Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 46: Familienausflug --------------------------- Erens Terminplan ist wie immer sehr vollgepackt. Angefangen bei drei Stunden Kraft- und Ausdauertraining mit den Geräten in der Sporthalle. Anschließend ein Übungskampf ohne Kräfte und Waffen mit verbundenen Augen gegen Quentin, einem der Gruppenleiter der Elitewachen auf dem Anwesengrundstück, mitsamt seiner ganzen Gruppe. Die Mitglieder zu besiegen war relativ simpel für den Zwölfjährigen, bei Quentin musste er sich sogar anstrengen. Der Mann hat zwar selbst keine Kräfte, ist jedoch ein Veteran und Kampfprofi mit jahrzehntelanger Erfahrung. Er ist stark und schnell. Für jemanden mit grauen Haaren. Schlussendlich hat Eren gewonnen, dabei aber auch ein paar Schnitte, Kugeln und gebrochene Knochen eingesteckt. Die „keine Waffen und Kräfte“-Regel galt nur für ihn.   Da Ajax ab der Hälfte ungefähr dazugestoßen ist und mal wieder nicht zufrieden mit der Leistung seines kleinen Bruders war, hat er ihm versprochen selbst mal wieder sein Können zu prüfen. Aber erst morgen, wenn sie von der heutigen Mission zurück sind. Und diesmal hat ihm Ajax schon im voraus versprochen, nutzt er seine Fähigkeiten. Was es nicht unbedingt einfacher für den Jungen macht.   Nach dem Kampf mit Quentins Einheit ist nur noch Zeit für einen weiteren Termin: ein paar Kräftemessungen mit Dr. Ryu, wobei gleichzeitig seine Male geschrumpft werden sollen. Dafür haben sich die Brüder mit der Ärztin in einem Nebenraum ihres Untersuchungszimmers getroffen. Die Wände, die Decke und auch der Boden bestehen dort aus speziellem Material, damit das Gebäude nicht ausversehen aufgrund des Trainings des jungen Turanos einstürzt, sollte er es übertreiben. Was sehr leicht vorkommt.   Im Grunde ist dieser Termin nichts besonderes. Solche Checks stehen öfter auf dem Plan, dennoch kommt Eren die Ärztin heute seltsam nervös vor. Sogar bei der Begrüßung zuckt sie zusammen, was nicht nur daran liegen kann, dass sie mit dem Rücken zur Tür gestanden hat und nicht mitbekam als die beiden eintraten. Ihr Herzschlag und ihre Atmung sind beide schneller und sie wirkt blass. Ihre Stimme hat sie allerdings gut unter Kontrolle. Trotzdem lässt Eren das Gefühl nicht los, dass irgendetwas die Frau beschäftigt. Nur was? Wäre Ajax nicht anwesend, hätte er sie gefragt, aber so verkneift er es sich und tut nur das, weswegen er hier ist. Er will ja nicht, dass Dr. Ryu noch wegen irgendetwas Ärger bekommt.   Eren wird allein im Nebenraum eingesperrt, der durch ein Fenster mit Dr. Ryus Untersuchungszimmer verbunden ist. Über Lautsprecher und Mikrofon können sie sich unterhalten. Für den ersten Test klappt ein verstecktes Fach in der Wand auf und fährt einen Sensor aus, der für Temperaturmessungen vorgesehen ist. Der Junge geht an den Sensor heran, hält die Hände links und rechts davon und ruft nach der Engelflamme. Keine Sekunde später färbt sich seine Iris grün und zwischen seinen Handflächen lodert ein lautloses weißes Feuer.   „Das ist echt faszinierend“, teilt Dr. Ryu ihre Gedanken per Lautsprecher. „Auch heute hat das weiße Feuer keinerlei Temperatur. Es ist, als wäre es gar nicht da. Haben Sie denn damit schon mal was angezündet, Eren?“   „Nein. Nichts will mit dem weißen Feuer brennen.“ Eren löscht seine Hände und zuckt unwissend mit den Schultern. „Keine Ahnung wozu das dann gut sein soll.“   „Hm. Vielleicht hat es irgendeine versteckte Fähigkeit, die wir noch nicht gefunden haben“, überlegt die Frau weiter.   „Dann finden Sie sie“, weißt Ajax die Ärztin ungeduldig an. „Für nutzlose Kräfte haben wir keine Verwendung. Weiter geht’s, Eren.“   „Ja.“ Erneut legt Eren die Hände neben das Thermometer. Diesmal werden die Augen lilafarben und ein schwarz-blaues Feuer brennt zwischen seinen Handflächen. Je länger er sich konzentriert, umso stärker werden die Flammen. Anders als beim Engelfeuer, gibt es diesmal eine deutliche Reaktion. Der Sensor zur Temperaturmessung schmilzt innerhalb weniger Sekunden. „Ups.“   Für einen Moment ist es still im Lautsprecher, dann räuspert sich Dr. Ryu. „Ich glaub, wir brauchen einen widerstandsfähigeren Messfühler. Wirklich erstaunlich. Bei der letzten Messung waren es knapp 1500°C und dieser Sensor war auf etwa 2000°C ausgelegt.“   „Wenigstens ein Feuer ist brauchbar“, kommentiert Ajax mit steinerner Mine. „Nun gut. Fahren wir fort. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit bevor wir aufbrechen müssen.“   ~~~   Auch für die Dauer der restlichen Tests und Übungen wird Eren das Gefühl nicht los, dass die Ärztin heute anders ist. Er kann sich nur nicht erklären wieso oder was diese Seitenblicke in seine Richtung bedeuten sollen. Ajax scheint dies nicht zu bemerken oder es ist ihm schlichtweg egal. Beides wäre denkbar, was Eren die Frage stellen lässt, ob er nicht zu viel hineininterpretiert. Er ist über die Jahre echt ein wenig argwöhnisch und paranoid geworden und interpretiert viel zu schnell in harmlose Dinge irgendwelche mordenden Hintergedanken. Tja, als Attentäter, Entführer, Monsterjäger und was er sonst noch so tut ist ein gewisses Maß an Misstrauen anderen gegenüber doch normal, oder?   Zurück im Turano-Anwesen ermahnt ihn Ajax noch einmal, pünktlich zu sein, ehe sich die Brüder trennen, um je in ihr eigenes Zimmer zu gehen und sich vorzubereiten. Als er den Gang entlang geht, bemerkt er, dass die Tür zu seinem Zimmer offen steht. Eren ist tagsüber selten in seinem Zimmer, weshalb die Angestellten auch die Zeit nutzen, um alles aufzuräumen. Wobei sich der Junge fragt, was sie eigentlich aufräumen wollen. Wenn er eh kaum Zeit hier verbringt, wie soll es dann unordentlich werden?   Eine Frau ist dabei das Bett neu zu beziehen während der junge Butlerazubi von heute Morgen den Boden saugt. Der Butler, der den Azubi heute unnötigerweise zusammengestaucht hat, kommt gerade mit einer Reisetasche in der einen und einem feinen Anzug in der anderen Hand aus dem Ankleideraum. Den Anzug hängt er an die Kleiderstange neben dem Badezimmer, die Tasche nimmt er mit zur Tür und stockt auf halbem Weg als Eren den Raum betritt. Er wirft der Frau einen Blick mit Kopfnicken Richtung Azubi zu, die daraufhin den jungen Mann anstupst und zu verstehen gibt, er solle den Staubsauger ausschalten.   Der Mann selbst stellt sich inzwischen gerade hin, legt eine Hand auf die Brust und deutet eine Verbeugung an. „Hallo, junger Herr Turano. Willkommen Daheim.“   „Hey“, grüßt Eren zurück. „Lasst euch von mir nicht stören. Ich geh nur kurz duschen und bin dann wieder weg.“   „Natürlich werden wir inzwischen Ihr Zimmer verlassen, junger Herr“, versichert der Butler ohne Eren anzusehen. „Lasst mich nur erwähnen: Wie von Ihrem Vater gewünscht, hab ich Ihnen den Anzug reinigen und bügeln lassen. Er hängt neben dem Badezimmer für Sie bereit. Außerdem war ich so frei und hab bereits Ihre Tasche für die Reise gepackt. Bitte seht sie kurz durch und gebt mir Bescheid, ob ich etwas vergessen habe.