen an Stoff über ihrer Brust. Ai machte es sich derweil geräuschlos in einer der Ecken bequem. Immerhin waren sie nicht unbeobachtet – für die Außenwelt. Was Yoko wohl dachte, warum er sie so unsittlich hinausschickte? Mit dem geräuschvollen Schaben der Türen waren sie, bis auf Ai, tatsächlich unter sich. Nicht, dass das Holz der Türen mit dem schmalen Streifen Papier, dessen Lichtspiel sie durchaus zu schätzen wusste, das gewohnte Ausmaß an Intimität boten. Er hatte Zeit gefunden, sein Gewand zu wechseln. Sie war beeindruckt, ihn in Schwarz zu sehen. Der Farbe seines Schöpfers? Nie hatte sie erwartet, dass höherrangige Dämonen so viel Sinn für Tradition und Andeutungen kannten. Doch seit ihrem Aufenthalt bei seinem Vater nahm sie derlei Übereinstimmungen in der Regel verzückt zur Kenntnis. Und so spannten sich ihre Lippen kurz andeutungsvoll zu einem nachsichtigen Lächeln, während er zur geöffneten Fensterfront trat. Den Blick gen Garten gerichtet, erhob er seine Stimme dann doch überraschend in die Stille: „Ich bin nicht hier, um über dasselbe Thema erneut zu debattieren.“ Streiten war kein Wort, das er ausformulierte. Er musste ihre Anspannung also bemerkt haben. Sie senkte den Blick - überrascht über seinen gewählten Einstieg. „Warum dann?“ Schließlich bezweifelte sie ernsthaft, dass sie diesbezüglich auf einen gemeinsamen Zweig kamen. Und erneut regte sich die Empörung in ihr. Hatte er doch ausgerechnet eine Intimität dazu missbrauchen wollen, ihr seinen Willen aufzuzwingen. Niemand war in der Position, ihr zu befehlen. Nicht einmal ihr Vater. Einzig ihre natürliche Zuneigung, ihr Respekt vor dem Älteren, bedingte ihren Gehorsam. Doch er hatte ihr nicht ohne den gebührenden Respekt zu begegnen. Natürlich entging ihr das Flackern, welches für den Moment seinem Raubtiergold Lebendigkeit einhauchte. Dann hatte es zurück zu seiner Regungslosigkeit gefunden, mit welcher er erläuterte: „Du erwähntest, er war verzweifelt." Also waren seine „Ermittlungen“ noch nicht abgeschlossen- armer Haruki. Sie verbat es sich, mit den Augen zu rollen. Es war seine Aufgabe als Erbe des Westens – und als ihr Beschützer, gestand ihm ein leises Stimmchen in ihr durchaus zu. „Seine Frau und sein Kind verstarben die Nacht im Kindbett. Es geschah im Affekt. Sie reagieren zuweilen bereits sehr früh mit Zorn auf ihre Trauer. Haruki hat es unmöglich wissen können“, bemühte sie sich, ihn an den Ergebnissen ihrer eigenen kleinen Recherche teilhaben zu lassen. Und diesen Zorn richteten sie dann gegen ihre Schöpfer in ihrer Machtlosigkeit, kombinierte er derweil stumm. Schwach und unberechenbar, wie für ihre Art üblich. Er verstand nicht, warum sie dafür Verständnis zeigte. Der Mensch hatte sein Leben verwirkt in dem Moment, in dem er seine Hand gegen seinen Schützling erhoben hatte. Dennoch nickte er – für sie die Bestätigung, dass Haruki längst rehabilitiert war. Sie verspürte echte Erleichterung, zu ihrer eigenen Überraschung. Für eine kurze Weile legte sich erneut das Schweigen zwischen sie. „Also tat ich ihm letztlich einen Gefallen“, war ungerührt und versetzte sie in Erstaunen. Irritiert erhob sie ihren Blick und kräuselte ihr Näschen. War es denkbar, dass er sich darunter tatsächlich etwas vorstellen konnte? Erst da bemerkte sie seinen Schulterblick, mit welchem er sie maß, ehe er sich zu einer durchaus aufschlussreichen Erwiderung herabließ: „Manche Yôkai suchen den Tod im Kampf, wenn ihre Gefährten versterben.“ Es war ihm sogar anzuhören, dass er nichts von derlei Abhängigkeiten hielt. War ein Dämon in seinen Augen doch stets selbstständig und nur an der Erweiterung seiner Stärke interessiert. Sie senkte ihren Kopf ein wenig, um ihr Lächeln vor ihm zu verbergen. Ihr Herz, vermeinte sie, setzte aus, ehe es einen aufgeregten Hüpfer tat, als er keinen Wimpernschlag darauf vor ihr war. Kurz verschwendete sie einen weiteren Gedanken daran, wie starke Schatten das hereinfallende Licht in den Vorraum warf in der Dämmerung, da fing sein Dämonengold bereits ihr Meeresblau ein. Sie erkannte die Weichheit darin; und sie wusste um sein Bedauern. Ein nachsichtiges Lächeln huschte über ihre zartrosa Lippen, als sie betreten die Augenlider niederschlug. War sie ehrlich, hatte sie ihre eigene Reaktion, ihre Bereitschaft, ihm diese Macht über sich einzuräumen, wenn auch nur für den Hauch des Augenblicks, maßlos erschreckt und wesentlich mehr erzürnt als sein, wohl naturgegebener, Reflex. „Ich kann meine Schützlinge nicht im Stich und euch schutzlos überlassen, verstehst du das?