No World of Beauty von Flordelis ================================================================================ Kapitel 2: Wonach steht dir der Sinn? ------------------------------------- [LEFT]Platan war ziemlich sicher, dass sein Herz im ersten Augenblick kurz aussetzte. Es hatte funktioniert. Der Anruf war durchgekommen. Sein Freund hatte ihn angenommen. Sprachlos und aufgewühlt starrte Platan das Hologramm von Flordelis an.[/LEFT] [LEFT]Flordelis ... genau wie er ihn in Erinnerung hatte.[/LEFT] [LEFT]Seine Stimme war so vertraut und beruhigend. Wie oft hatte Platan sich alte Aufnahmen von ihm angehört? Viel zu oft. Aber das hier war anders, endlich sprach er ihn wieder direkt an. Oder?[/LEFT] [LEFT]Platans Hand zitterte inzwischen ein wenig, genau wie seine Stimme, als er anfing zu sprechen: »... Flordelis? B-bist du das wirklich?«[/LEFT] [LEFT]Was er gerade sah und hörte könnte einfach nur eine dieser alten Aufnahmen sein, aber er wollte daran glauben, dass er mit dem echten Flordelis sprach. Wenn sich ausgerechnet jetzt herausstellte, dass er sich in seiner Trauer nur in ein wundersames Märchen flüchtete und zu tief darin versunken war, könnte er das nicht ertragen.[/LEFT] Flordelis hob eine Augenbraue. »Natürlich bin ich es, du hast mich immerhin angerufen. Geht es dir nicht gut? Ist etwas passiert?« Platan brachte nach Ewigkeiten endlich wieder ein aufrichtiges Lächeln zustande, auch wenn es wahrscheinlich noch bedrückt wirkte. »Kann man so sagen ...« Eine Aufnahme könnte nicht derart passend auf seine Frage reagieren. Er sprach tatsächlich mit Flordelis. Es war ... ein Wunder. Langsam hob er die rechte Hand und versuchte nach Flordelis zu greifen, was natürlich nicht funktionierte. Seine Finger glitten durch das blaue Licht des Hologramms hindurch und brachten es nur leicht zum Flimmern – für ein paar Sekunden befürchtete er deswegen fast, es könnte wieder verschwinden und ihn alleine lassen. »Hey, wo ... wo bist du gerade? Kann ich zu dir kommen?«, bat er hoffnungsvoll. »Ich bin in meinem Bistro«, antwortete Flordelis und lächelte dabei sogar ein wenig. »Und wenn du nichts zu tun hast, kannst du natürlich vorbeikommen.« Platans Augen fingen an zu glänzen. »Ich komme auf jeden Fall! Nichts wird mich aufhalten. Geh bitte nicht weg, ja? Ich beeile mich.« Mit diesen Worten stand er bereits auf und klappte seinen Laptop rasch zu. Er könnte nun keinerlei Geduld dafür aufbringen zu warten, bis er sich heruntergefahren hatte. Selbst wenn das nur wenige Sekunden in Anspruch genommen hätte. Wenn er nur eine einzige davon verlor, könnte er vielleicht zu spät sein. Das würde er nicht riskieren. »Ich warte hier auf dich«, versicherte Flordelis. »Aber sei vorsichtig. In deinem Zustand kann dir jede Menge passieren.« »Keine Sorge, ich werde au-« Platan war so sehr auf das Hologramm konzentriert gewesen, dass er aus Versehen mit Wucht gegen die Trennwand lief, weil er das Büro zügig verlassen wollte. Blinzelnd stolperte er zwei Schritte zurück. Verletzt hatte er sich dabei nicht, nur etwas erschrocken. Er hörte, wie einer seiner Assistenten sofort aufstand, um nach ihm zu sehen. Es war Dexio, der besorgt den Kopf schüttelte. »Professor? Was machen Sie denn?« »Nichts passiert«, beruhigte Platan alle und lachte sogar leise. »Die sind ganz schön stabil. War eine gute Wahl.« Um seine Worte zu unterstreichen, klopfte er kurz mit den Fingerknöcheln dagegen, ehe er wieder Flordelis ansah. »Also gut, ich bin gleich da.