Lonely Defiant Dragon von Cyrene (Des unnahbaren Einzelkämpfers größte Herausforderung) ================================================================================ Kapitel 7: A Bottle of Wine and Truth without Duty? --------------------------------------------------- Katsuyas Sicht: Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Seto tatsächlich schon so früh dem Hochladen der original Duel Monster Designs zugestimmt hat. Nun kommen wir wesentlich schneller voran und nach einer Verlosung für die ersten 100 Testspieler, die eine überragend positive mediale Präsens für unser Projekt eingebracht hat, sind die glücklichen Gewinner hochmotiviert und offenbar auch ebenso begeistert. Ich klopfe und trete nach einem knappen „herein“ von drinnen in das geräumige Büro meines Geschäftspartners wieder Willen ein. Er sitzt am Schreibtisch und sieht nicht auf. Das gibt mir die Gelegenheit, ihn kurz zu betrachten und mit einer gewissen Zufriedenheit stelle ich fest, dass er inzwischen wieder deutlich besser aussieht als zu Anfang unserer erzwungen Zusammenarbeit. Die erhöhte Nahrungs- und Schlafmenge tut Seto offenbar wirklich gut. Meine Beobachtungen mit einem Nicken beendend, stelle ich mich vor den Schreibtisch und errege damit die Aufmerksamkeit des Sitzenden. Er sieht mich fragend an und ich erläutere ihm den Grund meines Besuches: „Die Testspieler scheinen bisher alle durchweg mit dem virtuellen Erlebnis zufrieden zu sein. Die internationale Spielemesse findet Ende nächsten Monat statt und bis jetzt läuft alles nach Plan. Wenn alles so bleibt steht der offiziellen Einführung von „Duel Monsters Utopia“ auf der Messe eigentlich nichts mehr im Weg.“ Seto hat mir die ganze Zeit aufmerksam zugehört und auch ein zwei Mal verstehend genickt. Er will sich schon von seinem Schreibtisch Stuhl erheben, doch bei dem Versuch verzieht er plötzlich, wenn auch nur minimal, vor Schmerz das Gesicht. Immer noch so stolz, mein einsamer, trotziger Drache, denke ich schmunzelnd und umrunde den Tisch um mich hinter ihn zu stellen. Ohne vorher zu fragen, lege ich meine Hände auf seine Schultern und beginne, das leichte Zucken, das meine unangekündigte Berührung verursacht, einfach ignorierend, diese vorsichtig und gekonnt zu massieren. Warum ich das mache, ganz einfach, weil ich es will. Sein warmer Körper fühlt sich wirklich gut unter meinen Fingerspitzen an. „Ich habe einen Physiotherapeuten, dem ich dafür viel Geld bezahle.“ Nuschelt er, macht aber, entgegen seiner Worte, keine Anstalten, mich in meinem Tun zu unterbrechen. Geschickt löse ich die Verspannungen und konzentrieren mich dabei voll und ganz auf den jungen Mann vor mir, der mir noch vor zwei Monaten so fremd und doch irgendwie immer schon sehr vertraut war. Ja, damals, als wir Teenager waren, bestanden unsere Begegnungen hauptsächlich aus Auseinandersetzungen, aber die gehören zum Glück offensichtlich der Vergangenheit an. Wir haben uns wohl beide weiterentwickelt. Während ich weiter massiere kann ich beinahe das Rattern in dem kastanienbraune Haarschopf vor mir hören und mir deshalb nicht länger verkneifen ihn zum fragen aufzufordern. „Ich weiß, dass du dich, seit ich wieder aufgetaucht bin, permanent fragst, wo ich die letzten Jahre abgeblieben bin, also warum fragst du mich nicht einfach? Seit wann ist der große Seto Kaiba um Fragen verlegen?“ Ein erneutes, wenn auch nur für mich, da ich ihn ja immer noch berühre, spürbares Zucken verrät mir, dass er sich auch hier ertappt fühlt. Isono hat mir verraten, dass Seto Einiges an Nachforschungen über meinen Verbleib anstellen hat lassen, allerdings offenbar mit sehr unbefriedigendem Ergebnis. Von meiner Schwester weiß ich auch, dass er sie und meine ehemaligen Klassenkameraden des Öfteren über mich ausgefragt hat. Jetzt hat er mich allerdings schon etwa zwei Monate direkt vor der Nase und immer noch keine Anstalten gemacht seinen Wissensdurst zu stillen. „Und, wo warst du?“ Höre ich ihn darauf hin tatsächlich fragen, was mich erneut zum schmunzeln bringt. „Wenn du das wirklich wissen möchtest, dann lass uns ein Spiel spielen. Du eine Frage, ich eine Frage, was hältst du davon?