Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings von behrami (Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen) ================================================================================ Kapitel 21: Privileg und Pflicht - Mai 1976 (4/6) ------------------------------------------------- „Sag mal, wenn es wirklich Regulus wäre, was würdest du dann tun?“, fragte Remus und strich Sirius durch die Haare. Sie hatten nicht mehr viele Gelegenheiten, sich nah zu sein, seit Peter und James wieder da waren, deswegen war ihm dieser kurze Moment der Zweisamkeit besonders viel wert. Sie hatten den anderen beiden gesagt, sie würden sich um Remus‘ Zaubertrankprobleme kümmern und da James den Gestank, den Remus‘ Tränke in der Regel von sich gaben, zum Würgen fand, war er sofort bereit gewesen, stattdessen Peter mit Schwebezaubern zu helfen. Nur wussten sie nicht, dass Remus all seine Zaubertrankzutaten bereits auswendig konnte. Die Prüfung war in zehn Tagen. „Pff… keine Ahnung. Es einem Lehrer sagen, denke ich.“ Sirius drückte seinen Kopf in Remus‘ Handfläche und schloss die Augen, wie ein Hund, der das Kraulen hinter dem Ohr genoss. „Ja…“, sagte Remus und war irgendwie erleichtert. Auch wenn Sirius ihm keinen Grund gab, das zu glauben, hatte er befürchtet, dass irgendwelche brüderlichen Bande ihn doch davon abhalten könnten, Regulus auszuliefern. Aber es war egal, wer verantwortlich war – man musste ihn stoppen. Sie hatten es sich in einem leeren Klassenzimmer im Astronomieturm bequem gemacht, das sie bei ihren Streifzügen durch das Schloss entdeckt hatten. Es war offensichtlich, dass es seit Jahren nicht genutzt worden war, denn es war voll mit umgedrehten, alten Schreibpulten, Kisten mit abgebrochenen Federkielen und halbleeren Reinigungsmitteln. Über allem lag eine dicke Staubschicht. Zwischen den alten Möbelstücken hatte Remus Stoffbahnen gespannt, die nun wie ein Zelt über ihnen hingen. Den Boden hatte sie mit einem dicken Teppich, einigen Decken und Kissen ausgepolstert. Beleuchtet wurde das Ganze von kleinen, kalten Flämmchen, die Sirius mit einem Zauber unter die Stoffbahnen hatte schweben lassen. Es war kitschig, aber es war ihrs. Außerdem passten sie tunlichst auf, dass sie nie Gegenstände zurückließen, die ihre Identität verrieten. Wenn Filch oder ein Lehrer doch eines Tages diesen Ort finden sollte, dann war zumindest nicht klar, welches verknallte Pärchen sich hier heimlich eingerichtet hatte. „Ehrlich gesagt glaube ich aber nicht, dass er es ist. Er hat nicht mal erkannt, dass der Ring gefälscht war, erinnerst du dich? Er hat einfach nichts drauf.“ Sirius schüttelte seine Schulter aus, danach legte Remus sich erneu in seinen Arm. Sie starrten an ihr Zeltdach. „Vermutlich. Und was denkst du – Snape?“ „Der könnte es zumindest, glaube ich. Ich meine, der steckt doch bis über beide Ohren in den dunklen Künsten, völlig egal, was Evans sich einbildet.“ „Ja. Und sie hat das auch schon gemerkt, sie ist da nicht völlig blind.“ Sirius antwortete nicht, sondern küsste Remus an die Schläfe. „Meinst du, James hat eine Chance bei ihr?“ „Ich glaube nicht“, sagte Remus mit mitleidigem Lachen. „Der Arme.