How To Save A Life von Hypsilon (Haikyuu Krankenhaus AU RairPairs on the Run) ================================================================================ Kapitel 6: Perfection --------------------- Was ist schon perfekt? Gibt es einen perfekten Menschen? Den perfekten Partner oder die perfekten Eltern? Gibt es einen perfekten Schüler? Vielleicht, wenn er den perfekten Lehrer hat. Perfektion liegt aber auch im Auge des Betrachters. Es gibt einen perfekten Kreis, er ist computergezogen, doch Computer sind nicht perfekt, genauso wenig wie ihre Erschaffer und Programmierer. Aber Technik hilft uns, der Perfektion entgegen zu streben. Viele würden den perfekten Moment ganz ohne Computerunterstützung beschreiben. Gemeinsam eine Sternschnuppe zu sehen zum Beispiel, ein Nordlicht gar. Eine grüne Welle im Straßenverkehr kann genauso perfekt sein, wie das Lächeln im Antlitz einer geliebten Person. Das Perfekt ist aber auch eine Zeitform und bekundet die Vergangenheit. Etwas, das nicht mehr ist. *** Für Kenma gab es morgens kürzlich drei Möglichkeiten, den Weg ins Krankenhaus zu beschreiten. Möglichkeit eins, die übliche Variante und im Bus auf Terushima treffen, der ihm übertragen ein Ohr abkaute, somit für die Zukunft eigentlich ausgeschlossen. Möglichkeit zwei war früher aufzustehen, früher im Krankenhaus zu sein, früher zu arbeiten. Früher. Abgelehnt. Und die dritte Option war zu spät zu kommen. Das kam auch nicht in Frage, wenn man verantwortungsbewusst war. Er war auf den Bus angewiesen und somit Terushimas Gesellschaft zugepflichtet. Kuroo hatte nicht immer dieselben Schichten wie er, außerdem ging er neuerlich oft früher weg. Kenma konnte sich ihm also selten anschließen und so saß er Tag ein Tag aus neben Terushima im Bus. Mal ignorierte er ihn gänzlich, Mal ging er sogar auf ihn ein, vorrangig, wenn es um ihre Arbeit ging oder darum, Terushima als Mitbewohner abzulehnen. "Aber Ende des Monats wird kommen und dann steh ich alleine auf der Straße", lamentierte er beim Aussteigen. Kenma sah das nicht als sein Problem an, ganz im Gegenteil, sich darauf einzulassen würde sehr schnell sein Problem werden. "Ich kann mit besonderen Qualitäten auftischen", sagte Terushima und warf sich beim Gehen in Pose. Kenma besah ihn vom Schopf bis zu den Schuhsolen und wieder nach oben. "Ich glaube, deine ‘Qualitäten‘ interessieren mich nicht im Geringsten", schmetterte er ihn abermals ab und betrat den Lift. Terushima schlüpfte durch die sich schließenden Türen. "Hey! Ich verkaufe doch nicht meinen Körper für ein warmes Bett! So war das nicht gemeint! Ich koche! Gut sogar, etwas ausgefallen vielleicht aber richtig lecker", Kenma wurde hellhörig. Kuroo kochte nicht gut. Es war nicht grottig, was ihm sein bester Freund vorsetzte, aber Ärzte konzentrierten sich eben auf andere Dinge. Ob es gegen Terushima als Arzt sprach, wenn er die Wahrheit sagte? Nebenbei plapperte er bereits ein paar Rezepte, wenn man so wollte, aus, aber Kenma folgte ihm nur mehr mit einem halben Ohr. Heute stand die Operation mit Dr. Sakusa an. Heute würde er Iizunas Hals aufschneiden. Und heute würde er mitverantwortlich dafür sein, wenn er dieses schöne Lächeln nie wieder sehen würde. „Konoha-san hat gesagt, dass es immer etwas heikel ist, wenn man so lange unter Narkose steht“, hörte er Akaashi in der Garderobe reden, als er mit Terushima hereinkam und wohl unbemerkt seiner selbst beunruhigt aussah. „Aber er hat das unter Kontrolle“, versicherte Akaashi noch. Kenma nickte. Die Operation würde mindestens vier Stunden dauern und Dr. Sakusa würde eine exakte Bewegungsabfolge etliche Male wiederholen müssen. Genau und vorsichtig mussten sie alle sein und Kenma hoffte, er würde viel lernen und aufnehmen können. „Dann war euer Gespräch letzte Woche beim Tee auf die Arbeit bezogen?“, fragte Kenma bemüht, sich auch für seine Kollegen zu interessieren. Ein Floh, den ihm Kuroo ins Ohr gesetzt hat. Akaashi sah etwas beschämt zur Seite während sie aus der Garderobe gingen. „Das Gespräch zum Tee in der Nachtschicht hat eigentlich kaum die Arbeit beinhaltet, wir haben uns aber gut unterhalten und waren gestern noch in der Bar am Eck“, gestand er mit dem Anflug eines Lächelns. „Das ist ja Klasse! Das heißt, es hat richtig gefunkt zwischen dir und dem Schlafarzt?“, fragte Terushima rein. Akaashi und Kenma seufzten im selben Ton. „Es geht nicht immer darum“, sagte Kenma. „Ja, irgendwie schon“, überraschte Akaashi. Das dreckige Grinsen würden sie so schnell nicht mehr aus Terushimas Gesicht bringen können. „Hab gehört, die Anästhesisten vögeln alle miteinander“, sagte Shirabu, der sich der Gruppe gerade anschloss. Kenma und Akaashi sahen fragend zurück, da stand auch schon jemand anderes hinter ihnen. „Achso? Und mit wem vögel ich? Oder sind’s alle?