No World of Beauty von Flordelis ================================================================================ Kapitel 1: Ich biete Ihnen eine Möglichkeit ------------------------------------------- [LEFT]Wenn Sina den Blick durch das Fenster über das nächtliche, hell erleuchtete Illumina City schweifen ließ, das voll mit Menschen und Pokémon war, empfand sie es als kaum vorstellbar, dass es gerade mal sechs Monate her war, dass Team Flare geplant hatte, all das zu zerstören.[/LEFT] [LEFT]Natürlich war es ihnen nicht gelungen, denn sie, Dexio und die von dem Professor ausgewählten Kinder hatten das abwenden können. Leider war es nicht zu verhindern gewesen, dass das Geheimversteck von Team Flare dabei eingestürzt war und sämtliche anwesende Mitglieder dabei in den Tod gerissen hatte. Auch ihren Anführer, Flordelis, der bis zum Ende von seinem Plan überzeugt gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Kalos, das kurzzeitig in eine Schockstarre verfallen war, hatte diesen Zustand schnell wieder abgeschüttelt und genauso weitergemacht wie vorher. Menschen lebten zusammen mit Pokémon, halfen sich gegenseitig oder verletzten einander, ob bewusst oder unbewusst.[/LEFT] [LEFT]Flordelis' ideale Welt der Schönheit war keine Realität geworden, auch ohne ihn nicht. Aber viele würden bestimmt darauf beharren, dass die Welt ohne ihn und Team Flare ein besserer Ort war. Vielleicht wurde deswegen nicht um ihn getrauert, sein Tod von so vielen ignoriert.[/LEFT] [LEFT]Doch es gab auf jeden Fall eine Person, der sein Schicksal naheging. Und Sina arbeitete für diese.[/LEFT] [LEFT]Seufzend schloss sie das Fenster durch das viel zu kalte Luft hereinströmte. Das ganze Labor fühlte sich schon wie ein Kühlschrank an. Warum hatte der Professor es auch offen gelassen?[/LEFT] [LEFT]Wahrscheinlich ist er noch hier, deswegen brennt auch noch Licht.[/LEFT] [LEFT]Um ihre Theorie zu überprüfen, ging sie um den Raumtrenner herum. »Professor?«[/LEFT] [LEFT]Tatsächlich entdeckte sie Platan an seinem Schreibtisch, den Kopf auf seine Arme gebettet, so wie es aussah, schlief er – und die leere Weinflasche neben ihm schien der Grund dafür zu sein.[/LEFT] [LEFT]Seufzend ließ sie den Blick über das Chaos schweifen, das er für heute hinterlassen hatte. Dokumente lagen teilweise kreuz und quer auf dem Boden, das Weinglas war umgekippt, seinen Kittel hatte er einfach achtlos über die Rückenlehne seines Bürostuhls geworfen und aufgeschlagene Bücher stapelten ungünstig neben dem Tisch übereinander, wodurch einige Seite in Mitleidenschaft gezogen worden waren.[/LEFT] [LEFT]Statt aufzuwachen vergrub er den Kopf noch tiefer in seine Arme und seufzte im Schlaf leise.[/LEFT] [LEFT]Sie konnte nicht böse auf ihn sein, weil er nun einmal wirklich ... bedrückt war. Aber wenn er nicht aufpasste, würde er sich auch noch erkälten oder sich in dieser ungemütlichen Lage den Rücken verrenken. Zum Glück war sie noch einmal zurückgekommen, weil sie etwas vergessen hatte.[/LEFT] [LEFT]»Professor«, sprach sie ihn erneut an, während sie sich dem Schreibtisch näherte, »Sie können hier nicht schlafen. Sie müssen nach Hause.«[/LEFT] [LEFT]Um das zu unterstreichen legte sie eine Hand auf seine Schulter, um ihn wirklich zu wecken.[/LEFT] [LEFT]Langsam und träge hob Platan den Kopf und richtete sich ein wenig auf.[/LEFT] [LEFT]»... Was?«, murmelte er verschlafen.