Love Letter - still you von Tasha88 ================================================================================ Kapitel 31: 31 -------------- Part 8 - Still you September X10 Zehn Jahre nach dem Brief “Viktor und Elsa! Schauen Sie hierher. Bitte in die Kameras!” Ein lauter Ruf richtet sich an das Paar und die Kameras darauf. Elsa zwingt sich zu einem Lächeln. “Gleich sind wir hier weg”, flüstert Viktor an sie gerichtet, während er einen Arm um sie legt und sie an sich zieht. Mit seinem typischen und breiten Grinsen sieht er in die Richtung der Reporter, die hier sind. Auch Elsa hält ihr gezwungenes Lächeln. Inzwischen ist sie schon wieder über ein Jahr mit Viktor zusammen. Sie sollte sich doch daran gewöhnt haben, dass dort, wo er hingeht, Kameras auf ihn gerichtet sind. Und oft auch nur auf sie. Als Spielerfrau ist das Leben nicht immer einfach. Vor allem als eine Spielerfrau, die eigentlich ihr privates Leben behalten will. Doch egal, wie oft sie schon in dieser Situation war, sie kann sie nicht ausstehen. Nach nur wenigen Minuten, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt haben, treten Elsa und ihr Begleiter endlich in das große Konzerthaus ein, in dem sich schon viele Menschen tummeln. Frauen in hübschen und teilweise herausstechenden Kleidern, Männer in Anzug oder Smoking. Heute findet ein großes Konzert statt, zu dem einige bekannte Prominente eingeladen wurden. Viktor ist einer davon. Das aber aus einem besonderen Grund heraus: Conny ist eine der Pianistinnen, die an diesem Konzert teilnehmen. Auch während ihres Musikstudiums hat sie nie aufgehört zu spielen und sich ihren Ruf erarbeitet. Es ist eine große Ehre, hier spielen zu dürfen. Doch sie alle sind überzeugt davon, dass das genau richtig so ist – und das sagen sie Conny auch immer wieder. Sie hat es verdient, heute hier zu sein. Elsa hat ihre eigene Einladung erhalten – und das nicht als Viktors Partnerin. Sie ist Connys Freundin. Das ist der Grund, dass sie hier ist. Auch nicht, dass Conny die Frau ihres Bruders, und damit ihre Schwägerin, ist. Und doch muss sie, eben weil sie die Frau an der Seite des Nationaltorwarts ist, durch so etwas wie diese Aktion am Eingang gerade durch. “Hier, Elsa.” Mit einem Lächeln reicht Viktor seiner Freundin ein Glas Champagner, das er gerade einem vorbeilaufenden Kellner vom Tablett genommen hat, ehe er ihr zwinkernd mit seinem eigenen Glas zuprostet. “Danke.” Elsa hebt auch ihr Glas. Während Viktor etwas trinkt, sieht sie sich um. Die vielen berühmten Leute schüchtern sie immer noch ein, auch wenn sie inzwischen teilweise in solchen Kreisen verkehrt. Sie ist eben immer noch ein normales Mädchen. Zumindest fühlt sie sich so. “Weißt du, wo wir nachher hinmüssen?”, richtet sie an Viktor. “Ähm, joa. Irgendwo da lang.” Er winkt mit seiner freien Hand in die Richtung, in der der Festsaal liegt. Ein Lachen entkommt Elsa. “Bei der Ansage vermute ich eher, dass wir wieder auf dem Parkplatz landen.” “Hmm …” Ein anzügliches Grinsen erscheint auf seinen Gesichtszügen, während er sie mit hochgezogenen Augen von oben bis unten mustert und sie augenscheinlich vor seinem inneren Auge auszieht. “Gar keine schlechte Idee. Mir würde da schon etwas einfallen lassen, was wir in der Zeit tun könnten, bis die hier fertig sind.” Mit einem ebenso amüsierten Ausdruck verdreht Elsa ihre Augen. “Viktor, sei mir nicht böse, aber es gibt dafür angenehmere Orte als dein Auto. Das haben wir schon herausgefunden.” “Ach komm. Die Sitze sind doch bequem.” “Bequem wofür?” Ein spitzer Schrei entkommt Elsa und sie verschüttet etwas von dem Champagner, als sich plötzlich ein schwarzer Haarschopf zwischen sie und Viktor schiebt. Mit einer auf ihr Herz gelegte Hand mustert sie ihren Bruder ungläubig. “Gott, Gregor! Erschreck mich doch nicht so.” Dieser