“ Shirabu wandte sich langsam aber mit einem missbilligendem Blick um und blickte in das Gesicht des wohl schönsten Mannes, den er je gesehen hat. Das beigeaschige Haar war an den Spitzen dunkel gefärbt. Wie Frost-Tipps nur anders herum. Umrahmend das hübsche Antlitz mit den mandelförmigen Augen, die eine Direktheit besaßen, dass einem wohlig unwohl werden konnte, zumindest so, wie Shirabu den Blick gerade erhielt. Für den Bruchteil einer Sekunde entgleiste ihm das Gesicht, doch sein Stolz fing die Situation ganz schnell wieder auf. „Du lässt vermutlich jeden in dein Bett, Semi-san“, feixte er und beschleunigte den Schritt. „Hmm, musst es ja wissen“, gab Semi den Assistenzärzten etwas zum Nachdenken. Die Blicke ruhten nun natürlich ausschließlich auf Shirabu, dass sich der Anästhesist unbemerkt davon machen konnte. „Es geht nicht immer nur darum… Am Arsch“, äffte Terushima Kenma nach und schlang Shirabu den Arm um die Schulter. „Du willst sicher mehr von Mr. Pretty Face erzählen hm? Wie ist er so?“ „Geht’s schon wieder um Sex?“, fragte Yamaguchi. Auch er hat gerade aufgeschlossen und ging mit seinen Kollegen. Kenma seufzte. Akaashi schmunzelte. „Scheint so, aber ich glaube, Dr. Komori wird uns schnell auf andere Gedanken bringen“ – und das tat er auch. Allein die Stimmung, die von dem Stationsarzt ausging, ließ jegliche sexuelle Schwingungen im Staub verkeimen. Shirabu hat sich aus Terushimas Griff befreit und sich mit Tsukishima davon gemacht, der seinen Unmut über Kageyama freien Lauf ließ, selbst wenn der keifend neben ihm herging. Hinter ihnen trappelte Yachi mit großen Augen aber mindestens genauso tiefen Augenschluchten nach. „Wer von euch halben Portionen ist das?“, fragte Komori vorwurfsvoll. In seiner Hand hielt er die Miniskulptur einer Quietscheente. In hellgrün. Kenma hob die Augenbrauen. Komoris punktartigen Brauen zogen sich weiter zusammen. „Wie süüüüß. Haben Sie die geschenkt bekommen?“, japste Yamaguchi ob jeglicher Fühlung der Situation. Natürlich hat ihm die niemand geschenkt. Sie war aber nur der Anfang. Terushima wollte wissen, wo die herkam und ob es auch andere Farben gab. „Auf der Kaffeemaschine sitzt auch eine und im Kühlschrank des Aufenthaltsraum im Erdgeschoß. Im Lift sitzt eine an der Spiegelbefestigung und im Eingangsbereich gleich mehrere. Also. Wer von euch Pappenheimer hat damit zu tun?“ Komori war angespannt. Es war nicht so, dass er sich beim ersten Mal ein Schmunzeln hätte verkneifen können, aber die Vermutung, dass sich jemand einen Spaß erlaubte, stieg nun einmal. Komori ahnte aber bei den Reaktionen der vier bereits, dass sie nicht involviert waren. Einen Moment gönnte er sich trotzdem noch auf jedem einzelnen ihrer Gesichter. „Gut“, murrte er und zog eine nachdenkliche Schnute. Das grüne Entchen wurde unliebsam auf den Tresen geknallt, wo sich Terushima und Yamaguchi umgehend darum stritten – Terushima gewann, denn Yamaguchi wollte eigentlich nicht streiten und gab schnell nach. „Irgendwie hätte ich lieber ein gelbes…“, seufzte der Gewinner und beäugte das Miniaturentchen aus Harz. Es sah richtig doof aus und andererseits machte allein der Anblick Laune, wo sogar Kenma zustimmen musste. Irgendwie gefiel ihm das kleine Entchen auch. „Dann tauscht du es mit mir, wenn ich ein Gelbes finde?“, fragte Yamaguchi hoffnungsvoll. Terushima seufzte. „Du kannst es auch gleich haben, wenn‘s dich glücklich macht“, sagte er und gab seinen Gewinn auf. Yamaguchi fing es unter seinen Fingern. „Danke, Terushima-san“ Sah Kenma, dass Terushima eine Reaktion unterdrückte? Seltsam. Aber eigentlich nicht seltsamer als sonst mit seinen Kollegen. „Okay, genug Gequacke!“, sagte Komori, klatschte in die Hände und eröffnete die Runde zu den Patienten, die an diesem Tag noch für Operationen vorgesehen waren. Start war bei Kyotani, der gestern von einem Sanitäter reingebracht wurde. Sein Bein wurde geschient, aber Dr. Tendou hat ihn direkt für einen Eingriff angemeldet, der Knochen war im Bruch zu verschoben, als dass er einfach heilen konnte. „Dr. Vanilla assistiert“, hat er gesagt und das Board wurde entsprechend ergänzt. Kyotani war von nichts davon begeistert. Weder davon, dass ihm ein Sanitäter stützen musste, er hat es ja alleine versucht, aber vergebens, noch, dass er nun in einem Krankenhausbett in einem Arschoffenkleid, wie er es nannte, rumliegen musste und noch schlimmer, dass man ihn narkotisieren würde und er den Händen von komplett Fremden ausgeliefert war. „Und dass ihr jetzt alle so blöd gafft, mag ich auch nicht“, knurrte er die vier Assistenzärzte und Komori an. „Dr. Iwaizumi wird das aber nicht gerne hören“, sagte Komori und Kyotani verstummte. Dr. Iwaizumi hat gestern dafür gesorgt, dass Kyotani das verhasste OP-Hemd anzog und seinen Ärger nicht noch mehr an dem armen Sanitäter ausließ, der sowieso schon ganz verstört neben der Spur stand, doch Kyotani bestand darauf, dass er, nachdem er ihn schon angefasst hat, auch der einzige blieb, der das tat. „Das macht der mit den irgendwie komisch braunen Haaren“, hat er es eingefordert. „Die sind nicht irgendwie komisch braun! Das ist Karamell!“, hat Sanitäter Yahaba geschnauzt und war wütend davon gestapft. Dass der Sanitäter heute bereits nach Kyotani gefragt hat, als er und sein Kollege eine gebrechliche alte Dame brachten, bliebt natürlich unerwähnt. „Vielleicht hat Yahaba ja Dienst, wenn Sie nach der OP heimgebracht werden, aber zuerst, Dr. Yamaguchi? Was passiert nach der OP?