[/LEFT] [LEFT]Er setzte sich aufrecht hin, sah sich blinzelnd orientierungslos um und starrte anschließend Sina für einige Sekunden schweigend an.[/LEFT] [LEFT]Sie erwiderte seinen Blick besorgt, obwohl es nicht danach aussah, als wüsste er, was eigentlich los war. Aber plötzlich wirkte es für eine Sekunde so, als erfasse ihn ein kaltes Grauen.[/LEFT] [LEFT]»Oh, Sina, guten Tag.« Er räusperte sich rasch und legte ein bemühtes Lächeln auf. »Entschuldige bitte. Ich habe nicht erwartet, dass einer von euch heute nochmal im Labor erscheint. Kann ich dir helfen?«[/LEFT] [LEFT]Seine Miene wirkte angespannt, aber sie wagte nicht, etwas deswegen zu sagen. Als seine Assistentin war das wahrscheinlich nicht angebracht. Dabei wünschte sie sich einfach nur, dass er sich die Zeit nähme, die Ereignisse zu verarbeiten. Und das Labor war dafür bestimmt nicht der beste Ort.[/LEFT] [LEFT]»Sie könnten mir helfen, wenn Sie nach Hause gehen und sich ausschlafen würden.« Zumindest so viel konnte sie doch hoffentlich vorbringen. »Sie werden noch krank werden, wenn sie bei offenem Fenster im Büro schlafen.«[/LEFT] [LEFT]Einen kurzen Moment sah er in Richtung des inzwischen geschlossenen Fensters, als beantwortete ihm das etwas.[/LEFT] [LEFT]»Natürlich, du hast vollkommen recht«, stimmte Platan ihr ruhig zu und stand sofort auf, wobei er sich an seinem Schreibtisch festhielt. Vorsichtig stellte er anschließend das Weinglas wieder hin. »Du musst hier nicht aufräumen. Darum kümmere ich mich nächstes Mal selbst. Danke, dass du mich geweckt hast.«[/LEFT] [LEFT]Würde er das wirklich aufräumen? Sina zweifelte ein wenig daran. Wenn sie morgen vor ihm ins Büro käme, würde sie sich doch lieber selbst darum kümmern, bevor er davon überfordert werden würde.[/LEFT] [LEFT]Platan griff nach seinem Kittel und zog ihn sich über.[/LEFT] [LEFT]»Kommen Sie allein nach Hause?«, fragte Sina. »Ich kann Sie auch begleiten.«[/LEFT] [LEFT]Lächelnd winkte Platan ab, genau wie sie erwartet hatte. »Das weiß ich sehr zu schätzen, aber das schaffe ich schon.«[/LEFT] [LEFT]Sina zweifelte daran. Aber sie konnte ihm auch nicht widersprechen, immerhin war er ihr Chef, sie sollte tun, was er sagte, statt mit ihm zu diskutieren, gerade wenn es ihm so schlecht ging.[/LEFT] [LEFT]Platans Blick wanderte Richtung Fenster, dann sah er auf seine Armbanduhr, in die gleichzeitig sein – nun nutzloser – Holo-Log eingearbeitet worden war. Wünschte er sich gerade, Flordelis anrufen zu können? Oder sah er wirklich einfach nur auf seine Uhr? In den letzten Monaten hatte sie sich das oft gefragt, aber nie eine Antwort erhalten, denn sie traute sich nicht, die Frage auszusprechen, aus Furcht, ihn nur noch mehr zu deprimieren.[/LEFT] [LEFT]»Wir sehen uns morgen«, verabschiedete er sich freundlich und gab ihr damit, so deutlich wie es ihm möglich war, zu verstehen, dass sie gehen sollte.[/LEFT] [LEFT]Also gab sie nach: »Ja, bis morgen, Professor. Seien Sie vorsichtig.«[/LEFT] [LEFT]So schön Illumina City auch war, nachts gab es dennoch nicht wenige Schurken, die nur darauf warteten, jemanden auszurauben oder einfach nur zu verletzen. Aber wenn er ihre Hilfe nicht wollte, konnte sie ihm diese auch nicht aufdrängen. Deswegen verließ sie das Labor vor ihm.[/LEFT] [LEFT]Dabei blieb ihr nur weiter zu hoffen, dass Platan vorsichtig sein würde - denn es wäre mit Sicherheit tragischer für alle, wenn sie auch noch um ihn trauern müssten.