Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings von behrami (Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen) ================================================================================ Kapitel 1: Die Schatten werden länger - Januar 1976 (1/5) --------------------------------------------------------- „Was willst eigentlich du nach der Schule machen, Remus?“, fragte Peter unsicher und sah zwischen all den Flyern und Pergamenten mit Karriereempfehlungen, die sich in seinem Sessel und auf dem niedrigen Tischchen im Gemeinschaftsraum stapelten, immer verlorener aus. Doch bevor Remus den Blick von Heilers Helferlein heben und antworten konnte, fuhr Sirius laut dazwischen: „Moony, schreibst du mir meinen Aufsatz zu Ende?“ Remus warf ihm einen langen Blick zu, der Antwort genug sein sollte, auch wenn die Hundeaugen, die Sirius machte, ihn kurz in seiner Entschiedenheit wanken ließen. Und ehrlicherweise war er auch froh über die Unterbrechung. Natürlich hatte er darüber nachgedacht, wie seine zukünftige Laufbahn aussehen sollte. Er war kein sonderlich spontaner Mensch, mochte es lieber, Pläne zu machen und vorauszudenken. Und gerade jetzt, da sie langsam auf die ZAGs zugingen, musste er sich entscheiden, auf welche Fächer er sich besonders konzentrieren wollte. Und doch… Unwillkürlich kratzte sich Remus mit dem Daumen an der Wange und spürte die unebene, narbige Haut darunter, die ihn daran erinnerte, dass eine Karriere als Heiler für ihn mit Sicherheit ausgeschlossen war, so sehr er sie auch wollte. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll“, klagte Peter. „Hier steht zum Beispiel «Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken, nicht auf Ihre Schwächen», aber ich hab‘ gar kei–“ Mit einem Krachen klappte das Portrait am Eingang zum Gemeinschaftsraum auf und die Köpfe der drei Jungen fuhren herum. „Na, was hab‘ ich verpasst?“, fragte James Potter laut in das vom Feuer erleuchtete Turmzimmer hinein und hechtete mit einem Sprung auf seinen angestammten Platz auf dem knuddeligen roten Sofa, direkt neben Sirius. „Nichts. War ja nicht Vollm–“, antwortete Peter prompt, aber Remus unterbrach ihn mit einem unwirschen Schh! Zwar glaubte selbst er nicht, dass die Wände in Hogwarts Ohren hatten, und ihres Wissens war James hiermit der erste Gryffindor, der aus den Weihnachtsferien zurückkehrte, aber wann immer Bezug auf seine Lykanthropie genommen wurde, fühlte es sich an, als würde Remus heißes Wasser in den Nacken gegossen. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Das hatten sie ihm alle eingeschärft, angefangen bei seinem Vater, über Madam Pomfrey und selbst Dumbledore, auch wenn Remus Letzterem zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet war. James rollte die Augen über Peters Fehltritt, fasste ihn dann aber fester in den Blick, während er die Hand nach einem Schokofrosch auf dem Tischchen zwischen ihnen ausstreckte. „Schickes Bärtchen hast du dir dastehen lassen, Wurmschwanz. Vielleicht wächst dir ja auch noch extra Grips.“ Sirius lachte und selbst Remus musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Vor allem als er sah, wie Peter sich, plötzlich seiner Selbst bewusst, an den Mund griff und mit seiner plumpen Hand die Härchen, die in den letzten zwei Wochen über seiner Oberlippe zu sprießen begonnen hatten, betastete. Remus hatte eines Morgens kurz vor Weihnachten gesehen, wie Peter sie im angelaufenen Spiegel oben im Schlafsaal gemustert hatte und war sich recht sicher, dass diese Entwicklung zum Mann Peter nicht gerade ungelegen kam. Sirius hatte schon seit Monaten Bartstoppeln, die er feinsäuberlich unrasiert ließ. Nun, bei ihm bildeten sie ja auch nicht nur eine spärliche Linie über der Oberlippe, sondern verliehen ihm generell ein erwachseneres, männlicheres Aussehen, das ihm mit seinen schwarzen Haaren und den stahlgrauen Augen gutstand. Bei Remus selbst hingegen waren nur mehr Falten im Gesicht dazugekommen. Doch seit Anfang des Schuljahres hatte er sich immerhin keine neuen Narben beigebracht und das verdankte er niemand anderem als den drei anderen Jungen in diesem Raum. Remus‘ Herz tat einen Hüpfer, als er an diese erste Vollmondnacht zurückdachte, die inzwischen fast vier Monate zurücklag. Er konnte seine sprachlose Dankbarkeit immer noch nicht in Worte fassen und hoffte, dass sein Blick damals in der staubigen Hütte – und seither jedes Mal wieder – genug gesagt hatte. Sie brachen für ihn das Gesetz und brachten damit nicht nur ihre ganze schulische Karriere in Gefahr, auch ihre Unversehrtheit stand ein