“, war nur ein Flüstern. Er verstand, dass sie sie als ihre Aufgabe auffasste, ähnlich einer Verpflichtung, die sie erfüllte. Abermals fasste seine krallenbesetzte Hand da unter ihr Kinn und erhob ihren Blick auf seine ganz eigene zärtliche Art und Weise. „Ist das nicht der Grund, weshalb du hier bist; um es verstehen zu lernen?“ Es entlockte ihr ihr so bezauberndes Schmunzeln, welches seine gesamte Aufmerksamkeit für den Bruchteil eines Augenblicks zu fesseln vermochte. „Ich fürchte, dass ich in diesem essenziellen Punkt nicht nachgeben sollte“, brachte seine Mundwinkel gefährlich ins Wanken. „Also erwartest du deinen Lernprozess zielgerichtet?“, ließ die Blicke beider Kinder ihrer Väter in Amüsement zueinanderfinden. Leise lachte sie auf und legte ihre Hand an seiner Brust ab; suchte so den Kontakt, der ihr eigentlich untersagt war. Sie genoss die Wärme seiner Muskulatur, welche sich unter den Lagen an Dämonenseide spannte. Er ließ es zu. „Er hätte mich nie erreicht“, erhob ihren Blick betörend in sein funkelndes Raubtiergold. „Weil ich da war, Ishizu“, klang auch arrogant. „Du hättest ihn nur aufzuhalten brauchen“, war trotzig. „Ein unnötiges Risiko. Er kannte die Strafe“, offenbarte mehr als beabsichtigt. Sie bemerkte es sofort. Er sah es daran, wie sie ihn nun ansah. Verwundert und doch erschrocken. Eine tödliche Verletzung hätte sie getrennt – womöglich für immer. Es geschah fast von allein, dass er daraufhin seine Klaue an ihre Wange führte und sein Handrücken ihre zarte Haut liebkoste. „Es war respektlos.“ Sie schmiegte sich seiner Berührung entgegen, sehnsuchtsvoll, ganz natürlich, ehe sie es mit einem sanften Augenaufschlag und einem Blick, der ihm durch und durch ging, entschuldigte. „Benutze es nur nie wieder dafür“, war eine Bitte, der er nur allzu gerne nachgab. Erst als sich etwas warm und bestimmt zwischen ihren Beinpaaren hindurchdrängte, brach die Welt um sie herum über sie herein. „Ai, dein Fell“, enthielt tatsächlich Tadel für die Nefrilin. Sesshômaru wich wohlweislich zurück, noch ehe sich Yoko vor den Schiebetüren auf ihre Knie begeben hatte. Es wurde Zeit. Also bot er ihr den Arm, sobald sie sich der wenigen weißen Haare entledigt hatte. „Du trägst keine Rüstung?“, verklang einzig begleitet von seinem schmalen Schmunzeln. Rau ragten die Felsen des gebirgigen Landstriches über die Wasseroberfläche empor, während die Wellen unter ihren Füßen zischend an ihrer zerklüfteten Fläche zerschellten. Der Wind trug ihr den salzigen Geruch der See zu, als er sich in den wenigen Strähnen ihres pechschwarzen Haares verfing, welche Yoko ihrer Hochsteckfrisur vorenthalten hatte. Es gefiel ihr, dass die Menschenfrau ihre Haare nie streng band. Das Holz des Stegs knarrte auf, sobald sie in luftiger Höhe hinaus über das Meer traten. Sie wagte es nicht über den Rand hinabzusehen. Es war ihr etwas zu weit über dem Meeresspiegel. Die See war relativ ruhig, sodass sich die Sichel am Firmament auf der Oberfläche spiegelte. Sie genoss die hauchzarte Berührung ihrer Stoffe, während er sie bis an den Rand der hölzernen Konstruktion führte. Trotz der Lagen an Dämonenseide zwischen ihnen erreichte sie seine Wärme. Sie hatten eine Plattform für sich allein, Ai in ihren Rücken. Sie war dankbar dafür, zumal die Gischt ihre Unterredung mit sich hinfortreißen würde. Es gaukelte ihr das Gefühl von Intimität vor, waren sie auch aller Augen präsentiert durch ihre exponierte Höhe. Die felsige Front entlang ragten mehrere solcher artifizieller Stege auf das Meer hinaus. In einiger Entfernung zu ihrer Rechten konnte sie ihre Gastgeber, Haruki und Kijo, ausmachen, sowie zwei weitere Bedienstete in deren Rücken; eine Menschenfrau und eine Dämonin. Sie war gespannt, welche Prüfung sich der Vater erdacht hatte. „Warum begleiten zwei Bedienstete Kijo?“, erlag sie ihrer Neugier und lenkte seinen Blick vom Wasser ab hinüber zur anderen Plattform. „Akitos leibliche Mutter“, war knapp wie eh und je. Er hätte es prompt dabei belassen, wäre Ishizu nicht so überrascht gewesen. „Ich dachte Kijo...