Inu Yasha no yomi von Hotepneith (Inu Yasha in der Unterwelt) ================================================================================ Kapitel 4: Herr der Hunde ------------------------- His days of asking are all gone His fight goes on and on and on But he thinks, that the fight is worth it all. So he strikes – like thunderball.   James Bond: Thunderball   Die Gruppe brach auf, die beiden Hundekrieger als protokollgerechte Wache mit neugierigen Blicken auf den neuen Fürsten, hinterdrein. Inu Yasha beschloss, wenn er schon diesem dämlichen Drachen eins auf die Klauen geben wollte, sollte er zumindest so tun, als ob er Informationen wollte. Da er Jaken nicht allzu viel zutraute, meinte er: „Kyoichi, komm neben mich und erzähle mal im Gehen, was ich wissen sollte.“ Der Haushofmeister seufzte unhörbar, gehorchte jedoch, den höfischen Schritt zurück. Wo sollte er da bei jemandem anfangen, der ganz offenkundig noch nie in einem der Fürstentümer der Yōkai gewesen war, sondern sich lieber mit Menschen abgegeben hatte? Natürlich wäre es unklug so etwas einem Fürsten zu erzählen. Die Hierarchie war unantastbar und die Strafen hart. Er meinte allerdings vorsichtig: „Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch auf Ah-Un setzen, dann wären wir schneller.“ „Keh. - Das liegt wohl weniger an mir. Jaken, steig schon auf! Also, Haushofmeister....“ „Äh, ja.“ Da hatte jemand eindeutig keine Ahnung von höfischen Regeln, oder vielmehr wollte sie nicht kennen. Oder auch nur, wenn es zu seinen Gunsten lief. „Das neue Schloss, wie wir es nennen, liegt auf einem Hügel. Es beinhaltet die Verwaltung des Fürstentums, natürlich die privaten Räume der Familie, aber auch Schlosswachen. Im Hauptgebäude liegen die große Audienzhalle, die Privaträume und das private Arbeitszimmer, in einem Seitentrakt die Büros der Verwaltung, die dem werten Jaken untersteht. Ich dagegen mache die Schlossverwaltung und halte dort alles am Laufen, organisiere auch die Audienzen. Wir beide wurden von Sesshōmaru-sama zu Beratern ernannt, ebenso wie Heerführer Mamoru und Myōga, den Ihr wohl kennengelernt habt. Oft war auch die Fürstenmutter anwesend.“ Ach herrje. Der große Bruder musste ja ziemlich einsam gewesen sein, wenn er Mama, Flohopa und Jaken als Berater ausgewählt hatte. Aber, da stimmte doch etwas nicht? „Ich erinnere mich kaum an meine Kindheit, aber irgendwie war da der Haushofmeister nicht mit Politik befasst. Mutter schickte dem immer eine Hofdame.“ Oh. Kyoichi hätte fast die berufsbedingt regungslose Miene verlassen. Das war der erste Hinweis darauf, dass der Hanyō auch mütterlicherseits aus vornehmer Familie stammte. Nun gut. Die Herrin wäre wohl auch sehr erzürnt gewesen hätte ihr Gefährte sie für ein simples Bauernmädchen sitzen lassen. „Das ist wohl wahr, oyakata-sama und hat ein wenig mit meinem langen Leben zu tun. Wenn ich ausführlicher erläutern dürfte...“ Er wartete den Seitenblick ab und deutete ihn als Genehmigung. „Bereits mein Vater war Haushofmeister, allerdings beim Vater der verehrten Fürstenmutter. Als dieser starb war der Gefährte der Herrin so freundlich ihm diesen Posten zu belassen. Ihr wisst natürlich, dass Berater und auch die obersten Hofpositionen oft beim Tod eines Fürsten zur Disposition stehen. Der damalige Gefährte der Herrin war Euer verehrter Herr Vater, der mächtige Inu no Taishō.