Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 8: Ein Team voller Disharmonie -------------------------------------- „Ganz bestimmt was nicht?", fragt Carmen, die bis eben den Wolken zugesehen hat. „Was?" Irritiert blinzelt Eren sie an. Er hat gar nicht mitbekommen, dass er das Letzte laut gesagt hat. Glücklicherweise bleibt ihm eine Antwort erspart. Igor ist zurück. Er wirkt müde und ausgelaugt. Kein Wunder, immerhin ist er gerade fünfmal etliche hundert Kilometer weit gesprungen. Für einen extrem faulen Kerl ist das schon sehr beeindruckend. „Wow. Hier friert man sich ja alles ab", bemerkt Viktor fröstelnd. Er hat noch immer den Mantel offen, noch immer weder Mütze noch Handschuhe an. Eren verdreht nur die Augen. So viel Blödheit kann man nicht verstehen. Wenn ihm seine dämlichen Igelstacheln wichtigersind als seine Ohren, dann ist das sein Problem. Eren wird auf alleFälle derjenige sein, der lacht, wenn sie ihm abfallen. Egal ob Stacheln oder Ohren. Carmen versucht dennoch dem 27-Jährigen einen Rat zugeben. „Wie wär's, wenn du dich für das Wetter passend anziehen würdest?" „Auf keinen Fall!", protestiert er energisch. „Ich ruiniere mir doch nicht die Frisur! Außerdem engt mich die Jacke an den Flügeln zu sehr ein." „Ist das nicht genau der Grund, weshalb du sie anziehen solltest? Um deine Flügel vor der Kälte zu schützen?" Fragend legt die Blondine den Kopf schief. „Meinen Flügeln geht's prima!", braust Viktor auf. „Kümmere dich um deine Angelegenheiten, Dreckschupserin!" Das war der Startschuss für den nächsten Streit. Dafür hat Eren gar keine Zeit oder Geduld. Zumindest nicht, wenn er nicht selbst involviert ist. Genervt stößt er sich von der Wand ab, legt die Hände hinter den Kopf und marschiert auf den Tunnel zu. „Ich geh mich mal umsehen. Bin bald zurück", ruft er noch über die Schulter zurück. Der einzige, der mitbekommt, dass sich der Junge aus dem Staub macht, ist Igor. Doch der Teamleiter ist noch zu erschöpft, um ihm zu folgen. Außerdem muss er aufpassen, dass jeder in seinem Team mit einem Kopf auf den Schultern zurückkehrt. In dieser Hinsicht ist Viktor momentan weit mehr gefährdet als wenn Eren allein durch die Wälder streift. Die ersten paar Meter ist der Boden noch von hereingewehtem Schnee bedeckt, dann löst nackter Stein diesen ab. Jeder seiner Schritte wird von den Wänden zurückgeworfen, so auch die zankenden Stimmen von Viktor und Carmen, auf die er kaum achtet. Ein leichter Windhauch verrät ihm, dass der Tunnel nicht allzu weit entfernt einen zweiten Ausgang besitzt. Genau der ist sein Ziel. Auch wenn das Tageslicht nicht ausreicht, um den gesamten Weg zubeleuchten, hat Eren keinerlei Probleme damit zu sehen. Dank der dunklen Kräfteseite. Seine blauen Augen haben einen Lilaton angenommen, sobald sich die Nachtsicht aktiviert hat, ohne dass er sich extra darauf konzentrieren müsste. Manchmal bemerkt er es gar nicht, wenn er seine Kräfte nutzt. Besonders bei solch unauffälligen nicht. Doch diese kleine, harmlose Fähigkeiten reicht bei weitem nicht aus, um das schwarze Mal schrumpfen zu lassen. Nach circa fünfzig Metern vollführt der Tunnel eine ansteigende Rechtskurve und enthüllt nach etwa der gleichen Strecke einen schwach erkennbaren Halbkreis. Der Eingang ins Revier des Dagonoschwarms. Der Eingang ist von dichten Sträuchern und Felsen so verborgen, dass er kaum zu entdecken ist. Eine kleine Sicherheitsmaßnahme, um zu verhindern, dass sich weder im Tunnel noch auf dem Plateau irgendwelche größeren Tiere einnisten. Eren bahnt sich einen Weg durch das Gestrüpp, muss dabei immer wieder anhalten, um sich von anhänglichen Zweigen und Dornen zu befreien. Schließlich steht er im Freien und sieht sich sogleich auf der Suche nach Spuren um. Ein