“, wies Komori Yamaguchi an. „Kyotani-san bekommt einen Spaltgips, übermorgen wird er nach Hause gebracht, seine Schwester kümmert sich um ihn, bis er zum Gips austauschen weder kommt und dann mobiler ist“, erklärte Yamaguchi und auch, dass Kyotani Thrombosemedikamente nehmen musste, viel Ruhe brauchte und vor allem, dass das Bein still zu halten war. Kyotani knurrte darauf nur wie ein wilder Hund. „Und wenn Sie sich mürrisch anstellen, macht Dr. Iwaizumi Hausbesuche“, drohte Komori und die Runde ging weiter. „Dr. Kozume? Der nächste Patient ist Ihrer, Sie bleiben anschließend auch hier und bereiten ihn für die OP vor, er wird in einer halben Stunde geholt. Dr. Sakusa erwartet Sie in 15 Minuten vor der Schleuse zum OP. Vorstellung“, wurde beim Eintreten in Iizunas Zimmer gefordert. Kenma nickte, wagte es aber nicht, noch einmal den Fauxpas zu begehen, vor versammeltem Team in Iizunas Gesicht zu sehen. Er würde sich wegen diesem hübschen Lächeln nicht noch einmal aus dem Konzept bringen lassen. „Tsukasa Iizuna wird heute von Dr. Sakusa an der Carotisgabel operiert. Zu Grunde liegt ein gefäßumschließender Glomusturmor, dessen Materie ein Abdrücken verursacht. Das Gehirn könnte zu wenig Blut und somit zu wenig Sauerstoff bekommen, es ist in Verbindung auch schon zu Ohnmachtsanfällen gekommen, außerdem ist es bereits der zweite seiner Art, diesmal komplizierter als bei der ersten Operation, die Dr. Sakusa im St. Itachiyama durchgeführt hat. Der Tumor wird sozusagen von Kopfschlagader und Halsschlagader umarmt“, erklärte Kenma, dass auch der Patient es verstand. Iizuna seufzte. „Ich glaube, ich könnte jetzt auch eine Umarmung gebrauchen“, sagte er und sah hilfesuchend zu Kenma, doch der wagte den Blick nicht. „Oh… Terushima?“ schlug er stattdessen seinem Kollegen vor, das mit der Umarmung zu übernehmen, tat dieser sogar, auch wenn Iizuna etwas überrascht war. Komori entkam ein knappes amüsiertes Schnauben, doch er räusperte sich, die Integrität zu wahren und bat Kenma, weiter zu sprechen. „Der mehrere kubikzentimetergroße Knoten behindert beim Schlucken. Er ist grundsätzlich gutartiger Natur, neigt aber zur Entartung, was alles Gründe für die operative Entfernung sind. Dr. Sakusa wird in einer für vier Stunden angesetzten OP das Gewächs von beiden Carotisabzweigungen trennen, die Carotis vernähen und die Haut mit einer internen Naht wieder schließen. Iizuna-san wird daraufhin zwei Wochen im Krankenhaus verbringen mit einer Drainage, die nach einer Woche entfernt wird. Die ersten beiden Nächte verbringen Sie auf der Intensivstation und…“, fasste Kenma den Grund für Iizunas Anwesenheit zusammen, erklärte die Operation knapp und versagte schließlich bei der Post-Operationsbeschreibung als er den Blickkontakt aufnahm und damit seinem stolpernden Herz unterlag. „Werde ich dann rund um die Uhr von Ihnen beaufsichtigt?“, fragte Iizuna mit einem gewissen Schalk in der Stimme. Kenmas Pupillen fokussierten. „Nein, Sie sind kein Neugeborenes, das auf Hilfe angewiesen ist“, antwortete er rasch trocken und nahm seine Blutdruckmessmanschette aus der Umhangtasche. Iizuna war schnell zurechtgewiesen, sich gemütlich nach hinten zu lehnen, der Ärmel des OP-Hemdes, das des Morgens bereit gelegt und angezogen wurde, wurde hochgeschoben und Kenma legte die Manchette an. „Normal atmen bitte“, sagte er und pumpte am Druckball, dass er mit dem Stethoskop und Blick auf die Uhr und Anzeige einen eigentlich besorgniserregend hohen Blutdruck feststellte. „Hmm“ Kenma ließ ab, die Luft entwich der Manchette und er legte Iizuna erst für einen Moment Index- und Mittelfinger ans Handgelenk, dann an die rechte Halsschlagader. „Sind Sie nervös?“, fragte er und sah ihm in die Augen. Iizuna nickte schnell. „Es ist ganz natürlich, vor einer OP nervös zu sein“, sagte Kenma und ging einen Schritt zurück. „Aber es wäre gut, wenn Sie sich irgendwie beruhigen könnten“ mit diesen Worten nahm er das Clipboard und notierte den Blutdruck inkl. Puls. Dr. Komori nickte zufrieden und verließ mit Akaashi, Terushima und Yamaguchi das Zimmer. Kenma konnte Terushima noch sagen hören, dass dieser nicht glaubte, dass Iizuna wegen dem Eingriff so nervös war, was er stattdessen glaubte, hörte er nicht mehr. Was ihn nun überraschte, war die rote Farbe in Iizunas Gesicht. Seine Hand schnellte sofort in seine andere Tasche, wo er ein Ohrthermometer sowie dafür vorgesehene Schutzfolie herausnahm und die Körpertemperatur maß. „Sie haben kein Fieber, warum ist ihr Gesicht so rot?“, notierte er auch die Gradangabe und steckte das Clipboard wieder in die Halterung an Fußende des Bettes. Anschließend legte er Iizuna, der nun erstmals Kenmas Blick auswich, die Hände erst auf die Stirn, auf die Wangen und dann in den Nacken um sich auch so die Bestätigung zu holen, dass mit der Körpertemperatur alles in Ordnung war. „Das ist wegen Ihnen“, sagte Iizuna leiser als Kenma es von ihm gewohnt war. „Oh… dann geh ich besser. Dr. Sakusa erwartet mich sowieso“, wollte er sich bereits verabschieden, wurde aber am Handgelenk aufgehalten. Kenma stockte, drehte sich wieder zu Iizuna und sah ihn fragend an. „So ist es nicht gemeint“, antwortete dieser schnell und wieder in normaler Lautstärke, wenn auch etwas unsicher, soweit Kenma das beurteilen konnte. „Wie ist es dann gemeint?“, wollte er wissen. Sein Blick zeugte weiters von Missverständnis, was Iizuna seufzen ließ. „Reden wir nach der OP darüber?