“ Inu Yasha warf ihm einen missgelaunten Blick zu. „Schreib´s dir hinter die Ohren: nur, weil ich sagte, du sollst mir was erklären, bin ich nicht dämlich!“ „Ich bitte um Verzeihung, oyakata-sama!“ Kyoichi neigte eilig den Kopf und betrachtete seine Schuhe im Gehen. Der Hanyō wirkte so jung und unerfahren, aber natürlich war er jetzt der Fürst des Westens, und Berater eines Fürsten zu sein konnte durchaus, nun, gesundheitliche Nachteile mit sich bringen. „Ich lernte bei meinem Vater und wurde schon früh dem Hofstaat der Prinzessin zugeteilt, leitete diesen auch. Nach dem Tode Eures Herrn Vaters und der Abwesenheit Sesshōmaru-samas führte sie die Ländereien in seinem Namen und benötigte dazu auch Berater. Da sie mich lange kannte und freundlicherweise meinen Fähigkeiten vertraute, erhielt ich beide Ämter. Sesshōmaru-sama beließ es dabei.“ „So dienst du schon lange der Fürstenmutter, so ähnlich wie Myōga meinem Vater?“ „Ja. Wir beide kennen uns seit Jahrhunderten. Die Herrin war mit mir bislang stets zufrieden.“ Ein kleiner Hinweis auf die Hoffnung auch der neue Herr würde ihm diese Ämter belassen. Dann konnte er sich mit Myōga mal über den Kerl austauschen. Moment mal. Der hatte Vater gekannt? Dann könnte er von dem vielleicht auch endlich etwas über den hören? Aber eines war ihm doch aufgefallen. Er war kein Teenager mehr und hatte in seinem Leben durchaus schon fanatische Leute getroffen: jedes Mal, wenn dieser Kyoichi von der Fürstenmutter sprach, ihren Titel erwähnte, klang das wie eine Fanfare. Da war wohl jemand sehr emotional beteiligt. Vermutlich in allen Ehren, sonst hätte den Sesshōmaru bereits gekillt oder auch dessen unbekannte Mutter, wenn sie seinem Halbbruder auch nur etwas ähnelte. „Gut. Weiter. Du erwähntest einen Militär?“ „Ja, äh....“ Der Haushofmeister sah fast hilfesuchend zu Jaken auf. Der Kappa zuckte die Schultern. Er war nicht gefragt worden und durchaus froh darum. Inu Yasha hatte ihm schon vor Jahrzehnten Beulen verpasst – und dessen Menschenbande gleich dazu. So seufzte der Hundeyōkai. „Er stammt aus einer alten Familie, die stets starke Krieger hervorgebracht hat. Er schlug, als wir die Todesnachricht durch die Fürstenmutter erhielten, vor, dass sie neu heiraten solle und so den nächsten Fürsten bestimmen würde, natürlich,“ beteuerte er eilig: „Ehe Myōga an Euer Erbrecht erinnerte. Und, ich gebe zu, dass wir alle in diesem Moment annahmen, dass er sich durchaus in das Spiel bringen wollte. Natürlich sinnlos. Die Fürstenmutter möchte sich eher zurück ziehen, nach dem Tod....“ Sehr emotionell, der Gute, zumal für einen Yōkai. Ob dessen Interpretation stimmte? Aber da war etwas anderes und Inu Yasha sah zu seiner anderen Seite, etwas nach oben um den Drachenreiter zu begutachten. „Ach, Jaken, du hast also zufällig vergessen wer ich bin?“ „Wer könnte Euch schon vergessen,“ gab der Kappa mit gewissem Seufzen zurück. „Ich dachte nur, dass Ihr lieber unter Menschen seid...“ Klang jedenfalls besser, als dass er dem ungestümen Halbblut nicht über den Weg traute, was die Regierung über ein Fürstentum, politische Verhandlungen und das Durchsetzen der Interessen der Familie gegenüber den Vasallen anging. Ungezügelte Zerstörungswut verband er eher mit dessen Kampftechniken. Wobei, der war älter geworden, reifer, ja, aber da lagen auch Schatten im Gesicht, die früher nicht da gewesen waren. Kagomes Tod? Ja, sie musste tot sein, so als Mensch. „Mit Menschen habe ich momentan weniger am Hut als mit der Nachricht, dass mein Bruder, mein einziger Bruder, von irgendeiner dahergelaufenen Eidechse ermordet wurde, du dämlicher Kappa!