« Flordelis seufzte, ehe er seine Mahnung eindringlich wiederholte: »Sei vorsichtig, Platan. Ich warte hier auch gern etwas länger.«   Am liebsten hätte Platan den Holo-Log überhaupt nicht beendet, leider war es aber notwendig gewesen. Sonst wäre er nur die ganze Zeit zu abgelenkt und verletzte sich am Ende doch noch ernsthaft. Das könnte er gerade überhaupt nicht gebrauchen – außerdem würde er seinen Assistenten sowie Flordelis sonst nur Kummer bereiten. Auf dem Weg zum Bistro hämmerte sein Herz irgendwann derart kräftig gegen seine Brust wie ein Pandagro, das in seiner Streitlust grob seine Fäuste fliegen ließ. Gleich würde er Flordelis wiedersehen und könnte ihn berühren, um endgültig sicherzugehen, sich nicht nur etwas einzubilden. Dieser letzte Zweifel hielt sich äußerst hartnäckig und wandelte sich Stück für Stück zu Angst, je näher er seinem Ziel kam. Angst davor, doch nur ein verlassenes Bistro vorzufinden. Platan hatte ein Taxi genommen und musste anschließend nur noch einige Schritte laufen, bis er endlich vor der Eingangstür stand. Nervös streckte er die Hand aus, die wieder zitterte, wie ihm auffiel. Er atmete tief durch und schickte ein Stoßgebet an Arceus, bevor er das Bistro betrat. Zumindest waren schon mal einige Leute anwesend und der Innenbereich wirkte gepflegt. Kein einziges Staubkorn war zu sehen. Diese Punkte sorgten für ein wenig Erleichterung. Schließlich entdeckte Platan auch Flordelis. Er war wirklich hier und saß an der Theke. Als hätten diese tragischen Ereignisse nie stattgefunden. Und genau das war der Fall. »Flordelis ...«, hauchte Platan, überrollt von all seinen Gefühlen. Sein Freund stand direkt auf, um sich ihm zuzuwenden. »Gut, dass du da bist, Platan.« Das genügte, um seine Vernunft für einen Moment auszuschalten. Instinktiv ging er auf Flordelis zu, schlang ohne nachzudenken die Arme um ihn und wartete nur darauf, dass er sich spätestens jetzt durch seine Berührung einfach auflöste, wie eine flüchtige Erinnerung. Das geschah aber nicht. Zumindest nicht in den ersten Sekunden. Und sicher auch nicht in den nächsten Minuten. Bei dieser angenehmen Wärme, die Flordelis ausstrahlte, konnte es sich nämlich unmöglich nur um eine Einbildung handeln. »Du bist hier«, sagte Platan erleichtert, ohne weitere Zweifel oder Flordelis loszulassen. »Es tut so gut, dich zu sehen ...« Sein Freund war regelrecht erstarrt und erwiderte die Umarmung nicht, wahrscheinlich war er vollkommen verwirrt von seiner ungewohnten Anhänglichkeit. »Platan!«, schnaubte er plötzlich. »Denk an die Leute!« In diesem Moment realisierte Platan erst, in was für eine unangenehme Situation er Flordelis gerade gebracht hatte. Deshalb ließ er ihn sofort, wenn auch nur höchst widerwillig, los, trat einen Schritt zurück und räusperte sich etwas verlegen. »Entschuldige bitte, die Wiedersehensfreude hat mich etwas übermannt ...« Was in den Augen seines Freundes natürlich unverständlich sein dürfte. Da Platan nun davon ausgehen konnte, dass der Sprung in die Vergangenheit real war, hatte er Flordelis wahrscheinlich erst vor kurzem gesehen. »Danke, dass du dir Zeit für mich nimmst. Das bedeutet mir viel.« Flordelis' Gesicht war ein wenig gerötet, als er auf den Barhocker neben seinen zeigte und ihn anwies, sich zu setzen. »Was willst du trinken?