dunkler Nadelwald wächst um ihm herum in die Höhe und ein paar kleine Sträucher füllen die Lücken zwischen den Stämmen. Überall liegt Schnee, da sollte es doch nicht so schwer sein Monsterabdrücke zu finden. Sollte man meinen. Doch im Umkreis seines Blickfeldes wirkt das Weiß vollkommen unberührt. Gibt es hier etwa gar keine Tiere mehr? Nicht einmal kleine, gewöhnliche wie Hasen oder Eichhörnchen? Haben sich alle aus dem Staub gemacht, weil hier ein großes, böses Monster sein Unwesen treibt? Dieser Gedanke lässt den Zwölfjährigen vorfreudig grinsen. Begeistern von der Idee malt er sich bereits einige Fantasiemonster aus, die zwischen den Baumstämmen auftauchen und ihn angreifen. Wie er sich auf deren Rücken schwingt, um ihnen den Kopf abzuschlagen oder vielleicht sogar das Herz herauszureißen. Trotz des freundlichen Kinderlächelns blitzt etwas böses, mörderisches in den blauen Augen auf. Etwas, das ihm seit er denken kann antrainiert wurde, immer bereit ist zu töten und einen Kampf auf Leben und Tod als spielerische Herausforderung sieht. Los! Gehen wir auf Monsterjagd. Eierschalen sammeln sollten sogar die drei Hohlköpfe schaffen. Also, worauf warten wir? Die Monster töten sich schließlich nicht von selbst. Mehr Überzeugungsarbeit muss die Stimme gar nicht leisten. Eren hatte eh vor das Team zu verlassen, um sie nicht in Gefahr zu bringen, falls er es tatsächlich nicht schaffen sollte das Schwarz zurückzudrängen. Er hofft natürlich darauf, dass es nicht soweit kommt, aber wenn keine würdigen Gegner hier sind, so wie es gerade aussieht, dann ist es besser keine Teamkameraden in der Nähezu wissen. Schwächling. *Ich zeig dir wie viel Schwächling in mir steckt. Wart's nur ab*, knurrt Eren stumm. Sein Bein beginnt wieder zu zittern. Komm schon. Sieh es doch ein. Du bist schwach. Lange kannst du mich nicht mehr unterdrücken. *Ich werde nicht aufgeben*, verkündet das Kind entschlossen. *Ich werde dich zum Schweigen bringen!* Na dann viel Glück dabei. Ein gehässiges Lachen hallt in seinen Gedanken wieder. Eren presst die Zähne aufeinander und geht los. Je eher er die satanische Stimme los wird, desto besser. „Hey. Wo glaubst du, gehst du hin?", verlangt plötzlich jemand schroff hinter ihm zu erfahren. Eine Hand wird ihm auf die Schulter gelegt. Aus Reflex schnappt sich Eren die Hand, zieht den dazugehörigen Menschen mit Schwung über den Kopf und knallt ihn mitten in den Schnee hinein. Ein perplex dreinblickender Viktor blinzelt ihn aus der Schneemulde heraus an, in die Eren ihn befördert hat. Die Mulde ist gut einen Meter tief und passt sich perfekt an Viktors Form an. „Oh, Viktor", bemerkt Eren überrascht, beugt sich vor und fängt sogleich an unschuldig zu grinsen. „Bist du jetzt schon erschöpft? Wir sind doch noch gar nicht losgegangen." Vor Scham und Wut nimmt das Gesicht des 27-Jährigen langsam wieder die Farbe seiner Haare an. Schnell krabbelt er aus der Mulde – ziemlich unelegant – und klopft sich den Schnee von der Kleidung, ehe er sich mit drohendem Zeigefinger vor dem immer noch grinsenden Kind aufbaut. „Zeig mir gefälligst mehr Respekt. Ich bin mehr als doppelt so alt wie du." „Ist doch nicht meine Schuld, wenn du dich anschleichst, du Dödel", bemerkt Eren schulterzuckend. „Aber ich mach dir keinen Vorwurf. In deinem Alter ist das Gehirn eben nicht mehr so gut in Form." Ohne große Mühe lenkt der Zwölfjährige den Faustschlag zur Seite und stellt dem vorbei stolpernden Mann ein Bein, wodurch dieser ein weiteres Mal den Schnee küsst und Eren leise kichert. Das bringt den Hitzkopf noch mehr zum rasen. Er springt auf die Füße, wirft die Handschuhe zu Boden und startet einen Faustschlag nach dem nächsten. Da Viktor nicht annähernd so schnell ist wie Ajax, ist es für den