“ Er sollte lieber wieder zu diesem Kyoichi sehen, der schien wenigstens einigermaßen sachlich. Ja, über den und diesen Mamoru sollte er sich wirklich dann mal mit Myōga unterhalten. Onkelchen war feige, aber er hatte ihn noch nie betrogen. Das führte zur nächsten Frage. „Weiter. Warum ist eigentlich Myōga nicht hier?“ „Die Fürstenmutter sandte ihn zu den Drachen, er solle herausfinden, ob es Ryuuichi gelang Bankusaiga zu aktivieren oder sich diese Klinge ihm verweigert.“ „Und da schickt sie den nicht gerade tapfersten Floh aller Zeiten?“ erkundigte sich der nominelle Fürst mehr als erstaunt. „Befehl ist Befehl, Inu Yasha-sama. Und die Dame kann ihren Anordnungen deutlich Nachdruck verleihen. Sie ist nicht nur eine Daiyōkai, sondern besitzt auch ein Medaillon, mit dem sie ein Meidō direkt in die Unterwelt erschaffen kann. Sie erhielt es von Eurem Herrn Vater.“ „Dachte ich mir.“ Interessant. Sie konnte also auch den Pfad der Dunkelheit schlagen? Naja, wohl weniger schlagen, mit einem Medaillon. „Und immerhin dürfte ein Flohgeist für einen Drachen deutlich unsichtbarer sein als meine Wenigkeit.“ Da hatte der Haushofmeister recht. Naja, höflich war der ja und irgendetwas musste er auch drauf haben, wenn Sesshōmaru den als Berater hatte. Wobei, der hatte ja schon vor Jahrzehnten Jaken versprochen sein erster Minister zu werden. „Mal die andere Frage – wer dürfte gegen mich sein, so als Hanyō?“ „Die Vasallen,“ sagte Jaken prompt. „Durchgehend starke Yōkai mit eigenen Kriegern, die sich Aussicht auf den Fürstentitel ausrechnen, wenn Sesshōmaru-sama eben....“ Er brach ab. „Keh. Irgendjemand, der mich schlagen kann?“ Er wollte vor Kyoichi – die zwei Krieger trotteten ja ein Stück weit hinterher – nicht gerade sagen, dass immerhin ER Sesshōmaru ein paar Mal mit eingezogenem Schwanz weggeschickt hatte. Jaken nahm diese Rücksicht fast gerührt zur Kenntnis. Der Junge war wirklich älter geworden, erwachsen. „Ich glaube nicht, aber sie haben natürlich auch Krieger.“   Naja, um die Vasallen musste er sich doch eigentlich sowieso nicht kümmern. Er ging ins Schloss, sagte Sesshōmarus Mutter, irgendwie ja seiner eigenen Stiefmutter, höflich Guten Tag, hörte sich noch an, was Onkel Myōga zum Thema Drachenbande zu sagen hatte, und ging dahin, legte diesen Ryuuichi um und nahm Bakusaiga wieder mit. Fertig. Und der neue Herr des Westens unterschlug selbst vor sich die Frage elegant, was dann mit Bakusaiga oder Tenseiga geschehen sollte.   „Wir erreichen gleich den Bannkreis,“ erklärte Jaken, da Ah-Un stehenblieb. „Wir konnten nur durch mit der Genehmigung der Fürstenmutter. Im Prinzip müsstest du... müsstet Ihr hindurch kommen, oyakata-sama. Ihr habt das Bluterbe.“ Im nächsten Moment schrie er auf: „Nein, nicht mit Tessaiga!“ Inu Yasha hielt das rot leuchtende Schwert in der Hand. „Das löst Barrieren,“ erklärte er etwas erstaunt. Kyoichi, der bestimmt kein Krieger war, hatte überrascht, wie sehr sich diese Klinge verbreitern konnte und dass sie mindestens zwei verschiedene Farben zeigte. Das war sicher kein gewöhnliches Schwert. Aber er erklärte eilig: „Dieser Bann wurde von allen Fürsten und dem Drachenkönig gemeinsam gelegt. Wird der Zauber angegriffen ist das ein kriegerischer Akt. Ihr solltet als Bluterbe die Möglichkeit besitzen hindurch zu gelangen und uns mitzunehmen.