Die Tochter des Schmieds von killafussel ================================================================================ Kapitel 1: Teil 1, Kapitel 1 ---------------------------- Teil 1 „Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter.“ -Ralf Waldo Emerson 1   Es war der erste Morgen diesen Jahres an dem die Sonne schien. Sie schlich sich langsam über die nahen Hügel und Wälder und tauchte das kleine Dorf in einen warmen Schein. Trotz der frühen Morgenstunden regte sich dort schon das Leben.  In der einzigen Schmiede des Dorfes hörte man schon eine Stunde vor Sonnenaufgang das klong klong des Hammers auf dem Amboss. Dort arbeitete ein Mädchen, sie war gerade fünfzehn und die Jüngste in ihrer Familie. „Mariann,“, rief ihr Vater, „Heiz die Esse weiter an und bring mir schnell die große Zange!“ Sie trat den Blasebalg und musste sich dabei beinah mit ihrem ganzen Körpergewicht darauf stützen. Da sich ihr Vater keinen Lehrling leisten konnte übernahm sie seit längerem diese Rolle und unterstützte ihn wo sie konnte. Das Dorf in dem sie lebten war arm, sie hatten alle wenig Geld und alle wenig zu essen. Vor einigen Jahren war Krieg ausgebrochen und so wurden alle jungen und kampffähigen Männer eingezogen und starben nun reihenweise an der Front. Ihr Vater hatte ein steifes Bein, deshalb konnte er im Dorf bleiben und weiter seiner Arbeit nachgehen. Er stellte alles her, was man mit Eisen machen konnte, Hufeisen, Scharniere, sogar Nägel. Seine Leidenschaft jedoch waren Messer und Schwerter. Er hatte über die Jahre eine kleine Sammlung an Dolchen, Lang- und Breitschwerter und sogar Streitäxten aufgebaut. Einen Großteil davon hatte er an die Soldaten abgeben müssen und so waren nur noch wenige Schätze übrig die er hatte verstecken können. Die großen Ritter und Schwertschmieden hielten ihren Vater für einen einfachen und nicht besonders guten Hufschmied eines kleinen Dorfes in der Nähe der Grenze, sodass sie bisher Ruhe vor ihnen hatten. „Vater, ich sollte mich langsam um den Haushalt und das Essen kümmern.“ sie lief zur Haustür und hörte ihn hinter sich brummen. Seit dem Tot ihrer Mutter vor einigen Jahren war er Still geworden. Er vergrub sich in seiner Arbeit und sie vermisste sein kehliges Lachen und die Spiele die sie gespielt hatten. Sie erinnerte sich noch gut wie er sich um seine Frau gekümmert hatte, er hatte sie gepflegt, gewaschen, ihr die Haare geflochten und war Tag und Nacht an ihrer Seite. Zu der Zeit erkrankten viele und auch wenn die alte Naan, die kräuterkundige im Dorf, ihr bestes gegeben hatte, hatten nicht alle überlebt. Sie erinnerte sich wie ihr Vater im Haus wütete und den schlechten selbst gebrannten Schnaps trank als er vom Tod seiner Frau erfuhr. Mariann und ihre Schwester Christa waren zu der Zeit oft bei Naan. Sie konnten es nicht ertragen wenn ihr Vater trank. An einem Tag standen die beiden wieder bei der Alten vor der Tür. Christa hatte eine blaue Wange, da ihr Vater einen Topf nach ihr geworfen hatte als er betrunken war. Naan sagte damals, sie sollen doch in die Küche gehen sich einen Tee kochen und sie dürfen alles aus ihrer Vorratskammer nehmen worauf sie Lust hatten, während sie sich ein Tuch um die Schultern zog und in Richtung Schmiede aufbrach.  