Festival of Blood von nataschl91 ================================================================================ Kapitel 3: 3 ------------ „Ah, da bist du ja wieder“, strahlte Martha wie immer über ihr komplettes Gesicht, nachdem sie Samantha in das Wirtshaus eintreten sah, „und? Was gibt es neues?“ Die junge Frau seufzte niedergeschlagen, nahm direkt an der Theke Platz und erzählte der Wirtin, was Tommy über ihr Auto gesagt hatte. „Aber das ist doch schön!“, jauchzte Martha, kam um die Theke herum gewuselt und drückte Samantha herzlich, „endlich mal wieder einen Gast zu haben erfüllt uns alle mit sehr viel Freude!“ Die junge Frau blickte sie einen Moment noch ungläubig an, dann lächelte sie allerdings ebenfalls, anscheinend hatte sie sich ihrem Schicksal endlich ergeben. Martha sprang wie ein junges Reh um sie herum, ihre Freunde ging allmählich auf Samantha über und sie konnte sich ein herzhaftes Lachen nicht mehr verkneifen. Sie rutschte von ihrem Barhocker runter und umarmte Martha herzlich. „Vielen Dank, dass ihr alle so nett zu mir seid“, bedankte sie sich. „Du wirst es hier lieben!“, versicherte ihr die alte Frau, „und unser Mondscheinfest! Du wirst so begeistert sein!“ Sie klatschte aufgeregt in die Hände und wuselte noch einige Male um die Theke herum, als Samantha sie allerdings danach frage, ob und wie sie sich erkenntlich zeigen könnte blieb sie abrupt stehen und drohte ihr mit dem Finger. „Untersteh dich! Fräulein, du bist mein Gast, ich werde dich hegen und pflegen!“ „Okay“, lachte Samantha hell auf, „ich wollte ja nur fragen!“ „Ach ja, bevor ich es vergesse...Wilma war in deiner Abwesenheit noch einmal hier. Sie schien dich zu suchen, wollte allerdings keine Nachricht für dich hinterlassen.“ Wie ein Stromschlag durchzuckte es Samanthas Körper und eine gewisse mulmige Aufregung machte sich in ihr breit. Hatte die Wicca ihre Meinung tatsächlich geändert und wollte ihr nun mehr über das Tier mit den roten Augen, dem „Wächter des Waldes“ erzählen? Samantha ließ Martha ohne ein weiteres Wort zurück und rannte schon fast zu Wilmas Hütte, wo sie fester als ursprünglich gewollt an die Tür klopfte, ihr jedoch niemand öffnete. „Verdammte scheiße!“, fluchte Samantha und stampfte mit ihrem Fuß frustriert auf, „jetzt könnte ich endlich mehr über dieses drecks Vieh erfahren und dann ist sie nicht da!“ „Du meinst doch nicht etwa das Tier, welches dich gestern gejagt hat?“, ertönte plötzlich wie aus dem Nichts eine männliche Stimme hinter ihr und ließ die junge Frau fürchterlich zusammen zucken. Sie wirbelte herum und starrte Tommy erschrocken an. „Was machst du denn hier?!“, rief sie hysterisch. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen“, grinste er schelmisch. „Wie zum Teufel hast du mich hier gefunden?“ Anstatt ihr zu antworten ließ der junge Mann seinen aufmerksamen Blick über Wilmas Hütte wandern, seine Kiefer mahlten angespannt, sein restlicher Körper spannte sich wie zu einem Sprung an. „Scheiße noch mal ich wusste es!“, rief Samantha völlig außer sich und stieß Tommy mehrmals mit der flachen Hand gegen die Brust, „du bist so ein Perversling!! Du hast mich Mithilfe deines Armbandes jetzt mit einem GPS Tracking Chip ausgestattet, damit du mich überall zu jeder Zeit finden kannst, gib’s endlich zu, du Schwein!“ „Es ist kein GPS Tracking Chip“, erwiderte er nüchtern, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, „dich würde ich überall wiederfinden.