“ Die letzte Woche hatten die vier damit verbracht, im Unterricht darauf zu horchen, ob jemand Vermutungen ob der verletzten Ravenclaws anstellte, und zuzuschlagen, sobald jemand etwas Abwertendes über Muggel oder Muggelstämmige sagte. So hatte Sirius den Hufflepuff-Kapitän Harvey Calhoun mit einem kräftigen Levicorpus erwischt, nachdem der gesagt hatte, es sei eigentlich auch verdächtig, wie viele Muggelstämmige in letzter Zeit nach Hogwarts gekommen seien. James hatte sich offen mit Simon Snyde angelegt und sie waren beide mit heftigen blauen Flecken davongekommen, gerade, bevor Professor Vektor den Arithmantik-Klassenraum betreten hatte. Und Remus hatte sich einen weniger kritischen Weg gesucht. Er zog einfach allen, die in Muggelkunde oder anderen Fächern freche Fragen bezüglich der Fähigkeiten oder Intelligenz von Muggelstämmigen stellten, rigoros Hauspunkte ab, auch seinem eigenen Haus. Seit er erst darauf achtete, hatte er den Eindruck, das ganze Schloss sei voll von Feindseligkeit gegenüber Muggeln und Muggelstämmigen. Es war zum Heulen. „Weißt du, was das einzig Gute an der Sache wäre, wenn Snape wirklich hinter dem Fluch und dem Flugblatt steckt?“, fragte Sirius plötzlich. „Was?“ Dass du ihm eine reinhauen kannst, ohne eine weitere Begründung zu brauchen? „Dann ist Lily Evans auf jeden Fall in Sicherheit. Er steht auf sie.“ „Stimmt…“, murmelte Remus. Aber ihm ging es eben nicht nur um Lily, weil sie seine Freundin war. Es ging um alle Muggelstämmigen, es ging ums Prinzip. „Wir müssen es einfach rausfinden.“   Am nächsten Abend war wieder Vollmond, doch inzwischen war Mai und die Nächte entsprechend kürzer geworden. Ein Grund, warum Remus den Sommer liebte. Mit den anderen dreien hatte er sich abgesprochen – sie schworen nach wie vor, ihn in der Hütte besuchen und dann mit ihm auf die Ländereien gehen zu wollen, und er war ihnen dankbar. Mit ihnen an seiner Seite war die Vorfreude auf Vollmond , für die er sich beinahe schämte, jeden Monat stärker geworden. Bertram Rowe und Casper Dunn lagen seit dem Abend, an dem sie angegriffen worden waren, in einem abgeschirmten Teil des Krankenflügels. Als Remus mit Madam Pomfrey seinen üblichen Tee trank, konnte er seinen Blick einfach nicht von den weißen Vorhängen abwenden, hinter denen sie lagen. Daraufhin sagte sie mit spitzer Stimme: „Sie liegen einfach ohne Bewusstsein wach. Sie atmen und die Reflexe reagieren ganz normal. Aber nichts kann sie aufwecken und diese Augen… Ich frage mich, was sie wohl sehen. Ich stehe mit Heilern aus dem St. Mungo’s in Kontakt, aber der Schulleiter möchte den Vorfall verständlicherweise nicht an die große Glocke hängen. Und Professor Fawley hat bislang kein Gegenmittel für die armen Beiden empfehlen können. Ich frage mich, was diese Hexe den ganzen Tag treibt…“ Madam Pomfrey schüttelte missmutig den Kopf und Remus konnte ihr insgeheim nur zustimmen, auch wenn er sich wunderte, dass sie schlecht über eine Kollegin sprach. Auch er hatte nie den Eindruck gehabt, dass die alte, teilweise wie von einem anderen Stern wirkende Hexe eine kompetente Lehrerin abgab. Das Meiste, was er und seine Freunde heute konnten, hatten sie sich selbst beigebracht und auch nur, weil Sirius und James in den Ferien Zeit hatten, nützliche Zauber zu üben. Ihre Eltern ließen ihnen alles Magische durchgehen. Und Remus hatte die Bücher praktisch auswendig gelernt. „Gehen wir hinunter?“, fragte Madam Pomfrey. Endlich krochen die Schatten durch die Fenster in den Krankenflügel. Noch auf dem Treppenabsatz hinter dem Eichenportal hielt Remus jäh inne. Unweit von ihnen, im Gras, stand Severus Snape in seinem wehenden schwarzen Umhang, mit seinen wehenden schwarzen Haaren, wie eine Fledermaus im Halbdunkel. Er hatte seinen Zauberstab gezückt und Remus‘ Hand flog bereits zu dem seinen. Madam Pomfrey schaute Snape mit scharfen Augen an. „Sie sollten zurück ins Schloss gehen. Es ist schon längst Zeit, in die Gemeinschaftsräume zurückzukehren.