Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings von behrami (Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen) ================================================================================ Kapitel 17: Neue Wege - April 1976 (5/5) ---------------------------------------- Als Madam Pomfrey Remus (nach einer langgezogenen Verabschiedung von Sirius) im Krankenflügel begrüßte, fühlte sich wieder alles wie immer an. Sie machte ihm einen Tee, sie plauderten ein wenig über die Ferien und die anstehenden ZAGs. Bei der Erinnerung an die Prüfungen sank Remus langsam das Herz in die Hose, doch dann war es auch schon Zeit, hinab über die Ländereien zur Peitschenden Weide zu gehen. Früher hatte dieser Weg sich jedes Mal angefühlt, als liefe er zum Schafott, doch inzwischen hatte Remus nicht nur Routine, sondern auch etwas, auf das er sich freuen konnte. „Sie haben so gute Laune heute“, lächelte Madam Pomfrey, als sie den Baum beinahe erreicht hatten und sie den Zauberstab zückte, um ihn erstarren zu lassen. „Das freut mich für Sie. Sie verdienen das, wissen Sie.“ Er lächelte sie dankbar an, auch wenn sie mit Sicherheit überhaupt keine Ahnung hatte, wovon sie redete. „Passen Sie auf sich auf!“ „Mach ich doch immer!“ Remus stieg zwischen den Wurzeln hinab und fragte sich mal wieder, ob es nicht auch eine andere Lösung hätte geben können. Er verstand schon, dass er sich fernab von anderen Schülern verwandeln musste, aber musste es ausgerechnet ein dreckiges, staubiges Erdloch sein? Eiligen Schrittes lief er durch den leicht ansteigenden Gang. Zwar wusste Remus, dass er noch kein einziges Mal zu spät in den Tunnel getreten war, doch die Angst, sich womöglich in der Zeit verschätzt zu haben, machte ihm jedes Mal Beine. Inzwischen hatte der Frühling so stark Einzug gehalten, dass er unter seinem Umhang schwitzte. Die Heulende Hütte sah aus, wie sie sie das letzte Mal zurückgelassen hatten. Es war still, staubig und unheimlich. Ob sich die Bewohner von Hogsmeade inzwischen fragten, warum die vermeintlich raufwütigen Geister immer nur zu Vollmond auftraten? So viel an diesem Plan erschien ihm inzwischen unausgegoren und er wusste nicht, ob es daran lag, dass er zynischer wurde oder einfach nur erwachsener. Remus schaute sich im Schlafzimmer der Hütte um. Weil dies der Ort war, an dem er sich zumeist verwandelte, sah es hier am schlimmsten aus. Scham überkam ihn – warum konnte er nicht lernen, sich zu konzentrieren? Wie konnte es sein, dass über Jahrhunderte noch immer kein Zauberer auf eine Heilung für Lykanthropie gestoßen war? Als Vollmond nicht mehr weit war, legte Remus seine Kleidung ab und setzte sich fröstelnd auf den Rest des zerstörten Himmelbettes. Und dann wartete er auf das vertraute Knacken, wenn sein Brustkorb begann, sich zu weiten, und schließlich seine Knochen brachen, bevor sie sich in neuer Form und neuer Größe anordneten. Das Knirschen seiner zusätzlichen Fangzähne, die sich plötzlich durch sein Zahnfleisch bohrten. Er schrie markerschütternd, als es passierte. Als der Werwolf zu sich kam, war das Erste, was er spürte, der Hunger. Es fühlte sich an, als habe er einen Monat lang nichts gegessen und anstatt davon erschöpft und schwach zu werden, wurde er halb wahnsinnig und rachsüchtig. Seine Krallen schabten über den Holzboden, als er aufstand und den wuchtigen Kopf drehte, um seine Umgebung zu mustern. In diesem Gefängnis gab es nichts zu zerreißen, zu töten. Seine spitzen Ohren zuckten. Das scharfe Gehör des Werwolfs nahm im unteren Stock dieses Verlieses eine Bewegung wahr. Aus gelben Augen starrte er den Türrahmen an und bleckte die fingerlangen Fangzähne. Seine