“   „Ja, ja, mach ich. Stell sie einfach irgendwo hin“, weist der junge Turano ihn mit einer Handgeste an während er zum Ankleidezimmer geht, um die restlichen Klamotten zu holen. Ihm wird zwar meistens herausgesucht, was er zu tragen hat, aber Dinge wie Unterwäsche oder Socken vergessen sie komischerweise immer.   „Wie Ihr wünscht, junger Herr.“ Der Butler stellt die Reisetasche am halb bezogenen Bett ab und verlässt als letzter der Drei den Raum. Die Tür schließt er hinter sich.   ~~~   Gestriegelt und gebügelt betritt Eren ein paar Minuten vor Eins den Missionsraum 1. Da die Angestellten im Anwesen niemals den Bunker betreten – sein Vater will die Arbeitsplätze strikt getrennt halten – trägt Eren die Tasche selbst. Ausnahmsweise. Außerdem ist die sporttaschengroße Reisetasche ziemlich leicht, sodass sich Eren kurzweilen fragt, ob überhaupt was darin ist. Natürlich hat er den Inhalt nicht überprüft, wie es der Butler gewünscht hat. Es ist nicht die erste Tasche, die er für ihn packen musste und bisher hatte er immer alles dabei. Im Missionsraum sind bereits Dr. Ryu und sein Vater anwesend, die in ein Gespräch vertieft sind. Zumindest solange bis die Tür hinter Eren ins Schloss fällt.   „Ah, hallo, Eren. Hast du alles für unsere Reise gepackt?“, erkundigt sich der Mann freundlich.   „Hallo.“ Der Junge stellt die Tasche am Tisch ab und dreht sich dann zu den beiden um. „Kann ich nicht genau sagen. Ich weiß ja nicht, wo wir eigentlich hinfahren oder was ich da genau tun soll.“   Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen legt der Mann Eren eine Hand auf die Schulter. „Wir erklären dir alles auf den Weg ins Hotel. Und mach dir wegen deinem Gepäck keine Gedanken. Wenn die Butler nicht völlig unterentwickelt sind und es geschafft haben Ajax´ Liste zu folgen, hast du alles dabei, was du brauchen wirst. Falls nicht, können wir es ja irgendwo nachkaufen.“   „Wobei wir das lieber vermeiden sollten“, mischt sich Ajax ein, der gerade durch die Tür kommt. Auch er trägt einen feinen Anzug mit glänzenden Schuhen und gegelten Haaren, die beinahe genauso glänzen. „Wir können nicht immer und überall einfach alles nachkaufen, was die nutzlosen Angestellten vergessen haben vorzubereiten. Das würde mit der Zeit viel zu viele Spuren hinterlassen. Ich frag mich sowieso, weshalb du so viele Angestellten behältst, die mehr als nur unqualifiziert sind.“   „Findest du?“, überlegt Turano und legt die Stirn in Falten. „Nun gut. Das wirst du besser beurteilen können als ich. Ich bin ja nicht so oft im Anwesen oder meistens nur im Büro. Okay, wenn wir zurück sind, können wir ja ein Personalgespräch führen, aber jetzt sollten wir erst mal los, sonst kommen wir noch zu spät.“ Benedikt wendet sich an die Ärztin. „Dr. Ryu, ist alles vorbereitet?“   Die Frau klappt die Schutzhülle des Tablets zu und schiebt ihre Brille höher. „Ja, Herr Turano. Alle Vorkehrungen auf dieser Seite des Portals und auf der anderen in Rabed sind abgeschlossen.“   „Sehr gut“, nickt er zufrieden. „Gehen wir.“   Dr. Ryu schaltet die Teleportmaschine ein, sie brummt, klickt und blubbert und erschafft das wirbelnde Portal im Zentrum. Der Vater durchschreitet es als erstes. Sobald dieser verschwunden ist, schnappt sich Eren seine Tasche und folgt ihm mit geschlossenen Augen. Dennoch fühlt er die Reisekrankheit deutlich in seinem Magen. Wie er diese Art der Fortbewegung hasst. Egal wie praktisch es ist, es ist die Übelkeit definitiv nicht wert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)