“ Ich weiß, dass er immer noch ein Spieler ist, der sich keine Gelegenheit entgehen lässt, seine Überlegenheit zu demonstrieren, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie er das in diesem Fall bewerkstelligen will, aber ich erhalte tatsächlich eine mehr oder weniger zustimmende Antwort in Form eines Schulterzuckens. „Gut dann nachher im Kamin Zimmer. Bring eine Flasche Wein mit, aber eine von den guten Tropfen. Bis heute Abend.“ Sage ich noch, klopfe ihm dabei auf die Schulter und verschwinde ebenso schnell wieder aus dem Büro, wie ich es zuvor betreten habe. Er wird auftauchen, daran habe ich keinerlei Zweifel, er ist viel zu neugierig um sich diese Gelegenheit mich auszufragen entgehen zu lassen. Allerdings spielen wir beide und auch ich werde es sicherlich schaffen ihm die eine oder andere unangenehme Antwort zu entlocken. Setos Sicht: Erneut frage ich mich warum genau ich nochmal dieser bescheuerten Idee zugestimmt habe, nur um mich dann prompt selbst an den Grund zu erinnern. Neugier. Ich platze fast wegen diesem Gefühl und das Angebot diese endlich, nach all der Zeit, stillen zu können, war einfach zu verlockend. Vielleicht liegt es auch ein bisschen daran, dass er mich, im wahrsten Sinne des Wortes, regelrecht weich geklopft hat. Die Massage hat tatsächlich unglaublich gut getan. Wo er so was gelernt hat, wird definitiv eine meiner ersten Fragen sein. Nachdem Jonouchi mein Büro wieder verlassen hat, bin ich ungewohnt hibbelig, als ob ich den Feierabend kaum erwarten könnte. Das ist mir in meinem ganzen bisherigen Arbeitsleben noch nicht passiert. Kurz kommt mir ein völlig anderer Gedanke, der allerdings eigentlich genau so untypisch für mich ist. Wenn das Projekt wirklich so gut läuft, dass wir es tatsächlich Ende nächsten Monat schon in die Präsentation und anschließend in den Verkauf bringen können, was passiert dann danach? Nichts – beruhige ich mich – was soll auch schon passieren, es ist ja nicht so, dass die Fusion von VRKatsu und der Kaiba Corp, die ich doch eigentlich immer noch gar nicht will, wie ich mich schnell erinnere, danach einfach endet. Es gibt auch nach der Markteinführung mehr als genug zu tun, beruhige ich mich selbst und stelle im selben Moment fest, wie absurd dieses mentale Selbstgespräch gerade eigentlich ist. Als ich erfahren habe, dass mir jemand und dieses Mal tatsächlich erfolgreich, meine Firma weg genommen hat, wollte ich alles daran setzen, denjenigen zur Rechenschaft zu ziehen und jetzt? Jetzt hoffe ich, dass derjenige mich nicht plötzlich im Stich lässt. Diese Gedanken sind absolut widersprüchlich und verwirren mich zugegebenermaßen sehr. Habe ich mich vielleicht viel zu schnell daran gewöhnt, die Verantwortung für mein Unternehmen und den damit verbunden Druck nicht mehr alleine tragen zu müssen. Das hat mich doch zuvor auch nie gestört, ganz im Gegenteil, es war mir immer recht gewesen, da ich so von niemandem abhängig war, auf keine weitere Meinung Rücksicht nehmen musste. Also was soll sich an meiner Einstellung plötzlich geändert haben? Ist es die Erkenntnis, dass, wenn es passt, so eine Kooperation auch wirklich angenehm, fruchtbar und entlastend sein kann. All das würde ich Katsuya... ich meine natürlich Jonouchi, selbstverständlich niemals offen sagen und auch heute Abend bei der Fragerunde nicht. Viel später am Tag betrete ich schließlich, ungewohnt nervös, das Kaminzimmer meines Anwesens, welche ich, wie ich beiläufig feststelle, zuvor noch nie wirklich genutzt habe. Im namensgebenden Objekt, dem optischen Zentrum des Raumes, brennt ein Feuer und verströmt eine doch recht behaglich Wärme. Mir ist zuvor gar nicht wirklich aufgefallen, dass das Wetter draußen inzwischen merklich ungemütlicher geworden ist, aber auch kein Wunder, ein Seto Kaiba ist ja schließlich praktisch nie draußen unterwegs. Jonouchi hat es sich in einem der Sessel direkt vor der Wärmequelle gemütlich gemacht, seine Haltung entspannt und die Karamell farbenen Augen mit dem mir inzwischen wirklich unliebsamen kühlen Blick auf mich gerichtet. Ohne Begrüßung nehme ich sogleich