Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 12: Der Schwarm ----------------------- Eren zieht die Jacke aus und konzentriert sich auf seine Kräfte. Das Blau seiner Augen und das Rot der Dämonenseite vermischen sich zu einem dunklen Lila. Gleichzeitig bilden sich auf seinem Rücken große, düster aussehende Rauchwolken, aus denen sich nach und nach lederne Flügel schälen. Das Erscheinen der schwarzen Fledermausflügel dauert keine Sekunde. Die Schwingen scheinen irgendwie mit dem Jungen verbunden zu sein, ohne in die Klamotten dazwischen ein Loch zu reißen. Eren hat noch nie verstanden, wie das funktioniert. Der Ansatz ist transparent und optisch nicht vorhanden, dennoch spürt Eren die kräftigen Schwingen auf seinem Rücken.   „Irgendwie kann ich mich nicht daran gewöhnen, dass du ständig dein Aussehen änderst“, bemerkt Carmen halb genervt, halb fasziniert.   Eren macht schulterzuckend einen Schritt auf die Kante zu. „Ich lenk schon mal die Vögel ab.“   „Vergiss es! Du willst doch nur allein den Ruhm ernten!“, behauptet Viktor. Der junge Mann hat Erens Flügel gepackt und bohrt jetzt seine Fingernägel in die empfindliche Haut.   Der Blick des Zwölfjährigen verfinstert sich. „Lass los. Du hast doch klar gesagt, dass du nicht mitkommen willst. Also, was ist dein Problem?“   „Jungs, bitte“, stöhnt Carmen genervt. „Igor, sag doch auch mal was.“   Der Teamführer räuspert sich. „Wir machen es so, wie Carmen gesagt hat. Viktor, Eren, ihr beide fliegt zusammen zum Plateau und lenkt die Dagono ab. Währenddessen schleichen Carmen und ich uns in ihr Nest und bringen so viele Schalen wie möglich erst einmal hierher. Bereit? Dann ab mit euch!“   Viktor knirscht sauer mit den Zähnen. „Das ist doch bescheuert.“   „Dann bleib hier. Ablenken kann ich auch allein“, meint Eren am Ende seines Geduldsfadens angelangt. Diesmal ist noch nicht einmal die Dämonenseite schuld.   Kurzerhand springt Eren einen Satz zurück, raus aus der Höhle und breitet seine Schwingen aus. Er dreht sich um, weg von der Höhle und schlägt die Richtung zu den Dagono ein. Noch keine drei Meter weit ist er gekommen als etwas Schweres an seinen Beinen zieht, ihn aus dem Gleichgewicht und ins Rudern bringt. Hektisch schlägt er mit den Flügeln, um nicht wegen diesem Trottel in den Abgrund zu stürzen. Viktor ist ihm tatsächlich hinterher gesprungen und hat sich einfach an seine Beine gehängt!   „Sag mal, spinnst du jetzt völlig, du Dödel?! Lass sofort meine Beine los!“, verlangt Eren fassungslos. Er weiß, dass Viktor nicht loslassen wird. Schließlich fliegen sie hier gut hundert Meter über dem Boden.   „Sicher nicht! Ich überlass dir doch nicht den ganzen Spaß!“, entgegnet Viktor gegen den Wind anschreiend.   Komisch. Wenn Eren so in sein Gesicht sieht, könnte man meinen, dass der Macho-Bienenmutant Höhenangst hat. Länger kann er sich nicht mit Viktor rumplagen, er muss sich auf´s Fliegen konzentrieren. Das ist in dieser Höhe, bei den Temperaturen und dem Wind UND dem zappelnden Zusatzgewicht gar nicht so einfach. Er ist ja schon froh, dass Viktor die Klappe hält.   