“ Das Hanyō seufzte. Sollte er schon wieder erwähnen, dass er etwas nicht konnte, in diesem Falle eben Magie? Aber er schob Tessaiga zurück und sah sich um. Ja, die Krieger waren auch da. „Das Blut reicht, meint ihr?“ Er spürte die Magie tatsächlich und das bewies nur wie stark sie war. Sehen konnte er sie nicht. „Schön, aber wenn ich nicht durchkomme, ist Tessaiga dran.“ Jaken und Kyoichi wechselten einen besorgten Blick. Was genau hatte der neue Herr der Hunde denn an dem Satz das sei ein kriegerischer Akt nicht verstanden? Das konnte ganz schnell in Auseinandersetzungen mit den anderen Fürsten oder König Ryujin enden.   Für einen langen Moment hatte Inu Yasha die Befürchtung sich gleich schrecklich zu blamieren, wenn er wie ein Idiot an einem unsichtbaren Hindernis scheiterte. Tatsächlich aber spürte er etwas wie einen leichten Widerstand, einen Schleier, der vor ihm beiseite wich, dann war er offenkundig durch. Und dachte gerade noch rechtzeitig an seine Begleiter und streckte die Hand aus um den Bann offen zu halten. Das brachte ihm eine Verneigung des Haushofmeisters ein, ein zweistimmiges Grunzen von Ah-Un – und sogar respektvolle Blicke der beiden Krieger. Er ahnte nicht, dass er damit vor ihnen bewiesen hatte, dass er der rechtmäßige Herr der westlichen Länder wäre, der aktuelle Fürst. „So, weiter im Text, Kyoichi,“ sagte er nur. „Wie geht es jetzt weiter, wenn wir zu dem Schloss kommen?“ Beide Berater tauschten wieder einmal einen unwillkürlichen Blick. Der Hanyō wollte sich an das Hofprotokoll halten? Damit hatten sie zugegeben nach seinem bisherigen Verhalten nicht gerechnet. Aber natürlich ziemte sich eine Antwort. „Wir gelangen zu dem Schloss, nach bisherigem Tempo, ungefähr gegen Abend, oyakata-sama. Ich muss erwähnen, dass die betrübliche Nachricht vom Tode Sesshōmaru-samas noch geheim sein sollte, schon, um die Vasallen davon abzuhalten ihre eigenen Krieger aus dem Militär abzuziehen. Ich würde vorschlagen, dass Ihr Euch direkt zur Regentin begebt, nun, sie dürfte Euch empfangen, und dann das Weitere besprecht. Es gibt ein privates Arbeitszimmer, das von Bannkreisen umgeben ist und so niemand hören kann, was gesprochen wird. Ich würde dann, natürlich Euer Einverständnis vorausgesetzt, auch die Räume des Fürsten für Euch bereit … nein?“ „Nein.“ Das klang entschieden. Inu Yasha verspürte nicht die mindeste Lust sich da auf einen Thron zu setzen und mit Leuten wie Jaken und Kyoichi Tag für Tag zu reden. Da er den fast entsetzten Blick erkannte, er sich mehr als offenkundig blamiert hatte, bemühte er sich instinktiv um Schadensbegrenzung. „Ich werde sicher erst einmal nicht lange im Schloss sein. Wenn da dieser Drache Bakusaiga in der Hand hat, sehe ich als erste Dringlichkeit das zu holen.“ Das stimmte natürlich und bewies einen gewissen Schutzinstinkt des neuen Fürsten. So verneigte sich der Haushofmeister eilig. „Vergebt, daran dachte ich nicht.“ Es funktionierte. So setzte er nach. „Merke ich. Außerdem sind da auch noch die Vasallen. Wenn ich das so recht betrachte, könnte es da auch Ärger geben.