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Nachdem Platan kontrolliert hatte, ob sämtliche Lichter ausgeschaltet, alle wichtigen Räume sowie Fenster verschlossen waren, verließ auch er kurze Zeit später das Labor. Zügig zeigte die frische, kühle Nachtluft ihre Wirkung und sein Kopf fing an zu dröhnen, als würde ein Garados darin wüten. Er verzog das Gesicht und rieb sich über die Stirn.[/LEFT] [LEFT]Ich vertrage einfach keinen Alkohol ...[/LEFT] [LEFT]Mit langsamen Schritten trat er den Heimweg an. Ab und zu wurde ihm etwas schwindelig, also hielt er zwischendurch kurz an, bis es wieder besser war. Auf die Weise dürfte es eine Ewigkeit dauern, bis er am Ziel ankäme, doch das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Warum musste er unbedingt die komplette Weinflasche leeren?[/LEFT] [LEFT]Weil Flordelis nie wieder etwas trinken kann ...[/LEFT] [LEFT]Genau wie alle anderen von Team Flare, die im Untergrund ums Leben gekommen waren. Natürlich half es ihnen nicht, wenn Platan sich an ihrer Stelle zu viel Wein zuführte, doch ein verzweifelter Teil in ihm hatte gehofft, seinem guten Freund dadurch irgendwie noch einmal nahe sein zu können. Im Bistro Flordelis hatte er diesen Wein stets abgelehnt und wollte das nun nachholen. Eine dumme Idee, wie seine Kopfschmerzen ihm bestätigten.[/LEFT] [LEFT]Platan sollte wahrscheinlich allmählich aufhören zu trauern, doch er konnte nicht. Er wollte nicht. Sonst erinnerte sich niemand mehr an Flordelis und Team Flare. Und dann waren sie endgültig tot. Müde fuhr er sich mit der Hand über die brennenden Augen. Flordelis würde ihm sicher eine Standpauke halten, wenn er ihn so sehen würde. So weit hätte es schließlich nicht kommen müssen.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich hörte er ein vernehmliches Räuspern hinter sich, gefolgt von Schritten und einer Stimme: »Professor Platan, auf ein Wort.«[/LEFT] [LEFT]Platan hielt sofort inne. Um diese Uhrzeit in Illumina City angesprochen zu werden war nicht unbedingt ein sonderlich gutes Zeichen. Noch dazu wusste diese Person, wer er war. Er sollte besorgt sein, doch er wollte nicht direkt das Schlimmste vermuten. Möglicherweise benötigte nur jemand Hilfe oder einen Rat. Ein Grund mehr, sich möglichst gefasst umzudrehen.[/LEFT] [LEFT]Auf den ersten Blick kam ihm der Mann, der sich ihm näherte, nicht bekannt vor. Allerdings könnte es auch am Alkohol liegen und sein Gedächtnis war momentan etwas getrübt. Aber diese schneeweißen Haare und die roten Augen hätte er sich doch bestimmt besonders gemerkt, oder?[/LEFT] [LEFT]»Guten Abend«, grüßte Platan den anderen freundlich. »Verzeihen Sie bitte, aber kennen wir uns?«[/LEFT] [LEFT]Da Platan der Professor von Kalos und somit kein vollkommen unbekanntes Gesicht war, könnte der Mann ihn auch deswegen erkannt haben. Fragen wollte er trotzdem vorsichtshalber.[/LEFT] [LEFT]»Guten Abend«, grüßte der Mann zurück. »Nein, wir sind uns noch nie begegnet, Professor. Mein Name ist Ascor.«[/LEFT] [LEFT]Platan wartete darauf, dass dieser ihm unbekannte Mann fortfuhr und ihm endlich erklärte, was er wollte. Zumindest glaubte er nicht mehr, dass der andere ihm etwas Böses wollte. Welcher Schurke stellte sich schon mit Namen vor?[/LEFT] [LEFT]»Es tut mir leid, dass ich Sie mitten in der Nacht direkt auf der Straße anspreche«, sagte Ascor. »Aber ich habe Sie schon eine Weile beobachtet - und ich denke, ich kann Ihnen helfen.