« Platan nahm auf dem Barhocker Platz und musste sich mühevoll davon abhalten, Flordelis nicht die ganze Zeit anzustarren. Sonst brachte er ihn sicher nur in Verlegenheit, denn die Erleichterung und das Glück, das er in dieser Sekunde empfand, war ihm bestimmt überdeutlich anzusehen. Aber sicher auch die Erschöpfung der letzten sechs Monate – die in dieser Zeit hoffentlich anders ablaufen würden. Flordelis setzte sich auch wieder und behielt dabei Platan im Blick, wahrscheinlich wartete er noch auf die Bestellung. Aus einer alten Gewohnheit heraus wollte er um einen Kaffee bitten, normalerweise trank er nämlich nie etwas mit Alkohol. Aber … »Ich denke, ich möchte gerne mal euren besten Wein probieren«, beschloss er. Wieder Alkohol zu trinken, obwohl er wusste, wie wenig er ihn vertrug, war sicherlich eine dumme Idee. In dieser besonderen Situation war ihm aber tatsächlich mal danach. Vielleicht könnte er das Ganze dann besser verarbeiten. Flordelis hob eine Augenbraue, wies den Barkeeper aber an, ihm ein Glas Wein einzuschenken, was dieser auch sofort in die Tat umsetzte und Platan kurz danach schon einen Rotwein vorsetzte. »Ein Glas dürfte dir ja reichen«, meinte Flordelis dazu. »Da du normalerweise nicht trinkst, meine ich.« »Ja, ein Glas reicht vollkommen«, stimmte Platan zu. Eine komplette Flasche sollte er nie wieder leeren, so viel stand fest. Die Kopfschmerzen waren es eindeutig nicht wert. Glücklicherweise war er die durch den Zeitsprung losgeworden. Er nahm einen ersten Schluck und stellte schnell fest, dass dieser Wein tatsächlich fast genauso schmeckte wie die Marke, die Platan gekauft hatte. Er erlaubte sich einen kurzen Seitenblick zu Flordelis und lächelte sanft, wie von selbst. Fast wäre ihm herausgerutscht wie gut sein Freund heute aussah, besonders für Platan, weil er ihn lange nicht gesehen hatte. Nach der Umarmung eben würde das aber nur für noch mehr Verwirrung sorgen. »Was ist passiert?«, fragte Flordelis. »Hat dir irgendjemand etwas getan? Oder ist dir irgendetwas zugestoßen?« Platan sah Flordelis unsicher an, ehe er nachdenklich in sein Weinglas starrte. Er konnte ihm nicht einfach die Wahrheit sagen. Zumindest nicht jetzt sofort und schon gar nicht während sie von Menschen umgeben waren. Wenn er hier anfing von einem Zeitsprung zu reden, hielten ihn nur alle für verrückt und wer wusste schon, wie Flordelis darauf reagierte? Außerdem wollte Platan sich für diesen Tag nur darüber freuen, dass er mit ihm endlich wieder zusammen etwas trinken und reden konnte. Über alles andere musste er sich noch früh genug Gedanken machen. »Ich ... bin scheinbar nur ein wenig überarbeitet«, antwortete Platan schließlich. »Jedenfalls meinte Sina vorhin, ich sollte nicht nur darauf achten, dass meine Assistenten sich schonen, sondern müsste mich auch selbst mal ausruhen. Also habe ich mir für heute freigenommen.« Flordelis sah ihn skeptisch an, hakte aber nicht nach, sondern stimmte ihm zu: »Du arbeitest wirklich ziemlich viel. Deswegen erstaunt es mich, dass du dir tatsächlich freigenommen hast. Aber es war eine gute Entscheidung.« »Denke ich auch, immerhin kann ich nun hier bei dir sein«, betonte Platan, etwas zu sehnsüchtig, aber auch erleichtert, und lächelte Flordelis wieder an, bevor er aufgeregt zu reden begann: »Du arbeitest übrigens auch viel zu viel. Wir sollten vielleicht mal zusammen Urlaub machen. Weit weg von Kalos. Wie wäre es mit Alola? Alola ist traumhaft.« Genau wie dieser Moment, ein wahr gewordener Traum. »Warst du schon mal dort? Ich war war wegen einer Konferenz mit den anderen Professoren mal in dieser Region, weshalb mir bedauerlicherweise nicht viel Zeit dafür blieb die Kultur zu entdecken. Dabei würde ich zu gerne die Schreine der Schutzpatrone besichtigen. Schon die Geschichten dieser Pokémon sind äußerst eindrucksvoll und so unterschiedlich! Und obwohl es eigentlich unmöglich sein sollte, hat man das Gefühl, die Sonne in Alola ist nicht dieselbe wie die, die wir kennen. Wie soll ich sagen? Sie ist dort wesentlich intensiver und richtig belebend.