reibt sich verlegen über den Hinterkopf, während er sie entschuldigend anblickt. “Entschuldige, Elsa. Das wollte ich nicht”, spricht er passend zu seinem Blick aus. “Das weiß ich doch, hallo Bruderherz.” Und damit tritt Elsa, wieder lächelnd, einen Schritt nach vorn und umarmt ihn. “Hallo ihr zwei. Und bitte sagt mir doch noch, wofür sind deine Autositze bequem, Viktor? Wollt ihr wegfahren? Eine Reise machen? Da wären bequeme Sitze schon angenehmer.” “Ne, das meinte ich eindeutig nicht, Gregor.” “Echt nicht? Was dann?” Nachdenklich zieht Gregor seine Augenbrauen zusammen, während Elsas Wangen sich rot färben. “Ach, das ist doch völlig egal”, versucht sie ihn abzulenken. “Gregor, mein Lieber”, Viktor scheint egal zu sein, was sie will, “ich wollte darauf hinaus, dass Elsa und ich den, sagen wir doch mal, Rücksitz meines Autos jetzt auch für gewisse Dinge nutzen könnten, die Mann und Frau gerne machen. Man braucht nicht immer ein Bett. Siehst du das nicht auch so, Mario?” Mario? Elsas Augen weiten sich und das Glas rutscht aus ihren kraftlosen Händen, während sie sich gleichzeitig abrupt herumdreht. Und tatsächlich, dort steht er und sieht sie an. In seinem Blick steht undefinierbares. Ein Mischmasch aus verschiedenen Gefühlsregungen. Doch Schmerz ist eine Sache, die sie eindeutig erkennen kann. Da wird ihr bewusst, dass er sie mit diesem Blick schon sehr häufig gemustert hat. Eigentlich jedes Mal, wenn sie sich sehen – außer damals in Paris. Sie bekommt kein Wort hervor, ist unfähig, etwas zu erwidern, geschweige denn, sich zu rühren. Aus diesem Zustand wird sie gerissen, als Viktor sie plötzlich zur Seite zieht. “Elsa, hast du dich verletzt? Ist alles in Ordnung?” Die Besorgnis spiegelt sich nicht nur in seinen Augen, sondern auch in seinem Tonfall. “W-was?”, bringt sie hervor und fühlt sich an, als wäre sie aus einer Blase gerissen worden. Eine Blase, in der es nur sie und Mario gab. “Das Glas, das dir heruntergefallen ist, ist zersplittert. Hast du einen Splitter abbekommen?” Überrascht dreht Elsa ihren Kopf. Erst jetzt nimmt sie wahr, dass ein paar Mitarbeiter dort herumturnen, wo sie gerade noch gestanden hat. Sie blinzelt, ehe sie ihren Kopf schüttelt. “Nein, nein. Alles okay”, antwortet sie leise, während ihr Blick noch einmal kurz zu Mario huscht. Seine Hände stecken in den Hosentaschen, während er zur Seite sieht, Leute beobachtet, die, anhand der Kleidung zuzuordnen, wohl ebenfalls als Konzertbesucher da sind. Er sieht gut aus. Der Anzug steht ihm. Elsa schluckt, ehe sie schnell ihren Kopf zur Seite dreht. Was ist das denn schon wieder? Warum reagiert sie immer noch so auf ihn? Warum kann ihr Herz ihn nicht endlich abhaken? Er hat eine Freundin, sie ist bereits wieder über einem Jahr mit Viktor in einer Beziehung. Eine glückliche Beziehung … oder? Doch, sie und Viktor verstehen sich gut, sie fühlt sich bei ihm wirklich wohl und sie muss mit ihm viel lachen. Er hat sie zumindest noch nie unglücklich gemacht. Das Einzige, das sie unglücklich macht, ist, dass er nicht der Mann ist, den sie sich eigentlich an ihrer Seite wünschen würde. Doch genau dieser Mann, wieder huscht ihr Blick zu Mario, ist es, der ihr gesagt hat, dass Viktor der Richtige für sie ist. Er will nicht mit ihr zusammen sein. Daher hat sie der Vernunft, ihrer beider Vernunft, nachgegeben, und hat diese Beziehung wieder aufgenommen. Ihre Gefühle für Mario jedoch scheinen nicht vernünftig zu sein. Obwohl ihre gemeinsame Zeit in Paris in drei Monaten auch schon zwei Jahre her ist, kann sie sie nicht vergessen. Sie zehrt regelrecht aus ihnen. Erinnert sich noch an alles. Jeden Kuss, jede Berührung. Jedes Mal, wenn sie beide eines geworden sind. Und an seinen Geschmack, seinen Geruch. Daran, wie er sie angesehen hat. Das Lächeln, das allein ihr galt. Wie