in dem zweiten Sessel schräg gegenüber Platz und stelle die geforderte Flasche Wein auf den Beistelltisch zwischen uns, auf dem auch schon zwei Weingläser auf Ihren Inhalt warten. Weiterhin wortlos greife ich nach dem, ebenfalls vorhandenen, Korkenzieher, öffne diese damit fachmännisch und gieße dann einfach mal auf gut Glück, nicht zu viel aber auch nicht nur einen Verkostungsschluck, ein. Zuerst wollte ich mir eigentlich wirklich keine Mühe mit der Auswahl geben, ja sogar einen billigen Fusel servieren, doch dann überkam mich irgendwie der Wunsch den Blonden zu beeindrucken, weshalb ich sorgfältiger gewählt habe. Natürlich kann ich nicht wissen, welchen Wein Jonouchi normalerweise bevorzugt und ob er überhaupt Ahnung davon hat oder nur so tun wollte als er mich anwies einen "guten Tropfen" mitzubringen. An der Art und Weise, wie er sich nach dem Servieren verhält kann ich allerdings bereits Einiges ablesen. Statt nämlich sofort nach dem gefüllten Glas zu greifen wartet er erst noch ein paar Minuten. Das kann natürlich mehrere Ursachen haben und zeugt noch nicht von einem Kenner, doch als er dann schließlich richtig nach dem Gefäß greift, den Inhalt leicht schwenkt und vorerst nur den Geruch testet, bin ich mir ziemlich sicher, dass er, inzwischen zumindest, ein bisschen Ahnung von Wein haben muss. Mir brennen sogleich noch mehr Fragen auf der Zunge, die ich ihm anschließend auch stellen und die er mir, vorausgesetzt er hält sein Versprechen, hoffentlich auch alle wahrheitsgemäß beantworten wird. "Hibiskus und Schokolade, Merlot, Spätlese, Import nehme ich an. Sehr gut." Kommentiert Jonouchi plötzlich und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Er hat wohl einen ersten Schluck probiert und mit seiner Einschätzung voll ins Schwarze getroffen. Abgelesen schließlich ich mit einem Blick auf die Flasche sofort, wenn auch gedanklich zähneknirschend, aus, da diese mit dem Etikett zu mir gedreht ist. Ich bin tatsächlich beeindruckt, lasse es mir aber natürlich nicht im Geringsten anmerken. Wie bei meinem weißen Drachen mit eiskalte Blick ist aus dem draufgängerischen, vorlauten Chaoten und Schlägertypen, auf den ich früher herab sehen konnte, bloß ein besonnener, berechnender Geschäftsmann und Experte in so einigen Bereichen, wie ich inzwischen feststellen musste, geworden, dem ich wohl oder übel auf Augenhöhe begegnen muss? Können wir nicht endlich zu dem Frage Antwort Spiel kommen, wegen dem ich eigentlich nur hergekommen bin? Der blonde Mann scheint meine wachsende Ungeduld zu bemerken, prostet mir allerdings erst mal, ein feines Lächeln auf den Lippen, seelenruhig zu. Innerlich leicht genervt greife ich halt nun ebenfalls nach meinem Glas, erwidere die Geste sogar und probiere auch von den ziegelroten, alkoholischen Getränk. Wirklich nicht schlecht wie ich feststellen muss. Zugegebenermaßen habe ich den Wein selbst zuvor nicht probiert, der aktuelle Inhalt des Weinkeller stammt noch von meinem Adoptivvater und ich selbst trinke eh nur selten Wein. Aber vielleicht sollte ich das ja in Zukunft ändern, überlege ich tatsächlich kurz und mutmaße, dass es da unten sicher noch einige Schätze zu entdecken geben müsste. "Also. Bevor wir anfangen. Jedes Spiel braucht Regeln." Erneut holt mich der Blondschopf so aus meinen Gedanken. Regeln? Welche Regeln denn? Ich dachte wir stellen uns einfach abwechselnd gegenseitig Fragen? Warum will er es so kompliziert machen? Will er mir vielleicht schon im Vorfeld bestimmte Themen verbieten? Während ich mir den Kopf zerbreche fährt er schmunzelnd fort. "Nur Fragen, die den Gegenüber betreffen und absolut ehrliche Antworten, verstanden?" Ach so, okay, dass meinte er mit Regeln, ja, damit kann ich leben, weshalb ich einfach nicke. Das er mir ja später auch Fragen stellen darf, die ich dann ja auch wahrheitsgemäß beantworten muss, blende ich einfach aus. "Gut. Als Belohnung für die vorzügliche Weinauswahl darfst du anfangen." "Wo warst du die letzten fünf Jahre?" platze ich sogleich mit meiner ersten Frage regelrecht heraus. "In Amerika." Antwortet Jonouchi auch prompt, wie aus der Pistole geschossen