«[/LEFT] [LEFT]»... Was?«, entgegnete Platan unsicher und überfordert.[/LEFT] [LEFT]Dieser Mann hatte ihn beobachtet? Normalerweise sollte er an der Stelle misstrauisch sein, oder? Aber alles, was er spürte war Verwirrung.[/LEFT] [LEFT]Er runzelte ein wenig die Stirn. »Wobei genau glauben Sie mir helfen zu können?«[/LEFT] [LEFT]Bei der Forschung? Aufgrund seiner Trauer stagnierte sie seit einem halben Jahr beinahe vollständig. Sina und Dexio halfen ihm aber bereits so gut sie konnten. Fremden würde er zudem garantiert keinen Zugang zu seinen bisherigen Forschungsdaten gewähren.[/LEFT] [LEFT]Oder meinte Ascor etwas anderes?[/LEFT] [LEFT]Ein grausam naiver Funken in ihm wollte glauben, dass Ascor ihm vielleicht gleich einen wundersamen Weg anbot Flordelis und Team Flare zu retten, was unmöglich war. Das Schicksal, von dem er damals stets so fasziniert gewesen war, ließ sich leider nicht mehr ändern, sobald es seine Spur hinterließ. Seine Brust schmerzte bei dem Gedanken, noch mehr als sein Kopf.[/LEFT] [LEFT]»Ich biete Ihnen eine Möglichkeit, das Schicksal Ihres Freundes zu ändern.«[/LEFT] [LEFT]Platans Augen weiteten sich. Hatte Ascor das wirklich gesagt oder spielte ihm seine Wahrnehmung gerade einen bösen Streich? Lag es am Alkohol?[/LEFT] [LEFT]Etwas in Ascors Augen schien zu glitzern, als er ausholte: »Es ist doch unfair, dass die ganze Stadt so tut als wäre es eine gute Sache, dass Flordelis nicht mehr da ist, oder? So falsch seine Methoden auch waren, im Endeffekt war es immer sein Wunsch gewesen, die Welt zu retten. Und wie dankt ihm genau diese? Mit einer geradezu beunruhigenden Freude oder sogar Ignoranz über sein Ableben. Das kann doch nicht sein endgültiges Schicksal sein, oder?«[/LEFT] [LEFT]Abwartend blickte er Platan nach diesen Worten an.[/LEFT] [LEFT]Angespannt ballte dieser die Hände zu Fäusten. Es war definitiv unfair. Dieses Ende, das Flordelis und Team Flare erlitten hatten, war keine gute Sache. So etwas hatte vor allem sein Freund nicht verdient.[/LEFT] [LEFT]Aber wie sollte man es ändern können? Das waren nur leere Worte, er sollte ihnen kein Gehör schenken. Er sollte sich höflich verabschieden und einfach weitergehen.[/LEFT] [LEFT]Doch er konnte nicht.[/LEFT] [LEFT]Was, wenn es doch eine winzige Chance gäbe, etwas zu ändern?[/LEFT] [LEFT]Sein Verstand sagte ihm weiterhin, es sei unmöglich. Sein Herz wollte dagegen verzweifelt nach jedem Strohhalm greifen, auch wenn er hinterher nur enttäuscht und verletzt wäre, weil es nichts gab, was er tun könnte.[/LEFT] [LEFT]»Was ... für eine Möglichkeit?«, hakte Platan aufgewühlt nach.[/LEFT] [LEFT]Ascor griff in seine Tasche und zog einen Kristall hervor, der im einfallenden Mondlicht sacht schillerte. Platan konnte sich nicht erinnern, einen solchen je zuvor gesehen zu haben. Unter anderen Umständen hätte ihn das geheimnisvolle Schillern ungeheuer fasziniert und ihm wären sicherlich auch spontan einige Märchen eingefallen, bei denen ebenfalls solche Gegenstände eine Rolle spielten. Gegenwärtig war er aber viel zu durcheinander.[/LEFT] [LEFT]»Das hier ist der Schlüssel ...« Ascor lächelte sacht. »Oder vielleicht eher das Schloss? Denn ich benötige die Wirkung Ihres Schlüsselsteins, um damit einen Riss im Zeitgefüge zu öffnen, der es Ihnen ermöglichen würde, die Vergangenheit zu verändern.«[/LEFT] [LEFT]Wie sollte dieser Kristall und sein Schlüsselstein ein Riss im Zeitgefüge öffnen?