soll sie ihn jemals vergessen können? Doch ihr ist klar, dass sie das irgendwann muss. Denn wenn sie es nicht macht, wird sie unglücklich werden. Und ist es Viktor gegenüber nicht unfair, dass sie einen anderen liebt? Immer noch? Nein, sie muss aufhören, diese Gedanken zuzulassen. Schnell presst sie ihre Augen und auch ihre Lippen fest aufeinander. Sie darf nicht mehr an ihn denken! Sie muss Mario endlich vergessen. Und noch während sie das denkt, ist ihr bewusst, dass das niemals passieren wird. Wie auch? Er ist ihre große Liebe. Bereits seit so vielen Jahren. Wie als ob sich das irgendwann ändern würde. Nicht, wenn es sich bis heute nicht geändert hat. Als Elsa ihre Augen wieder öffnet, erkennt sie, dass nun Marios Blick auf ihr liegt. Auch er hat die Lippen aufeinandergepresst. Ob er genauso empfindet wie sie? Ob er gerade auch so durcheinander und überfordert ist? Immerhin hat er auch schon oft genug gesagt, dass sie seine große Liebe ist … “Bereitet sich Conny schon vor oder können wir sie noch sehen, bevor es losgeht?” Viktors Stimme ist für Elsa zwar wahrzunehmen, doch bei ihr kommt nicht wirklich an, was er sagt. Es ist mehr wie in einer Wattewolke. Alles, was sie wirklich wahrnimmt, das Einzige, was es gerade für sie gibt, sind die dunklen Augen, die direkt auf sie gerichtet sind. Aus dem Schmerz ist etwas anderes geworden. Sehnsucht. Und sie spürt, wie sich diese auch in ihr ausbreitet. “Elsa?” Erst die zart über ihren Rücken streichelnden Finger bringen sie wieder zurück ins Hier und Jetzt. “Was?” Röte breitet sich auf ihren Wangen aus, als sie ihre Aufmerksamkeit endlich von Mario reißen kann und stattdessen ihren Freund ansieht. Ihr Herz schlägt unangenehm in ihrem Brustkorb, passend zu dem schlechten Gewissen, das in ihr tobt. Ist ihm bewusst, was in ihr vorgeht? Anscheinend nicht … Denn sonst würde er das jetzt nicht tun. “Gregor meinte, dass ich noch kurz bei Conny vorbeischauen könnte. Jedoch nur ich. Ich würde ihr jedoch sehr gerne noch viel Glück wünschen. Ist es für dich in Ordnung, wenn ich kurz mit deinem Bruder mitgehe?” “Das … natürlich. Wünsch ihr auch alles Gute von mir, ja?” Ein sanftes Lächeln erscheint auf ihren Zügen. Auch sie würde ihre Freundin noch gerne für einen Augenblick sehen, aber es ist vollkommen in Ordnung, dass es Viktor ist, wenn nur noch einer zu ihr darf. Er ist ihr älterer Bruder und er liebt Conny. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie nahe die beiden sich stehen. Und auch, wie sich Viktors Wesen ändert, wenn es um seine Schwester geht. “Gut, dann warte du mit Mario hier. Wir kommen sicherlich bald zurück.” Viktor drückt Elsa noch einen schnellen und sanften Kuss auf die Lippen, ehe er mit Gregor davoneilt. Und nun steht sie hier. Allein mit dem Mann, dem sie bereits seit so langer Zeit wieder bewusst aus dem Weg geht. “Ist Anzu auch da?”, bringt sie zögerlich hervor, da es so seltsam ist, einfach nur still voreinander zu stehen. Doch ihn anzusehen, bringt sie nicht wieder übers Herz. Was, wenn dann Viktor zurückkommen würde? Könnte er ihrem Blick nicht eindeutig entnehmen, was sie für Mario empfindet? “Nein. Sie … kann heute nicht.” War da nicht ein Zögern in Marios Stimme? Eine kurze Pause? Nun dreht Elsa ihren Kopf doch zu ihm. Sein Blick flackert eigenartig, sodass sie ihren Kopf in seine Richtung dreht. Das kommt ihr bekannt vor. Dieser Tonfall, die Art, wie er es ausspricht und … “Mario”, bringt sie krächzend hervor, woraufhin auch er sie wieder anblickt. “Bitte … lüg mich nicht noch einmal an. Verschweige mir nichts mehr, nicht so wie bei Nami. Bist du noch mit ihr zusammen? Mit Anzu.” Er sieht sie immer noch an, unterbricht mit einer Kopfdrehung schließlich den Blickkontakt. “Nein”, antwortet er tonlos. “Warum?” Eigentlich will sie diese Frage nicht