und lässt mich beinahe kindisch schnauben. "Das wusste ich schon, geht es nicht etwas genauer?" "Ungenaue Frage, ungenaue Antwort." Ist die lapidare Erwiderung, während ich kurz meine das lang vermisste Funkeln in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Ungewohnt zahm geben ich nach, nicke zum Zeichen, dass ich verstanden habe und ihm mit einen Wink zu verstehen, dass er nun seine erste Frage stellen kann. "Was hat den sonst so unerschütterlichen Seto Kaiba soweit gebracht, auf Grund des Besuches meines Anwalts, so zusammen zu brechen?" Ich will schon protestieren und die Antwort verweigern, aber ein wieder kühler Blick hält mich sogleich ungewöhnlich erfolgreich davon ab. Absolut ehrliche Antworten, die zweite Regel, der ich vollkommen voreilig zugestimmt habe. Nun muss ich mir also wohl oder übel genau überlegen, was ich antworten kann, ohne mein Gesicht vor dem Mann zu verlieren, der sich an besagtem Tag mein Unternehmen unter den Nagel gerissen hat. "Nun, es lag selbstverständlich nicht daran, dass ich inzwischen labil geworden wäre oder so einen schwachen Blödsinn, sondern daran, dass die Zeit davor Essen und Schlafen einfach etwas zu kurz gekommen sind... hatte nun mal Besseres zu tun... meinen Körper wohl etwas überschätzt." Beende ich mein Geständnis leise und fühle mich jetzt schon sprichwörtlich nackt obwohl das gerade mal seine erste Frage war. Jetzt muss ich mir mehr Gedanken machen, bevor ich meine nächste Frage stelle, denn ich will ja schließlich am Ende des Abends nicht ohne Antworten, aber dafür mit einem persönlichen Seelenstriptease, hier raus gehen. Ob er mir glaubt oder nicht verrät sein Gesicht nicht, während er mich auffordern ansieht meine nächste Frage zu stellen. Dabei nimmt er einen weiteren Schluck aus seinem Glas. Ich überlege fieberhaft, was ich Jonouchi als nächstes fragen könnte, will mir aber auch nicht zu lange Zeit lassen, denn meine Unentschlossenheit würde ihn sicherlich amüsieren. "Also, genauer, was hast du gemacht, nachdem du vor fünf Jahren spurlos verschwunden bist." Ein feines Grinsen umspielt seine Lippen, weshalb ich noch vorsichtshalber schnell nachlege: "Wenn du mir jetzt antwortest, dass du nach Amerika gegangen bist, dann ist dieses Spiel beendet." Auf diese Drohung hin vernehmen ich ein leises Lachen und neben der Feststellung, dass ich diese Geräusch heute zum ersten Mal zu hören bekomme, seit der Blonde so plötzlich wieder in meinen Leben aufgetaucht ist, fällt mir auf, wie ausgesprochen gut es sich für mich anhört. Er streicht sich eine vorwitzige Strähne seiner inzwischen einiges über schulterlangen, altgoldenen Mähne, welche heute wohl ausnahmsweise mal nicht durch ein Band im Nacken im Zaum gehalten wird, zurück hinters Ohr und antwortete: "Ich habe verstanden. Nun, wo soll ich anfangen?" Rückblende etwa fünf Jahre zuvor: Jonouchi Sicht: Da stehe ich also nun, keinen Plan wo ich hin soll und, Dank dem Abschiedsbrief, auch ohne Möglichkeit zurück zu gehen. Mein Vater würde mich windelweich prügeln, oder es zumindest versuchen. Nein, jetzt bin ich schon mal soweit gekommen, jetzt ziehe ich es auch durch. Entschlossen begebe ich mich zu Fuß in die Innenstadt und kehre dort erst mal in einem Rahmen Haus ein, mit vollem Magen kann ich schließlich besser denken. Während ich dann so meine Nudeln schlürfe, höre ich das ein oder andere Gespräch um mich herum ein bisschen mit. Zwei junge Männer am Nachbartisch erregen dabei besonders meine Aufmerksamkeit. Die beiden tragen Anzüge, Krawatte und feine Schuhe, obwohl sie nicht viel älter als ich sein können und unterhalten sich aufgeregt über ein Vorstellungsgespräch. "Ja, der alte Herr ist heute morgen unangekündigt hier angekommen und hat verlauten lassen, dass er heute Abend mit einem neuen Assistenten wieder abreißen will." Nun spitze ich die Ohren. "Keine Ahnung, es gibt wohl kein Anforderungsprofil, wirklich jeder volljährige junge Mann kann sich scheinbar einfach so bewerben." Das ist ja hoch interessant denke ich und beschließe kurzerhand den beiden unauffällig zu folgen, als diese sich wohl auf dem Weg zu