“ „Samantha! Da bist du ja“, rief plötzlich Wilma freudig und kam aus dem Wald hinter ihrer Hütte getreten. Sie trug einen kleinen geflochtenen Korb bei sich, welcher übervoll mit lila bläulichen Blüten war. Die junge Wicca breitete einen Arm aus, mit welchem sie Samantha umarmen wollte, doch Tommy trat sofort zwischen die beiden Frauen und knurrte Wilma gefährlich tief an. „Was zum…“, zuckte Samantha wahrhaftig erschrocken zurück. Wilma war hingegen weniger beeindruckt, sie warf ihm nur einen genervten Blick zu und wies den jungen Mann darauf hin, dass er sich augenblicklich auf ihrem Grund und Boden befand. Er wich kein Stück zurück, knurrte sie sogar noch einmal an, Samantha konnte sehen, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. „Wenn du dich nicht gleich beruhigst, dann werde ich ihr eine hübsche Krone hier raus anfertigen, damit du nie wieder in ihrer Nähe sein kannst, du dummer Köter“, flüsterte Wilma so leise, dass es nur Tommy hören konnte und wies ihn auf ihre gesammelten Blumen hin, „du weißt ganz genau, was das ist, nicht wahr?“ Sein Knurren wurde zu einem heißerem Fauchen und zu Wilmas Überraschung wich er immer noch keinen Zentimeter zurück. „Ah...so ist das also…“, stellte sie schlussendlich fest und ließ ihren Blick zu der jungen Frau hinter ihm wandern. „Ihr beiden...kennt euch bereits?“, mischte sich Samantha ein und trat neben Tommy. „Wir...wissen...voneinander“, erwiderte Wilma und setzte wieder ihr honigsüßes Lächeln auf, „er ist sozusagen der Fleischlieferant von Wolfsburrow.“ „Halt dein Maul“, knurrte der junge Mann wieder gefährlich tief, seine Augen glühten gelb vor Hass. „Was denn? Ich habe nichts falsches gesagt!“, beschwerte sich Wilma ironisch kichernd und öffnete Samantha ihre Tür, „komm rein, ich mache dir einen erfrischenden Tee.“ Die junge Frau blickte zwischen den beiden hin und her, ihr fiel dabei allerdings nicht auf, welche Blicke sich Tommy und Wilma zuwarfen. „Ich könnte dir eine Schale voll Wasser anbieten, aber gleich dahinten fließt ein Bach“, grinste die Wicca dem jungen Mann zu. „Können wir gehen?“, fragte dieser an Samantha gewandt, sein Tonfall war ernst und gereizt. Die junge Frau blickte ihn dezent überfordert an. Auf der einen Seite war sie ihren Antworten so nah wie nie zuvor, auf der anderen Seite machte ihr Tommys Verhalten tatsächlich große Sorgen. „Was wolltest du eigentlich von mir?“, fragte sie ihn deswegen, „du wirst mich nicht ohne Grund aufgesucht haben…“ Tommy schwieg, warf ihr nur einen flüchtigen Seitenblick zu, ansonsten ließ er Wilma nicht aus den Augen. Deine Kiefer mahlten kräftig aufeinander, seine Armmuskeln waren angespannt und zeichneten sich deutlich unter seinem Shirt ab. „Das kann warten“, murmelte er angestrengt, „und geht nur dich etwas an.“ „Okay…? Geht es um mein Auto?“ „Nein.“ „Dann muss es leider warten.“ Samantha hob entschuldigend ihre Arme und folgte der Wicca in deren Hütte, blickte noch ein letztes Mal über ihre Schulter hinweg zu Tommy, welcher sie beinahe schon flehend ansah. Dann schloss sich die Tür. Während Wilma ihr wie versprochen einen erfrischenden Tee zubereitete nahm Samantha auf dem selben Baumstumpf Platz wie heute morgen. Ihr fiel wieder der kleine geflochtene Korb ein, welchen Wilma draußen hatte stehen lassen und fragte sich, was für eine Art Blumen das gewesen sein muss. „Das ist Eisenhut“, bemerkte Wilma kichernd und reichte ihrem Gast einen Tonbecher, „doch vor nicht allzu langer Zeit nannte man es auch Wolfswurz.“ Samantha warf einen erneuten Blick über ihre Schulter, somit konnte sie direkt durchs Fenster auf den Eingangsbereich sehen, wo der geflochtene Korb immer noch stand. „Er ist wunderschön…“ „Ja nicht?