Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 33: Engel und Dämon --------------------------- Den leeren grauen Spiegelraum zu betreten, ist noch der einfache Teil der Prüfung, die Gestalten davon zu überzeugen, ihm die gesamte Kraft und Kontrolle zu geben, ist um einiges schwieriger. Der Junge nähert sich den beiden Spiegeln, in deren Inneren die vom Rauch verhüllten Silhouetten erscheinen und ihn aus goldenen und roten Augen anstarren.   Hallo, Eren. Lange nicht mehr gesehen.   Du hast uns ja lange genug ausgeschlossen.   Sei nicht so mürrisch. Er hat eben eine Mission bei der er nicht auffallen darf.   Pha! Das ist nur eine faule Ausrede. In Wahrheit will er uns doch loswerden. Wieso sonst wäre er jetzt hier? Er bildet sich mal wieder ein, uns beherrschen zu könne. Sieh´s doch ein, Junge, du wirst nie stark genug sein, meine Kräfte kontrollieren zu können.   „Ja, ja. Seid still. Ich hab heute ein kleines bisschen Zeitdruck und kann nicht lange mit euch diskutieren. Also macht es nicht komplizierter als es sein muss“, bittet Eren und nähert sich dem schwarzen Spiegel. Die roten Augen darin verengen sich etwas.   Komm nur her, Kleiner. Trau dich. Aber du wirst mich nicht bezwingen können.   „Doch. Denn das hier ist MEIN Körper. Nicht eurer.“   Als Antwort bekommt er nur ein hallendes, höhnendes Lachen, das von den nicht existierenden Wänden zurückgeworfen wird. Eren gibt sich alle Mühe sich nicht davon einschüchtern zu lassen. Je mehr er an sich selbst zweifelt, je unsicherer er ist, je verwundbarer er wirkt, desto leichter ist es für die Spiegel seinen Körper zu übernehmen.   Mutig fixiert der Junge die roten Augen. „Heute wirst du mir gehorchen, Dämon!“   Wieder ein amüsiertes Lachen. Das wird ein Spaß.   Entschlossen streckt er den rechten Arm vor und legt ihn auf die glatte Spiegeloberfläche. Die schwarze Gestalt dahinter tut es ihm gleich, sodass sich ihre Hände berühren. Sofort fängt der schwarze Armreif an zu wachsen während sich langsam von der Schattenhand ausgehend ein schmerzhaft prickelndes Gefühl, als würde nach langer Zeit ein eingeschlafener Muskel wieder erwachen, einen Weg über die Handfläche den Arm hinauf bahnt. Es schmerzt, aber noch hält er stand. Mit zusammengebissenen Zähnen und angespannten Muskeln nimmt er immer mehr der Dämonenkraft in sich auf.   ~~~   Währenddessen färben sich Erens Haare im Käfig nach und nach schwarz. Erst einzelne Haare, dann ganze Strähnen. Sein Mal breitet sich analog zu der Menge an dunkler Energie, die er ansammelt, über den rechten Arm aus. Es umhüllt ihn auch bereits ein leichter dunkler Nebel, der von nicht vorhandenem Wind um ihn herumgewirbelt wird. Sein gesamter Körper ist angespannt, die Hände zu Fäusten geballt, die Nägel tief in die Handflächen gebohrt. Das Gesicht ist vor Anstrengung und Schmerz verzogen.   Die Finger der Wachen zittern am Abzug der Waffen. Sie würden gerne das hier sofort beenden, aber sie wissen, sollten sie das tatsächlich wagen, werden sie mit absoluter Sicherheit in einer hölzernen Kiste unter der Erde landen.   Dr. Ryu tippt fleißig mit, hat dabei die Stirn sorgenvoll in Falten gelegt. Genau wie Eren kann sie diesen Test nicht leiden. Sie sieht wie sehr der Junge kämpft, wie er leidet und es dennoch nicht schafft. Sie würde ihm gerne helfen, ihrem Lieblingspatienten, aber sie weiß nicht wie. Sie müsste sich dann einem Befehl ihres Chefs widersetzen und das auch noch vor den Augen der Söhne. Sie würde nicht nur gefeuert werden, sie würde für immer beseitigt werden. Keine Zeugen. Doch das macht es nicht angenehmer dem Zwölfjährige hilflos zusehen und ihn im Notfall mit Gewalt aus der Kontrolle der Stimmen holen zu müssen.   