[/LEFT] [LEFT]Warum gerade sein Schlüsselstein? Mega-Entwicklungen funktionierten bei ihm nicht. Sein Schlüsselstein würde keinerlei Reaktion zeigen. Oder etwa doch?[/LEFT] [LEFT]»Soll das heißen, ich könnte in die Vergangenheit reisen?« Eine naive Hoffnung erwachte in ihm, obwohl er überhaupt nicht verstand, wie das möglich sein sollte. »Meinen Sie das ernst?«[/LEFT] [LEFT]»Verstehen Sie das nicht falsch«, beeilte Ascor sich direkt, es ausführlicher zu erklären. »Es ist keine körperliche Zeitreise, lediglich Ihre Erinnerungen werden durch diesen Riss reisen. Sie würden also vor dem Niedergang von Team Flare in Ihrem damaligen Körper erwachen, mit allen Erinnerungen, die Sie bis heute gesammelt haben.«[/LEFT] [LEFT]Platan nickte nachdenklich. Seine Kopfschmerzen rückten in den Hintergrund.[/LEFT] [LEFT]Nur die Erinnerungen. Das klang zwar auch verrückt, aber durchaus machbar, oder? Mehr als ein Zeitsprung mitsamt des eigenen Körpers. Eigentlich sollte er diese Möglichkeit ablehnen, immerhin waren solche Spielereien viel zu gefährlich. Auch für die Welt an sich. Dabei konnte zu viel schiefgehen. Vor einem halben Jahr hätte Platan sich deshalb prinzipiell nicht auf so etwas eingelassen.[/LEFT] [LEFT]Aber was hatte er jetzt noch zu verlieren?[/LEFT] [LEFT]»Wenn das wirklich funktioniert, will ich es ausprobieren«, beschloss er, ohne weiter darüber nachzudenken.[/LEFT] [LEFT]Falls sich herausstellen sollte, dass Ascor sich nur einen Spaß mit ihm erlaubt hatte, wäre das schmerzhaft, doch in dem Fall müsste er sich wenigstens nichts vorwerfen. Ascor zu ignorieren und sich ewig zu fragen, ob es funktioniert hätte, wäre wesentlich schlimmer.[/LEFT] [LEFT]Ascor zog ein wenig die Brauen hoch, ließ sich aber nicht in seinem Triumph stören: »Hervorragend. Sie werden es nicht bereuen, Professor. Wir haben auch alles, was wir dafür benötigen, direkt hier. Falls Sie bereit sind, können wir es sofort durchführen.«[/LEFT] [LEFT]Das überraschte Platan. Sie mussten nicht erst in eine Art Labor oder etwas dergleichen? Wenn wirklich nur dieser Kristall und sein Schlüsselstein nötig waren, machte ein Ortswechsel wohl nicht viel Sinn. Dennoch sah er sich besorgt um. Im Moment waren zwar keine anderen Menschen oder Pokémon zu sehen, aber ...[/LEFT] [LEFT]Ist das denn sicher, wenn wir das hier draußen machen?[/LEFT] [LEFT]Waren keine Vorkehrungen nötig?[/LEFT] [LEFT]Nein, er sollte nicht zu viel darüber nachdenken. Sein Verstand könnte ihn sonst noch davon abhalten, sich weiter auf Ascor einzulassen.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung ...« Unruhig sah er Ascor an. »Was genau muss ich tun?«[/LEFT] [LEFT]Falls der andere von seinem Verhalten verunsichert war, so zeigte er es nicht. Stattdessen hielt er den Kristall nach oben. »Sie müssen diesen Kristall nur mit Ihrem Schlüsselstein berühren.«[/LEFT] [LEFT]Für einen flüchtigen Moment huschte etwas über Ascors Gesicht, aber es war zu schnell vorbei als dass Platan es wirklich hätte betrachten können.[/LEFT] [LEFT]Dann ließ Ascor den Kristall noch einmal sinken. »Aber Professor Platan ... Wunder gibt es nicht umsonst. Wenn Sie in der Vergangenheit sind, werden Sie auch etwas für mich tun müssen.