“, strahlte Wilma begeistert übers komplette Gesicht, „zur Zeit des Mondscheinfestes steht er immer in besonders voller Blüte. Perfekt für meine Arbeit.“ „Was machst du damit?“ „Verschiedene Dinge. Normalerweise trockne ich ihn und mahle in dann zu einem Pulver. In der Zeit vom Mondscheinfest jedoch verwende ich ihn hauptsächlich als Schmuck für meine Hütte.“ „Du gehst also auch auf das Fest?“, erkundigte sich Samantha und nippte an ihrem Tee. „Ich feier sozusagen mein eigenes Fest“, belächelte sie, „ab und zu leiste ich den Bewohnern schon Gesellschaft, ihre Speisen sind einfach zu köstlich, aber am eigentlichen Fest, nämlich in der Nacht vom Vollmond pflege ich meine eigenen Traditionen.“ „Martha hatte erwähnt, dass sie irgendwie drei bis vier Tage feiern.“ „Es sind drei Nächte“, berichtigte die Wicca und zählte folgendes an ihren Fingern ab, „morgen Abend ist hauptsächlich eine Art Straßenfest für die Familien von Wolfsburrow, wobei der große Dorfplatz herrlich geschmückt sein wird und es gibt viel Essen und Feuerwerk! Am Abend darauf ist Vollmond, da steppt der Bär...oder der Wolf, wie man es lieber hat. Und am dritten Abend feiert man wie eine Art...ruhigere Zeremonie mit diversen...nennen wir es mal ‚Opfergaben‘. Das kann alles mögliche sein. Ernteerzeugnisse wie Brot, Wurst oder Wein. Viele basteln auch etwas, Blumensträuße oder -kränze.“ „Im großen und Ganzen also eine reine Feierorgie.“ Wilma lachte hell auf, warf kurz ihren Kopf gen Nacken und nahm Samanthas leeren Tonbecher, um nachzufüllen. „So kann man es auch sagen.“ „Das hört sich doch nach sehr viel Spaß an. So langsam freue ich mich, dass ich hierbleiben ‚muss‘.“ „Also ich habe jedes Mal riesigen Spaß“, verkündete Wilma und goss Tee in den Becher, bevor sie ihn Samantha zurück gab, „jedes einzelne Mal.“ Sie blickte ihrem Gast über den Rand des Bechers intensiv in die Augen und grinste vielversprechend dabei. „Was genau kannst du mir jetzt über das Tier mit den roten Augen erzählen?“, fragte Samantha aufgeregt und nippte am Tee. Augenblicklich verschwand Wilmas Grinsen: „Es ist mir nicht gestattet, über den Wächter des Waldes zu sprechen.“ Samantha hielt erschrocken inne und blickte der jungen Wicca mit geweiteten Augen entgegen. Kam es ihr gerade nur so vor, oder hatte Wilma extrem gereizt geklungen? „A...aber Martha meinte, dass du nach mir gesucht hast?“, erkundigte sie sich daher und stellte den Tonbecher ab. „Natürlich! Ich wollte mich nach deinem Knöchel erkundigen“, erwiderte Wilma und machte eine gefrustete Geste, „ich beherrsche mein Fach, dennoch statte ich meinen Patienten gelegentlich Besuche ab.“ „Ach...so…“, gestand Samantha niedergeschlagen und blickte beschämt zu Boden. ~*~ Der führe Abend kündigte sich mit einem feuerroten Wolkenschleier an, als die junge Frau in die Siedlung zurückkehrte und bemerkte, wie einige Holzbuden bereits am Aufbau waren. So langsam konnte sich Samantha ein Bild daraus machen, was hier morgen Abend alles los sein würde. Gerade, als sie in Richtung Wirtshaus gehen wollte trat ein Mann strammen Fußes heraus und sie erkannte ihn sofort. „Hallo! Lange nicht mehr gesehen“, grinste und winkte sie ihm zur Begrüßung zu. Er blickte auf, überlegte kurz dann winkte er zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, das sein rechtes Auge von einer Augenklappe verdeckt wurde. „Guten Abend, Fräulein.“ „Ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen bedankt, dass Sie mich gestern eingesammelt und hierher gebracht haben.