“, fragte er. Kenma zuckte mit den Schultern. Das Gespräch war für ihn abgeschlossen und er hatte bereits wo anders zu sein. - „Beschreiben Sie mir den Vorgang des Eingriffs“, verlangte Dr. Sakusa. Die beiden standen an den großzügigen Waschbecken vor dem leeren Operationsaal. Kenma hing ellenbogentief unter dem Wasserstrahl, nickte und begann zu Antworten. „Glatter Schnitt durch-“ – „Nein“ Er wurde schier unterbrochen. Verwundert hielt er inne seine Hände und Arme einzuseifen und besah den Oberarzt für Neurologie. „Wenn Sie schneiden, bevor der Patient schläft und betäubt ist, werden Sie nicht weit kommen“ – „Natürlich, entschuldigen Sie, ich beginne von Vorne“, erwiderte Kenma und ging den ganzen Prozess vom Eintreten in den Operationssaal, dem Setzen der Uhr, den Anweisungen an die Umstehenden – Anästhesist, OP-Schwestern, Assistenten – über den ersten Schnitt nachdem man das CT-Bild noch einmal genau betrachtet hat, den unzähligen Abtrenn- und Verschlusstätigkeiten bis hin zur Entfernung des Tumors und der Kontrolle aller Nähte bis die Wunde verschlossen werden konnte. Während seinen Ausführungen blieb Dr. Sakusa stumm. Er wiederholte das Händewaschen drei Mal, sorgte sich gründlich um seine Finger, den Zwischenfingerbereichen sowie allem hoch bis zu seinen Ellenbögen und nahm sich schließlich vom Desinfektionsmittel, welches er auch bedacht an den Fingerkuppen anwandte. „Was vergessen Sie?“, fragte er. Kenma erstarrte. Das Wasser lief weiter und war das Einzige, das er im Moment neben dem ohrenbetäubenden Rauschen seines Blutes hören konnte. Er wandte das Gesicht zu Dr. Sakusa und ging in Gedanken jeden Schritt noch einmal durch, alles was sie bereits etliche Male besprochen haben. Die Sekunden, in denen er in den tiefschwarzen Augen verharrte, wirkten wie Minuten. „Zählen! Ich zähle jedes Instrument und kontrolliere alles, was verwendet wurde, ob es auch dort ist, wo es hingehört“, sagte er rasch, drehte das Wasser ab und erkannte ein mildes aber zufriedenes Lächeln auf den Lippen seines Gegenübers. Während der Pre-OP-Phase war der einzige Moment, in dem der Oberarzt keinen Mundnasenschutz trug, weil diese vor Betreten des Operationssaales angemacht wurden bevor sie in die Handschuhe schlüpften. Die Erleichterung war groß und nahm Kenma die schwere Last und Furcht des Versagens ab. Dr. Sakusa reichte ihm Papiertücher, um die Hände und Arme zu trocknen, dann widmete er sich auch der Desinfektion. - Die Operation verlief gut. Schritt für Schritt wurde der Tumor von der Halsschlagader abgetrennt, diese verschlossen, das Gewächs weiter abgetrennt und die Carotis wieder verschlossen. „Tupfer“, sagte Kenma noch bevor Dr. Sakusa es sagen konnte und deutete Kaori dem Oberarzt zur Hand zu gehen. Die OP-Schwester tupfte daraufhin die Stirn des Chirurgen. „Sehr aufmerksam“, sagte Dr. Sakusa. Kenma blieb es weiterhin. Er beobachtete jeden Handgriff mit Argusaugen, machte sie mit seinen eigenen Händen und Fingern im Trockentraining nach und bewunderte den Spezialisten im Stillen für seine Präzision. Keine Bewegung war zu viel, kein Ansetzen der Klinge anzupassen, alles war perfekt. Dr. Sakusa war perfekt in dem was er tat. „Übernehmen Sie“, sagte er und ging einen Schritt zurück. Kenmas Augen weiteten sich, er blinzelte, stockte gar aber Dr. Sakusa bestand darauf, dass er nicht zögerte und Kenma zögerte nicht. Er schloss den Schritt auf, übernahm das Operationsbesteck und beendete mit den letzten Abtrennungen und Abschlüssen den komplizierten Teil. Als er voller Stolz den Tumor mit der Klemme in die Schale legte regnete es Applaus aus der Galerie, die er bis jetzt bewusst ignoriert hat, auf ihn hernieder und er ertappte sich unter der Maske versteckt eines stolzen Grinsen. „Sehr gut, treten Sie nun bitte beiseite“, sagte Dr. Sakusa und kümmerte sich folglich um die heikle interne Naht, die eine hauchzarte Narbe versprach. Auch diesen Prozess verfolgte Kenma mit all seiner Aufmerksamkeit, selbst nach über vier Stunden, die er bereits konzentriert im Operationssaal an Dr. Sakusas Seite stand. „Bemerkenswert“, flüsterte er in Bewunderung. „Das Mindeste, das von uns zu erwarten ist“, konterte der Oberarzt und knüpfte am Ende der Naht ein kleines Knöpfchen, welches in zehn Tagen abzutrennen war. Der verarbeitete Faden unter der Hautoberfläche würde sich selbst auflösen. Kenma besah die makellose Arbeit. Natürlich sollten ihre Patienten nicht weniger als Perfektion von ihnen erwarten, diese aber in ihrer Vollendung beobachten und von ihr lernen zu dürfen begeisterte ihn auf eine ganz eigene Weise. Auch nach der Operation als Iizuna auf der Intensivstation lag und Kenma beim späten Mittagessen anstand, dachte er noch an die perfekte Skalpellführung, die kontrollierte Vorgehensweise und die feine Naht. So sehr, dass ihn Kuroo mit einem Schrecken aus den Gedanken riss. "Hey Kenma, sitz heute bei mir! Ohne ihn!", sagte er und blickte von seinem besten Freund zu dem vorlauten Assistenzarzt, der direkt hinter ihm in der Schlange stand und irgendetwas davon faselte, dass Dr. Komori sich eigenartig verhielt, nicht nur wegen den Entchen. Kenma hat Terushima im Übrigen beim Vorbeigehen ein gelbes Entchen auf das Tablett gestellt, weil