Jungen ein Kinderspiel den blinden, undurchdachten Angriffen mit einem minimalen Bewegungsaufwand auszuweichen. Oh, wie sehr er es liebt diesen Trottel zu ärgern! Viktor regt sich immer so schön auf. In Anwesenheit seines Vaters oder Bruders würde so ein Benehmen nicht geduldet werden. Da hätte der Junge schon längst ein Messer im Bauch. Oder mehrere. „Jungs! Hört sofort auf mit dem Kindergarten! Habt ihr schon wieder vergessen weshalb wir hier sind?", erinnert sie Carmen lautstark. Der Zwölfjährige duckt sich gerade unter dem nächsten Schlag weg. „Ich kann nichts dafür. Ich versuche nur nicht getroffen zu werden." „Warum wurde ich nur so einem ungleichen, unfähigen Team zugeteilt?", stöhnt Igor genervt. Seine Hand steckt wie meistens in einem Chipsbeutel, dessen Inhalt er sich frustriert in den Mund stopft. „Carmen, wärst du so freundlich?" „Klar." Sie weiß sofort, was sie zu tun hat. Die 19-Jährige stellt sich etwas breitbeiniger auf, um einen besseren Stand zu haben und richtet die Handfläche auf den Boden. Jetzt muss sie nur auf eine gute Gelegenheit warten. „Bleib gefälligst stehen, du Zwerg!", verlangt Viktor knurrend. Mittlerweile sind seine gut zehn Zentimeter langen Stacheln zum Vorschein gekommen. Das ist jetzt kein Rivalenkampf mehr, sondern tödlicher ernst. Das Gift der Stacheln ist tödlich und da es ein genmanipuliertes ist, gibt es kein Heilmittel. Nun ja, für jeden tödlich, außer für Eren. Viktors Gift ist Teil der Giftimmunisierung seines Trainings und daher bewirkt es bei ihm gerade einmal vorübergehende Taubheit und Übelkeit. Natürlich muss der Bienenmutant seinen Gegner zunächst treffen, damit das Toxin wirken kann. Immer noch die Hände in den Manteltaschen vergraben und einem frechen Grinsen auf den Lippen tänzelt der Jüngere um Viktor herum, bringt sich mit Saltos, Sprüngen und Drehungen immer wieder in Sicherheit, ohne dass Viktors Fäuste auch nur in seine Nähe kommen. „Versuchst du eigentlich mich zu treffen?", fragt Eren lachend als er über Viktor hinweg springt und mit dem Rücken zu ihm hinter ihm landet. „Da musst du noch etwa hundert Prozent schneller werden." Gerade als der Mann herumwirbelt und zum nächsten Schlag ausholt, reißt Carmen ihre Arme in die Höhe. Augenblicklich schießt eine Erdwand zwischen den zankenden Jungs empor. Während sich Eren keinen Schritt wegbewegt und die Wand mit einer Mischung aus schmollend und enttäuscht sein mustert, bemerkt sie Viktor viel zu spät. Ungebremst donnert seine Faust gegen die harte, gefrorene Erde. Dort hinterlässt er nicht nur eine Delle, sondern auch seinen Stachel, der nah an den Knöcheln abbricht als er die schmerzende Faust zurückzieht. Blut tropft auf den Boden, färbt den weißen Schnee dabei rot. Knurrend wendet er sich an Carmen, die mit verschränkten Armen missbilligend zu ihnen blickt. „Mann, Carmen, was soll der Quatsch?!" „Was der Quatsch soll?!" Fassungslos lacht sie kurz auf. „Wir haben eine wichtige Mission zu erledigen und ihr Kindsköpfe habt nicht besseres zu tun als euch zu vermöbeln?!" „Naja, eigentlich hat Viktor ja die Luft verprügelt", bemerkt Eren mit hinter dem Kopf verschränkten Fingern. „Du ..." Zähneknirschend versucht der Bienenmutant die Fassung zu behalten. Es fällt ihm sichtlich schwer. „Viktor, du bist 27 Jahre alt. Es wird Zeit, dass du dich auch so benimmst", fordert Igor als Viktors Mentor streng. Ein paar Sekunden ringt er mit sich selbst, dann gewinnt sein Temperament. Anklagend richtet er den Finger auf die Erdwand in ungefähr Erens Richtung. „Wenn diese billige Kopie eines Turano mich mit Respekt behandelt! Ich bin fünfzehn Jahre älter als er! Wieso konnte Ajax nicht mitkommen? Der ist zumindest zu was zu gebrauchen, anders wie dieser freche, inkompetente