“ „Ach…“, winkte er beinahe schon gleichgültig ab, „nicht der Rede wert.“ „...und ich weiß noch nicht mal Ihren Namen!“ Er grinste süffisant: „Sie nennen mich Hunter.“ „Hunter?“, wiederholte Samantha ebenfalls belustigt, „ein Jäger, der Hunter heißt?“ „Ja...meine Eltern hatten entweder wenig Einfallsreichtum oder sehr viel Humor. Aber bitte, ich möchte, dass wir uns duzen. Ich fühle mich jedes mal um fünfundzwanzig Jahre älter, wenn das jemand bei mir macht!“ „Okay, Hunter. Dann möchte ich mich ganz herzlich bei dir bedanken, dass du mich gestern aufgesammelt und hierher gebracht hast. Vielleicht hast du mir sogar das Leben gerettet?“ „So weit würde ich jetzt aber nicht gehen.“ „Oh doch! Wer weiß, wie lange dieses Vieh noch auf der Lauer gelegen hat?“ Jetzt würde er hellhörig, nahm seinen Rucksack von seinen Schultern und stellte ihn am Boden ab. „Welches Vieh? Du hast gestern mit keinem Wort erwähnt, dass dich ein Tier verfolgt hat.“ „Ich war gestern Abend so was von fertig mit den Nerven“, lachte Samantha selbstironisch und winkte ab, „ich habe mich in einem Wald verlaufen, nachdem mein Auto liegen geblieben ist und von da ab hat mich ein großes schwarzes Tier mit roten Augen verfolgt. Tommy hat es zwar angeschossen und somit verjagt, allerdings nicht getötet…“ „Warte, was? Was sagst du da?“, unterbrach Hunter sie und packte Samantha feste an ihren Schultern, „rote Augen? Sagtest du gerade rote Augen?“ „Ja.“ „Ich glaube es nicht...die Zeit ist gekommen...endlich…“ „So was ähnliches hat Earl heute auch gesagt…“ „Ich muss los!“, verkündete Hunter, griff hastig nach seiner Tasche und eilte beinahe wie von der Tarantel gestochen davon. „WARTE! KANNST DU MIR WENIGSTENS SAGEN, WAS DAS FÜR EIN TIER WAR???“, rief Samantha ihm hinterher, und obwohl er definitiv noch in Hörweite gewesen war hielt er nicht an und dann war er auch schon in seinen Wagen eingestiegen und raste davon. „Wieso kann oder will mir zum Teufel nochmal eigentlich niemand sagen, was das für ein verschissenes Tier gewesen ist?!“ Zur Unterstreichung ihres Frustes stampfte sie noch einmal feste mit ihrem Fuß auf den Boden ein und betrat dann das Wirtshaus. „Hi“, grüßte sie Steve, welcher jetzt anstatt seiner Frau hinter der Bar stand und die letzten Krüge vor dem großen Ansturm einräumte, „hast du einen schönen Tag gehabt?“ „Im großen und ganzen ja.“ „Freust du dich schon auf das Mondscheinfest morgen? Wir sind schon alle so aufgeregt!“ „Sag mal, Steve…“, begann Samantha und hockte sich auf den Stuhl direkt an der Bar, „kennst du dich hier mit der Flora und Fauna aus?“ Der Mann lachte herzlich auf und nickte: „Ich bin hier geboren und aufgewachsen! Ich kenne jeden und alles hier was kreucht und fleucht!“ „Kannst du mir sagen, welches Tier hier ungefähr so groß ist? Schwarzes strubbliges Fell und rot glühende Augen.“ Schlagartig hielt Steve in seinem Tun inne, ihm wäre sogar beinahe der letzte Krug runter gefallen, hätte Samantha ihn nicht noch in letzter Sekunde aufgefangen. Sie fragte, ob alles gut mit ihm sei, dann löste sich langsam seine Starre wieder. Er lehnte sich am Tresen an, sein Atmen wurde zum Keuchen und auf seiner Stirn erschienen kleine Schweißperlen. „Oh mein Gott, Steve! Was ist mit dir? Wo ist deine Frau, du brauchst dringend Hilfe!“, rief Samantha völlig außer sich und wandte sich an die wenigen Gäste, welche im Gastraum saßen. „Wo hast du es gesehen?“, hielt Steve sie am Handgelenk fest, „und wann?“ „Gestern! Es hat mich durch den Wald bei Earls Ranch gejagt!