er das bei der Schwesternkoje entdeckt hat. Der überschwänglichen Danksagung inklusive angedrohter Umarmung hat er sich weggeduckt und den restlichen Worten nur wenig Gehör geschenkt. Aber aus dem Kauderwelsch konnte er zumindest herausfiltern, dass Terushima sich darüber wunderte, dass sie heute keine Laborergebnisse holen mussten und Dr. Komori sich selbst darum kümmerte. "Okay", sagte Kenma, nickte und Kuroo ging weiter. Terushima lehnte sich sofort zu ihm. "Da will wohl jemand aus der Friendzone", gluckste er. Langsam aber doch fand Kenma das sogar irgendwie amüsant. "Du siehst auch immer und überall diese, wie hast du gesagt? Vibes, oder?", fragte er ihn und Terushima nickte. "Aber glaub mir, zwischen Kuro und mir gibt es keine Vibes", sagte er mit einem zufriedenen Grinsen. „Gott sei Dank“, sagte Terushima, aber Kenma wollte sich den Grund für die Gotteslobung gar nicht erst anhören. Stattdessen ging er mit seinem Tablett bepackt mit einer Beilagenportion Reis und einen guten Stück Apfelkuchen zu dem Tisch, wo Kuroo ihn bereits erwartete. "Halt dich von ihm fern und… Was soll das bitte werden?“, stutzte Kuroo mitten in seinem Satz über Kenmas mangelhaftes Gericht. „Das geht mal bitte gar nicht, aber ich habs ja geahnt, hier!“, sagte er und schaufelte dem Jüngeren etwas von seinem Gemüse auf den Reis. Kenma seufzte und stocherte daran vorbei, um den Reis aufzupicken. „Aber nochmal zurück, der Kerl, der hinter dir stand, Terushima, der ist in deiner Gruppe oder? Halt dich fern von ihm, okay?“ Kuroos Stimme klang ernst, was Kenma gleich noch stutziger machte. „Was? Ja… ja, ist er. Warum? Ich dachte, ihr werdet richtige Kumpel“, machte Kenma seiner Verwunderung Platz. Er stellte sogar das Picken ein und besah Kuroo ungläubig. Der protestierte sofort, dass er nein, mit dem niemals einen auf Kumpel machen könnte. „Willst du mir auch sagen warum oder ist das ein no questions asked?“, wollte Kenma wissen. Kuroo lehnte sich über den Tisch näher an Kenma heran, seine Augen zogen sich geheimnisvoll zusammen, sein Blick wurde dadurch ernster und seine Stimme auch leiser. „Hat Bokuto einfach die Zunge in den Hals geschoben nachdem der ihn gefragt hat, wie sich das mit seinem Piercing beim Küssen anfühlt“ *) Für einen Moment starrte Kenma Kuroo ausdruckslos an. Diese Information musste erst richtig zu ihm durchdringen, aber als sie das tat, schlug sie richtig ein. Kenma schnaubte belustigt. Kuroo besah ihn mit großen Augen, sagte aber nichts, bis sich Kenma ihn mit einem amüsierten „und?“ nach dem Ergebnis erkundigte. „Bokuto fands wohl toll, aber darum geht’s nicht! Halt dich fern, okay?“ Kuroo zog die Augenbrauen zusammen, richtete sich wieder auf und deutete auf Kenmas Gemüse-Reis-Schüssel. „Iss!“ „Ich werd‘ ihn einfach nicht darauf ansprechen“, entschied Kenma, zuckte mit den Schultern und fischte sich noch etwas Reis aus der Schüssel, auch ein paar Erbsenschoten und Karottenstückchen schafften es in seinen Mund, aber dann machte er sich lieber über den Apfelkuchen her. Worauf Kenma Terushima auch nicht ansprach, war das unangenehme Aufeinandertreffen wenig später im Treppenhaus, bei dem er das Gefühl hatte, ihn und Futakuchi, jemanden, der eigentlich aus Kuroos Jahrgang war, zu erwischen, zumindest zu unterbrechen. Es war wie ein hitziges Gespräch einem Streit nahe, in dem sie beide nicht direkt gesprochen haben, nur ein paar Worte, die Kenma unter dem Aufprall ihrer Lippen kaum verstand und besser auch nicht verstehen wollte. Hände rutschten über den steifen Stoff der Krankenhauskleidung. Ein Körper prallte gegen das Geländer, ein verhaltenes Lachen folgte überraschtem Keuchen, Kenma schreckte auf. Ein „Shhhht“ ließ alle drei innehalten. Es war als würden ihre drei Augenpaare Ping Pong spielen. Das Ausweichen der Blicke, die doch einander suchten brachte Kenma schließlich dazu das Treppenhaus mit erhobenen Händen und den Worten, nichts gesehen zu haben zu verlassen. „Ist was passiert?“, fragte und überraschte ihn Yamaguchi. Kenmas Gesichtsausdruck verriet ihn zu seinem eigenen Leidtragen mehr als ihm lieb war. „Nichts, worüber ich reden wollen würde. Aber sag, sollten wir nicht irgendwelche Laborergebnisse holen oder sowas?“, fragte Kenma und wollte schnell vergessen, wovon er Zeuge geworden war und wollte noch schneller hier weg, die beiden konnten ja auch jeden Moment hier rauskommen, wenn sie so klug wären, ihr was auch immer es war einzustellen und in Räumlichkeiten zu verlegen, wo sie nicht gestört wurden. „Oh nein, heute nicht, Dr. Komori kümmert sich drum“, sagte Yamaguchi aber ging auf das unausgesprochene Angebot, weiterzugehen, ein und folgte Kenma mit wippendem Gang. Das war für Kenma auch eine eher unübliche Beobachtung. Üblicherweise ging Yamaguchi kleiner als er eigentlich war so unauffällig wie möglich, meistens neben Tsukishima her oder er verschwand als größter in ihrer Gruppe, wenn sie mit Komori unterwegs waren. „Das hat Terushima auch irgendwie erwähnt zu Mittag“, fiel ihm ein, was er aus Terushimas Gelabere in der Essensschlange mitgenommen hat. Das und dieses blöde Friendzonegerede bezüglich Kuroo. Lächerlich. „Oh, Terushima, hast du ihn gesehen? Ich such ihn eigentlich, ich hab nämlich eine gelbe Ente mit Sonnenbrille gefunden, schau, findest du nicht auch, dass die zu ihm passt?