Knirps, der gerade erst aus den Windeln raus ist! Jetzt mal ehrlich, das seht ihr doch genauso. Eren ist ein Kind, das nur Probleme und Streitereien verursacht und auf eigene Faust ohne einen Plan einfach losmarschiert! Ajax hätte einen Plan. Mit ihm hätten wir bestimmt schon genug Schalen, um nach Hause zu gehen. Aber nein, wir haben nur die schwächliche Ausführung mitbekommen und sind jetzt dieje..." „Viktor! Kein Wort mehr!", versucht der Älteste ihn noch zu warnen, aber zu spät. Mit jedem Wort ist das Lächeln auf Erens Lippen kleiner und kleiner geworden, mit jeder Silbe verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck mehr und mehr. Als Viktor dann auch noch anfing ihn mit seinem supertollen Bruder zu vergleichen, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Von einer Sekunde auf die andere glühten seine Augen in einem düsteren Lila auf. Mit einem einzigen Schlag gegen die Erdwand, zertrümmert er diese in jede Menge Einzelteile, die alle auf Viktor hinab regnen und ihn unter sich begraben. Hustend befreit sich Viktor aus dem Erdhaufen, richtet den Oberkörper auf und spuckt Dreck und Schnee aus. Er ist über und über mit Schmutz bedeckt, was ihm alles andere als gefällt. Erst recht sauer wird er als er seine zerstörte Frisur befühlt. Die Adern an seinem Hals treten deutlich hervor. „Was fällt dir ein, du Scheißkerl?! Du fühlst dich wohl so unantastbar, nur weil du ein ..." „Ja? Sprich weiter", fordert Eren ihn bedrohlich ruhig auf. Das Kind steht auf dem Rest der Erdwand, die Hände in den Taschen verborgen. Auch wenn er gerade einmal zwölf Jahre alt ist, wirkt er momentan extrem einschüchternd. Sogar Viktor verstummt bei dem mörderischen Ausdruck in den lila Augen, der ihn regelrecht zu durchbohren scheint und der unnatürlich warnenden Gelassenheit, die er ausstrahlt. Los! Töte ihn! Sie vergleichen uns doch immer mit Ajax! Zeigen wir ihnen, dass wir auch allein um Welten stärker sind als sie! Schockierenderweise ist Eren mit der Stimme einer Meinung. Viktor wird sich niemals ändern. Er wird ihn immer mit seinem beliebten Bruder vergleichen. Wenn er will, dass das endet, wäre ihn zu töten die einfachste und effektivste Methode. Es wäre auch nicht sein erster Mord. Wer zu schwach ist, wird eben getötet. So ist das Leben. Mit dieser Wahrheit ist er aufgewachsen. Seine Finger zucken bereits erwartungsvoll, die Nägel haben sich wieder in Krallen verwandelt. Auch ein paar der Haarsträhnen, die unter seiner Mütze zu sehen sind, verändern sich, werden allmählich schwarz, genau wie die Sklera seiner Augen und die Iris färbt sich nach und nach rot. Oh, ja. Er hat gerade große Lust dazu dieses vorlaute Scheißbienending zu killen. „Okay. Der nächste, der einen Ton von sich gibt oder eine falsche Bewegung macht, den schicke ich ohne weitere Diskussionen nach Hause, wo er Herrn Turano erklären kann, was passiert ist", warnt Igor, die buschigen Augenbrauen drohend zusammengezogen. Der Mann weckt Erens Vernunft. Er blinzelt als würde er aus einem Tagtraum erwachen und sieht sich um. Langsam bekommen seine Augen ihre natürliche Farbe zurück, zeitgleich entspannen sich seine Muskeln und die Mordlust verschwindet. Eren entfernt sich ein paar Schritte von Viktor, damit dieser aufstehen kann und keiner seine Wut auf sich selbst mitbekommt. Jetzt hätte er tatsächlich beinahe die Kontrolle verloren. Dabei hat er sich doch geschworen, niemals mehr seiner dunklen Seite zu verfallen. Kann es sein, dass mit der Zeit nicht nur er selbst stärker geworden ist? „So, können wir dann endlich diese Eier suchen?", möchte Carmen genervt wissen, dabei wedelt sie mit der zusammengefalteten Karte in der Luft herum. Hosted by Animexx e.V. 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