“, ließ seine Mundwinkel gefährlich zucken. „Du verwechselst den Bund zwischen Dämonen mit Zuneigung“, war ganz ihr dämonischer Sensei. Also kannten auch Dämonen Verbindungen aus rationalen Erwägungen. Und dennoch hatte Kijo heute Akito als ihren gemeinsamen Sohn vorgestellt. Konnte es sein und am Ende waren die Mätressen des Familienoberhaupts zwar nicht in diese Familie eingegliedert, aber deren Kinder durchaus? Schließlich wiesen Auftreten und Verhalten die leibliche Mutter klar als Untergebene und nicht als Mätresse aus. Und noch ein weiterer Gedanke erhob sich leise aus den Schatten ihrer Überlegungen, als sie ihn sich von der Seite im Licht seines Himmelskörpers besah. Konnte er am Ende auch nicht wählen? Da Sesshômarus Aufmerksamkeit längst wieder den sich regenden Wasserfluten unter ihnen galt, verschob sie ihre Neugier auf später. Das Sprudeln nahm tosend laut immer mehr an Heftigkeit zu, ehe die Wasseroberfläche von der Gestalt des schlangenähnlichen Wesens rabiat durchbrochen wurde. Ein Wasserdrache, der sich da unweit von ihnen gegen das milchige Licht des düsteren Himmelskörpers abtat. Sie erkannte den goldenen Glanz, welcher immer wieder zwischen seinen Schuppen hervortrat. Er war dabei sich zu verwandeln, erkannte sie, als sich fast beiläufig die wesentlich kleinere Gestalt des Hundedämons aus seinem Schatten löste. Auch er trug keinen Schutz, einzig seine Klinge reflektierte das Mondlicht. Kurz glitt ihr Blick abermals zu Sesshômaru, der ausdruckslos dem Geschehen folgte. Er würde kein Siegel brechen. Er war lediglich hier, um das Kampfgeschehen zu beurteilen. Sie war verblüfft, hatte sie sich doch von ihrer eigenen Kultur blenden lassen. Wie bei allen Initiationsriten ging es um eine Art Wiedergeburt. Dämonen schienen das aus den eigenen Kräften abzuleiten – im Kampf natürlich. Und dafür hatte dieser Vater den Wasserdrachen erwählt. Sie bezweifelte ernstlich, dass der alte Drachenherrscher erfreut über eine derartige Belästigung war. Erlaubte er seinen Schöpfungen doch nur alle 50 Jahre die Möglichkeit zur Weiterentwicklung in ihre beflügelte und goldene Form. Es war stets eine Herausforderung für ihre Schützlinge, ging deren Geheul doch mit allerlei Übeln und Krankheiten einher. So hatten sie einen Kompromiss gefunden, letztlich. Zumal ihr alter Magiesensei stets darauf bestanden hatte, dass diese Wandlung nur höchst selten glückte. Ob er damit darauf angespielt hatte, dass Dämonen sich gerne gegen Drachen erprobten? Oder konnte Haruki am Ende, ähnlich ihrem väterlichen Mentor, gar den Nutzen für seine menschlichen Untertanen mit der Prüfung für die „Wiedergeburt“ seines Sohnes erkannt haben? Dennoch erschien ihr der Preis viel zu hoch. Schließlich waren kaum Daiyôkai mit ihren gottgleichen Kräften einem ausgewachsenen Drachen ebenbürtig. „Wieso erwählt er einen Drachen?“, entkam ihr daher automatisch. „Kein Dämonenvater scheut die Herausforderung.“ Sie verstand, sie wollten keine schwachen Söhne. „Aber ein Sohn Watatsumis kann so nicht sterben.“ Jedenfalls nicht durch eine Dämonenwaffe. Er galt nicht ohne Grund als Meeresgottheit. Es erschien ihr unmöglich für den Dämonensohn. „Er muss ihn nur an der Verwandlung hindern“, entbehrte jeglichen Mitgefühls. Scheinbar hielt Sesshômaru das für keine nennenswerte Herausforderung. Sie dagegen war wenig entzückt. „Ich würde meinen Sohn niemals solch einer Gefahr aussetzen... Wäre er ein Dämon“, war ein laut ausgesprochener Gedankengang – vollkommen unreflektiert. „Soweit mir bekannt, existieren derartige Mischwesen nicht, Megami“, erfolgte pragmatisch und lenkte ihren Blick beschämt zur Seite. Abermals begannen ihre Wangen verräterisch zu brennen ob ihrer ausgesprochenen Intimität, ehe sie im Augenwinkel seinen Seitenblick erhaschte. Kurz schien der Kampf, welchen er beurteilen sollte, Nebensache, als sein im Dunkeln funkelndes Raubtiergold fest auf ihrem unsicher flackernden Götterblau lag. Natürlich erkannte sie die Brisanz dahinter, konnte doch eine Schwangerschaft unmöglich eine Offenlegung ihres Verhältnisses verhindern. Nichtsdestotrotz konnte sie ein hauchzartes Lächeln nicht unterdrücken, hatte sie diese Frage doch, wenn überhaupt, wesentlich früher erwartet. Dennoch, mochte er auch noch