Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 61: Hinterhalt ---------------------- „Wie schwer kann es sein, diesen bescheuerten Wolkenkratzer zu finden?!“, verlangt der Dämon lautstark zu erfahren, auch wenn er nicht wirklich eine Antwort erwartet.   Seinen Frust lässt er an der nächsten Reklametafel aus. Durch die Wucht verbiegen sich die Metallstreben, die die Reklame eigentlich halten sollten. Dem Mädchen mit dem breiten Zahnpasta-Lächeln darauf fehlen anschließend ein paar Zähne und es hat nun ein Loch im Gesicht, aus dem Funken sprühen. Die Beleuchtung flackert, fällt teilweise komplett aus und verleiht der Werbung so einen unheimlichen Touch.   Da diese Aktion sicher nicht unbemerkt bleiben wird und weil der Dämon keine Lust darauf hat entdeckt zu werden, flieht er ein paar Straßen weiter und landet auf der flachen Dachterrasse eines mehrstöckigen Wohngebäudes. Dort setzt er sich auf die niedrige Mauer, die das Dach komplett umschließt und prüft erneut seine Schwinge. Die Löcher sind noch da. Genau wie der Engel hat zwar auch der Dämon verbesserte Heilkräfte, allerdings nicht so ausgeprägt, weshalb es deutlich länger dauert, bis so einfache Verletzungen heilen, was den Dämon tierisch aufregt. Dafür kann er mehr Schmerzen ertragen, was die Sache ein wenig ausgleicht. Trotzdem … das größte Problem momentan sind und bleiben die Shurikenwunden. Sie tun nicht weh, aber sie behindern ihn beim Fliegen.   Genau das macht ihn im Augenblick so rasend. Das, dass es angefangen hat zu regnen und die Tatsache, dass er nicht in der Lage ist, ein einfaches Gebäude zu finden. So groß ist Haikla City nun auch wieder nicht! Zornig ballt er die Hände zusammen, schlägt damit neben sich auf die Mauer, wo er eine deutliche Mulde hinterlässt und hebt anschließend knurrend den Kopf auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit, um sich abzureagieren. Dabei ist es ihm vollkommen egal, ob die Möglichkeit atmet oder nicht. Er will nur auf etwas einschlagen.   Ein unerwarteter Knall gefolgt von plötzlichem Schmerz im rechten Knöchel lässt den Dämon kampfbereit aufspringen. Dabei fällt etwas klirrend zu Boden. Auch ohne dass er hinsieht, hätte er sagen können, was es ist. Das sich vom Knöchel ausbreitende Brennen ist Hinweis genug. Der Blick auf das Glasröhrchen mit der Nadel am einen und dem Puschel am anderen Ende bestätigt seinen Verdacht. Jemand hat ihn mit dem AEUD-Serum erwischt. Doch zu seinem Glück scheint die Menge nicht auszureichen, um ihn zu bezwingen. Ein Teil der silbernen Flüssigkeit steckt auch noch immer im Röhrchen.   Das heißt nicht, dass es komplett wirkungslos ist. Von der injizierten Menge her reicht es nicht, Eren aus dem Spiegel zu holen, aber es genügt, um sein Bein zu lähmen. Je weiter sich das Gift ausbreitet, desto stärker wird der Krampf in seinen Eingeweiden. Sein Sichtfeld verschwimmt. Das bedeutet, er muss schnell die Gegner ausschalten und ein Versteck finden, bis das Serum abgeklungen ist. So ein Mist! Und die Suche nach dem TuranoTower muss er auch noch abbrechen! Das missfällt ihm gewaltig.   Wütend sieht er hinunter in die Gasse zum Scharfschützen. Turanos Männer haben ihn schneller gefunden als vermutet. Als er den Mann entdeckt, blinzelt er sofort überrascht, ehe er sich argwöhnisch umsieht. Dort am Ende der Gasse steht ein einzelner Mann, der hektisch sein Gewehr nachlädt.   „Was? Nur einer?“, stellt der Dämon gekränkt fest, als er sonst niemanden finden kann. Gleichzeitig ist er am überlegen, ob dieser Mann der Mutigste oder Dümmste von Turanos Männern ist. Er beschließt Zweiteres.   Ist ja auch egal. Möglichkeit ist Möglichkeit. Der Dämon lässt eine Schattenkugel um seinen Zeigefinger kreisen, die er in dem Moment auf den Mann schnippt, als dieser seine Waffe hebt. Die Kugel durchbohrt dessen Kopf vollständig und schlägt hinter ihm im Asphalt ein. Allerdings hat der Mann nicht einen einzigen Kratzer abbekommen. Vollkommen unbeschadet zielt er auf den perplexen Dämonenjungen, der irritiert und angesäuert nach dem Grund sucht, und drückt ab. Gerade noch rechtzeitig erwacht der Dämon aus seiner Starre, geht gemächlich einen Schritt nach links und weicht so dem Pfeil aus. Inzwischen hat er auch die Erkenntnis erlangt, wieso sein Angriff danebenging, obwohl er zu hundert Prozent sicher getroffen hat.   „Du bist keiner der Wachen, richtig? Du bist auch eins von Turanos Experimenten“, sagt er mehr zu sich selbst. Für einen kurzen Moment blitzt Mitleid in den roten Augen auf, dieser Funke weicht jedoch sehr schnell wieder dem angriffslustigen Mordglitzern. „Ich werde dich von seinen fesselnden Lügen erlösen.“   Um dem Mann keine Chance zum Nachladen zu geben, der Dämonenjunge hat schließlich keine Ahnung, wie viele dieser Seren er noch dabei hat, stürzt er sich kopfüber vom Dach, breitet die Flügel aus und stürzt mit gespreizten Krallen auf ihn zu. Wenn der Mann Fernangriffe so leicht abwehren kann, greift der Dämon eben physisch an.   Sein Gegner trägt einfache Kleidung, eine Jeans, ein kariertes Hemd und eine gefütterte Lederjacke offen darüber. Wenn er sich so leger anziehen darf, gehört er doch sicher zu den höherrangigen Gefolgsleuten. Trotzdem hat Dämon-Eren ihn noch nie gesehen, weshalb er auch nichts über seine Fähigkeiten weiß. Andernfalls hätte er nicht beschlossen, einen Direktangriff zu starten. Genau wie seine Schattenkugel schlitzen auch seine Nägel nutzlos durch seinen Feind hindurch. Das lässt ihn frustriert knurren, als er sofort herumwirbelt und erneut zum Angriff ansetzt. Auch der Tritt gleitet so einfach durch seinen Bauch wie durch Luft.   „Lass dich endlich töten, du Feigling!“, verlangt der Dämon halb knurrend, halb schreiend.   Egal wie oft er es auch versucht, das Ergebnis bleibt dasselbe, was ihn zunehmend wütender macht. Sein Gegner jedoch denkt gar nicht daran, sich einfach so töten zu lassen. Obwohl der Mann eigentlich nichts zu befürchten hat, ist er dennoch vorsichtig und weicht sogar zurück. Außerdem ist der Dämon zu schnell, weshalb er nicht richtig zielen kann. Sobald er ihn im Visier hat, ist er auch schon wieder ganz woanders.   Nach ein paar Minuten wirkungslosem Herumschlagen sieht es der Dämon endlich ein, dass er ihn nicht treffen wird. Er hält sich im zweiten Stock am Geländer der Feuerleiter seitlich des Wohngebäudes fest und fixiert den Mann unter sich so finster er kann. Vielleicht funktioniert es ja, ihn mit Blicken zu erdolchen?   