diesem" Event" machen. Vor einem Bürogebäude endet meine Verfolgungsjagd, doch als ich mich anschicke, dieses ebenfalls zu betreten, fällt mein Blick auf die Schar gut gekleideter junger Männer, die ich durch die Glasfront des Erdgeschosses vor einem Empfangstresen stehen sehe. Nach einem weiteren, allerdings kritischen an mir runter, fälle ich dann recht spontan eine Entscheidung. Etwa eine halbe Stunde später stehe ich auch schon wieder an der genau selben Stelle wie zuvor. Der Anzug passt zwar gut, fühlt sich aber trotzdem etwas ungewohnt an. Die Schuhe drücken ein bisschen, meine ausgelatschten Turnschuhe sind zwar eindeutig bequemer, wären aber definitiv underdressed. Mein Deck befindet sich in meiner Gesäßtasche und meine wichtigen Habseligkeiten habe ich in einer Art Aktenkoffer verstaut. Ich weiß, dass ich gerade alles auf eine Karte setze, denn, auch wenn ich Angebote genutzt habe, mein neues Outfit hat meine Ersparnisse restlos aufgebraucht. Während ich allerdings doch noch etwas unschlüssig vor der Glastüre stehe, quetscht sich plötzlich ein junger Mann an mir vorbei um ins Gebäude zu gelangen. Der Ausruf des Protests bleibt mir im wahrsten Sinnes des Wortes im Halse stecken, als ich den Rücken des Übeltäters erfasse. Der Kerl trägt doch allen Ernstes ein Duel Monsters Merch Shirt und das Motiv ist auch noch kein Geringeres als mein Lieblingsmonster - der schwarze Rotaugen Drache. Erst ist dieses seltsame Vorstellungsgespräch gerade heute und dann sehe ich auch noch genau dieses Motiv dort, das kann kein Zufall sein. Durch diese Erkenntnis von neuem Mut durchströmt betrete ich endlich die Eingangshalle und will mich schon hinter all den anderen jungen Männern anstellen, als mir plötzlich eine verwegene Idee kommt. Möglichst lässig und als ob es damit alles so seine Richtigkeit hätte, gehe ich also anstatt dessen an der wartenden Meute vorbei, direkt auf den Empfangstresen zu. Eine junge Dame in einem gut sitzenden Kostüm lächelt mich zur Begrüßung freundlich an. "Jonouchi Katsuya, ich werde erwartet." Diese Aussage lässt sie zwar kurz minimal die Stirn runzeln, ist aber wohl so überzeugend vor getragen, dass die Empfangsdame schließlich nickt und mir einen Kollegen ruft, der mich nach oben begleitet soll. Im Aufzug bemerke ich kurz meine enorme Nervosität. Was wenn ich jetzt sonst wo hin gebracht werde? Ich weiß ja so oder so im Grunde genommen rein gar nichts über den ausgeschriebenen Job, nur das der Suchende ein alter Mann sein soll, wahrscheinlich kein Japaner ist und wohl einen Assistenten braucht. Bevor ich mich noch weiter auf eine mögliche unangenehme Situation vorbereiten kann, sind wir, also mein Begleiter und ich, wohl schon an unserem Ziel angekommen, denn wir verlassen den Aufzug wieder und kurze Zeit später stehe ich tatsächlich in einem Büro, vor mir ein Schreibtisch und dahinter ein Mann mit weißen Haaren und gepflegtem Bart der selben Farbe. "So so, Sie werden also erwartet? Von wem und wofür?" Er hat einen interessanten Akzent und seine Stimme wirkt eher neugierig, ja fast belustigt, als verärgert. "Ja Sir. Ich bin Ihr neuer Assistent." Diese Antwort, die ich zugegebenermaßen auch zu meinem eigenen Erstaunen mit absoluter Selbstsicherheit gebe, bringt ihn dazu kurzerhand in schallendes Gelächter auszubrechen. Während er sich amüsiert, versuche ich vorsichtig herauszufinden, ob diese Reaktion nun gut oder schlecht für mich ist. Der weißhaarige Mann beruhigt sich nur langsam wieder, bevor sein Gesicht einen ernsten Ausdruck annimmt. "Sie haben keine Ahnung wer ich bin, stimmts?" "Nein Sir" antworte ich aufrichtig. Er schüttelt wohl über diesen Umstand ehrlich verwundert leicht den Kopf. "Warum sollen gerade Sie mein neuer Assistent sein?" "Weil ich es Leid bin Opfer meines eigenen Lebens zu sein und absolut alles dafür tun werde, diesen Umstand vollkommen zu ändern, Sir." Anerkennung huscht über das gealterte und doch erhabene Gesicht. "Erläutern Sie das genauer" und so erzähle ich bereitwillig von meinem Leben, von meinem Plan, von meiner Entscheidung. Er lässt mich reden. Ich beschönige nichts, schmücke aber auch