“ „Oh nein...das ist gar nicht gut…“, senkte Steve seine Stimme. „Was ist es denn??“ Und dann von einen Moment auf den anderen wurde Steves Mimik wieder völlig normal und er lachte aus vollem Hals. Samantha starrte ihn ungläubig an und bemerkte die Gäste hinter sich, welche ebenfalls in Gelächter ausbrachen. Jeder lachte. Außer ihr. „Habt ihr jetzt alle den Verstand verloren?“, fragte sie und entzog Steve hastig ihre Hand. „Es ist ein Fabelwesen, welches in einer gruseligen Version einer Gute Nacht Geschichte vorkommt, um unartigen Kindern Angst einzujagen“, erklärte der Wirt schließlich und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Samantha spürte, wie sich der Frust in ihr breit machte und ein gewisser Zorn in ihr aufstieg. Sie machten sich tatsächlich lustig über sie! „Aber ich habe es gesehen! Es hat mich gejagt, verdammt noch mal!“ „Wahrscheinlich ist es ein Wildschwein gewesen, das dich aufgescheucht hat. Die können hier auch verdammt groß werden.“ „Steve! Ich meine es ernst! Es hat mich angegriffen!“ „Wenn ein ausgewachsener Keiler sich bedroht fühlt, dann greift er auch an. Die Viecher können verdammt unangenehm werden.“ Einer der anderen Gäste stimmte Steve zu und ein anderer bestätigte, dass er heute morgen erst so ein Tier am Waldrand gesichtet hätte. Samantha sprang von ihrem Hocker runter und schüttelte ungläubig den Kopf. „Wilma hat mir erzählt, dass ihr es den ‚Hüter des Waldes‘ nennt!“ „Das ist richtig. In der Geschichte nennen wir es so. Außerdem weißt du nie, was diese Wicca gerade für ein Kraut geraucht hat...glaub nicht immer alles, was du von ihr zu hören bekommst.“ „Hunter glaubt mir, dass es das Tier mit den roten Augen gibt!“ „Ach Hunter“, winkte Steve breit grinsend ab, „er ist ganz in Ordnung, ehrlich! Allerdings ist er ein bisschen verwirrt im Kopf. Er denk auch, er habe eine Harpyie im Wald ein Stückchen weiter oben gesehen. Bei seinen Erzählungen war er so genau ins Detail gegangen, dass wir alle unsere Gewehre geschnappt und ihm zu dem Ort gefolgt waren. Schlussendlich war es ein stinknormaler Adler gewesen.“ „Ein anderes Mal war er der festen Überzeugung, endlich ein Einhorn gesehen zu haben. Was war es aber eigentlich gewesen? Richtig! Ein wildes Pferd, welches zufällig ein blütenweißes Fell hatte.“ „Oder wisst ihr noch die Geschichte von vor 20 Jahren?“, warf ein weiterer Gast in die Runde, wurde jedoch sofort von allen gleichzeitig gestoppt und garstig angestarrt. Samantha blickte ihn interessiert an: „Was war denn vor 20 Jahren?“ „Ach gar nichts…“ Ihr ungläubiger Blick wanderte erneut zu Steve, welcher ihr ein wenig schadenfroh zu grinste. „Es tut mir sehr leid, aber ich MUSSTE dich einfach auf den Arm nehmen.“ „Ahja…“ „Noch mal: es tut mir leid, Samantha! Hier. Der geht aufs Haus…“ Er füllte ein Schnapsglas und reichte es ihr, wobei er sich ein drittes Mal bei ihr entschuldigte. ~*~ Die Sonne verschwand bereits am Horizont, als Samantha erneut an Wilmas Tür klopfte. Die junge Wicca öffnete sofort ihre Türe, war ziemlich überrascht, dennoch grinste sie wie immer honigsüß, aber Samantha kam augenblicklich zum Punkt. „Du kennst Tommy, nicht wahr?“ „Kennen würde ich es nicht unbedingt nennen...“ „Dann kennst du sicherlich auch den Jägersmann?“ „Du meinst Hunter?“ „Genau den.“ „Was ist mit ihm?“, erkundigte sich die rothaarige leicht beunruhigt. „Weißt du, wo er wohnt?“ Wilma öffnete beunruhigt ihre Türe nun ganz. „Du willst Hunter besuchen?“, erkundigte sich die Wicca, „soll ich dich begleiten?“ „Ich muss mit ihm reden. Alleine.