Sein rechtes Bein ist mittlerweile komplett taub, weshalb es nur nutzlos herunterhängt. Auch seine Organe fangen an, eine schmerzende Karussellfahrt zu planen und er erkennt größtenteils nur noch verschwommene Flecken. Seine Kräfte haben sich ebenfalls drastisch vermindert. Er schafft es nur noch maximal fünf ziemlich schwache Schattenkugeln auf einmal zu kreieren und sein Feuer ähnelt mehr einem Streichholz als einem Flammenwerfer. Trotzdem weigert er sich, aufzugeben. Er hat sogar versucht, dem Mann das Gewehr aus der Hand zu schlagen, um zumindest die Gefahr des Serums zu eliminieren, aber nicht einmal die Waffe konnte er berühren. Das kann doch nicht sein, dass ein einziger Mann mit einer bescheuerten Materielosigkeit ihn, einen Engel-Dämon-Hybriden, besiegt! Das kann der Dämon nicht akzeptieren! Das ist doch lächerlich! Welchen Trick benutzt dieser fremde Typ, der plötzlich hier aufgetaucht ist? Was ist seine Schwachstelle?!   Der Dämon kann nicht anders. Er muss einfach erneut angreifen. Es ist schließlich unmöglich, dass ein einzelner Mann ihm überlegen ist. Noch dazu einer mit so einer einfachen, langweiligen Fähigkeit! Er reißt sich zusammen und stürzt sich mit einem heiseren Schrei erneut auf seinen Gegner, seine Hände in Flammen gehüllt. Er weiß, es ist nutzlos, aber irgendetwas muss doch funktionieren! Irgendeine seiner Kräfte müssen ihn doch trotz des geisterhaften Körpers verletzen können!   Das hier kratzt sehr am Stolz des Dämons. Genau dieser Stolz und die Unachtsamkeit führen schließlich dazu, dass er nicht realisiert, wie der Mann vor ihm die Waffe hebt, zielt und abdrückt. Erst den Stich in der Brust, dicht gefolgt vom sich entfaltenden Serum wecken ihn aus seinen Gedanken. Durch den Schock darüber, getroffen worden zu sein, stürzt er zu Boden, wo er nach zwei Purzelbäumen gegen einen Müllcontainer kracht und benommen an diesen gelehnt sitzen bleibt. Dort zieht er sich mit zusammengebissenen Zähnen das Röhrchen aus der Brust und wirft es weg. Allerdings zu spät. Diesmal hat er die gesamte Ladung des Serums abbekommen, dessen Wirkung sich sofort bemerkbar macht.   Säure breitet sich im Körper des Dämonenjungen aus. Auf ihrem Weg zerfrisst sie jede einzelne Zelle bis wirklich jede Faser seines Körpers brennt. Ihm ist gleichzeitig so heiß, als würde er in einem Kochtopf sitzen, während er vor Kälte eine Gänsehaut bekommt und stark zu zittern anfängt. In seinem Kopf arbeitet eine ganze Abrissfirma daran, seine Schädeldecke zu spalten und vor seinen Augen dreht sich diese stinkende Gasse. Es dauert nicht lange, bis er schwarzes Blut hustet, das ihm kurz darauf aus Nase, Augen und Ohren zu tropfen beginnt. Auch das Atmen meidet er, da jeder Atemzug es nur schlimmer zu machen scheint. Entschlossen, jetzt hier nicht ohnmächtig zu werden, kämpft Dämon-Eren gegen die Schmerzen an.   Der Mann nähert sich vorsichtig mit erhobener Waffe dem bewegungsunfähigen Dämonenjungen, der ihn aus trüben Augen rachsüchtig anfunkelt. Testhalber stupst er ihn mit der Stiefelspitze an. Mehrmals. Als der Junge keine Anstalten macht aufzuspringen und anzugreifen, geht der Fremde ein paar Schritte zurück, zieht ein Handy aus der Jackentasche und wählt eine Nummer.   „Hey, ich hab ihn. Du kannst herkommen“, teilt er der Person am anderen Ende der Leitung mit.   