so beeindruckend stark sein, gottgleich waren seine Kräfte noch lange nicht, um nach ihrer Seele auch nur langen zu können. Zumal beide Energien viel zu gegensätzlich waren, um einander standzuhalten. Und so hielt die Göttertochter allein die Idee einer Empfängnis für eine Unmöglichkeit. Daher tat sie es mit einem zarten Kopfschütteln ab - seine Annahme damit bestätigend. Es lenkte seine Aufmerksamkeit umgehend zurück zum tosenden Kampfgeschehen. Das leise Gefühl, welches sich ihrer zu bemächtigen drohte ob seiner vernichtenden Haltung, verbat sie sich eisern. Deshalb war sie wohl auch mehr als nur verblüfft, als er nach einer Weile, zu seiner eigenen Verwunderung, das Schweigen zwischen ihnen abermals brach. „Mein Sohn wüchse an echten Aufgaben.“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie ihn daraufhin eingehender von der Seite betrachtete. Es gefiel ihr; nicht nur, dass er der Realität eine solch große Bedeutung beimaß. Anscheinend konnte er diesem archaisch gestellten Ritual abermals nicht viel abgewinnen. Welche Art sein Vater wohl gewählt hatte? Als die Klinge laut klirrend gegen eine der Schuppen prallte, glitt ihr Meeresblau instinktiv zu den Kämpfenden. Gerade noch so schnappte sie auf, wie die Dämonenklinge an der natürlichen Panzerung in Zwei brach. Als der Dämon das kurze Ende dennoch flink zwischen die Schuppen in das Fleisch versenken konnte, krallten sich ihre Finger einem Automatismus folgend in den feinen Stoff seines Kimonoärmels. Es beorderte sein Augenmerk tatsächlich auf ihre Berührung. Fühlte sie etwa mit einem Drachenwesen mit? Im Augenwinkel fing er mehr zufällig den Blick ein, den Haruki ihnen hinaufsandte. Beinhaltete sein Aufenthalt gar eine Überprüfung ganz andere Natur? Er war bei Weitem nicht so töricht, den Kontakt der alten Weggefährten zu unterschätzen. Schöpfte sein Vater am Ende bereits Verdacht? Erst als sie ihn ausließ, wanderte sein Dämonengold zurück und lag für einen weiteren kurzen Augenblick auf ihrem nervös flackernden Meeresblau. Sie würde noch eine Weile durchhalten müssen. „Wie gedenkt er seine Verwandlung aufzuhalten?“, war nicht überraschend. „Indem er ihn ablenkt oder schwächt“, lenkte seinen Blick endgültig zurück auf das eigentliche Geschehen. Den leise ausgestoßenen Laut ihrer Skepsis konnte er selbst über das Tosen der Wassermassen und Kampfgeräusche vernehmen. Es ließ seine Mundwinkel gefährlich zucken. Was hatte die Göttin erwartet? Ishizu begann derweil allmählich zu dämmern, dass sich ihr eine lange Nacht ankündigte – mit einer Form der Unterhaltung, die weit weniger ihrem Geschmack als dem Seinen entsprach. Mehr nach ihrem Geschmack war die anschließende Zusammenkunft in der großen Halle. Erneut sah sie sich der Masse an unterschiedlich ausgeprägten Yôkii gegenüber, doch anders als beim Turnier, stand diesmal nicht sie im Mittelpunkt. Eine Erleichterung, lagen aller Blicke doch wesentlich seltener und verhaltener auf ihr. Natürlich hatte der Dämonensohn es vermocht, den Drachen so lange abzulenken und vielleicht sogar zu schwächen, dass er sich schlussendlich nicht mehr verwandeln hatte können. Tatsächlich hatte sich herausgestellt, dass Sesshômarus Funktion von Anfang an eine symbolisch-repräsentative war. Er hatte nicht mehr zu tun gehabt, als zu nicken, ehe der Vater dem Sohn einen Teil seines Mokomokos vor aller Augen überreicht hatte. Anscheinend wuchs das Fellteil mit der Zeit. Jedenfalls hatte es in keiner Weise auch nur entfernte Ähnlichkeit mit Sesshômarus Fell. Sie war nach wie vor verblüfft. Er schien dagegen zufrieden mit ihr, hatte doch kein entsprechend mahnender Blick sie erreicht. So oft sie auch die Augen geschlossen hatte, wann immer die ungleichen Kontrahenten einander verwundet hatten. Sie war sich sicher, dass selbst einem blinden Beobachter ihr Mienenspiel keinesfalls entgangen sein konnte. Hatte der ungleiche Kampf doch rein gar nichts mit den ästhetischen Figuren eines Übungskampfes gemein gehabt. So hatte der Dämonensohn etliche Verwundungen davongetragen, welche Sesshômaru nicht einmal ein Zucken entlockt hatten. Ungerührt hatte er dem Geschehen beigewohnt, hatte analysiert und sie dabei ihren mulmigen Gefühlen überlassen. Bis die drei Klauen des Drachen sich tief in das Fleisch des Inuyôkai