“ Für einen Augenblick sahen sich die beiden Frauen wortlos an, dann gab Wilma endlich nach und seufzte tief. „Sein Haus liegt etwa eine Stunde Fußmarsch von hier. Du kennst bereits den Weg zur Ranch. Doch anstatt das du links gehst, bleibst du auf dem Pfad immer weiter gerade aus in Richtung Wald.“ „Wie konnte ich nur nicht von Selbst drauf gekommen, dass ein Jäger, welcher auch noch Hunter heißt mitten in einem düsteren Wald wohnt…?“, scherzte Samantha selbstironisch. „Es wäre zu einfach“, grinste Wilma zurück, „soll ich dich jetzt begleiten, oder nicht?“ „Ich werde es schon finden...ansonsten wird Tommy mich schon aufspüren.“ Wilma legte überfragt ihren Kopf schief, woraufhin Samantha ihr das Fußgelenk mit dem Lederarmband zeigte. Sie erwähnte ebenfalls, dass darin irgendein GPS Tracker eingebaut sein musste, womit er sie immer aufspüren konnte. Wilmas Augenbrauen zogen sich ungläubig nach oben, doch sie erwiderte nichts weiter. „Ich habe mittlerweile völlig den Verstand verloren...“, murmelte Samantha zu sich selber und stieg über eine übergroße Baumwurzel, „langsam befürchte ich, dass ich ernsthaft irre werde. Ich werde mir einen guten Seelenklempner suchen müssen, wenn ich wieder zu Hause bin. Wer zum Teufel geht alleine in einen gottverdammten düsteren Wald, wo alles mögliche auf der Lauer liegt?“ Sie linste nach oben, wo eine große Eule in einem blätterlosen knorrigen Baum saß und ihren Blick starr erwiderte. Nein, dachte sich die junge Frau kopfschüttelnd, das war üüüberhaupt nicht gruselig gewesen! Schnellen Schrittes ging sie weiter, versuchte so wenig Geräusche wie nur möglich zu machen, zuckte jedoch selber bei jedem noch so kleinen Piepsen und Knacken zusammen. Dann erinnerte sie sich daran, dass Steve vorhin erwähnt hatte, dass es hier Wildschweine gab. „Völlig verrückt bist du, Mädchen!“, schimpfte sie sich selber, „du wirst hier noch drauf gehen!“ Endlich konnte sie Hunters Auto in unmittelbarer Nähe erkennen und so entschloss sie sich, die kurze Entfernung zu rennen. Mittlerweile lag alles um sie herum wie in einem bläulichen Schleier gehüllt und langsam begann sie zu frösteln. Es war Nacht geworden. „Hunter!“, rief sie bereits aus einigen Metern Entfernung, „Hunter! Bist du da?“ Als hätte er nur auf ihren Besuch gewartet schwang der Jäger die Holztüre auf und blickte sie ungläubig an. „Was um Himmelswillen machst du denn hier?“ Seine Stimme klang heißer und entsetzt, er hielt lediglich nur seinen Kopf aus dem offenen Türschlitz heraus. „Wir müssen reden“, erwiderte die junge Frau und ging wie selbstverständlich auf das Haus zu. „Es ist beinahe schon dunkle Nacht! Kind, schau das du nach Hause gehst!“ „Nein! Ich weiß, dass du mir endlich Antworten auf meine Fragen geben kannst und wenn du dich weigerst, dann wirst du heute Nacht definitiv einen Übernachtungsgast haben, denn ich werde erst gehen, wenn ich weiß, was ich von dir wissen will!“ „Ist das eine Drohung?“, brummte der alte Mann. Sie blickte ihn einen Moment lang streng schweigend an, und als sie bereits dachte, dass er sie tatsächlich wieder nach Hause schicken würde machte Hunter ihr Platz und ließ sie eintreten. Seine Hütte war rustikal eingerichtet, so wie man es aus alten Filmen kannte. Hier und dort hing eine Jagdtrophäe von diversen Waldtieren an der Wand, ein brüchiger gemauerter Kamin in der Ecke, direkt gegenüber stand ein altes durchgesessenes Sofa. Von der Decke hingen getrocknete Waldkräuter. „Chic“, bemerkte Samantha und pfiff anerkennend. „Mein zu Hause.