“ „Natürlich“, antwortete Snape mit leiser, schnarrender Stimme. Seine schwarzen Augen schienen Remus zu durchleuchten. Gerade, als er etwas sagen wollte, fügte Snape mit einem höhnischen Unterton hinzu: „Dabei ist die Luft viel zu schön, um nach drinnen zu gehen, nicht wahr? Ein Vollmondspaziergang wäre doch viel schöner.“ Snape schritt an ihnen vorbei, ein boshaftes Grinsen auf den Lippen, und verschwand im Schloss. Remus bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, doch sein Blut rauschte. Er hatte keine Chance, die anderen zu warnen, dass Snape auf der Lauer lag oder irgendetwas anderes plante. Remus konnte Madam Pomfrey nur einen guten Abend wünschen und dann im Tunnel unter der Peitschenden Weide verschwinden. Mit wummerndem Herzen lief Remus in der Heulenden Hütte auf und ab. Wenn Snape etwas ausgeheckt hatte, um die anderen in die Falle zu locken, dann musste er sie warnen. Aber er konnte hier nicht raus, die Gefahr war viel zu groß, dass er den Moment, zu dem der Vollmond am höchsten stand, falsch abpasste und er sich draußen in einen ausgewachsenen, blutrünstigen Werwolf verwandelte. Und dann begann das Knirschen. Er versuchte, dagegen anzukämpfen, mit purer Willenskraft die Verwandlung zu stoppen oder wenigstens hinaus zu zögern, doch er wusste nicht einmal, wofür. Zehn Minuten oder zwei Stunden änderten nichts an der Situation, dass die anderen drei womöglich Snape in die Arme liefen. Der Verräter, der Feigling! War das die Rache dafür, dass die vier es sich auf die Fahnen geschrieben hatten, die Muggelstämmigen vor Snape und seinen bösartigen Freunden zu schützen? Mit unverhohlener Missgunst musterten die gelben Augen des Werwolfs den Hirsch, den Hund und die Ratte. Er traute ihnen nicht, doch die beiden großen Tiere waren durchaus in der Lage, ihn zu verletzten, wenn sie nur wollten, darum griff er sie nicht sofort an. Vor allem das Geweih des Hirsches verhieß nichts Gutes… Der Hund bellte und das Geräusch brachte etwas im Inneren des Werwolfs zum Klingen. Remus brach durch und atmete tief ein, als er die Kontrolle über den muskulösen Körper erlangte. Er strahlte die anderen drei mit einem Blick des Wiedererkennens an. Sie ließen ein kollektives Seufzen hören und warfen sich erleichterte Blicke zu. Remus grinste. Es funktionierte, es funktionierte immer noch! Warum hatte er daran gezweifelt? Er taperte in die Küche, darauf bedacht, dass die anderen ihm folgten. Hier hielten sie sich fast nie auf, darum war die Staubschicht am Boden nahezu unversehrt. James lugte über Remus‘ Schulter, Peter hatte sich zwischen seinen großen Pfoten hindurchgeschoben und Sirius linste um die Ecke durch den Türrahmen. Remus malte mit seiner krallenbesetzten Klaue einen ungelenken Buchstaben in den Staub. Sirius hob unverkennbar die Augenbrauen, also schrieb Remus vier weitere krakelige Lettern in den Staub und dann fügte er ein Fragezeichen hinzu: Snape? James dunkle Augen musterten ihn fragend und auch Sirius zuckte die Schultern. Remus nickte mit dem Kopf in Richtung Schloss, doch das änderte auch nichts an den Reaktionen der anderen. Gut… Vielleicht hatte Snape sich nur über Remus lustig machen wollen? Sirius nickte zum Tunnelzugang und nach einem tiefen Atemzug ergab sich Remus. Peter kletterte an seinem Bein hoch und setzte sich zwischen seine Schultern, dann trabten die drei Großen durch den Tunnel in Richtung der Ländereien. James lief voraus, in der Mitte Remus und Sirius hintendrein, der, wann