Eren steigt höher bis er über dem Dagono-Schwarm schwebt und lässt sich dann vom Wind langsam tiefer tragen. Ihre gebogenen Hörner sehen sogar von hier gefährlich aus. Doch das jagt Eren keine Angst ein, eher Vorfreude auf ein Kämpfchen. Und da er sie ja nicht töten darf, kann er mit ihnen spielen. Das heißt, sobald er seine Last losgeworden ist. Wobei sich das Problem wohl gerade von selbst erledigt.   „Sieh zu und lerne“, prahlt Viktor selbstgefällig.   „Was hast du vor?“ Eren hat kein gutes Gefühl bei dem Gesichtsausdruck, den er nur als Antwort bekommt.   Anstatt zu antworten, lässt der Ältere einfach los. Etwa fünfzig Meter über dem nächsten Dagono. Hatte er nicht gerade noch Angst zu fallen? Und jetzt lässt er einfach von selbst los?! Dieser Mutant ist so ein Riesendödel, dass Eren gar nicht versucht seine Gedankengänge zu verstehen. Auf die Idee ihn aufzuhalten kommt er auch nicht. Wenn er fallen will, bitte. Nicht Erens Problem. Dennoch legt er die Flügel an und stürzt kopfüber hinterher. Sein Bruder wäre sicher nicht zufrieden mit der Ausrede: sein Teamkamerad habe sich von selbst in den Tod gestürzt.   Kopfschüttelnd sieht er dabei zu, wie Viktor mit vorgestreckten Armen und einem leicht wahnsinnigen Kampfschrei auf den Dagono zusteuert, der ahnungslos im Schnee liegt und sich sein Gefieder putzt. Die Bestie hat gerade einmal Zeit den Kopf zu heben ehe Viktor einschlägt. Beide Giftstacheln bohren sich knöcheltief in den Schädel, der durch die Wucht des Aufschlages tief in den Schnee gedrückt wird. Der Dagono ist sofort tot.   Eren formt eine Schattenkugel in der rechten Hand. Diese feuert er auf den Dagono, der den Tod seines Kumpels rächen will. Auch dieser fällt zu Boden, überschlägt sich, wirbelt eine Menge Schnee auf und bleibt knapp vor Viktor liegen, der noch immer in der Hocke auf dem Dagono steht und seinen Blick nicht von den Fäusten wenden kann.   Der Zwölfjährige entfaltet die Schwingen, stoppt so den freien Fall und landet punktgenau auf der Hornspitze vor Viktor. „Du weißt, dass du bekloppt bist, oder? Du sollst sie doch nicht töten.“   „Vielleicht war es doch keine so gute Idee“, murmelt er, die Worte des Jüngeren komplett überhörend. Ein Zittern geht durch Viktors Körper, der seine Muskeln weich werden lässt, sodass er umkippt, von dem Vogel rutscht und im Schnee landet. „Du hast auch einen getötet.“   „Der ist nur bewusstlos. Der wird höchstens Kopfschmerzen haben, wenn er aufwacht“, erklärt Eren mit einem Seitenblick zurück.   „Wehe, du sagst das Carmen! Die wird mich umbringen“, bittet Viktor fast flehend.   „Nicht wenn die dich vorher erwischen.“ Eren deutet über ihre Köpfe.   Der gesamte Schwarm ist auf die beiden Aufmerksam geworden. Viele klettern aus dem Loch im Boden, erheben sich in die Luft und fangen an die Eindringlinge zu umkreisen, ein Chor aus Gebrüll und Gekreische hallt in den Ohren der Experimente wieder.   „Na, fertig?“, möchte Eren kampfbereit wissen, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.   „Und wie soll ich die jetzt ablenken, wenn ich nicht fliegen darf?!“, fragt Viktor. Der nörgelnde Unterton ist deutlich herauszuhören.   „Lass dir was einfallen.“ Mit diesen Worten lässt Eren den aufgebrachten Viktor zurück und fliegt den Dagono entgegen.   Die mischen wir jetzt ordentlich auf!   Nur ablenken. Denk daran, wir sollen sie nicht töten.   *Seid ruhig! Ich muss mich konzentrieren.