« Er unterbrach seinen Redeschwall kurz, um leise zu lachen. »Unmöglich, ja ... erstaunlich, oder? Vielleicht handelt es sich tatsächlich um eine andere Sonne als unsere. Warum sollten unmögliche Dinge nicht doch möglich sein?« Es war ... ewig her, seit er zuletzt so viel geredet hatte. Ihm war einfach nie danach gewesen, doch jetzt fiel es ihm wieder so leicht. Und das nur, weil Flordelis in dieser Zeit noch da war. »Was hält dich davon ab, einfach allein nochmal hinzufahren?«, fragte Flordelis, der von seinem Redeschwall ein wenig erschlagen wirkte. »Anscheinend bist du ja sehr begeistert davon.« Platan seufzte leise. »Guter Einwand. Als ich jung war, bin ich stets alleine durch einige Regionen gereist. Damals hat mir das nichts ausgemacht. Es gab jede Menge zu entdecken und ich hatte keine Probleme damit, mich einfach angeregt mit Fremden zu unterhalten, wodurch nie ein Gefühl von Einsamkeit aufkam.« Plötzlich war er wieder ein wenig betrübt und drehte das Weinglas vorsichtig hin und her. »Inzwischen ... würde ich mich aber bestimmt einsam auf solchen Reisen fühlen.« So wie in den letzten Monaten, in denen er mehr und mehr von Schuldgefühlen und Trauer zerfressen worden war. »Und wer fühlt sich schon gerne einsam?«, fuhr er fort. Er nahm einen großen Schluck Wein und nickte entschlossen, als er das Glas wieder abstellte. »Deshalb fahren wir nächstes Mal gemeinsam in Urlaub! Wenn du nicht willst, entführe ich dich einfach~.« Flordelis schmunzelte amüsiert. Bestimmt glaubte er nicht, dass Platan das hinbekäme. Dieser fuhr derweil ungetrübt fort: »Jemand muss nämlich auch bei dir aufpassen, dass du es mit der Arbeit nicht übertreibst. Außerdem verbringen wir viel zu wenig Zeit miteinander, seit wir nicht mehr zusammen forschen, findest du nicht?« [LEFT]Das Schmunzeln erlosch, dafür hob Flordelis eine Augenbraue. »Nun ... möglich wäre das.«[/LEFT] [LEFT]Er schien kurz über etwas nachzudenken, ehe er auf Platans zweiten Redeschwall einging: »Weißt du, manche Menschen sind vielleicht gern allein, ohne sich einsam zu fühlen. Aber bei dir kann ich mir das auch nicht vorstellen. Wer hört sich denn dann deine Geschichten an?«[/LEFT] [LEFT]Er lächelte bei diesen Worten ein wenig.[/LEFT] Flordelis so zu sehen, erfüllte ihn mit so viel Glück, dass er ihn für einen Moment nur verträumt anstarren konnte. Genau so wollte er seinen Freund immer sehen. Er musste es schaffen, ihn diesmal zu retten. Unter allen Umständen. Platan stützte seinen Kopf mit einer Hand ab und sah Flordelis forschend an, wobei er selbst wieder lächelte. »War das eben etwa eine Aufforderung? Ich bin zwar ein wenig eingerostet, aber ich erzähle dir liebend gerne eine Geschichte. Wonach steht dir der Sinn? Willst du etwas mit einem Happy End? Oder eher Drama? Ein aufregendes Abenteuer? Mysteriöse Entdeckungen? Glückliche oder tragische Liebe? Ich kann dir alles bieten, du musst mir nur ein Stichwort nennen~.« Flordelis wirkte ein wenig verwirrt – vermutlich verstand er nicht, wie er eingerostet sein sollte –, aber dann dachte er er tatsächlich kurz nach. »Ja, warum eigentlich nicht? Erzähl mir etwas über eine glückliche Liebe.« Eine ungewöhnliche Wahl für Flordelis. Aber Platan dachte nicht zu viel darüber nach, vielleicht war sein Freund heute einfach in der richtigen Stimmung. Und er selbst war es auch. »Kein Problem, ich kenne reichlich Geschichten, die dieses Thema behandeln.