“ Kyoichi nahm den Tadel schweigend hin. Es stimmte und er hatte nur an das Protokoll gedacht, aber da warteten wohl einige Schwierigkeiten und auch Kämpfe auf den Fürsten, der ihm das noch recht freundlich erklärt hatte, ohne Strafe. Jaken dagegen zuckte die Schultern. „Kein großer Ärger, wenn du... Ihr Euch nicht sehr verändert habt, Inu Yasha-sama. Ich meine, oyakata-sama. Besiegt den Einen oder Anderen, die Restlichen werden sich weder Tessaiga noch gar dem Meidō aussetzen wollen.“   „Das wäre mal eine vernünftige Eigenschaft...“ Das von Yōkai sollte er besser unterschlagen, immerhin befand er sich hier in einem Fürstentum eben der Yōkai und die hofften offensichtlich darauf, dass er die Sache in Ordnung bringen würde. Was er, zugegeben, bis auf das Problem mit Bakusaiga, nicht wollte. Andererseits war es natürlich bestimmt höflich der eigenen Stiefmutter das Beileid auszusprechen – und die gute Frau überhaupt mal kennen zu lernen. Immerhin konnte sie angeblich ein Meidō zangetsu erschaffen, vielleicht bekam er da auch noch was Neues zu hören? Eines war jedenfalls klar, sie müsste eine Daiyōkai sein, mit den entsprechenden Fähigkeiten. Naja, ob sie dann so begeistert wäre ihn kennen zu lernen, so als Halbblut? Aber, da musste er wohl durch. Immerhin, wenn sie schon nach ihm diese zwei angeblichen Ratgeber schickte, sollte sie ihn auch als Fürsten anerkennen, naja, ihm gegenüber zumindest höflich sein. Und der Haushofmeister hatte doch schon gemeint, sie wolle sich mit seiner, also Inu Yashas, Erlaubnis zurückziehen? Ach herrje, bedachte er dann. Er wurde offenkundig im weiten Westen wirklich als Erbe des Fürsten angesehen? Das konnte ja nur heiter werden. Nur rasch Bakusaiga besorgen, dem Drachen eine überbraten und wieder weg... Wohin auch immer. „Gut, erster Schritt zur Regentin zu gehen. Hat sie auch einen Namen?“ Der entgeisterte Blick Kyoichis sagte genug. „He, wie soll ich sie ansprechen? Keibo-sama?“ Verehrte Stiefmutter.   „Das wäre sehr freundlich von Euch,“ bekannte der Haushofmeister. Immerhin hätte es der Fürst auch bei „Du“ belassen können und sie zu einem Schatten im Frauentrakt machen können, ohne Rang. Er war sicher, dass das seine Herrin am meisten fürchtete. So versuchte er ihre Besonderheit zu erklären, die ihn seit Jahrhunderten zu ihrem ergebensten Diener machte. „Sie trägt auch den Ehrentitel Inu no Kami, der ihr einst von ihrem Vater verliehen wurde, als Musterbeispiel einer Hundeyōkai. Ihre Magie ist außergewöhnlich.“ Und dann gleich Göttin? Na, die Dame sollte er sich mal angucken. „Gut. Dann muss ich also noch den Militär, diesen Mamoru begrüßen?“ erkundigte sich der Hanyō doch aus gewisser dunkler Erinnerung an seine Kindheit. „Und natürlich Onkelchen, wenn er wieder da ist.“ „Onkelchen?“ wiederholte Kyoichi verständnislos. „Myōga- jiiji. Er war der Einzige, der mir nach dem Tod meiner Eltern etwas erklärte.“   Der erfahrene Hundeyōkai nickte nur. Oh. Diese neue Information musste überdacht werden. Myōga war treu gegenüber der Familie, das hätte er nie bezweifelt, aber offenbar hatte der verstorbene Inu no Taishō da Anweisungen hinterlassen – und Sesshōmaru-sama hatte nie daran gerührt. Das wiederum bedeutete, als der Flohgeist Berater im Westen wurde, konnte es nur mit Genehmigung Inu Yashas passiert sein. Die Halbbrüder hatten sich also durchaus verstanden. Das wiederum bestätigte ja auch die Gerüchte sie hätten das Höllenschwert gemeinsam in die Unterwelt geschickt. Und Jaken hatte heute gesagt, er habe dabei zugesehen. Natürlich fiel so etwas unter eine gewisse Schweigepflicht. Genaueres war da weder von Jaken noch von Myōga zu bekommen. Kyoichi verstand es. Er würde sich auch lieber in Stücke hauen lassen als das Vertrauen der Regentin zu enttäuschen. Er liebte sie, seit er ihr zugeteilt worden war, natürlich ohne jede Hoffnung. Sie war aus fürstlichem Haus, eine Daiyōkai, und alles, was er tun konnte, war für sie zu leben. Und das tat er.   