*   Der Junge lässt mehrere kleine Schattenkugeln um sich entstehen. Jede hat die Größe eines Apfels. Diese hier sind nicht so komprimiert, wie die beim Grobämi gestern, dadurch ist der verursachende Schaden geringer. Er will sie ja nur betäuben. Klar, könnte er das auch mit einem Kinnhaken erreichen, aber das bei jedem einzelnen würde zu lange dauern. Außerdem würden ihm die Knöchel irgendwann weh tun.   Eren schnippt mit dem Finger in Richtung des ersten Dagono. Eine Schattenkugel löst sich aus dem Schwarm, kracht dem Monstervogel gegen die Stirn und verpufft dann. Der Getroffene kräht auf, verdreht die Augen und stürzt bewusstlos auf das Plateau. Der Junge weicht den Zähnen des nächsten aus, schleudert ihm dabei eine Kugel an den Kopf und ist schon beim vierten angelangt.   Ja! Los, weiter! Wer ist der Nächste?!   Könnte man sie nicht anders ablenken? Das ist unnötig grausam.   „Pass gefälligst auf!“, schreit plötzlich eine Stimme außerhalb von Erens Kopf als er den mittlerweile siebten Dagono ins Traumland schickt.   Der Junge taucht unter dem gefiederten Bauch durch, weicht mit einem Looping dem Schnabel eines anderen aus und sieht dann kurz nach unten. Der Bienentyp wird von zwei Dagono verfolgt, die immer wieder nach ihm schnappen oder mit den Hörnern aufzuspießen versuchen. Um ihm herum liegen die von Eren ausgeschalteten Vögel. Er hat zwar schon darauf geachtet, dass die Dagono alle auf deren Plateau landen, damit sie nicht beim Aufprall sterben, aber nicht darauf, wo Viktor ist. Den Fußspuren nach hätte er ihn ein-, zweimal fast zerquetscht.   „Sorry!“, schreit Eren zurück. Beide wissen, dass das nicht ernst gemeint ist. Dafür erweckt etwas Großes, das gerade aus der Bruthöhle klettert, seine Aufmerksamkeit.   Aus dem Nest in der Mitte klettert ein Vogelmonster heraus. Im Grunde sieht es aus wie ein Dagono, nur größer. Spitze Zähne ragen aus dem gebogenen Schnabel hervor. Anstatt der beiden Stierhörner hat dieser kleinere, dünnere, doch dafür vier Stück, die leicht gedreht nach vorne ragen. Scharfe Krallen wachsen an den Zehen, die nur dafür geschaffen sind, um Beute festzuhalten. Dagono haben normalerweise nur einen dünnen Schweif mit Federn am Ende, dieser hat drei, die wütend durch die Luft peitschen. Das hellbraune Gefieder ist am Kopf dunkler, wodurch die schwarzen Augen noch bedrohlicher wirken.   „Ein Bagono?“, identifiziert Eren überrascht.   Diese mutierte Dagonoart ist sehr selten. Sie übernehmen einen Schwarm und lassen sich von diesem rund um die Uhr bedienen. Meistens heißt das, alles Fressbare im Umkreis zu sich bringen zu lassen. Deshalb gibt es hier auch keine anderen Lebewesen mehr. Sie wurden entweder gefressen oder sind geflohen. Nur der Grobämi nicht. Der steht nicht auf deren Speiseplan.   Der Bagono hat mittlerweile Viktor erspäht, der zwischen den Hörnern eines Dagono sitzt und diesen gegen andere Vogelmonster lenkt. Dabei lacht er wie ein wahnsinniges Kind. Der Große schnaubt wütend, schüttelt den mächtigen Schädel und stürmt auf Viktor zu, dabei wirbelt er jede Menge Schnee auf. Eren erkennt, dass der Bienenmutant den Bagono noch nicht gesehen hat, und auch, dass er sicher aufgespießt wird, wenn ihn keiner warnt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)