gebohrt hatten. Der einzige Moment, in dem sie selbst seine Miene kurz verhärtet geglaubt hatte. Wie auch immer der junge Dämon es geschafft hatte, er stand mittlerweile wieder bekleidet und äußerlich unversehrt an der Seite seines Vaters, versetzt, wie sie dies auch von Sesshômaru kannte und stellte sich seinen Gästen. Ob Kijo ihn im Umgang mit Drachenklauen unterwiesen hatte? Letztlich konnte auch Ishizu zufrieden sein, hatte dieses Ritual doch einen wohlmeinenden Effekt für die umliegenden Menschendörfer beinhaltet. Dennoch spürte sie die Müdigkeit in ihren Gliedern. Es war spät und der letzte Schlaf lange her. Sie stand bereits wieder seit einer geraumen Weile an seiner Seite mit den Eltern des Prüflings prominent auf dem erhöhten Umweg an der kurzen Seite der Halle und ließ die unzähligen Vorstellungsrunden über sich ergehen. Als eine menschliche Bedienstete ihr das Getränk anbot, war sie geneigt, anzunehmen, ehe sie sein Schulterblick mahnend traf. Mit einem Seufzen lehnte sie also dankend ab, wovor auch immer er sie da meinte bewahrt zu haben. „Drachenblut ist tatsächlich nichts, was Eurer zarten Kehle zu schmeicheln vermochte, Hime-sama, Ishizu“, bot zumindest schonmal den Ansatz einer Erklärung – in wohlvertrauter Stimme. Interessiert sah sie auf und begegnete dem trükisenen Augenpaar des Wolfsdaiyôkai. Sie hatte seine Aura tatsächlich nicht ausmachen können, so sehr summte die geballte Menge an gegensätzlicher Energie in ihren ermüdeten Sinnen. Mit einem erfreuten Lächeln nahm sie seine Anwesenheit hin, bemühte sich aber nicht, ihre Überraschung zu verbergen. „Kaito-san, wie mir scheint, vermag es keine Festivität im Westen ohne Euch auszukommen." „Ein Bündnis, das erneuert gehörte; ich konnte schlecht widerstehen, als ich hörte, wen Haruki-dono erwartete. Und so darf ich erneut ehrfürchtig bezeugen, dass die Farbe unseres Schöpfers es abermals vermag, Eurer ausnahmslosen Erscheinung zu schmeicheln.“ Sie schlug die Augen nieder und nickte einzig auf seine angedeutete Verbeugung zum Gruße. So entging ihr die Regung, welche über die Züge neben sich huschte. „In der Hoffnung, dass der Süden es diesmal vermag, den Osten gebührend zu unterstützen“, klang nach dem Tadel, der es offenkundig auch war. Jetzt wagte Ishizu einen erstaunten Blick neben sich. Er reagierte erneut unverhältnismäßig, diesmal jedoch deutlich unterkühlter, auf den Wolfsdämon. Die Mienen der beiden Dämonen verrieten keine Regung als sich ihre Blicke zu fixieren begannen. Ihr fröstelte. Spätestens als jedoch Harukis Augenmerk über die Schulter an ihr vorbei zu Sesshômaru glitt, wusste sie, dass sie sich das leise Piksen auf ihrer Haut, welches begann, sich kribbelnd über ihren Arm in ihren Körper auszubreiten, nicht einbildete. Seine Motive wären bald unmöglich noch fehl zu interpretieren, erkannte sie geistesgegenwärtig. Und noch ehe sie sich bewusst dazu entschieden hatte, hatte sie ihrem Körper ihren Geist bereits entzogen, in der leisen Hoffnung, ihre Lagen an Stoff mochten ihren Aufprall möglichst dämpfen. Und wieder waren es die gedämpften Stimmen um sie herum, die leichten Berührungen, die ihren Geist allmählich zurück in ihren Körper zogen. Sie registrierte, dass ihr das Atmen deutlich befreiter möglich war, dann brach das flackernde Licht der Kerzen auf sie herein. Sie lag angenehm gebettet auf ihrem Futon, wenn es auch die federartige Weichheit ihrer Schlafstatt im Schloss des Westens vermissen ließ. Diesmal war es sein vertrautes Gold, welches aufmerksam ihr Erwachen verfolgte. Es entlockte ihr fast automatisch ihr bezauberndes Lächeln. Ais leises Winseln verklang gerade zu ihrer anderen Seite. Yoko schien den Raum für den Moment verlassen zu haben. Seine Miene verweilte ausdruckslos auf ihr, als er sich sogleich erhob. Sie begann noch darunter, sich gegen ihre Unterarme zu stemmen, während er den Diener vor den Schiebetüren schickte, um ihren Gastgeber über ihr Erwachen zu informieren. Als sie sich erfolgreich aufgekämpft hatte, war er bereits wieder im Schneidersitz an ihre Seite zurückgekehrt. Umgehend glitt ihr Blick an sich hinab um auf den Lagen haften zu bleiben, welche in ungewohnter Weite ihre Brust nur mehr hauchzart umwickelten. „Der menschliche Diener des Heilers“, bemühte er eine Erklärung. Also