Ajax steht noch immer so unbeteiligt da wie zu Beginn. Mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen Augen wartet er auf einen Erfolg, auf eine vollständige Verwandlung, die von Eren kontrolliert wird. Dabei ist es ihm egal, wie schwer oder anstrengend das auch ist. Er will nur Ergebnisse, die ihn und seinen Vater zufriedenstellen. Er ist für die Ausbildung von Eren verantwortlich und dieser Punkt hier ist schon viel zu lange offen. Er will diese Stufe endlich abhaken können.   ~~~   Genau für dieses Ziel kämpft auch Eren gegen den Dämonenspiegel. Mit jeder verstreichenden Sekunde klärt sich mehr und mehr das Bild im Spiegel. Der schwarze Rauch lichtet sich, sodass schon bald eine menschliche Gestalt zu erkennen ist, an deren Rücken sich große lederne Schwingen befinden. Der Spiegeljunge sieht aus wie Erens Zwillingsbruder, gleichzeitig aber auch wieder nicht.   Die Iris des Dämons leuchtet tiefrot, umrahmt von einer schwarzen Sklera und einem boshaften Funkeln darin. Die rabenschwarzen Haare fallen ihm ins Gesicht und werfen so ein dunkles Schattenspiel in dieses. Die Nägel sind zu Krallen verlängert, die Eckzähne sind länger und spitzer als normal. Gekleidet ist Dämon-Eren in ein ärmelloses Oberteil, das im oberen Drittel schwarz gefärbt ist und zackig in blutrot übergeht. Darüber reicht ein offener ärmelloser, schwarzer Mantel mit weinrotem, ausgefransten Saum und Innenfutter bis zum Knie. Die dreieckigen Knöpfe im oberen Teil sind ebenfalls rot. Ein zackig geschnittener Stehkragen rundet den Mantel ab. Die knielange schwarze Hose ist bequem geschnitten mit Taschen an den Seiten und die Beine enden ebenfalls gezackt. Die Füße selbst stecken in schwarzen Boots mit weinroten Schnürsenkeln, Sohle und Schuhspitze.   Mittlerweile reicht das kribbelnde Machtgefühl bis tief in seinen Bauch hinein. Es fehlt nicht mehr viel. Vielleicht schafft er es ja heute doch? Ist heute der Tag, an dem er über sich selbst siegt? Aber wieso sieht dann sein Spiegelbild so siegessicher aus? Das beunruhigt den Zwölfjährigen, dessen Herz nervös zu stolpern beginnt.   Gut so. Nimm noch mehr meiner Energie. Du kannst mich nicht beherrschen. Du wirst wieder verlieren.   Eren merkt ganz deutlich, dass der Schatten versucht ihn in den Spiegel hineinzuziehen. Immer stärker scheint der Sog zu werden, je weiter sich die Dämonenkraft in seinem Körper ausbreitet. Die Oberfläche ist schon längst nicht mehr so solide wie zu Beginn dieses Trainings. Seine Hand ist bereits halb im Inneren des Spiegels eingesunken. Gleichzeitig ragt genauso viel vom Schatteneren aus dem Spiegel heraus, sodass sie sich überschneiden wie bei einem … nun ja … Spiegel eben.   Genau davor hat Eren Angst. Je weiter er in den Spiegel eintaucht, desto mehr gewinnt sein Dämonen-Ich an Stärke und Kontrolle. Das darf nicht passieren! Er darf den Dämon nicht freilassen! Aber … Er darf auch nicht schon wieder versagen. Er weiß das. Leider weiß er auch, dass es zu spät ist. Sein Spiegelbild grinst ihn bereits finster und triumphal entgegen. Er kann sich noch so viel dagegenstemmen, er wird ja doch immer weiter eingesaugt. Sein halber Unterarm ist schon verschwunden. Wenn er das noch weiter zulässt, wird er in der realen Welt Amok laufen.   Tja, du hast wieder verloren. Du bist so ein Schwächling. Aber keine Sorge, ich versuche nicht zu viele umzubringen.   Er ist gescheitert. Um zu verhindern, dass das passiert, was dieser rotäugige Dämon verspricht, muss er sofort abbrechen, solange er sich noch nach seinem eigenen Willen bewegen kann. Frustriert knurrt er als er mit all seiner verbliebenen Kraft die Verbindung kappt, den Arm herauszieht und rückwärts umkippt und erschöpft und frustriert den Dämon ansieht. Die roten Augen funkeln ihn zornig an.   ~~~   Keuchend nach Luft schnappend schlägt Eren die blauen Augen auf, blinzelt ein paar Mal orientierungslos vor sich hin bis er Ajax und Dr. Ryu vor sich identifiziert. Er hat leichte Schweißperlen auf der Stirn, sein Herz hämmert wild in der Brust und das Kribbeln in den Adern ist nach wie vor da, wird aber schon langsam schwächer. Trotzdem ist der schwarze Armreif ein ganzes Stück gewachsen. Seine halbe Hand hat sich verfärbt und in fransigen Zacken reicht das Mal bis zum Ellbogen. Irgendwelche Kräfteschrumpfungen werden ganz sicher noch spontan an seinen Terminkalender angehängt werden bevor er auf Süßes oder Saures entlassen wird.   Schwächling. Hättest du noch ein bisschen länger durchgehalten, hätte ich endlich mal wieder Spaß haben können. Ich weiß, dass du das auch gewollt hättest, Eren. Ich kann es spüren.   Eren ignoriert die Stimme, richtet seine Konzentration lieber auf das, was außerhalb seines Kopfes geschieht.   Die Ärztin sieht erleichtert und mitfühlend zugleich zu dem Jungen, schenkt ihm ein kleines aufbauendes Lächeln ehe sie die letzten Worte des Dämonentest in ihren Bericht tippt. Sein Bruder hingegen, der sieht ihn so finster und enttäuscht an, wie immer, wenn Eren die Erwartungen nicht erfüllen kann. Der Junge schluckt schwer. Das wird noch eine gehörige Strafe mit sich ziehen. Wenn er auch bei der Engelvariante scheitert, wird sie sogar noch um einiges schlimmer.   „Du hast also wieder versagt“, spricht Ajax das Offensichtliche kühl aus. Es ist schwer zu sagen, was in seinem Kopf vorgeht.   „Ja." Eren zieht den Kopf ein. „Tut mir leid, Bruder.“   „Du weißt, dass ein tut mir leid dein Versagen auch nicht besser macht, oder?“   „Ich weiß.“ Schuldbewusst sieht Eren zu dem jungen Mann und versucht vorischtig sich zu rechtfertigen: „Es ist schwer und tut weh. Die Kräfte kämpfen gegen mich. Wenn ich merke, dass ich die Kontrolle verliere, breche ich ab. I-Ich denke, das ist besser als auszurasten und hier alles zu vernichten.“   Ajax kneift die Augen zusammen. „Ich will keine Ausreden hören, Eren. Du strengst dich einfach nicht genug an.“   Er hat ja keine Ahnung, wie sehr er sich anstrengt. Er will das hier wirklich hinbekommen, aber es geht nicht. Wenn er nur eine Sekunde lang irgendeine Schwäche zeigt, nutzt der Dämon das sofort aus und zieht ihn in den Spiegel hinein. Amok zu laufen ist doch schlimmer als vorher abzubrechen, oder? Laut Eren schon, nur leider scheint Ajax das nicht so zu sehen.   „Du weißt, dass ich dich dafür bestrafen muss, oder? Vater wird enttäuscht sein, wenn ich ihm davon berichte.“   Ergeben lässt er den Kopf sinken. Er enttäuscht seine Familie so ungern. Nicht wegen der Strafen, sondern weil er die Erwartungen nicht erfüllen kann. Er will seinen Vater und auch Ajax ja stolz machen, aber es ist schwer, was sie von ihm verlangen. Teilweise sogar schier unmöglich. Aber das sagt er ihnen nicht. Er ist ein Turano. Er muss der Beste sein! Das ist er seiner Familie schuldig, gleich, was es ihn kosten mag. Er muss sich nur mehr anstrengen.   „Also gut. Verschwenden wir nicht noch mehr Zeit“, beschließt Ajax schließlich und legt die Hände hinter den Rücken. „Eren, die Engelseite. Los.“   „Ja, Bruder.“   ~~~   Der Ablauf ist identisch wie beim Dämon. Wieder betritt Eren gedanklich den Spiegelraum, widmet sich aber diesmal dem weißen Spiegel, der noch immer mit Wölkchen bedeckt ist. Im Rechten beobachtet ihn der Dämonen-Eren immer noch wütend dabei.   