Nackenhaare waren aufgestellt, doch er unterdrückte ein Knurren, um seine Beute nicht vorzuwarnen. Der Werwolf machte sich bereit zum Sprung, bereit, was auch immer in der Tür erschien, anzugreifen. Bereit, zu töten. Die Schnauze eines anderen Werwolfs schob sich seitlich in den Türrahmen. Er stockte. Dann erschien auch der Rest des massigen Körpers, schwarz, struppig und mit großen Ohren und Tatzen. Nein, es war kein Wolf, es war ein Hund, ein mickriger Hund. Doch ein Hund mit weit aufgerissenen, im Halbdunkel beinahe farblosen Augen. Der Hund fiepte leise und die Ohren des Werwolfs zuckten wieder. Seine Lefzen senkten sich und anstatt einer angriffslustigen Haltung, legte er aufmerksam den Kopf schief. Dies veranlasste den Hund dazu, mit klackernden Tatzen in den Raum zu treten. Er musterte den Werwolf mit unverhohlener Vorsicht. Sie starrten sich an, bis der Hund wieder fiepte und dann ein leises, entrüstetes Kläffen ausstieß. Und der Werwolf fühlte sich, als erinnerte er sich an etwas, das sehr lang zurücklag, das sehr weit unten im See seiner Gedanken verborgen war. Es war wie ein Geruch, den er kannte, aber von dem er nicht sagen konnte, was es war… Er setzte sich auf die Hinterläufe und der Hund kam näher. Nase an Nase standen sie da im Mondlicht, dass durch die Spalten in den brettervernagelten Fenstern hindurchleuchtete. Der Werwolf konnte seinen heißen Atem auf der Schnauze spüren und wieder regte sich etwas in ihm. Der See seiner Erinnerung war inzwischen aufgewühlt, doch noch war nichts an die Oberfläche getreten. Als der schwarze Hund seine Schnauze schließlich gegen die des Werwolfs schmiegte, schloss er die Augen und lehnte sich in die Berührung. Nur einen Moment später legten die beiden sich auf den staubigen Boden und der Werwolf platzierte voll von ungekannter Erleichterung seine Schnauze auf dem Rücken des Hundes. Der Hund zuckte nicht einmal. Er schien entschieden zu haben, dem Werwolf zu vertrauen. Remus wusste nicht, wie lange so sie dagelegen hatten, doch je mehr Zeit verging, desto klarer war sein Kopf geworden. Es fühlte sich völlig verrückt an: Diese massigen Muskeln, diese langen Beine mit den scharfen Krallen und dann erst diese Rute… Er hob den Kopf und Sirius tat es ihm gleich. Erst jetzt stellte Remus wirklich fest, wie schön Sirius‘ Animagusform eigentlich war. Sicher, er war geradezu bärenhaft für einen Hund und sein Fell war struppig, doch er hatte einen athletischen Körper, die gleichen blitzenden Augen wie auch als Mensch und er strotzte nur so vor Energie. Sirius bellte und eine plötzliche Woge von Aggression überkam Remus. Was fiel diesem erbärmlichen Köter ein?! Mit purer Willenskraft kämpfte Remus die Angriffslust des Werwolfs nieder, dann öffnete er hechelnd das Maul, was für Sirius wie ein Grinsen aussehen musste. Sirius bellte wieder, diesmal auffordernd. Mit einer Eleganz, als wäre er in diesem Körper geboren, stand er auf und warf sich mit den Vorderläufen auf den Boden. Instinktiv wusste Remus, was das bedeuten sollte – es war eine Aufforderung. Zwar vermisste Remus es, sprechen zu können, doch diese Nähe, diese Klarheit des Verstandes, das war eine Wohltat. Es fühlte sich an, als wäre ein eiternder Splitter aus ihm herausgeglitten und er begann, zu heilen. Mit jeder Sekunde wurde es besser. Remus schüttelte den großen Kopf, aber Sirius ließ nicht locker. Vorsichtig, doch bestimmt schnappte er Remus‘ Ohren mit den Zähnen und zog daran, bis Remus in einen langsamen Trott verfiel. Sirius schleifte ihn zur Tür, durch den Flur mit dem kleinen Schrank und zum Treppenabsatz. Perplex riss Remus sich los und grub die Füße in den Boden, sodass tiefe