Die Sonne berührte schon die entfernten Berge, als Inu Yasha vor sich aus der dünn bewaldeten Ebene Gebäude aufsteigen sah. Zu seiner gewissen Überraschung sah das Yōkaischloss denen der Menschen doch recht ähnlich, wenngleich ohne sichernde Mauer drumherum. Allerdings standen an den Zugängen zwischen den Gebäuden Krieger, alle so ähnlich wie die beiden Hunde hinter ihm in den Farben des Westens gekleidet. Das Hauptgebäude war zweistöckig und überragte die umgebenden Verwaltungshäuser. Er war sicher irgendwo befand sich auch ein Garten, wenngleich der aus dieser Distanz nicht zu sehen war. Im Haupthof, der durch ein mehr oder weniger symbolisches Tor vom eigentlichen Haupthaus abgetrennt war, tummelten sich eine Menge Leute – alles Yōkai.   „Ist das immer so voll?“ erkundigte er sich im Näherkommen. „Äh, nein, oyakata-sama,“ erwiderte Kyoichi sichtlich nervös. „Es scheint Besuch da zu sein, ein Vasall mit Gefolge, also Kriegern. Es könnte natürlich sein, dass der ... verärgert ist, weil ihn Sesshōmaru-sama nicht empfängt.“ „Keh! Was wurde dem denn gesagt?“ „Nun ja, es sollte noch geheim sein dass der... Jedenfalls wurde wohl gesagt, dass der Fürst unterwegs ist.“ „Na, toll.“ Inu Yasha entschied spontan. „Dann sollte er das erst mal auch nicht wissen. Ich bin eben auf Familienbesuch, oder?“ „Ja, äh, es wäre wohl nur gut, wenn Ihr Euch mit der Herrin zuerst absprechen würdet...“ „Klar. Kommt, rein ins Vergnügen.“ Kyoichi sah ein wenig überrascht, ja, überfordert, zu Jaken, aber der zuckte nur die Schultern. Er hatte in seinem wirklich langen Leben noch niemand außer Sesshōmaru-sama und eben diesem Hanyō kennengelernt, die sich mit Wonne in Ärger stürzten. Und das auch noch meist zu Recht, zugegeben. So schnalzte er und ließ Ah-Un anfliegen.   Im Hof standen sich derweil mit Mamoru der momentan ranghöchste Militär und Beamte des Schlosses und ein Provinzfürst gegenüber, der mit dreißig Krieger hier eingetroffen war und mehr als empört über die Tatsache war, dass der Fürst nicht zu sprechen sei. Mamoru bemühte sich um Deeskalation, schließlich sollte der Tod des Fürsten noch geheim sein, der Hanyō, gleich was der konnte, war jedenfalls noch nicht eingetroffen. „Werter Kori-sama, ich möchte Euch wirklich bitten Eure Contenance zu wahren. Ihr kommt hier unangekündigt an – es ist doch nicht verwunderlich, dass sich der Herr zu Besuchen bei anderen Vasallen aufgemacht hat. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig.“ „Da hat er doch glatt recht, oder, Kori?“ Der Vasall fuhr herum, aber auch Mamoru guckte den ihm unbekannten jungen Mann in der roten Kleidung, ein Suikan, den Adelige zur Jagd trugen – oder auch Zweitgeborene - , mit langen weißen Haaren und eindeutig Hundeohren auf dem Kopf, etwas fassungslos an. In dem Militärführer stieg die Ahnung auf, um wen es sich handeln könnte.   Der Provinzfürst, unter Menschen wohl auf Fünfzig geschätzt, mit schwarzen Haaren und bewaffnet, hatte diese Vermutung nicht. „Und, du, der du nichts als ein Hanyō bist, willst mich kritisieren?