Warum tust du nur immer das, was dieser wichtigtuerische, eingebildete Ajax verlangt? Wir sind stärker als er! Er hat uns gar nichts zu sagen! Komm zu mir, ich gebe dir mehr Kraft und wir beweisen ihm, dass er uns nicht rumschupsen kann, wie er will! Wir sind kein kleines Kind mehr!   „Halt die Klappe. Du willst mich nur wieder hintergehen.“   So ist´s richtig, Eren. Du brauchst die dunklen Kräfte nicht. Meine sind bei weitem weniger zerstörerisch, aber genauso stark.   Der Junge weiß, dass das auch nicht ganz wahr ist, hat aber jetzt auch keine Lust darauf zu diskutieren. Deshalb lässt er die Worte unkommentiert im Raum stehen, streckt den linken Arm vor und berührt den Spiegel. Die Gestalt auf der anderen Seite imitiert ihn und schickt die nächste Welle Ameisen in seinen Körper. Die Engelkraft fühlt sich nicht so schmerzhaft an, im Gegenteil, es ist sogar ganz angenehm. Ein warmes Prickeln bahnt sich immer weiter einen Weg in jede Zelle seines Körpers. Eren lässt es bereitwillig zu, nimmt immer mehr der Engelkraft an und achtet darauf nicht in den Spiegel gezogen zu werden, der bis jetzt noch unter seiner Handfläche spürbar ist.   Auch die sich schärfende Gestalt in diesem Spiegel sieht aus wie ein Ebenbild von Eren mit kleinen Unterschieden. Die Haare sind schneeweiß, die Augen leuchten in einem warmen Goldton und am Rücken prangen große weißgefiederte Flügel. Außerdem lächelt dieser ihn freundlich an, was nicht unbedingt was positives heißen muss. Auch Engel können grausam sein. Die Kleidung ähnelt sehr der des Dämonen. Vom groben Stil her zumindest. Das Top ist nicht ausgefranst, ist im oberen Teil schwarz und geht sanft in Weiß über. Die Hose ist identisch zur Dämonenvariante, nur nicht gezackt und mit goldenen Knöpfen anstatt roten. Die roten Stellen der Dämonen-Boots sind hier weiß und der Rest golden. Der Mantel darüber ist ebenfalls weiß mit runden goldenen Knöpfen und Innensaum, ohne ausgefransten Rändern am Saum und Stehkragen.   ~~~   In der Höhle fängt der junge Turano bereits an sich zu verändern. Erens Haare, die im Augenblick noch die schwarzen Strähnchen besitzen, werden nach und nach komplett weiß. Zeitgleich wächst das Mal bis es aussieht als hätte Eren einen langen weißen Handschuh an. Wie zuvor taucht aus dem Nichts heller Nebel auf, der um den Jungen herumwirbelt wie bei einem Tornado mit ihm als Zentrum. Der Nebel wird immer dichter, immer schneller bis Eren nicht mehr zu erkennen ist. Fasziniert, neugierig, staunend aber auch verängstigt, überfordert und dem Drang wegzulaufen sehr nahe, beobachten die vier Menschen das Geschehen innerhalb des Käfigs.   Das Schauspiel dauert nur wenige Sekunden und endet völlig abrupt. Der Tornado verschwindet von einem Herzschlag zum nächsten und enthüllt dabei den Zwölfjährigen, der noch immer an Händen und Füßen gefesselt mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen im Käfig steht. Sein Aussehen hat sich allerdings komplett verändert. Er sieht jetzt vollständig so aus, wie die Gestalt im Spiegel, mit allem drum und dran. Die großen Flügel, die hellen Haare und das komplette auffällige Outfit. Langsam öffnet er die goldenen Augen, mustert zunächst die Kleidung in der er steckt und hebt dann den Kopf, um die stillen Zuschauer anzusehen.   Ajax hat wachsam die Auge zusammengekniffen. Auch wenn die Verwandlung erfolgreich war, heißt das noch lange nicht, dass Eren auch die Kontrolle behalten hat. Vorsichtig wagt er sich einen Schritt näher ran.   „Eren? Bist du noch da?“   Der Junge in Engelform beginnt zu lächeln. „Jap. Bin noch da.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)