hatte der Dämon sie nicht berühren können. Es musste ihm schwer gefallen sein, eine fremde Hand, wenn auch nur die eines Menschen, dort gewusst zu haben. Waren doch seine Nerven diesbezüglich heute Abend bereits merklich strapaziert worden. Sie war sich sicher, er hatte jede noch so kleine Bewegung mit Argusaugen verfolgt. Damit war es ihr unmöglich, ihr hauchzartes Lächeln noch zu verhindern. An seinem ungerührten Schweigen erkannte sie, dass er auf Antworten wartete. Es musste ihn erschreckt haben. Zumal sie ihm Tadel eingehandelt hatte, konnte es doch seinem Vater schwer gefallen, dass er augenscheinlich ihre Kondition überschätzt hatte. „Ich sah keine andere Möglichkeit, um aller Aufmerksamkeit von deiner neu-entdeckten Leidenschaft für bereits abgeschlossene Bündnisse abzulenken." Schließlich ging sie davon aus, dass ihre Schwäche eindeutig interessanter war als eine – noch - leise Verstimmung des Dämonenprinzen ob eines ehemaligen Fauxpas des Wolfsdämons gegen den Osten. Zumal das, was auch immer es gewesen war, längst in einem neuen Bündnis behoben schien. Es war demnach Absicht gewesen. Sein Nicken nahm sie als Bestätigung, dass es ihn zu beruhigen vermochte. Mochte ihr sein Verhalten auch noch so sehr geschmeichelt haben, ihrem Geheimnis wäre eine derart deutliche Entgleisung seinerseits so gar nicht zuträglich. „Es offenbarte Schwäche“, erinnerte sie an seine Warnungen. „So wortgewandt wie Kaito ist, wird er es sicher nicht verabsäumt haben, unseren Gastgeber über meinen beeindruckenden Patzer beim Turnier höchstselbst in Kenntnis gesetzt zu haben. Andernfalls wird der Heiler meinen Schutz wohl ins rechte Licht zu rücken wissen“, tat sie es lapidar ab. Sein Ansehen war unangetastet geblieben – letztlich hing daran ihr Schutz in seiner Welt. Sein Nicken, als ihr Meeresblau in seinem Dämonengold nach Bestätigung suchte, versicherte ihr, dass besagter Heiler beeindruckt worden war. „Eine höchst undämonenhafte Lösung, Ishizu“, konnte sie unmöglich als Tadel auffassen. Es zauberte ihr stattdessen ein verschmitztes Grinsen auf die Züge. Umso besser, befand sie, konnten sich doch Dämonen, die nie bereit waren, Schwäche auch nur zu zeigen, schwerlich vorstellen, dass eine Ohnmacht vorgetäuscht sein könnte. Sie dagegen sah darin kein Problem, wusste sie ja um ihren Schutz. „Dafür eine göttliche, Sesshômaru“, begegnete seinem belustigt funkelnden Raubtiergold. Er schien zufrieden. Wieder erfasste sie diese Unruhe. Sie hatte sich alsbald kribbelnd in ihrem Bauch gesammelt, um warm in ihren zierlichen Körper auszustrahlen, sobald sie sich seines Blickes auf ihren Lippen gewahr wurde. Augenblicklich erinnerte sie die Wärme seiner Berührung; wie weich sich seine Lippen auf den Ihren anfühlten. Es erschienen Äonen vergangen seit sie sie das letzte Mal gespürt hatte die Nacht zuvor. Instinktiv kam sie ihm entgegen und senkte ihre Lider. Nur, um sie sogleich abermals aufzuschlagen und merklich zusammenzuzucken, sobald das Winseln Ais wie ein Donnerwetter durch die knisternde Stille brach. Keinen Augenblick zu früh, wie sich kurz darauf beiden erschloss. Konnten doch selbst Ishizus spitze Ohren bereits die Schritte Yokos auf dem polierten Holzboden ausmachen. Die hauchzarte Berührung wurde von den Lagen an seidenen Stoffen verdeckt, als sie seine Wärme an ihrer rechten Hand umfing. Es lenkte ihren Blick noch einmal in sein vertrautes Raubtiergold. Sie genoss die sanfte Liebkosung, das federartige Schaben seiner Kralle über ihren Handrücken, ehe seine Klaue wieder von ihr abließ. Er hatte zur charakteristischen Ausdruckslosigkeit zurückgefunden, noch ehe Yoko die Wasserschale abgestellt und ergeben auf die Knie gefunden hatte. „Ishizu-sama“, bekundete echte Sorge. Es entlockte ihr ein verzücktes Lächeln. Das hatte sie nicht gewollt. „Alles ist gut, Yoko. Ich bin nur müde“, war nicht einmal gelogen, wie Sesshômaru sehr wohl vernehmen konnte. Er erhob sich noch darunter, um sich an der gegenüberliegenden Wand im Schneidersitz niederzulassen. Nicht nur Ishizu beobachtete ihn neugierig. Gedachte er etwa, hier zu bleiben? „Sesshômaru-sama“, sorgte für echte Überraschung bei der Göttin. Hatte sie die Ehrfurcht ihrer Menschenfrau am Ende etwa falsch eingeschätzt? Es klang verdächtig danach, als wollte