“ Er legte die Hand an das Schwert und seine Männer folgten unverzüglich diesem Beispiel. Inu Yasha hob etwas die Brauen. „Ich will dich nicht kritisieren, Kori. Ich mach´s. Kommst hier hereingeschneit wie in eine Taverne, aber ja, der Fürst soll zu deiner Verfügung stehen... Hast du sie noch alle?“ Auch er legte die Klaue an Tessaiga. „So mal zum Mitschreiben. Du bist der Vasall, der Herr der westlichen Länder auch dein Herr. Und du hast hier überhaupt nichts zu melden. Klar.“ Das hatte Kori, ohne Übertreibung einem der mächtigsten Hundeyōkai, auch noch nie jemand gesagt. Aber er erkannte mit Jaken und Kyoichi immerhin zwei Berater hinter diesem Unbekannten. Und so fragte er doch, trotz seines Ärgers: „Wer bist du?“ Er ließ allerdings das Schwert nicht los. Inu Yasha zuckte etwas die Schultern. „Wer ich bin? Ich bin Inu Yasha, der Sohn des Inu no Taishō, Halbbruder Sesshōmarus. Und, wenn du und deine Männer sich nicht zusammenreißen, bin ich derjenige, der deinem bedauernswerten Hintern den letzten Tritt verpasst um dich ins Jenseits fliegen zu lassen.“ Er hatte Vater und Halbbruder genannt. Er hatte eine Familie. Irgendwo wurde ihm seltsam warm. Er war kein heimatloser Irgendwer, er hatte eine Familie. Und wenn sich dieser Kerl nicht vom Acker machte.... „Wenn du eine Audienz willst, da ist Kyoichi, der Haushofmeister. Und da meldest du dich an. Wie es sich gehört. Wenn du es eilig hast, kannst du dann mit mir reden. In der Audienzhalle. Oder du bist tot. Ist manchmal schon Leuten passiert, die mir schräg kamen.“   Kori war kein Narr. Es war eine Sache beleidigt zu sein, weil man annahm, der Fürst missachte einen – und eine zweite, wenn der tatsächlich nicht da war und man sich wohl soeben mit dessen Erben als Stellvertreter und damit der Nummer Zwei anlegte. Das war Hochverrat, Hanyō hin oder her. Er musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass sich Mamoru verneigt hatte, seine Krieger heranwinkte, dass oben vor dem Schloss die Inu no Kami erschienen war. Seine Karten standen nicht sonderlich gut. So gab er den Schwertgriff frei und neigte etwas den Kopf. Nicht zu viel. Das war der Bastard. „So werde ich warten, bis der Fürst Zeit für mich findet.“ „Gut.“ Inu Yasha befand, dass es auch vor den Kriegern des Westens hier mal Zeit wurde zu zeigen, wer er war. „Ich würde fast sagen, dass du lernfähig bist.“ Er zog, sah, wie der Provinzfürst unwillkürlich auch zur Waffe greifen wollte, und drehte sich etwas. „Und durchaus kluge Entscheidungen für dich und deine Männer treffen kannst.“ Kori sah erstaunt, wie sich die Klinge verbreiterte, spürte die magische Macht im Stahl. Das musste Tessaiga sein, das legendäre Schwert des zweiten Sohnes, ja, er hatte davon gehört, allerdings auch davon, dass der unter Menschen lebte. Und, wieso färbte sich die Klinge um, wurde dunkel? Inu Yasha zielte wohlweislich in den Himmel. „Das nennt man den Pfad der Dunkelheit. Wer ihn betritt landet in der Unterwelt. Lebendig.“ Kori atmete tief durch, als sich ein schwarzer Tunnel öffnete. Es war nicht die Finsternis, es war diese Kälte, die alle hier im Hof erfasste – Vorbote einer Welt, die sie sämtlich irgendwann erreichen würde. Da sich der Hanyō wieder umdrehte, bereits die Klinge in der Scheide, atmete der Provinzfürst erneut tief durch und neigte den Kopf. „Ich habe verstanden, Inu Yasha-sama. Ihr braucht mich nicht mehr zu überzeugen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)