Als sie am späten Abend scheu und ängstlich vor ihrem Haus standen und durch die Haustür traten war der Wohnraum aufgeräumt und es duftete nach Eintopf. Sie hatten nie heraus gefunden was Naan getan hatte oder was sie zu ihm gesagt hatte, doch seit diesem Tag gab sich ihr Vater jede mühe. Er vergrub sich zwar in seine Arbeit, aber er hatte seit diesem Tag nicht einen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Da in Zeiten des Krieges alle verfügbaren Lebensmittel an die Front geschafft wurden blieb nicht viel für die Bevölkerung übrig, so hatte Marinns Vater ihr gezeigt wie man Kleintiere mit Fallen fieng. Diese Fallen musste sie nun ablaufen damit sie für heute einen schönen Eintopf kochen konnte. Sie schlüpfte in ihre Stiefel, schnappte sich ihr Tuch und warf sich einen Beutel über die Schulter. Als sie aus der Haustüre trat hörte sie von nebenan noch immer das rhythmische Klong Klong ihres Vaters bei der Arbeit. Sie sprang die  Stufen hinunter auf die Straße und lief mit schnellem Schritt zwischen den Häusern entlang auf die andere Straßenseite in richtung der Felder. In der Straße die sie überquerte roch es immer nach frischen Brot und bei diesem Duft lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Vielleicht habe ich heute Glück und es sind genug Tiere in den Fallen. Dann könnte ich eins gegen einen Laib Brot tauschen, dachte Mariann hoffnungsvoll. Sie überquerte die Felder und verschwand beinahe lautlos im Dickicht des Waldes. Auf ihrer Route zu den Fallen lief sie alle ihr bekannten Stellen ab um Beeren und Früchte zu sammeln. Natürlich war es noch zu früh in diesem Jahr und es würde noch einige Wochen dauern bis die Beeren reif wären, doch es war gut zu wissen wie weit die Natur um einen herum war. Auch wenn es zu früh für Beeren war gab es doch anderes das sie Sammeln konnte. Schon auf der kleinen Lichtung roch sie das knoblaucharoma des Bärlauchs. Sie zog ihr Messer aus dem Stiefel und schnitt die Blätter ab. Sie sammelte etwa zwei Hände voll bevor sie zu ihrer ersten Schlingfalle weiter ging. Ihre erste Schlingfalle war leider leer. Sie richtete sie und hoffte morgen etwas mit ihr zu fangen. Auf dem weg zu ihrer zweiten Falle gelangte sie durch ein kleines Birkenwäldchen. Zartes Morgenlicht durchbrach die Blätterkrone, Mariann blickte sich um und genoss für einen Moment das Zwitschern der Vögel. Sie genoss die Ruhe und atmete noch einmal Tief ein bevor sie zur nächsten Falle weiter ging. Hier hatte sie mehr Glück gehabt. Ein Eichhörnchen war ihr in die Schlinge getreten und hatte sich selbst stranguliert. Sie musste nur noch das Tier aus der Falle holen, die Schlinge erneut richten und das Eichhörnchen in den Beutel legen. Um zur nächsten Falle zu gelangen musste sie sich nach Südosten richten und tiefer in den Wald hinein gehen. Sie orientierte sich an dem Stand der Sonne, obwohl das im tiefen Wald nicht einfach war. Sie fand eine schöne, mächtige Eiche, hängte den Beutel über einen erhöhten Ast und kletterte in die Krone. Flink und klein wie sie war schaffte sie es in kürzester Zeit ganz oben zu sein. Schon seit ihrer frühsten Kindheit war sie häufig in den Wipfeln der Bäume zu finden gewesen. Diese Eiche war größer als die anderen Bäume in der Umgebung, so konnte sie den Wald von oben betrachten. Sie richtete sich nach Nordwesten, dort konnte sie schwach das Dorf ausmachen, im Nordosten sah sie ganz hinten am Horizont die weit entfernten Berge. Die Legenden besagten, dass die Berge von Zwergen bewohnt würden und diese komplett ausgehöhlt seien. Mariann mochte die Sagen und Geschichten, denn in jeder Sage gab es etwas wahres. Vor zwei Sommern hatte sich in einer ihrer Fallen ein kleiner Waldkobold verfangen. Als sie ihn befreite hatte er wild geflucht und mit einem angespitzten Ast immer wieder auf ihre Hand eingestochen. Als sie ihn endlich befreit hatte, hatte  er ihr einen Ast angeworfen und war im Gebüsch verschwunden. Danach hatte sie nie wieder einen Waldkobold oder ähnliches gesehen. Als sie zwei Tage später wieder nach der Falle sah lag dort ein wunderschöner grüner Stein. Sie glaubte es war ein Dankeschön des Kobolds gewesen.  