Yoko ihren Herrn des Zimmers verweisen. Hatte sie ihn etwa nur solange hier geduldet, bis sie erwacht war? Auf ihren Zügen spannte sich ein umso amüsierteres Lächeln, als sie tatsächlich Zeugin wurde, wie sich der Dämonenprinz daraufhin kommentarlos aufrichtete und das Zimmer zur Veranda hinaus verließ. Sie war erstaunt. Wie stets beruhigte es sie, ihn über ihren Schlaf wachen zu wissen, als sie unter der Obsorge Yokos zurück in ihr Kissen glitt. Sie erwachte aus einem bleiernen Schlaf. Zentner schienen auf ihren Augenlidern zu lasten, als ihr Schlaf ihr Bewusstsein in der Dämmrigkeit einzuzemmentieren gedachte. Instinktiv erahnten ihre Sinne längst die sich anbahnenden Veränderungen, noch ehe sie sich auch nur der Wahrnehmung der Göttin offenbaren konnten. Die mütterliche Sonne sandte ihre Strahlen bereits weit in ihr Gemach, als sie den ruhigen Atem Yokos zu ihrer Seite vernahm. Ais aufgewecktes Gold begegnete ihr, sobald sie die Schatten ihrer Schläfrigkeit überwunden und ihre Augen aufgeschlagen hatte. Um die Menschenfrau nicht zu wecken, glitt ihr schlanker Finger umgehend an ihre Lippen. Noch während sie bemüht geräuschlos in die Senkrechte glitt, gemahnte sie die wolfartige Begleiterin so zur absoluten Ruhe. Die Menschenfrau schlief tatsächlich auf ihren Knien, den Oberkörper einzig gegen die Wand gelehnt. Sie hätte ihr so gerne eine Decke umgeworfen, fürchtete aber zu recht, die geborene Bedienstete aus ihrem antrainiert leichten Schlaf zu wecken. Somit schlich sie mit einer ihrer Decken an ihr möglichst tonlos vorbei. Mit bis in die Haarspitzen angespannten Nerven schob sie die Shoji-Türe auf. Einer Schnecke gleich zog sie sich dahin, ehe der Spalt endlich groß genug schien, sodass ihre zierliche Gestalt flink hinaus auf die Veranda entschlüpfen konnte. Sein Raubtiergold hatte sie erwartet. Sie jedoch hatte keinesfalls mit dem Blick gerechnet, mit welchem er sie maß, als sie in ihre Decke gehüllt an seiner Seite schicklich auf ihre Knie fand. Er saß im Schneidersitz, die Arme vor sich in seinen Ärmeln verschränkt. Er hatte die Zeit gefunden sich umzuziehen. Dennoch vermutete sie ihn seit Stunden hier. Ihr Aufkichern unterdrückte sie tapfer. Er wirkte wahrlich amüsiert ob ihrer geglückten Flucht. „Guten Morgen, Sensei“, beließ er unkommentiert, als sein Augenmerk von ihr ab stattdessen hinaus in den Garten wanderte. Es war weit nach Mittag, bestätigte ihr ein Blick gen Himmel. Sie hatte doch glatt den gesamten Vormittag verschlafen. „Routine?“, kam so unpassend nüchtern, dass sie schlussendlich nicht mehr an sich halten konnte. Es erlaubte ihre Vertrautheit. Sein Gold lag lange Zeit auf ihr, als er einfach nur dabei zusah, wie sie vergeblich versuchte, ihr belustigtes Glucksen und Kichern in dem Stoff zu dämpfen. Natürlich konnte einzig sie seinem gedanklichen Spagat zwischen ihrem Versuch unerkannt zu ihm auf die Veranda zu gelangen und ihren nächtlichen Exkursionen durch das Schloss des Westens, in vergleichbarer Absicht, folgen. Es schüttelte ihre zierliche Gestalt an seiner Seite unerbittlich, ehe sie es mit einem leisen Kopfschütteln letztlich abschütteln konnte. Beide genossen sie daraufhin das ruhige Beisammensein, während die Sonne das saftige Grün des Gartens in ihren Lichtspielen reflektierte. Leise plätscherte es im Hintergrund. Es war friedlich, solange, bis die Wissbegier seiner Schülerin seine Ruhe störte. „Du hast kein Siegel gebrochen“, beförderte seine Augenbraue unter seinen Pony. Hatte sie das etwa erwartet? „Unsere Stärke entwickeln wir aus uns selbst heraus – in der Konfrontation.“ Natürlich, sie waren geborene Wesen keine Götter. „Und am Ende?“ „Übertreffen wir den Mächtigsten“, erfolgte automatisch. Sie ließ es sacken, ehe sie nachfragte. „Demnach wirst du eines Tages deinen Vater bekämpfen, um ein Daiyôkai zu werden?“ „Es genügt zu übertreffen, Ishizu“, verbesserte er. Es vermochte sie zu beruhigen. Dennoch verspürte sie echte Erleichterung, dass ihr Vater freiwillig abtrat, sobald ihre Zeit gekommen war. Und um alle Irritation zu vermeiden, würde er das Feld fortan ihr überlassen. So wie es sein Vater einst mit ihm gehalten hatte. Kein Krieg, kein Kampf – eine bewusste Entscheidung. Abermals kehrte die geruhsame Stille zurück und legte sich beruhigend über ihre Sinne. Dann veranlasste ihn ihre liebliche Stimme dazu, seine Augen zu schließen. Ein unverkennbar tonloses Aufseufzen. Letztlich war sie doch ihrer Neugierde erlegen. „Also vermögt ihr es, euch auch ohne Gefühle zu binden?