keine Stelle unnötig aus. Nachdem ich geendet habe, ist es kurz vollkommen still im Raum, während ich es hinter seinen hellblauen Augen Rattern sehen kann. Er überlegt wahrscheinlich, ob er mir glauben soll. Als ich mich schon für seine Aufmerksamkeit bedankt und mich verabschieden will, steht er plötzlich auf und kommt langsam um den Tisch herum auf mich zu. Neben mir stehen bleibend legt er mir beinahe großväterlich, allerdings nur ganz leicht, eine Hand auf die Schulter und schaut dabei mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck auf mich herab. "Was würden Sie antworten, wenn ich Ihnen sagen würde, dass wir beide noch heute Abend nach New York zurück fliegen werden?" "Ich würde mich bei Ihnen erkundigen, wie weit die Vorbereitungen sind und was ich dementsprechend vorher noch alles organisieren darf, Sir." Er lacht erneut und klopft mir etwas fester offensichtlich wohlwollend auf die Schulter. "Ja, Sie gefallen mir schon jetzt. Lassen Sie sich kurz von meinem Mitarbeiter Briefen und erledigen Sie dann mit diesem alles Nötige, um 1800 will ich hier weg sein." "Verstanden Sir" verneige ich mich tief und während er besagten Mitarbeiter ruft um ihm zu sagen, dass das Vorstellungsgespräch zu Ende ist, bin ich innerlich wie betäubt. Habe ich das gerade alles wirklich getan? Fliege ich heute Abend tatsächlich nach New York? Also das New York von dem ich aus der Schule noch weiß, dass es in Amerika liegt. "Junge, wie heißen Sie eigentlich?" "Jonouchi Katsuya" Während mein neuer Boss sich wieder in seinen Sessel sinken lässt und uns scheinbar nicht mehr beachtet, kommt ein Mann, schätzungsweise doppelt so alt wie ich, auf mich zu und reicht mir lächelnd die Hand. "Na gut Katsu, dann komm mal mit, wir dutzend uns hier alle, ich bin Jason und werde dir alles erklären. Ich nehme an, du musst vor dem Flug nichts mehr Persönliches erledigen?" "Nein, Sir." Setos Sicht: Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich momentan total bescheuert aussehe, aber ich hänge förmlich an Jonouchis Lippen während er mir nun endlich ausführlich erzählt, was nach seinem Verschwinden vor über fünf Jahren aus Ihm geworden ist." Nun ja und dann begannen ein sehr hartes Jahr für mich, indem ich allerdings auch unglaublich viel gelernt habe. Also Englisch natürlich, Knigge, das Business ein mal eins, all das. Nach dieser Zeit rief mich der alte Herr zu sich und fragte mich, welches Projekt ich realisieren würde, wenn ich unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung hätte. Das war die Geburtsstunde von VRKatsu, also Katsu wegen meinem Spitznamen unter meinen amerikanischen Kollegen, und natürlich von Utopia. Der alte Mann wurde mein Mentor und da er keine eigenen Kinder hatte, vermachte er mir schließlich alles, als er vor etwa eineinhalb Jahren verstorben ist." Ich bin wirklich schwer beeindruckt und mir sicher, dass mir das gerade auch anzusehen ist, aber ich empfände es gerade tatsächlich als Beleidigung, diese Anerkennung vor Katsuya zu verbergen, denn er hat sie meiner Meinung nach wirklich verdient. Das ich ihn in Gedanken gerade bei Vornamen genannt habe, fällt mir zuerst gar nicht auf und dann stört es mich weniger, als je vermutet. Während ich noch das Gehörte verarbeite stellt er seine Gegenfrage: "Hast du den Abschiedsbrief damals gelesen?" Beinahe gedankenlos schüttle ich immer noch etwas abwesend den Kopf und trinke einen etwas größeren Schluck aus meinem Glas um meinen, vom Starren etwas trocken gewordenen, Mund zu befeuchten. "Gut, jetzt weißt du es ja. Deine nächste Frage?" Ja, meine nächste Frage!? Mein Kopf ist plötzlich wie leer gefegt. Die Geschichte des Blonden hat fast alle Unklarheiten beseitigt und so bleiben jetzt eigentlich keine mehr übrig, zumindest keine, die mich zuvor wirklich brennend interessiert haben. Um das Spiel und somit auch das Gespräch trotzdem am Laufen zu halten, frage ich schließlich, während ich uns beiden nachschenke "Wie hast du es angestellt allen anderen ihre Anteile an der Kaiba Corp abzukaufen?" Jonouchi beäugt mich kurz kritisch scheint sich dann aber an seine Regel zu erinnern und