«[/LEFT] [LEFT]Das hätte Platan wohl bedenken sollen. Sonst war er nicht so unaufmerksam. Natürlich, welches Wunder war schon umsonst? Jemand, der einen Weg wusste, um einen Zeitriss zu öffnen, verlangte sicher mehr als nur eine bestimmte Person in der Vergangenheit zu grüßen. Solange Ascor aber kein Verbrechen von ihm verlangte, sollte sich alles regeln lassen.[/LEFT] [LEFT]Seine Kopfschmerzen drängten sich wieder in den Vordergrund und er griff sich an die Stirn, während er bereits nachfragte: »Ich verstehe ... was soll ich in der Vergangenheit für Sie machen?«[/LEFT] [LEFT]»Nichts Schlimmes«, beruhigte Ascor ihn sofort. »Wenn Sie in der Vergangenheit sind, müssen Sie mich aufsuchen. Aber nicht sofort, sondern erst, wenn die Zeit gekommen ist.«[/LEFT] [LEFT]Bevor Platan fragen konnte, welche Zeit er meinte, blickte der andere ihn schon fest an und öffnete dann den Mund: »▓▓▓▓▓.«[/LEFT] [LEFT]Platan blinzelte verwirrt. Diese Störung ... das konnte nicht real gewesen sein. Es musste am Alkohol liegen.[/LEFT] [LEFT]»Sie verstehen es noch nicht«, sagte Ascor, noch ehe er nachhaken konnte. »Aber sobald Sie wissen, was das bedeutet, werden Sie auch wissen, wo Sie mich in der Vergangenheit finden können. Dann müssen Sie mich aufsuchen."[/LEFT] [LEFT]Diese Worte von Ascor verwirrten ihn nur noch mehr. Außerdem beunruhigten sie ihn. Das klang viel zu kryptisch. Könnte er diese eigenartige Bitte wirklich erfüllen?[/LEFT] [LEFT]Dennoch nickte er wie von selbst, kaum dass Ascor zu Ende gesprochen hatte, und trotz einiger Zweifel, die in ihm aufkamen. »Ich werde das erledigen.«[/LEFT] [LEFT]Irgendetwas war seltsam. Er legte eine Hand auf seine Brust, in der er einen leichten Druck verspürte. Schmerzhaft fühlte es sich nicht an, doch etwas daran war unangenehm. Befremdlich. Konnte er dafür auch noch dem Alkohol die Schuld geben?[/LEFT] [LEFT]Nachdem er tief durchgeatmet hatte, wandte er sich wieder an Ascor. »Wenn es sonst nichts zu beachten gibt, sollten wir anfangen, bevor ich mich ... nein, ich mache das.«[/LEFT] [LEFT]Er wollte sich nicht umentscheiden. Er konnte sich nicht umentscheiden. Er musste Flordelis wiedersehen.[/LEFT] [LEFT]»Eine gute Entscheidung«, lobte Ascor. »Denken Sie immer daran, dass Sie das Schicksal ändern können. Sie dürfen nur nicht aufgeben.«[/LEFT] [LEFT]Nicht aufgeben. Ja, das sollte er verinnerlichen. Falls es denn funktionierte. Er konnte sich das noch nicht so recht vorstellen, aber er wollte es unbedingt versuchen.[/LEFT] [LEFT]Ascor hob den Kristall wieder und hielt ihn Platan abwartend entgegen.[/LEFT] [LEFT]Platan betrachtete seine Armbanduhr. Sein Schlüsselstein war an dem Band über dem Ziffernblatt befestigt. Für ihn war es einfach nur ein Schmuckstück, immerhin war er nicht dazu fähig Mega-Entwicklungen einzusetzen. Da er sie dennoch erforschte, trug er ihn gerne bei sich. Als kleine Motivation. In den letzten sechs Monaten hatte das nicht geholfen.[/LEFT] [LEFT]Vorsichtig nahm Platan Ascor den Kristall ab und drehte ihn kurz in seiner Hand. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Und doch führte er ihn zu seinem Schlüsselstein, bis beide Elemente sich berührten.[/LEFT] [LEFT]Sofort erhellte eine Lichtexplosion die Straße. Kristall und Schlüsselstein leuchteten und schillerten in allen möglichen Farben, brodelten voller Energie, die blaue Blitze neben ihnen entstehen ließen. Aber vor allem erzeugten sie einen Sog, der sich auf Platan konzentrierte.