“ Er sandte seinen Blick hinaus in den ruhig vor ihnen ausgebreiteten Garten. Gerade noch so erhaschte sie das leise Zucken um seine Mundwinkel. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie das Thema nicht ruhen lassen konnte. „Ist das so ein Unterschied?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte nur, ihr hättet die Wahl - als Geborene.“ Es hatte sie lediglich überrascht. Auch sie erkannte dabei die Ähnlichkeit ihrer Verpflichtung. Er wurde ebensowenig gefragt nach seinen Wünschen, wie sie. „Dann markieren wir“, erbarmte er sich – und bereute es umgehend auf ihren erschütterten Blick hin. Also war es das, was Akitos leibliche Mutter an Haruki band. Es erinnerte sie an genau das Besitztum, das sie ihm noch vor Kurzem unterstellt hatte. Er reagierte mit seinem schmalen Lächeln. Sie gestand diesem beinahe Überheblichkeit zu. Wohlweislich setzte er da nach: „Es grenzt an Irrsinn, eine Göttin markieren zu wollen.“ Also ging es doch um Macht. Ihr Blick war tadelnd, mit dem sie ihn daraufhin bedachte. Schließlich hatte er es nicht für notwendig erachtet, sie auf diese Möglichkeit explizit hinzuweisen. Mochte es auch nicht in seinem Fokus gelegen haben. Umso wertvoller erwies es sich da für sie, dass er seine Gefühle so offen mit ihr geteilt hatte. Hätte sie doch sonst nicht mit Sicherheit gewagt anzunehmen, dass er sie nie hatte besitzen wollen. „Den Bund geht ihr also nur mit Einer ein– das trifft aber nicht auf die Markierung zu?“, hakte sie nach, um sicher zu gehen. Er nickte zur Bestätigung. „Hast du je...?“ Allein, dass sie es aussprach – diesmal ohne zu zögern, verriet, wie sehr es sie schockierte. „Ich habe das nicht nötig.“ Sie verstand, seine Witterung genügte, um andere abzuhalten. Sie dachte an Kaito, dem diese Information natürlich fehlte. Es stimmte sie dennoch fassungslos. Mochte es auch einen Schutz für die Kinder aus eben diesen Verbindungen darstellen; ihre Mütter mussten sie verleugnen und als Bedienstete in den Haushalt integrieren. Götter akzeptierten diese Kinder für gewöhnlich. Zumal sie sich nicht durch eine Verbindung einschränkten, sondern sich ihre Kräfte lediglich ergänzten. Dämonen dagegen trennten eisern Verpflichtung von Entspannung und opferten Ersterer bereitwillig ihre Gefühle. Es stimmte sie traurig. Als sein Raubtiergold daraufhin ihr göttliches Blau einfing, war alle Distanz vergessen. Irgendwo in den Tiefen ihres Bewusstseins nahm sie wahr, dass dieser Blick alle Grenzen ihrer bisherigen Vertrautheit sprengte. Es war ihr gleich. Sie verstand auch ohne Worte. Es war Sesshômaru, der den Moment brach, als er den Seinen erneut in den Garten abwandte. „Es spielt keine Rolle“, war bemerkenswert nüchtern – fast grausam. Es ließ sie stutzen. Warum sprach er es aus? Einen weiteren Moment bedurfte es, ehe ihr hauchzartes Schmunzeln davon kündete, dass sie verstanden hatte. Es überraschte sie nicht und hatte keine befreiende Wirkung, mochte es auch endlich offen vor ihnen liegen. „Kennst du sie?“ Er tat es auf seine ganz eigene Art dezent mit einem Kopfschütteln ab. Es war ein Bündnis, nicht mehr, erkannte sie da. „Denkst du, dein verehrter Vater lädt mich auch dazu ein?“, brach sie das Schweigen nach Kurzem. Es hob ihre Brust gegen die Lagen an Stoff in ihrem zarten Lachen und ließ ihn für den Moment erneut seine Augen schließen, ehe sich ein leises Schmunzeln auch über seine Lippen legte. Er bezweifelte, dass ihr das gefallen könnte, so gerne sie ihn auch um Fassung ringen sah. „Ich werde dann meinen Verpflichtungen nachkommen müssen, Ishizu“, wagte er eine Andeutung. Ihr Lächeln erstarb sofort. Sie verstand augenblicklich – vor Zeugen. Das war definitiv nichts für sie. Genau das trat auch deutlich an die Oberfläche, als er im Augenwinkel den zarten Rosaton auf ihren Wangen ausmachen konnte, noch während sie beschämt den Blick senkte. Es entlockte ihm sein schmales Lächeln. Für sich hatte er es längst akzeptiert. Es wäre kein Tag, an dem er sie um sich wissen könnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)