ums andere Mal auf Messers Schneide. Und doch hatten sie keinen der letzten vier Vollmonde ausgelassen. Jedes Mal hatten sie ihm verlässlich in der Hütte Gesellschaft geleistet, waren bei ihm gewesen, hatten sich auf den staubigen Boden und das modrige Bett neben ihn gelegt und die Nacht durchwacht. Es hatte so gut getan. Remus war, seit er nach Hogwarts gekommen war, die Ferien über stets in der Schule geblieben. Hier konnte er sich, sicher vor fremden Augen, verwandeln. Und auch wenn er seine Eltern durchaus vermisst hatte, vor allem in den Anfangsjahren, hatte er immer gewusst, dass es so besser für alle war. Seine Eltern mussten seine Verwandlungen nicht mit ansehen oder, besser gesagt, hinter mit Schutzzaubern verbarrikadierten Türen seine Schmerzensschreie ertragen. Und er lief nicht Gefahr, dass irgendwelche Nachbarn etwas spitzbekamen. Bei Sirius war es etwas anders gewesen. Zu Anfang ihrer Hogwarts-Zeit war er immer zu seiner Familie nach London zurückgekehrt und auch noch in ihrem dritten Jahr, als Sirius‘ kleiner Bruder Regulus ebenfalls nach Hogwarts gekommen war, hatte er diesen in den Ferien nach Hause begleitet. Doch mit zunehmendem Alter hatte das abgenommen. Er hatte nie offen gesagt, warum er im Schloss blieb. Und zu Anfang hatte Remus gedacht, Sirius wäre einfach eigenständiger, ungebundener als andere Jugendliche. Habe keinen Wunsch nach Familie und Gemeinschaft, nach Nestwärme. Doch eines Abends in den vergangenen Herbstferien hatte er Sirius im Schlafsaal angetroffen. Und was dort passiert war, hatte Remus bewusstwerden lassen, dass es nicht fehlende Sehnsucht nach zuhause war, die Sirius im Schloss hielt. Inzwischen verbrachte Sirius die Ferien stets in Hogwarts und Remus war der Letzte, der sich darüber beschwerte. Peter wechselte meistens hin und her, mal blieb er, mal ging er. Nur James fuhr in den Ferien immer nach Hause. Als sehnlich erwünschtes Einzelkind wurde er von seinen Eltern stets mit Liebe überschüttet und kein Fluch, keine Krankheit hielt ihn davon ab, das zu genießen. Genau so, wie es sein sollte. James hatte den Schokofrosch verspeist und griff nun einen der endlos vielen Flyer, die über die Weihnachtsferien im Gemeinschaftsraum aufgetaucht waren. Sie sollten die Fünftklässler über verschiedene Karrierewege informieren und ihnen nahelegen, welche ZAGs und spätere UTZe sie entsprechend verfolgen sollten. „James, was hast du nach der Schule vor?“, fragte Peter nun wieder und Remus wandte den Blick ab. Er wollte sich mit dem Thema nicht beschäftigen. Die meisten Wege waren ihm ohnehin verbaut und im St. Mungo, wo er am liebsten anfangen würde, würden sie noch eher eine Squib einstellen, als einen ausgewachsenen Werwolf auf verwirrte oder hilflose Patienten loszulassen… „Pff, keine Ahnung“, gähnte James und machte es sich bequemer, indem er die Füße auf den Tisch legte. „Das ist doch noch ewig hin. Aber vermutlich erstmal reisen, oder so. Ich kann doch nicht mein ganzes Leben mit Büffeln verschwenden.“ „Ha, hab‘ ich doch gesagt“, warf Sirius ein und grinste. Hatte er tatsächlich, als Peter einen Tag nach Weihnachten erstmals mit dem Thema anfing. „Ich werd‘ mir jedenfalls erstmal ein Motorrad besorgen und auf Tour gehen.“ Peter starrte ihn an und auch Remus musste lachen: „Als ob du einen Führerschein machst. Und man muss dafür 18 sein!“ „Nee, ich will damit doch nicht fahren wie ein Muggel. Ich will fliegen!“ Sirius setzte sich auf und deutete eine Bewegung mit der Hand an. James, ausgewiesener Besen-Fan, prustete und Peter setzte an: „Ist das nicht verboten…?“, aber Remus grinste nur in sich hinein. Das Portraitloch öffnete sich und nun ergoss sich eine Schar Gryffindors aller Jahrgängen in den Gemeinschaftsraum. Augenblicklich herrschte Trubel und Lärm. James hatte trotz seines ausgeprägten Wissens über die Abkürzungen und Geheimgänge des Schlosses nur ein paar Minuten auf die anderen Ferien-Rückkehrer gutmachen können. „Haben wir schon die neuen Stundenpläne?“, fragte James und Remus steckte sich, um ihm einen vom Tisch zu geben. Sirius hielt sich auf dem Rücken liegend noch einmal seinen halbfertigen Zauberkunst-Aufsatz vors Gesicht und murmelte etwas Unflätiges über Flitwick. Kurz zögerte Remus, dann streckte er ergeben die Hand aus und mit einem dankbaren Blick, der Remus mehr freute, als er vielleicht sollte, reichte Sirius ihm die Pergamentrolle. „Ah. Verwandlung direkt Montagmorgen“, rief James, gerade als Lily Evans im Gemeinschaftsraum aufschlug. „Das sollte für uns kein Problem sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)