« Platan schloss kurz nachdenklich die Augen. »Ich muss mich nur für eine entscheiden. Mal sehen ...« Er ging im Kopf seine geistige Bibliothek durch, bis ein bestimmtes Buch regelrecht anfing zu leuchten, weil die Geschichte darin unbedingt erzählt werden wollte. Und ihm gefiel diese Wahl auf Anhieb. »Oh ja, ich weiß die perfekte Geschichte!«, verkündete Platan zufrieden. »Darin geht es um ein Leufeo und ein Mähikel. Das wird dir bestimmt gefallen~.« Diese beiden Pokémon fanden trotz ihrer unterschiedlichen Typen, die eigentlich für Probleme sorgen sollten, zueinander. Eine Geschichte mit einer sehr positiven und glücklichen Note. Es tat gut, endlich wieder voller Leidenschaft eine Geschichte erzählen zu können. In den letzten Monaten hatte er es zwar einige Male versucht, musste jedoch stets kurz nach dem Anfang abbrechen, weil ihm die nötige Motivation und besonders der Spaß daran gefehlt hatte. Offenbar war er aber trotzdem immer noch gut darin, denn Flordelis lauschte Platans Geschichte aufmerksam und mit dem Hauch eines Lächelns im Gesicht. Als Platan die Geschichte beendet hatte, nickte Flordelis. »Die Geschichte klang ganz nach deinem Geschmack. Danke dafür.« »Ich danke dir~«, gab Platan lebhaft zurück. »Nicht viele Erwachsene haben noch Interesse an Geschichten, vor allem nicht an Märchen. Ich bin schon so einigen Fremden auf die Nerven gegangen, weil ich ihnen einfach spontan etwas erzählt habe, wenn mir danach war.« Flordelis schmunzelte. »Ja, jeder in Illumina City kennt deine Eigenart, in Cafés einfach allen anderen Gästen plötzlich Geschichten zu erzählen, ob sie wollen oder nicht.« So wie er klang, schien es Platan, dass er sich glücklich schätzen musste, noch nirgends Hausverbot bekommen zu haben. War es für manche Leute wirklich derart störend? »Dabei erzählst du so gut«, fuhr Flordelis fort, »es ist richtig entspannend, dir zuzuhören. Eines Tages wirst du bestimmt jemanden finden, der nicht genug davon bekommen kann.« »So wie dich?« Platan zwinkerte Flordelis zu. »Ich erzähle dir einfach all die Geschichten, die ich auf Lager habe. Du kannst Entspannung zwischendurch sicher gut gebrauchen. Wenn du mal was hören willst, ruf mich einfach an.« Flordelis sollte auf jeden Fall wissen, dass er für ihn da wäre. Während er einen weiteren Schluck Wein trank, sah Platan ihn genau an. Er musste schon mitten in Projekt Y stecken. Also sollte Platan sich nach diesem Tag dringend überlegen, wie er vorgehen sollte. Einfach dürfte das nicht werden. »Wie viel Zeit hast du heute?«, hakte Platan erwartungsvoll nach. »Wir sollten aus Illumina City rausfahren und uns einen schönen Ort suchen, wo wir in Ruhe spazieren gehen können.« Damit lenkte er Flordelis hoffentlich wenigstens für kurze Zeit von seinem Plan ab. Und Platan hätte ihn so auch mehr für sich. Für einen kurzen Moment schien Flordelis' rechtes Auge zu zucken, während er ihn kritisch musterte. Platan befürchtete schon, etwas Falsches gesagt zu haben, doch da entspannte sich Flordelis' Gesicht wieder. »Du hast Glück, ich habe für heute nichts mehr zu tun. Wenn du dich dann besser fühlst, können wir irgendwo hinfahren. Dann kannst du mir auch von deiner aktuellen Forschung erzählen.« Mit einer Zustimmung hatte er nicht wirklich gerechnet, umso mehr freute es ihn. Platans Gesicht hellte sich merklich auf. »Fein, fein~. Über meine Forschung spreche ich genauso gerne wie ich Geschichten erzähle. Lass mich nur kurz das Glas leeren.