“ fragte Yamaguchi und machte unbemerkt einen Sprung im Gehen. Die kleine Ente zwischen seinen Fingern sah mit der Sonnenbrille zumindest cool aus und erinnerte Kenma an den Abstieg Terushimas von seinem Motorrad, der ja zugegeben ziemlich cool ausgesehen hat. Aber ihm wurde auch unwohl im Magen. Waren das die Vibes, von denen Terushima gesprochen hat? Yamaguchis ungewohnte Art zu Gehen hatte eindeutig Verbindung mit dem Wunsch, Terushima diese Ente zu geben und somit dem Assistenzarzt, der gerade mit einem Älteren rumknutschte und wer weiß noch was trieb, eine Freude zu bereiten. Kenma seufzte. Das waren nicht seine Probleme, nicht seine Vibes und nicht seine Gedanken, die er sich zu machen hatte, auch wenn ihm die Vorstellung nicht gefiel, dass Yamaguchi deswegen vielleicht traurig oder enttäuscht sein würde. „Lass uns lieber auf die Intensivstation gehen, Bokuto wird heute verlegt, weil Kyotani nach seiner OP dann dort hin muss, Tsukishima ist an der OP beteiligt oder?“, versuchte Kenma das Thema umzuleiten. Yamaguchi steckte das Entchen wieder weg und ging auf den Wechsel ein. „Jap, er assistiert Dr. Tendou, er mag ihn aber nicht“, kicherte er mit vorgehaltener Hand. Seine Gangart passte sich wieder seiner üblichen Weise an, in der sich Kenma fast so fühlte, als wären sie gleich groß. „Aber du willst nicht wegen Bokuto hin oder? Du sorgst dich um Iizuna, nicht wahr?“ Kenma blieb stehen. „Oh, bitte entschuldige, Kozume, ich wollte dir nicht zu nahe treten“, sagte Yamaguchi schnell und wurde gefühlt sogar kleiner als Dr. Yaku, Kenma seufzte darauf. „Schon gut, er ist Dr. Sakusas und mein Patient, ich hab nicht nur assistiert, ich hab richtig an ihm operieren dürfen, natürlich will ich sehen, dass alles seine Ordnung hat“, formulierte er Yamaguchis Vermutung um. Harmloser. „Zuna hat so ein schönes Lächeln“, wurden sie von einem viel zu aufgeweckten Bokuto empfangen. Kenma war direkt auf Iizunas Bett zugesteuert, hat das Clipboard genommen und Werte von der Überwachungsmaschine übertragen während dieser noch tief schlief. „Zuna?“, fragte er etwas verwundert, machte noch ein paar Paraphen und steckte das Board wieder zurück. Die Naht an Iizunas Hals sah noch immer so einwandfrei aus, wie vor ein paar Stunden, nachdem Dr. Sakusa sie verknüpft hat. Die Haut drumherum war gerötet, aber das war ganz normal, sie war gereizt von dem Eingriff. „Ja doch“, sagte Bokuto etwas lauter, dass Yamaguchi sich schnell umsah, die anderen Ruhenden sollten ja nicht gestört werden. Mai schlief und auch Kaede lag still in ihrem Bett. Durch die Operation und die Schmerzmittel schliefen sie viel, was auch ganz normal war. „Er war wach, als sie ihn reingebracht haben, total gaga und hat komische Sachen gemurmelt, aber er hat sich als Zuna vorgestellt und er hat wunderschön gelächelt als ich gefragt habe, wer ihn operiert hat, aber hat nicht geantwortet, er ist gleich wieder eingeschlafen, da war ich beleidigt“, erzählte Bokuto und zog eine Schnute. „Er hat ne vierstündige OP hinter sich, du hättest ihn gar nicht ansprechen sollen“, warf ihm Kenma vor und Bokutos Stimmung sank gleich noch mehr. „Jetzt ist es also mein Fehler?“, fragte er eingeschnappt. „Nein, Bokuto-san, Dr. Kozume wollte nur deutlich machen, in welchen Zustand Iizuna war, als er hier reinkam, das hat er nicht unter Kontrolle, da wirkt die Narkose noch und das Adrenalin von der OP selbst, er ist sicher nicht eingeschlafen, weil er es böse meint“, versuchte Yamaguchi die Situation zu besänftigen. Bokuto fixierte ihn mit seinem Blick. An der Stimmung änderte sich nicht viel. „Und wer hat ihn operiert?“, wollte er wissen. „Dr. Sakusa-sama“, sagte Kenma. „Oh, dann hat er wegen ihm so gelächelt?“, fragte Bokuto, der Hauch von guter Laune schwang mit. „Ich glaube, er hat wegen Dr. Kozume gelächelt, weil er hat assistiert“, kicherte Yamaguchi, Kenma verdrehte die Augen. „Also ich lächle ja wegen Dr. Aggaashi und ich darf jetzt Keiji zu ihm sagen, weil ich wieder aufgewacht bin“, sagte Bokuto ganz stolz und schon war das mit der schlechten Stimmung wieder passé. Bokutos breites glückliches Grinsen unterstrich seine Worte dabei auf eine Art und Weise, die auch Yamaguchi schön fand. „Ich hoffe, mich bringt auch mal jemand zu sowas“, sagte er und schenkte Bokuto ein freundliches zustimmendes Lächeln. „Aber bestimmt“, steuerte ihm dieser bei. Kenma spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte und sich sein Kreislauf meldete und nach Ruhe schrie. Das war zu viel für diesen Tag. Erst diese stundenlange Operation in der er keine Sekunde unachtsam sein durfte, dann das Gespräch mit Kuroo woraufhin der unangenehme Moment mit Terushima und Futakuchi folgte, nur um danach auf Yamaguchi zu stoßen, der mit der Mimik, die Bokuto für Akaashi aufgesetzt hat, von Terushima sprach und schließlich Bokutos Erwähnen von Iizunas wunderschönem Lächeln, das laut Yamaguchi ihm, Kenma, galt. Er spürte, wie ihm kühl wurde, der Raum drehte sich und noch ehe er einen Schritt hätte machen können, um sich zu setzen, schränkte sich seine Sicht immer mehr ein, bis ihm schwarz vor Augen wurde. Er hat nur noch gesehen, dass er kippt, einen Aufprall hat er nicht mehr gespürt. Als er die Augen das nächste Mal aufmachte, sah er in Kuroos besorgtes Gesicht. Sein bester Freund raufte sich gerade das Haar und murmelte etwas von wegen, er hätte ihn nicht alleine lassen dürfen, nach der Operation. „Kuro?