stellen, doch sie platzt aus ihr heraus. Ein kurzes Schmunzeln huscht über sein Gesicht, das alles andere als strahlend wirkt. Elsa kann es von ihrem Standpunkt aus erkennen. “Weil es nicht fair wäre, ihr gegenüber.” “Was?” Wieder ist ihre Stimme zittrig und sie hasst es. Ein leises, trockenes Lachen entkommt Mario. “Elsa, lassen wir es einfach. Es schmerzt. Und wenn ich deinen Blick richtig wahrgenommen habe, schmerzt es auch dich.” “Du meintest, dass Viktor der Richtige für mich ist …” “Ja.” Seine Hände ballen sich zu Fäusten, ehe er sie schnell wieder in die Hosentaschen schiebt. “Das … denke ich auch immer noch. Er ist ein guter Typ. Ich mag ihn, er ist ein Freund, den ich sehr schätze. Wenn ich dich an der Seite eines anderen Mannes sehen muss, dann an seiner.” “Aber …” Es fühlt sich erneut so an, als würde ihr Herz brechen. Mario zieht eine Hand wieder aus der Hosentasche, fährt sich damit durch die Haare, ehe er sie einfach neben sich hängen lässt. “Elsa. Es … ich habe es dir schon gesagt. Ich bringe dich immer wieder zum Weinen, er dich zum Lachen. Also ist er derjenige, der besser an deine Seite passt, meinst du nicht auch?” In seiner Stimme klingt dieser Schmerz mit. Sein Gesichtsausdruck und auch seine Augen wirken, als dass er unter dem Schmerz fast zusammenzubrechen scheint. Das ist es, was Elsa nach vorn treten lässt. Unbewusst. Als ihr auffällt, dass sie ihre Hand nach ihm ausstreckt, will sie in der Bewegung noch innehalten, doch es ist zu spät. Ihre Fingerspitzen treffen auf seine, da sie ihre Hand in seine schieben wollte. Es ist eine kleine, minimale Berührung … und sie lässt Blitze durch ihren ganzen Körper schießen. Ein Keuchen entkommt ihr. Auch Mario entfährt ein Laut. Wie erstarrt stehen sie beide da, ihre Blicke auf ihre Hände gesenkt, die sich so wenig berühren und doch eine solch große Auswirkung haben. Es ist nur eine kleine Handlung, die Mario ausübt, doch da schieben sich seine Finger schon zwischen ihre. Als Elsa ihren Kopf hebt, treffen ihre Augen auf seine. Er sieht sie direkt an. Und da ist die Sehnsucht wieder. Sie nimmt alles ein, verdrängt alles. Jeden Gedanken, jeden Wunsch, jedes Gefühl. Jedes Wissen darüber, wie es aktuell aussieht. Dass Elsa einen Freund hat. Dass Mario denkt, dass er nicht gut für sie ist. Es gibt nur sie beide. Bis … “Da sind wir wieder. Oh, wow, Conny sieht einfach nur so unglaublich gut aus. Wartet nur, bis ihr sie seht.” Gregors aufgedrehte Stimme dringt an ihre Ohren, reißt sie aus diesem Moment, in dem es nur sie gab. Erschrocken macht Elsa einen Satz nach hinten, zieht ihre Hand aus Marios. Dieser schiebt seine sofort wieder in seine Hosentasche, tritt ebenfalls nach hinten. Weg von ihr. Panik breitet sich Elsa aus, als Viktor zu ihr tritt. Hat er es bemerkt? Kurz hält sie in ihren Gedanken inne. Will sie es? Dass er es merkt? Oder lieber nicht? Sie weiß es nicht. Doch es scheint nicht so, denn er legt einen Arm um ihre Mitte, zieht sie an sich. “Dein Bruder ist zwar befangen … aber er hat recht. Meine Schwester ist wunderschön.” Elsas Herz schlägt wieder unangenehm in ihr. “Dann bin ich mal gespannt”, bringt sie hervor. Ein lauter Gong ertönt, der alle Gäste an ihren Platz bittet. Viktor läuft direkt los, nimmt sie mit sich. Sie sieht noch einmal über ihre Schulter, kann es nicht unterdrücken. Marios Blick liegt direkt auf ihrem Rücken. Ist intensiv und spiegelt immer noch diese Sehnsucht. Als sie ihren Kopf wieder nach vorn dreht, bemerkt Elsa, wie Gregor sie nachdenklich mustert. Soll das etwa bedeuten, dass er es gesehen hat? Und dass es ihm bewusst ist? Dass ihm bewusst ist, was sie und Mario füreinander empfinden? Immer noch? Trotz dessen, wie es ist? Und das, obwohl es besser wäre, wenn es nicht so wäre. Oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)