Für den Dämon klingt es so, als wäre sein Va- … als wären Turano und/oder Ajax in der Nähe. Aber warum hat Letzterer nicht selbst eingegriffen? Ist er zu verwundet? Dabei fällt ihm noch etwas auf, was eindeutig beweist, dass sein Verstand von dem Serum in dichten Nebel gehüllt ist. Er hat noch immer die Dämonengestalt. Aber wieso? Sollte das Serum nicht ausreichen, um Eren zurückzubringen? Weigert der sich etwa, aus dem Spiegel zu kommen? Oder ist der Dämon einfach stärker als er selbst angenommen hatte, sodass er noch genug Kraft besitzt, um aktiv zu bleiben? Er beschließt, dass die zweite Option ihm besser gefällt.   Dennoch erfüllt das Serum seinen Zweck. Abgesehen von den höllischen Schmerzen, der Taubheit und dem defekten Sichtfeld sind auch die roten Adern zurückgegangen, sodass sie nur noch die Hand bedecken. Auch das schwarze Mal ist ein wenig geschrumpft, es reicht jetzt nur noch bis zum Ellbogen, aber trotzdem ist der Dämon noch bei Bewusstsein. Er selbst war zwar nie wach, wenn sein Gegenstück das Serum bekommen hat, aber soweit er es beurteilen kann, war es bei dem Engel wirkungsvoller. Okay, dass Eren damals auch in einer besseren seelischen Verfassung war, könnte auch eine Rolle spielen. Außerdem sind seine Kräfte natürlich um ein Vielfaches stärker als die des schwachen Engels, redet er sich ein.   Aus dem Augenwinkel nimmt er eine Bewegung wahr. Eine Frau läuft auf die beiden zu. Sie trägt Turnschuhe, eine schwarze Jeans und einen grünen Pullover, der im halb geöffneten Reißverschluss unter ihrem dunkelblauen Mantel hervorlugt. Sobald sie den Dämonenjungen erblickt, taucht ein erschrockener, irritierter Ausdruck auf ihrem Gesicht auf.   „Was? Er hat noch die Dämonengestalt? Wie viel Serum hast du ihm injiziert?“, möchte sie von dem Mann wissen, der noch immer den Lauf auf die Brust des Dämons richtet.   „Zwei. Allerdings weiß ich nicht, wie viel vom Ersten tatsächlich in seinen Körper gelangt ist“, gibt er ehrlich zu.   „Okay.“ Sie geht näher zu ihm, wird jedoch am Arm festgehalten.   „Sei vorsichtig. Er scheint gefährlicher zu sein, als du mir beschrieben hast.“   Beruhigend lächelt sie ihn an. „Keine Sorge. Ich ken...“   „Lia, pass auf!“   Der Dämon hat soeben beschlossen, seine Theorie über seine Überlegenheit gegenüber dem Engel zu prüfen. Er hat seine gesamten verbliebenen Kraftreserven mobilisiert und es dadurch tatsächlich geschafft ein bisschen von der Taubheit zurückzudrängen. Gerade genug, um einen letzten, verzweifelten Angriff zu starten. Er ist aufgesprungen mit dem Ziel, seine Krallen durch die Kehle der Frau zu ziehen, die ihm am nächsten mit dem Rücken zugewandt steht. Allerdings hat der Mann das natürlich bemerken müssen und da er noch immer die Waffe auf ihn gerichtet hielt, hat er reflexartig abgedrückt.   Und jetzt kniet der Dämon zitternd auf allen Vieren, spuckt pausenlos Blut und wünscht sich, zu seiner Schande, er würde endlich zurück in den Spiegel gezogen werden, damit Eren diese Qualen ertragen muss und nicht er. Lange muss er darauf auch nicht warten. Der schwarze Nebel erscheint, trägt das Dämonische fort und bringt den Jungen zurück, der sofort bewusstlos zusammenbricht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)