Krallenspuren im Holz zurückbleiben. Sirius nickte auffordernd, doch Remus schüttelte entschieden den Kopf. War der verrückt geworden? Sirius rollte dramatisch die silbern glänzenden Augen, trat jedoch von der Treppe zurück und machte Anstalten, zurück in das Zimmer zu gehen. Gerade, als auch Remus versuchte, seinen riesigen Körper im engen Flur umzudrehen, rammte Sirius ihn von hinten und polternd stürzten sie beide die Stufen hinunter bis zum Tunneleingang. Remus lag mit dem Gesicht im Dreck und Sirius sprang bellend auf. Mit geschmeidigen Schritten lief er voraus in den unterirdischen Gang und blieb nach fünf, sechs Schritten stehen, den Blick über die Schulter gewandt. Kommst du? Remus‘ Herz hämmerte. Das konnten sie doch nicht machen! Da draußen waren Schüler, da draußen… Da draußen waren gar keine Schüler. Es waren Ferien. Die Einzigen, die im Schloss zurückgeblieben waren, waren die Lehrer und diese zwei verwirrten Hufflepuff-Zwillinge, die er beim Frühstück gesehen hatte. Und die lagen mit Sicherheit allesamt in ihren Betten, immerhin war es mitten in der Nacht. Und dann stand hier Sirius, der mit ihm alleine draußen sein und die Sterne ansehen wollte. Und außerdem, stellte Remus verblüfft fest, hatte er keine Sekunde mehr an seinem Verstand gezweifelt. Er war vollkommen bei Bewusstsein – so würde er niemals jemandem gefährlich werden. Er trottete los, ein kribbelndes Hochgefühl in der Brust. Er war normal! Er war praktisch ein Animagus! Genauso wie seine drei Freunde. Er konnte denken und fühlen und sich ausdrücken und kein Hunger, kein Blutdurst trieb ihn dazu, sich nach Fleisch zu verzehren. Als Remus zu Sirius aufgeschlossen hatte, leckte der ihm über das Gesicht. Sein Herz machte einen Hüpfer und beinahe hätte Remus auch noch mit der Rute gewedelt. Ein verliebter Werwolf, wo gab’s denn sowas… Kurz bevor sie das Ende des Tunnels erreicht hatten, schluckte er. War das wirklich eine gute Idee? Was, wenn Madam Pomfrey schon auf ihn wartete? Doch Remus wusste, dass das Unsinn war. Peter, Sirius und James hatten schon vor Monaten ausgekundschaftet, in welchem Zeitraum die Peitschende Weide unbeaufsichtigt war. Nebeneinander passten sie nicht durch den Tunnelausgang, sodass Sirius Remus den Vortritt nach draußen ließ. Mit langsamen Schritten ging er vor. Remus roch das Gras und den Wald und den Tau auf den Pflanzen. Er hörte, wie die Peitschende Weide friedlich im Wind rauschte und sogar eine zirpende Grille am Fuß ihres Stammes duldete. Die milde Luft roch magisch. Remus sog sie tief in die blasebalggroßen Lungen und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er mit diesen übermenschlichen Sinnen noch nie draußen gewesen war. Über zehn Jahre lang hatte er jeden einzelnen Vollmond in einem Gefängnis verbracht. Das Gefühl der Freiheit war mit einem Mal berauschend. Sirius trat hinter ihm aus dem Gang und blieb an seiner Seite stehen. Mit dem Kopf deutete er gen Himmel, wo eine gleißend weiße Scheibe prangte. Ein Schauer überkam Remus bei dem Anblick – es gab nichts, was er mehr verabscheute, mehr fürchtete – und doch sah er nun, warum es Menschen gab, die den Vollmond so liebten. Auch wenn es für ihn bisher undenkbar gewesen war, spürte er nun eine Art Trost, die vom Mond, der einzigen Lichtquelle in der Dunkelheit, ausging. Er seufzte leise und setzte sich an den Stamm der Peitschenden Weide. Sirius tat es ihm gleich und drängte ihn nicht, irgendeine Initiative zu ergreifen. Eine tiefe Zufriedenheit ergriff Remus und so starrten sie nur hinauf, Schulter an Schulter, die warmen Körper aneinandergeschmiegt, und lauschten der Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)