setzt zu einer Antwort an. "Das war eigentlich gar nicht so schwer, da ich ja wusste wer ungefähr wie viel Prozent deiner Firma halten müsste, neben dir natürlich. Ich habe innerhalb von eineinhalb Jahren an alle Angebote verschicken lassen, deren angemessene Höhe mein Anwalt hier vor Ort für mich bestimmt hat. Er hat dann auch die Gespräche geführt und die Übertragung abgewickelt. Und ja, das war im Großen und Ganzen der Ablauf. "Und was hat Mokuba damit zu tun gehabt?" Kann ich mich nicht zügeln noch nachzufragen, bekomme aber prompt einen tadelnden Blick aus den Karamell farbenen Augen. Mit erhobenem Zeigefinger ermahnt er mich wie ein Vater sein Kind auf dem Spielplatz. "Erstens haben wir doch gesagt, nur Fragen, die den Gegenüber betreffen und zweitens wären das nicht eine sondern zwei Fragen." Er klingt streng und ich habe das Bedürfnis zu schmollen, aber um Gottes Willen, ich bin immer noch ein erwachsener Mann und Chef eines Millionen schweren Unternehmens. Bevor ich trotzdem so was wie auf begehren kann, schiebt er allerdings, nun wieder wohlwollend klingend nach "Ich weiß, du bist nur neugierig. Deshalb ist deine Strafe auch nur, dass ich ebenfalls zwei Fragen stellen darf." und bevor ich zustimmen oder ablehnen kann stellt er die erste auch schon. "Warum hast du das Kooperationsangebot mit der VRKatsu zweimal abgelehnt?" Will er mich provozieren? Weiß er von Isono, dass ich es mir nicht mal wirklich angesehen habe? Will er mir unter die Nase reiben, dass ich mit der Annahme die feindliche Übernahme verhindern hätte können? Meine Verärgerung lässt meine Antwort dementsprechend kühl und kurz ausfallen. "Ich bin ein viel beschäftigter Mann und bekomme ständig solche Anfragen." Damit gebe ich natürlich nicht zu, warum ich wirklich abgelehnt habe, aber wenn Katsuya meint mich reizen zu müssen, dann bekommt er das zu hören, was ich ihm sagen will. Wider kann ich nicht einschätzen ob er mir glaubt und die nächsten Frage, die mir der ersten überhaupt rein gar nichts zu tun zu haben scheint, gibt mir auch keinen Aufschluss über seine Gedanken Welt, denn diese lautet nämlich schlicht: "Hat dir dein Avatar Design bei der Utopia Präsentation gefallen?" Nun bin ich wirklich wütend und meine Stimme gibt das auch schneidend wieder. "Nein, natürlich nicht. Dieser plumpe Versuch mich zu beeindrucken war einfach nur lächerlich." Mit meiner schnippischen Bemerkung gehen ich allerdings offenbar zu weit, denn bevor ich noch reagieren kann ist der blonde Mann mit einer fließenden Bewegung aufgestanden und steht nun direkt vor mir. "Was wird das jetzt, wenn es fertig ist?" bekomme ich noch heraus, um meinen kalten Blick und eine genervte Stimme bemüht, da stellt er sich auch schon so, dass ich die zuvor leicht in meiner Sitzposition geöffneten Schenkel nicht mehr schließen kann, legt seine Hände auf meine Handgelenke und fixiert mich somit im Sessel unter mir. Sein Blick ist bohrend und das Feuer darin, das ich ansonsten seit unserem ersten Wiedersehen so vermisst habe, beschert mir nun eine leichte Gänsehaut. "Mein einsamer, trotziger Drache" schüttelt er leicht den Kopf und ich erinnere mich, dass er mich bei der Utopia Präsentation auch so bezeichnet hat, kann mir aber immer noch keinen Reim daraus machen. Katsuyas Sicht: Mit der letzten dreisten Lüge reicht es mir endgültig. Bevor ich noch überlegen kann, geht ein kleines Bisschen meines alten Temperaments mit mir durch und ich baue mich vor dem Brünetten in seinem Sessel auf, fixiere ihn dort, schüchterne ihn, auch wenn ich das nur an seinen blauen Augen sehen kann, damit offensichtlich tatsächlich auch etwas ein und komme nicht darum herum ihn so zu nennen, wie ich es in Gedanken hunderte Male und laut bisher nur ein einziges Mal getan habe. Er scheint zu perplex um sich zu wehren und das nutze ich, indem ich mit ruhiger Stimme, die, wie ich weiß, durchaus bedrohlich klingen kann, beschließe den großen Seto Kaiba nun ein bisschen in seine Schranken zu weisen. "Es gab nur zwei Regeln, an die ich mich gehalten habe. Du hingegen hast es nicht bei einer einzigen meiner Fragen für nötig empfunden