« Er nahm ein letztes Mal einen großen Schluck, bis er alles getrunken hatte, und stellte das Glas wieder ab. Aus ihm wurde zukünftig sicher kein Wein-Liebhaber, Kaffee war ihm definitiv lieber. Allerdings fühlte er sich dank des Alkohols ein wenig leichter und die innere Wärme war auch ganz angenehm. »So, ich wäre so weit, wenn du es auch bist~.« Flordelis stand bereits auf, auch wenn er ein wenig überrascht wirkte. Aber seinen folgenden Worten war davon nichts anzumerken: »Dann gehen wir.«   Gemeinsam nahmen sie sich ein Taxi zum südöstlichen Ausgang von Illumina City. Während der Fahrt ertappte Platan sich immer wieder dabei, wie er Flordelis abwesend anstarrte, und versuchte davon abzulenken, indem er kurz über irgendetwas Belangloses redete. Die restliche Strecke liefen sie zu Fuß und erreichten so irgendwann Route 4, den Parterre-Weg. Es war lange her, seit Platan zuletzt an diesem Ort einen Spaziergang gemacht hatte. Schade eigentlich, denn die Gärten waren jedes Mal beeindruckend. Die grünen Hecken waren so angelegt, dass sie nicht nur symmetrisch waren, sondern auch kunstvolle Muster ergaben. Am schönsten waren die gelben und roten Blumenfelder, in denen zahlreiche Flabébés lebten. Der süßliche Duft der Blüten lag wie ein Zauber in der Luft. Außerdem gab es auch noch den großen Springbrunnen in der Mitte des Weges, der ein beliebter Treffpunkt für Pärchen war, wie er wusste. Nachdem sie bereits einige Schritte gegangen waren, seufzte Platan zufrieden. »Ja, so habe ich mir das vorgestellt~. Mir gefällt dein Bistro, aber nichts erfüllt einen so sehr wie die Natur.« Wobei er diese Schönheit nur wieder so deutlich wahrnehmen konnte, weil Flordelis sich an seiner Seite befand. Besonders Farben waren mehr und mehr verblasst, je mehr Zeit nach dem Untergang von Team Flare verstrichen war. »Was ist los, Platan?«, fragte Flordelis plötzlich ungeduldig. »Du benimmst dich schon seit dem Anruf seltsam. Was ist geschehen? Wir sind hier unter uns, also kannst du es mir einfach sagen.« Sofort wurde Platan nervös. Natürlich hatte Flordelis bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Wie hätte er es nicht merken sollen? Die Ausrede, es läge an seiner Arbeit, konnte das einfach nicht überzeugend verschleiern. Trotzdem konnte Platan ihm noch nicht die Wahrheit sagen. Vorher musste er einen Weg finden, Projekt Y zu verhindern. Mit reden alleine hatte er letztes Mal nämlich leider überhaupt nichts bei Flordelis bewirkt. Im Gegenteil, sein Freund war enttäuscht gewesen. An diesem Ausgang änderte sich sicher auch dann nichts, wenn Flordelis erfuhr, wie sein Plan in der Zukunft ausgehen könnte. Und davor fürchtete Platan sich. Diesen Fehler sollte er also besser nicht wiederholen. Irgendetwas musste er dennoch sagen. Dummerweise war Platan aber kein guter Lügner. Zumindest in den meisten Fällen. Angespannt beobachtete er schweigend, wie ein Flabébé sich von einer Brise zu einer anderen Blumenwiese tragen ließ. »Es tut mir leid«, sagte Platan irgendwann bedrückt und lenkte den Blick wieder zu Flordelis. »Ich kann darüber jetzt noch nicht reden. Bitte nimm es nicht persönlich. Ich würde dir gerne alles erzählen, aber es ist noch zu schwierig für mich.« Für einen kurzen Moment verzog Flordelis schmerzhaft das Gesicht, als träfe es ihn tatsächlich, dass Platan es ihm nicht sagen konnte. Es war nachvollziehbar, aber Platan blieb bei seinem Entschluss. Gerade deswegen befürchtete er jedoch, dass Flordelis auf eine klare Antwort bestünde. Doch das Gesicht seines Freundes wurde rasch wieder ernst und ausdruckslos. »Ich verstehe«, sagte er trocken, zögerte, fügte dann aber noch etwas hinzu: »Wirst du es mir irgendwann erzählen?