“ Die junge Frau linste durch eine halb offene Tür und konnte eine heruntergekommene Küchenzeile erkennen, folgte jedoch Hunters Geste und nahm in dem ebenso alten Sessel links neben dem Sofa Platz. Sie bemerkte, dass ihm alles andere als wohl dabei war, sie in seiner Hütte zu haben, er rutschte nervös auf seinem Platz hin und her, knetete seine Hände. „Also…?“, raunte er und blickte sie aus seinem müden Auge an, „was willst du wissen?“ „Das Tier mit den roten Augen.“ „Die Bewohner haben dir erzählt, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe, richtig?“ Samantha nickte stumm und Hunter lachte gekränkt auf, schüttelte den Kopf und rieb sich angespannt das Knie. „Natürlich haben sie das gesagt. Der Mensch hat die Angewohnheit, Sachen die er fürchtet gerne zu verdrängen.“ „Es gibt dieses Tier“, sagte Samantha mit fester Stimme, ihre Hände ballten sich zu Fäusten, so dass ihre Knöchel weiß hervortraten, „ich habe es gesehen, es hat mich gejagt und ich will wissen wie ich mich dagegen wehren kann, sollte es mich noch einmal angreifen!“ „Du kannst nichts machen, außer um dein Leben zu rennen…“, schüttelte der Jäger niedergeschlagen den Kopf, „ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich bereits auf ihn geschossen habe. Tödlich verwundet habe ich ihn dutzende Male und er lebt immer noch.“ „Er? Es ist ein Männchen?“ Hunter zuckte unwissend mit den Schultern: „Ich weiß es nicht. Ich sage immer nur ‚er‘, damit ich mit einem besseren Gewissen sterben kann. Sollte sich herausstellen, dass es sich um ein weibliches Tier handelt, werde ich mich ewig noch im Grab herum wälzen.“ „Männer und ihr Ego…“ Jetzt formte sich ein schwaches Lächeln um seine Lippen. „Wenn ich dich fragen würde, welchem Tier du es am ehesten zuordnen würdest…“ „...dann würde ich dir sagen, dass es einem Wolf am ähnlichsten sei. Ich habe ihn schon so oft aus nächster Nähe gesehen. Statur, wie er sich anschleicht...definitiv ein Wolf. Nur um einiges größer und wilder.“ Hunter krallte sich mit seinen Fingern in den Stoff des Sofas und blickte Samantha mit seinem einen Auge unruhig an. Die junge Frau knetete derweil ihre Hände in ihrem Schoß, ihr war dabei genauso unwohl wie ihm. „Du bist den weiten Weg aber nicht nur wegen dieser Frage gekommen...richtig?“ Samantha biss sich auf die Unterlippe und formulierte ihre Frage mehrmals in Gedanken, um sie so schonend wie nur möglich zu stellen. „Als sich die Männer in dem Wirtshaus über uns beide lustig gemacht haben…“, begann sie und ihre Stimme war kurz vorm Versagen, „da haben sie Geschichten erzählt, was du nicht schon angeblich alles gesehen haben sollst.“ Hunter kicherte ein wenig gekränkt auf, nickte jedoch zustimmend: „Sie scheuen sich nicht mehr vor mir. Ich bin alt geworden…“ „...einer der Männer erwähnte eine Geschichte, welche vor 20 Jahren stattgefunden haben soll. Alle verstummten schlagartig und es war unangenehm still in dem Gastraum gewesen.“ „Ja. Das kann ich mir gut vorstellen…“ „Was hast du damals gejagt…?“ Hunters Auge fixierte sich auf einen Punkt in dem knisternden Feuer seines brüchigen Kamins. Seine Kiefer mahlten angestrengt, als er in seinen Gedanken die Szenen von damals Revue passieren ließ. „Es war...Herbst gewesen“, begann er, „meine Frau liebte Picknicks im bunten Laub. Wir fuhren zusammen mit unseren Kindern an unsere Lieblingsstelle an einen See, zirka eine Stunde von hier. Während wir aßen hörten wir immer wieder den selben Tierschrei, was in freier Natur ja nichts unbedenkliches ist, vor allem in Wäldern wie diesem hier. Doch dieser Schrei...ich hatte noch nie ein Tier gehört, das solche Laute von sich gab…“ Er räusperte sich heißer und rieb sich schwer seufzend eine Schläfe. „Ich ließ meiner Frau das Gewehr, sie konnte beinahe besser schießen als ich zu der Zeit. Ich sagte zu ihr, dass ich mich nur kurz umsehen würde. Ich ging ein Stück in den Wald, nicht tief nur ein wenig. Dann griff mich plötzlich etwas von hinten an.