ehrlich zu antworten." Ich sehe ihm an, dass er protestieren will, aber soweit lasse ich ihn nicht kommen, denn schon spreche ich weiter, komme ihm dabei etwas näher und registriere seine Reaktion ganz genau." Die richtige Antwort auf meine erste Frage wäre gewesen: Ich, der trotzige Seto Kaiba, war so damit beschäftigt, vollkommen im Alleingang eine virtuelle Innovation finden zu wollen, dass ich bei dem Versuch wahrscheinlich längst verhungert oder am Schlafmangel zu Grunde gegangen wäre, wenn Isono sich nicht die ganze Zeit um mich gekümmert hätte." Sein empörte Schnauben ignorierend mache ich munter weiter. "Die Antwort auf meine zweite Frage hätte lauten sollen: Ich, Seto, der die ganze Welt kontrollieren will, habe den Brief wahrscheinlich öfter gelesen als jeder andere und kenne immer noch jedes Wort auswendig. Zudem hättest du anfügen können, dass du die letzten fünf Jahre nicht nur wegen deinem Kaiba Land deutlich öfter als eigentlich notwendig in Amerika gewesen bist. Du hast mich gesucht und wärst du vorhin diesbezüglich ehrlich zu mir gewesen, hätte ich dir auch den Grund verraten, warum deine Suche nach mir erfolglos war. " Nun blitzt Neugier durch das Eis des Blaus und in meiner Gnade beantworte ich die Frage dahinter sogleich. "Meine Kollegen nannten mich Katsu, in die vereinigten Staaten bin ich allerdings auf eigenen Wunsch unter einem völlig anderen Namen eingereist, nämlich Josef oder Joey Wheeler." Das Fragezeichen in Setos Gesicht wird zum Ausrufezeichen, was ich als Erkenntnis deute. Unverdrossen konfrontiere ich den Mann vor mir weiter mit Fakten." Antwort Nummer drei hätte eigentlich lauten müssen: Ich, Seto Einzelkämpfer, war viel zu stolz und dass jemand anderes außer mir eine Lösung für die virtuelle Welt findet, konnte ich nicht akzeptieren, weshalb ich das Angebot der Kooperation gleich zwei Mal abgelehnt habe. Mir Sturkopf ist allerdings inzwischen klar geworden, dass ich mir damit Vieles ersparen hätte können. " Ob Seto es selbst bemerkt oder nicht, er sinkt während meiner Ausführungen merklich in sich zusammen. Noch bin ich allerdings nicht ganz fertig mit ihm. Mein Gesicht ganz nah an seines bringend setzte ich zum letzten Schlag an. "Und die richtige Antwort auf meine letzte Frage sieht so aus: Die Kamera Aufnahmen von dir zeigen ganz deutlich, dass du dich geschmeichelt gefühlt hast, aber sie verdeutlichen darüber hinaus noch etwas." Der Blick des Brünetten vor mir, schon beinahe resigniert, klärt sich noch einmal, als wüsste er, dass ich ihm nun die alles entscheidende Tatsache servieren werde. Um das Ganze nonverbal zu unterstreichen und weil es einfach zu verlockend ist, Seto so nahe zu sein, sein ganz eigener Geruch, der mir angenehm in der Nase kitzelt, die Wärme zu spüren, dort wo ich ihn berühre und den unregelmäßigen Herzschlag zu fühlen, der im Vergleich zu seinem Gesichtsausdruck seine Nervosität verrät, beuge ich mich vollends zu ihm herunter und flüstere ihm ins Ohr: "Als du realisiert hast, dass ich derjenige bin, der dir deine Firma weggenommen hat, habe ich ganz deutlich erkannt, dass du dich in diesem Moment nicht zwischen der Wut der Erkenntnis und der Freude darüber, mich nach all den Jahre endlich wieder zu sehen, entscheiden konntest." Ich spüre das leichte Erschaudern des Körpers unter mir, als ich noch hauchend hinzufüge:" Seto lüg mich noch einmal an und du wirst mich kennen lernen. Bisher war ich wahrscheinlich zu gutmütig, aber sei es drum. Ich hoffe die Botschaft ist angekommen." Als ich darauf hin wieder etwas Abstand zwischen uns bringen will um ihm noch einmal mit Nachdruck in die Augen sehen zu können, realisiere ich plötzlich, dass der Angesprochene diese tatsächlich geschlossen hat und das minimale Zittern nicht ignorieren könnend, welches ich durch die noch immer bestehende Nähe zu ihm trotzdem spüren kann und welches den Firmenmogul, vielleicht, so hoffe ich insgeheim doch etwas, meiner Nähe wegen erfasst hat, entferne ich mich darauf hin schnellstmöglich wieder von ihm und verschwinde kurzerhand aus dem Kamin Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)