Es gab auch Legenden über Elfen und Waldfeen, doch seit Jahrhunderten hatte man nichts mehr von ihnen gesehen. Es hieß sie seien alle ausgestorben, gejagt und getötet worden. Mariann drehte sich nach Süden. Dort konnte sie in der Ferne einen dunklen Streifen sehen. Das war das Reich der Trolle. Man sagte die Trolle seien größer als ein ausgewachsener Mann und viel stämmiger und kraftvoller. In manchen Geschichten haben sie eine dicke, ledrige Haut in anderen Schuppen und wieder in anderen soll ihr Rücken von Hörnern gespickt sein.  Die Sonne stand schon hoch am Himmel, langsam wurde es Mittagszeit und Mariann kletterte die Eiche hinunter, schnappte sich den Beutel und eilte zur nächsten Falle. Dort hatte sie wieder Glück und ein Eichhörnchen war darin, es würde heute also einen leckeren Eintopf geben. Sie machte sich auf den Weg nach Hause. Als sie ins Dorf hinein lief stieg ihr wieder der Duft des Brotes in die Nase. Sie wägte kurz ab ob sie doch eins der Eichhörnchen eintauschen sollte, entschied sich aber dagegen. Vom weiten hörte sie schon klong klong aus der Schmiede. Ihr Vater hatte wohl noch keine Pause eingelegt. Sie beeilte sich ins Haus zu kommen um ihm etwas zu Essen in die Schmiede zu bringen. Mit dem Holzbrett in der Hand trat sie in die Schmiede ein und steuerte auf ihren Vater zu. „Hier du musst was essen, sonst kannst du den Hammer bald nicht mehr halten.“ „Danke, ich mach das nur noch zu Ende.“, er schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln und beugte sich wieder über seine Arbeit. Er scheint einen guten Tag heute zu haben, ging es ihr durch den Kopf und sie lächelte strahlend zurück. Sie machte sich daran das Essen vorzubereiten und die übrige Hausarbeit zu erledigen. Kochen, Putzen, Beeren und Kräuter sammeln, einmachen für den Winter, in der Schmiede helfen, dies waren alles ihre Aufgaben. Manchmal kam ihre Schwester Christa vorbei doch nachdem sie geheiratet hatte, hatte sie mit ihrem eigenen Haushalt genug zu tun. Die Sonne war schon dabei unterzugehen, als ihr Vater endlich Feierabend machte. Mariann schmeckte den Eintopf ab und würzte mit etwas Salz nach. Sie musste sparsam damit sein, Salz war teuer und sie hatten nicht mehr viel. Sie saßen zusammen am Esstisch und aßen gemeinsam den Eichhörncheneintopf. Sie erzählte von ihrem Tag, was sie alles erledigt hatte und dass sie am nächsten Morgen wieder in den Wald wollte nach den Fallen schauen. Ihr Vater hatte heute einen weiteren Auftrag bekommen. Er musste die Hufeisen des alten Gauls vom Nachbarn anpassen. Durch das wenige Geld versuchten die Leute zu tauschen und er nahm oft Gemüse oder Eingemachtes für seine Arbeit , manchmal auch Dinge wie Seife oder Stoffe.  Vor dem Zubettgehen schrubbte sie noch das Geschirr während ihr Vater die Eichhörnchenfelle zum Gerben vorbereitete.  Es war ein langer Tag gewesen. Morgen würde sie zuerst wieder mit ihrem Vater in die Schmiede und ihm helfen die Esse an zu heizen. Wenn sie es schaffte würde sie bei Naan vorbei, sie hatte ihr vor Jahren das Lesen und schreiben bei gebracht und das wollte geübt werden.  Mariann fiel auf ihre mit Stroh gefüllte Matte, zog sich die alte Steppdecke bis unter die Nase und schlief augenblicklich ein um kurz vor Morgengrauen wieder auf zu stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)