“, Kenma blinzelte. Kuroo erkannte erst in diesem Moment, dass er wieder bei Bewusstsein war. „Kenma“, die Erleichterung war deutlich zu hören und unangenehm für den Angesprochenen. Kuroo hat sich seinetwegen Sorgen gemacht, wieder einmal, das wollte er nicht. „Tut mir leid, Kuro“, sagte er aber der legte ihm sofort beide Hände an die Wangen und ließ es nicht zu, dass sich Kenma, wie er es geplant hatte, abwandte. Stattdessen starrte er nun in diese treulieben Augen, die sonst vor Schalk und Abenteuer nur so strahlten. „Dir tut gar nichts Leid, außer vielleicht, dass du so erbärmlich isst, das ändern wir! Ist das klar? Und deine Schlafenszeiten? Werden auch verlängert und wir sehen uns alle paar Stunden mal, ich will nicht, dass sowas nochmal passiert, Kenma. Ich hatte wahnsinnige Angst um dich, was wenn sowas passiert, wenn ich nicht da bin?“ Kenma spürte, dass Kuroo außer sich war, dass er sich sogar Vorwürfe machte, zu Unrecht seiner Meinung nach, weil er immer noch selbst dafür verantwortlich war und dennoch genoss er es sehr, dass Kuroo immer für ihn da war. Vermutlich war er sogar der Grund dafür, dass etwas dergleichen nicht schon während dem Studium passiert ist. „Aber du warst nicht da und ich bin nicht umgekippt, weil du nicht da warst, sondern weil es ein sehr anstrengender Tag war und weil ich nicht, wie du gesagt hast, mehr Reis und Gemüse gegessen habe“, sagte Kenma nüchtern. Er war sich seiner eigenen Schuld ja auch bewusst. Dass ein bisschen Reis, ein paar Stücke Gemüse und etwas Apfelkuchen keine ausgewogene Ernährung waren, wusste er selbst und er hätte auch nicht darauf bauen dürfen, dass ihn diese Mahlzeit über den Tag brachte, der am Vormittag schon so viel Energie aus ihm gezogen hat. Kuroo ließ von ihm ab und griff nach dem Thermometer um Kenmas Temperatur zu messen. Nach dem kurzen Piep bestätigte er, was Kenma bereits fühlte. „Erhöht, kein Fieber, immerhin“ Und damit wurde Kuroos Stimme auch endlich ruhiger. „Na, wie geht’s unserem Patienten?“, Komori kam gerade ins Zimmer. Kenma fiel erst beim Blick zu ihm auf, dass er in ein Krankenzimmer gebracht wurde und auch in einem Patientenbett lag. Seine sorgenvollen Gedanken, was passiert war, als er weggetreten war, sah man ihm unweigerlich an, denn Komori erzählte ihm gleich, dass Bokuto den Schwesternknopf an seinem Bett gedrückt hat, weswegen Pfleger Asahi hereingerauscht kam, an seiner Seite auch Kuroo, der gerade nach Bokuto sehen wollte und Kuroo hat es sich nicht nehmen lassen, Kenma in das nächste freie Zimmer zu tragen, da war Asahi mit dem Holen einer Liege oder einem Rollstuhl zu langsam. Kenma war das sofort ausgesprochen unangenehm. „Immerhin nur du“, sagte er zu Kuroo, welcher eine theatralische Geste machte „Was heißt hier nur?“, fragte er mit gespielt beleidigter Stimme. Kenmas Blick hätte nicht verachtender sein können, dann wandte er sich dem Stationsarzt zu. „Mir geht es gut, Dr. Komori, danke, ich kann auch gleich wieder weiter machen“, sagte er und richtete sich auf. Kuroo unterband das sofort, auch Komori widersprach. „Sie bleiben liegen oder lassen sich nach Hause bringen, Terushima hat sich bereits angeboten“, sagte Komori und bekam ein Synchrones „Was?!“, zurück. Aber es gab keine Widerrede. Kuroo hatte gemeinsam mit Yachi eine Korrektur von Hammerzehen auf dem Plan unter Aufsicht von Dr. Meian. - „Und dich hats wirklich einfach umgehauen? Iizuna muss dir ja wirklich gut gefallen“ Kenma stöhnte am Weg zum Bus genervt auf. „Sorry, mein ja nur. Aber ganz im Ernst, ist das normal?“, wollte er wissen, Kenma zuckte mit den Schultern. „Hab wohl nicht den besten Kreislauf, wenn viel los ist, ist mein Körper schon mal überfordert“, sagte er. „Aber jetzt ist gerade alles okay oder?“ Machte sich Terushima wirklich Sorgen? Er wirkte gerade nicht neugierig oder sensationsgeil. „Ja, jetzt ist alles okay“, stimmte Kenma zu und setzte sich auf die Bank bei der Busstation. Terushima nahm neben ihm Platz. „Woran liegt es? Ist es der Blutdruck? Oder hast du was? Oder ist es einfach nur scheiße?“, fragte Terushima weiter und Kenma musste sogar auflachen. Irgendwie war es erfrischend, wie direkt Terushima war und wie unbedacht er sprach, fast schon herzlich. „Wenn du Kuroo fragst, sollte ich mehr essen, mehr schlafen und weniger zocken“, antwortete Kenma. Die Busfahrt darauf verlief ereignisfrei, Terushima bestand nur darauf, ihm ein paar seiner Geheimrezepte zu verraten, die sogar interessant klangen. Alles andere als herkömmlich, in einem Restaurant würde man so etwas vermutlich nie bekommen, aber das plante Kenma auch nicht. Restaurants plante er allgemein nicht. Wenn er auswärts aß, dann für gewöhnlich unterwegs etwas zum Mitnehmen. „Du musst mich nicht rein begleiten“, sagte er zu Terushima vor dem Wohnkomplex. „Muss ich wohl, Dr. Komori hat mich schwören lassen“, erklärte er. Kein Entkommen. Kaum waren sie in der Wohnung, wollte Kenma Terushima ein weiteres Mal gleich loswerden, doch der war so frei, oder eher unverschämt, und spazierte einfach hinein. „Echt nett, habt ihr es hier“, bemerkte er und stapfte durch die Küche ins Wohnzimmer und bemerkte natürlich, wie Kenma es befürchtete, dass es drei Türen zu eigenen Räumen gab, die nicht direkt am Gang lagen und somit nicht Badezimmer waren. „Wer wohnt noch hier, außer dir und Dr. Hahnenkamm?