immer Remus zögerte, ihn mit dem Kopf vorwärtsschob. So sehr er auch nervte, Remus genoss die Berührungen in dem dunklen Tunnel. Einmal blieb er stehen und drehte den Kopf nach hinten, sodass Sirius seine Schnauze an ihn drückte. Irgendwie schien es in diesen Körpern leichter, einander nah zu sein. Remus roch die frische Luft, noch bevor sie den Tunnel verließen. Und als er den Kopf hinausstreckte, war das Gefühl überwältigend. Die Nacht war lebendig, die Luft war noch angenehm warm und er konnte die langen Beine richtig ausstrecken. Sie verschafften sich einen Überblick – die Ländereien lagen verlassen da. Seit dem Angriff auf die beiden Zweitklässler gab es so gut wie keine Schüler mehr, die sich nach Einbruch der Dunkelheit draußen herumtrieben. Früher war das anders gewesen, da hatte Remus gelegentlich auf seinen Kontrollgängen jemanden erwischt und mit einer Verwarnung davonkommen lassen. Sirius nickte hinüber zum Wald und die vier setzten sich in Bewegung, nachdem Peter den Knoten an der Peitschenden Weide gedrückt und ihnen den Weg freigemacht hatte. Das Laub knisterte unter Remus‘ Pfoten, die Äste über ihren Köpfen rauschten und das Mondlicht strahlte so intensiv, dass der Wald ihm taghell vorkam – was auch an seinen Wolfsaugen liegen mochte. Die Meilen schmolzen unter ihnen nur so dahin. Sie durchstreiften den Wald auf eine ganz andere Art und Weise als je zuvor. In dieser Form, in der die heimischen Tiere und Tierwesen sie nicht als Menschen erkannten, hatten sie Zugang zu Bereichen im Wald, in die sie sich sonst nicht getraut hätten. Remus war sich sogar sicher, dass er einen Augenblick lang ein weiß strahlendes Einhorn gesehen hatte, bevor es wieder zwischen den dunklen Stämmen verschwunden war. Auch ihre Kommunikation schien mit jeder Minute besser zu werden. Körpersprache und Gesichtsausdrücke ersetzten fast alles, was sie an Sprache benötigten. Natürlich war das keine Unterhaltung über ihre Mitschüler, über den Krieg oder die Prüfungen, aber Remus genoss es, sich zur Abwechslung voll und ganz auf den Moment zu konzentrieren. Sie trabten hinunter zum See und machten es sich unter ihrer üblichen Birke gemütlich. Das Gras duftete wunderbar und Remus warf sich begeistert auf den Rücken. Sirius sprang sogar ins Wasser und weil er so laut kläffte, dass Remus sich Sorgen machte, jemand könnte auf sie aufmerksam werden, folgten er und James ihm. Das Wasser fühlte sich unerwartet warm an, als er losschwamm, und Remus spürte, wie sein Fell um ihn herumwogte, vor allem am Hals. Peter sprang von seinen Schultern und pflügte durch das Wasser, als hätte er nie etwas anderes getan. Sie planschten eine Weile, doch dann sah Remus, dass der Vollmond langsam zu verblassen begann. Er deutete mit der Schnauze zum Himmel und unwillig gaben James und Sirius nach. Remus, Peter und Sirius schüttelten ihr Fell aus, sobald sie aus dem Wasser traten, nur James hatte mit der Handhabe seiner feinen Glieder ein wenig mehr Probleme. Die drei eskortierten Remus hinauf zur Peitschenden Weide und hinein in den Tunnel. Nach zwei Dritteln drehten Remus‘ Freunde um und ließen ihn die letzten Schritte allein gehen. Je weiter er von ihnen entfernt war, desto mehr fühlte er, wie der Werwolf in seinem Inneren sich gegen seinen Willen warf wie gegen unsichtbare Gitterstäbe. Remus kämpfte mit all der Kraft, die die letzten Stunden ihm verliehen hatten, bis, nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich die Rückverwandlung einsetzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)