[/LEFT] [LEFT]Auch wenn er darauf gehofft hatte, es würde funktionieren, war er erschrocken und vollkommen überfordert. All das Licht. Die Farben. Vor allem diese Energie. Der seltsame Druck in seiner Brust wurde schlagartig stärker, als würde etwas in ihm rasant anschwellen. Möglicherweise seine Panik, die ihn kurzzeitig erfasste. Er hätte mehr Informationen einholen sollen, doch dafür war es nun zu spät.[/LEFT] [LEFT]»Vergessen Sie nicht«, rief Ascor über den Lärm hinweg, »▓▓▓▓▓!«[/LEFT] [LEFT]Ascors Stimme drang nur schwach zu ihm durch, das erneute Rauschen dagegen schien ohrenbetäubend laut zu sein.[/LEFT] [LEFT]W-was?![/LEFT] [LEFT]Alles vor seinen Augen verschwamm. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es so, als würde er aus seinem Körper herausgerissen und herumgeschleudert werden. Absolut kein gutes Gefühl. Es hielt nur kurz an, bevor er sich anschließend unnatürlich leicht fühlte. Im nächsten Moment ... war es plötzlich vorbei und er fühlte sich wieder normal.[/LEFT] [LEFT]Abwesend starrte er einfach nur ins Leere.[/LEFT] [LEFT]Bis einige Sekunden später Dexios Stimme ertönte. »Professor?«[/LEFT] [LEFT]Moment.[/LEFT] [LEFT]Dexio?[/LEFT] [LEFT]Platan blinzelte mehrmals und benötigte mehrere Sekunde, bis er sich fangen konnte. Irritiert sah er sich um. Auf einmal stand er in seinem Büro, im Labor, vor dem Schreibtisch von Sina und Dexio. Warmes Sonnenlicht drang durch die Fenster herein. Dartiris zwitscherten draußen fröhlich und verdrängten den letzten Nachhall des Rauschens.[/LEFT] [LEFT]Was war gerade passiert?[/LEFT] [LEFT]»Ist alles in Ordnung, Professor?«, fragte Sina plötzlich.[/LEFT] [LEFT]Mühevoll versuchte Platan sich auf sie und Dexio zu konzentrieren. Letzterer wirkte fast so verwirrt, wie er sich selbst fühlte. Schnell stand seinem Assistenten aber deutlich die Sorge ins Gesicht geschrieben.[/LEFT] [LEFT]»J-ja«, antwortete er rasch und hob unbeholfen die Hände. »Alles in Ordnung.«[/LEFT] [LEFT]Hoffte er jedenfalls. In Wahrheit war er sich selbst nicht so sicher. Deshalb konnte er nicht anders und ließ ein weiteres Mal den Blick durch das Büro schweifen. Keinen Zweifel, es war sein Arbeitsplatz. Zumindest sah es danach aus und es fühlte sich auch vertraut an.[/LEFT] [LEFT]»Sind Sie sicher?«, hakte Dexio zweifelnd nach. »Sie wirken nicht so, als wäre alles in Ordnung.«[/LEFT] [LEFT]Platan zwang sich zu einem Lächeln, was ihm nur mäßig gelang. »Ja, wirklich, alles gut. Ich ... sollte wohl nur besser nicht nochmal so viel trinken.«[/LEFT] [LEFT]Den letzten Teil wollte er eigentlich gar nicht laut aussprechen, es kam einfach so über seine Lippen. Was er gerade durchlebte, musste dieser sagenumwobene Filmriss sein, von dem er schon viel gehört hatte. Anders konnte er sich das nicht erklären. Er war nicht wirklich mit seinen Erinnerungen durch die Zeit gereist. Oder?[/LEFT] [LEFT]»Äh ...« Sina warf einen kurzen Blick zu Dexio. »Professor, geht es Ihnen wirklich, wirklich gut? Sie haben doch noch nie getrunken.«[/LEFT] [LEFT]Platan sah seine Assistentin weiterhin irritiert an. »Aber Sina, du hast mich doch ...«[/LEFT] [LEFT]Wollte sie ihm etwa helfen, sein Gesicht vor Dexio zu wahren? Wie rücksichtsvoll. Immerhin käme es sicher bei vielen nicht gut an, wenn es die Runde machte, dass er sich in seinem Büro betrunken hatte.[/LEFT] [LEFT]Oder ...[/LEFT] [LEFT]Nein, das konnte nicht sein. Er musste diesen naiven Funken Hoffnung löschen, bevor er deswegen noch verrückt wurde. Diese Situation war ohnehin schon unangenehm genug.