“, fragte er gleich. Kenma zuckte unangenehm zusammen. „Geht dich nichts an“, sagte er aber schlagfertig und zog Terushima am Ärmel wieder hinaus. „Danke, dass du mich begleitet hast, ich bin zuhause, alles ist in Ordnung. Du hast deinen Job gut gemacht“, sagte er. Terushima strahlte über beide Ohren, als er das Lob hörte und nickte stolz. „Sehr gut, aber dieses Thema ist noch nicht vorbei, ich wäre ein guter Mitbewohner!“, sagte er zum Abschied, weil auch er für den Nachmittag noch Verpflichtungen im Krankenhaus hatte. Kenma ließ sich darauf im Wohnzimmer auf der Couch hernieder und seufzte langezogen über den bisherigen Tag. „So anstrengend“, kam ihm über die Lippen und die Augen klappten ihm wieder zu. - Als Kuroo nach Hause kam, stand Kenma in der Küche und tat etwas, was er noch nie bisher getan hat. Er kochte. Allerdings war Kuroo nicht begeistert. Kenma machte Erdnussöl in einer Pfanne heiß, kochte Wasser mit dem Wasserkocher und legte Udonnudeln in eine Schüssel. Zum Erdnussöl tat er etwas Knoblauchpaste und seihte die Udonnudeln ab. Die kamen kurz in die Pfanne hinzu, es zischte und er rührte um. Kuroo war skeptisch, als Kenma daraufhin den Ahornsirup aus dem Vorratsschrank holte, meldete er sich erstmals zu Wort in dem er wissen wollte, was das sollte. „Terushima meinte, das ist ganz klasse, du willst doch immer, dass ich was Neues ausprobiere und dass ich mehr esse“, sagte er und goss nicht gerade wenig von dem süßen Sirup über die Nudeln, die bereits diesen deftigen Knoblauchgeruch abgaben. Kuroo musste schlucken. „Aber warum musst du dann gerade was kochen, was dir der Chaot gesagt hat? Wie nüchtern ist er, wenn er das isst?“, fragte Kuroo und Kenma zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wir reden nicht viel, aber ich mag Udonnudeln, ich mag Knoblauch und ich mag Ahornsirup“, erklärte Kenma und Kuroo seufzte. „Und du liebst Apfelkuchen, aber tust du deswegen Äpfel und Zimt zu den Nudeln?“, fragte er mit angewidert verzogenem Gesicht. Kenma legte den Kopf schief. „Hmm… soll ich? Passt das zu Knoblauch?“, wollte er wissen und Kuroo schlug sich die Hand auf die Stirn. „Warum hast du dich nicht gefragt, ob Ahornsirup zu Knoblauch passt?“ – „Terushima hat gesagt, es ist lecker“ Kuroo ergab sich. Immerhin bekam er ja etwas, was er sich wünschte. Kenma probierte etwas Neues aus und er würde etwas essen, also ließ er ihn kochen und erzählte von seiner Operation. „Yachi ist auch fast aus den Latschen gekippt. Ihren Augenringen zufolge schläft sie weniger als du, aber sie war trotzdem total fokussiert, Dr. Meian war zufrieden“, sagte Kuroo und deckte weiterhin skeptisch den Beistelltisch, einen richtigen Esstisch hatten sie nicht. Schüsseln und Stäbchen, zwei Gläser und einen großen Krug Wasser zum Nachspühlen. „War sie wieder bei Kawanishi?“, erkundigte sich Kenma und trat mit der Pfanne ins Wohnzimmer um die Kreation zu servieren. „Koma-nishi?“, fragte Kuroo nach und Kenma nickte. Die Pfanne wurde in die Spüle gelegt, Wasser drauf gemacht und beide setzten sich auf die Couch. Während Kenma zulangte, wartete Kuroo noch ab. „Vermutlich, was hats damit auf sich?“ „Weiß nicht, fühlt sich wohl verantwortlich für ihn, irgendwas mit einem versprochenen Tanz“, sagte Kenma und aß auch nach dem ersten Bissen weiter. Kuroo beobachtete noch eine Weile, aber Kenma schien zu mögen, was er in der Schüssel hatte. „Irgendwie romantisch oder?“, sagte er, aber bekam keine Reaktion darauf. Dann sprang er auch über seinen Schatten. Entsetzen. „Ich hasse es, dass ich das sagen muss, aber… okay, Terushima hatte recht, es ist richtig gut, aber wehe, du sagst ihm das“, gestand sich Kuroo ein. „Ich sag ihm doch nicht, dass ich für dich gekocht habe, dann glaubt er, ich koche für alle… Er möchte übrigens hier einziehen“, sagte Kenma trocken, leerte seine Schüssel und trug sie in die Küche während Kuroo wie vom Blitz getroffen auf der Couch sitzen blieb und in seiner Bewegung inne hielt. „Wie bitte?“, kam es etwas heiser von ihm und er räusperte sich erst einmal. „Wie kommt er darauf und warum sagst du das so ruhig und … was?“ Kuroo stellte die Schüssel ab, stand auf und drehte sich zu Kenma, der gerade wieder zurück ins Wohnzimmer kam. „Irgendwie hätte ich kein Problem damit und er braucht zum Monatswechsel was Neues“, sagte er mit Schulterzucken. „Isst du das noch?“, fragte er und deutete auf Kuroos Schüssel, in der noch ein paar süße Knoblauchnudeln waren. Der Blick des Älteren wanderte von Kenma zur Schüssel und wieder zurück. „Ne, nimm nur“, sagte er. Über das Weitere wollte er erst einmal schlafen, was für ihn auch das Stichwort dazu war, Kenma ins Bett zu schicken. Da sie morgen zumindest beide die Frühschicht hatten, konnten sie sich zumindest am Weg zum Bus darüber unterhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)