« Wenigstens konnte er auf diese Frage sofort nicken. »Wenn ich das Gefühl habe, bereit zu sein, werde ich es dir erzählen. Versprochen.« Platan dachte kurz nach und lächelte betrübt. »Aber ich kann dir schon mal so viel verraten, dass ich dachte, ich hätte dich verloren. Und das war ... furchtbar.« Flordelis schien darüber ein wenig länger nachzudenken, seine Mimik wurde etwas weicher, sein Blick nachsichtiger. »Nun, offensichtlich hast du mich nicht verloren, nicht wahr? Und was auch immer du mit dir ausmachst, wirst du bestimmt überwinden. Also solltest du lieber wieder so optimistisch sein wie früher.« Platan wäre auch gerne wieder optimistisch. Sobald es ihm gelungen war, Flordelis zu retten, dürfte dem nichts mehr im Weg stehen. Zusammen würden sie anschließend einen Weg finden, die Schönheit der Welt zu bewahren, ohne dass irgendjemand dafür sterben müsste. Daran wollte er fest glauben. »Ich werde dir auch nicht weglaufen«, versprach Flordelis ihm noch. Darauf lehnte Platan sich näher zu ihm. »Ich nehme dich beim Wort. Das sollte mir dabei helfen, meinem alten Optimismus wieder einen Schritt näher zu kommen. Solange du bei mir bleibst, wird alles gut.« Flordelis lehnte sich zur Antwort ein wenig zurück. »Dann dürftest du dich ja schon wieder ein wenig besser fühlen. Immerhin bin ich gerade hier.« »Es geht mir viel besser, weil du da bist«, betonte Platan beschwingt. Er begab sich wieder in eine aufrechte Position und breitete die Arme aus. »Zumindest in diesem Moment ist alles perfekt~. Sagenhaft gutes Wetter, ein schönes Ambiente und zauberhafte Pokémon, die friedlich an diesem Ort leben.« Genau in diesem Augenblick schwebte ein kleiner Schwarm Flabébés vor ihnen vorbei, mit glitzernden Augen, da Platans Ausbruch sie zu faszinieren schien. »Aber besonders deine Anwesenheit lässt das alles überhaupt erst so wundervoll strahlen.« Er lächelte selig. »Ich werde dich heute so lange in Beschlag nehmen, wie es möglich ist~. Und da du versprochen hast, mir nicht wegzulaufen, musst du da nun wohl oder übel durch, mein Lieber.« Flordelis sah ihn mit geweiteten Augen und einem leichten Rotschimmer auf dem Gesicht an. Dieser Anblick war seltsam bezaubernd, schon allein, weil man ihn so selten bei ihm zu sehen bekam. Aber gerade im Vergleich zu seinem enttäuschten Gesichtsausdruck bei seiner letzten Begegnung mit Platan in seiner alten Zeit, sagte ihm der jetzige viel mehr zu. Als Flordelis den Kopf schüttelte, sich damit wieder fasste und dann sogar etwas lächelte, gefiel er Platan aber auch ganz besonders gut. Und seine darauf folgenden Worte machten das Glück nur umso vollständiger: »Keine Sorge, ich stehe zu meinem Wort, ich bleibe heute so lange bei dir wie du willst.« »Das werde ich direkt austesten, mein Lieber~«, sagte Platan lächelnd. Nur mühsam widerstand er dem Drang, seine Arme einfach um einen von Flordelis zu schlingen – nur um sicherzugehen, dass er nicht wieder verschwinden könnte – und lief deswegen weiter einfach nur so neben ihm her, ihm immer wieder einen Blick zuwerfend, bei dem er es weiterhin nicht fassen konnte, dass dieser wahnwitzige Plan funktioniert hatte. Aber er war hier, gemeinsam mit Flordelis, auf dem Parterre-Weg, so lange wie er wollte – und das würde er wirklich bis zum Ende ausreizen, um sein wiedergefundenes Glück so richtig auszukosten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)