[/LEFT] [LEFT]»Wir haben uns doch gestern Nacht hier im Büro getroffen, oder?«, fragte Platan, mit gemischten Gefühlen. »Du hast mir noch gesagt, ich solle zu Hause schlafen. Erinnerst du dich?«[/LEFT] [LEFT]Sina deutete ein Kopfschütteln an. »Professor, haben Sie schon vergessen, dass sie mich gestern Abend nach Hause geschickt haben, weil ich zu viel gearbeitet habe? Ich war letzte Nacht nicht im Büro.«[/LEFT] [LEFT]Sie sah ihn einen Moment lang einfach nur an, während seine Gedanken das Gehörte zu verarbeiten versuchten, dann fügte sie noch etwas an: »Sollen wir doch lieber einen Arzt rufen? Oder brauchen Sie einen freien Tag? Sie dürfen nicht nur darauf achten, dass wir uns schonen, Sie müssen sich auch selbst ausruhen.«[/LEFT] [LEFT]Er antwortete nicht sofort, sondern versank kurz in seinen Gedanken - die in dieser Sekunde von einem Wirbelwind mitgerissen und ins Chaos gestürzt wurden. Wenn Sina nicht einfach nur eine äußerst überzeugende Schauspielerin war, bedeutete das, er war doch in einer anderen Zeit gelandet. Sein Herz schlug direkt schneller.[/LEFT] [LEFT]»Ein Arzt ist nicht nötig«, versicherte Platan schließlich.[/LEFT] [LEFT]Zumindest noch nicht.[/LEFT] [LEFT]»Ich sollte mir aber für heute wirklich freinehmen. Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne auch Schluss machen und einfach den Tag genießen. Sobald ich noch etwas nachgeprüft habe, gehe ich auch.«[/LEFT] [LEFT]Ohne den beiden die Gelegenheit zu geben etwas darauf zu erwidern, eilte er hinter die Trennwand, zu seinem Schreibtisch. Nur flüchtig bekam er noch mit, wie Dexio gegenüber Sina seine Sorge um Platan äußerte.[/LEFT] [LEFT]Er schien bereits an seinem Laptop gearbeitet zu haben und konnte so direkt das aktuelle Datum kontrollieren, kaum dass er auf seinem Bürostuhl saß. Sofort schlug sein Herz noch schneller.[/LEFT] [LEFT]Wenn das korrekt ist, dann ...[/LEFT] [LEFT]... war Platan etwa acht Monate in der Vergangenheit gelandet.[/LEFT] [LEFT]Das war unglaublich![/LEFT] [LEFT]Und doch verlangte etwas in ihm nach einem letzten Beweis, bevor er sich zu sehr in etwas hineinsteigerte. Deshalb hob er seine linke Hand und starrte nervös auf seine Armbanduhr. Darin war die Funktion des Holo-Logs verarbeitet worden, speziell für ihn. Eine nette Geste seines alten Freundes. Wenn Platan nicht nur den Verstand verloren hatte, lebte Flordelis noch ... und ein Anruf mit dem Holo-Log sollte funktionieren.[/LEFT] [LEFT]Nervös versuchte er sein Glück.[/LEFT] [LEFT]Dass überhaupt eine Verbindung aufgebaut wurde, ließ sein Herz schneller schlagen. Die letzten Monate hatte es nicht mehr funktioniert, denn mit Flordelis' Tod war auch der Holo-Log und damit sein Vermächtnis begraben worden, um ihn noch besser vergessen zu können.[/LEFT] [LEFT]Aber jetzt zeigte sein Holo-Log ihm an, dass auf eine Antwort gewartet wurde, irgendeine Reaktion von Flordelis. Platans Herz schien inzwischen vor Nervosität sogar Takte zu überspringen – und dann wurde der Anruf plötzlich angenommen und Flordelis' Abbild wurde von dem blauen Licht des Holo-Logs zusammengesetzt, die Augenbrauen ungeduldig zusammengezogen, während er ernst in die Kamera blickte. Und zum ersten Mal seit sechs Monaten hörte Platan auch endlich wieder seine Stimme: »Was gibt es?«[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. 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