“ Samantha schluckte schwer, während Hunter seine Geschichte schon fast zu ruhig erzählte. Ein unangenehmer Schauer lief ihr die Wirbelsäule hoch und runter, Gänsehaut machte sich auf ihrem Körper breit und sie bildete sich ein, dass das Lederarmband an ihrem Knöchel zu jucken begann. „...ich weiß nicht mehr, wie, aber ich habe mich aus seinen Krallen und Klauen befreien können. Ich rannte zurück zu meiner Familie, doch das, was sie von ihnen übrig gelassen hatten waren nur noch zerfetzte Gliedmaßen. Als ich dort ankam verging sich gerade eine dieser Bestien an meiner Tochter. Sie bemerkte mich sofort und griff mich an.“ Er zeigte auf seine Augenklappe. „War es das Tier mit den roten Augen gewesen?“ „Nein. Diese waren ihm zwar nicht völlig unähnlich, dennoch etwas komplett anderes. Ich schwor bei meinem Leben, dass ich meine Familie rächen würde und begann die beiden zu jagen.“ „Es waren zwei Tiere gewesen?“ „Ein Pärchen“, nickte Hunter zustimmend, „ich jagte sie dreizehn Vollmonde lang quer durch den Wald, die Klippen entlang und landete schließlich wieder hier im Tal. Ich konnte mit einer List einen von ihnen in eine Falle locken und erlegen. Zu meinem Bedauern war sein Partner die ganze Zeit auf der Jagt nach mir gewesen.“ „Der Jäger wurde also zum gejagten.“ „Ich dachte, ich würde durch seine Zähne sterben. Es war ein verbitterter Kampf um Leben und Tod auf beiden Seiten. Ich kann dir nicht mehr sagen wie, doch ich erledigte die Bestie. Ich schlief vor lauter Erschöpfung ein und als ich wieder erwachte bemerkte ich, dass meine Beute mit seinen letzten Kräften weg gekrochen war. Ich folgte der Blutspur und fand den verendeten Körper vor dem Eingang einer Höhle wieder.“ „Du hast deine Rache also bekommen.“ „Nein.“ „Wie nein? Ich dachte, du hättest beide erledigt“, stutzte die junge Frau und sah sich eine Jagdtrophäe nach der anderen an, konnte jedoch kein Tier erkennen, welches aus seiner Erzählung hätte stammen können. „Ich habe sie nicht aufgehängt“, bemerkte Hunter, „sie haben es nicht verdient zur Schau gestellt zu werden.“ „Was hält dich dann noch hier? Du hast die beiden erledigt. Ihr Leben für das deiner Familie.“ „...als ich direkt neben dem erlegten Tier stand…“, er machte eine demonstrative Pause und sah mit seinem einen Auge Samantha tief in ihre, „habe ich kleine Pfotenabdrücke entdeckt.“ „Sie hatten Jungen?“ „Eins. Einen Welpen.“ „Und du jagst ihn jetzt auch noch.“ „Ich werde erst ruhen, wenn ich ihn auch noch erlegt habe. Und wenn es mich selbst das Leben kostet!“ ~*~ Draußen war es mittlerweile so unheimlich geworden, das Samantha Hunters Hütte eigentlich nicht mehr verlassen wollte. Ihre Paranoider ließen sie sofort glauben, dass sie von vielen hunderten glühender Augen fixiert wurde, nur darauf wartend, dass sie einen falschen Schritt machte. Sie rieb sich die Arme und stieg die kleine Treppe runter. Ein dichter Nebel hatte sich über den weichen Waldboden ausgebreitet, wieso musste es hier immer wie in einem Horrorszenario aussehen?! Sie ging einige Schritte, dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Etwas stand hinter ihr. Viel zu nah! Samantha packte den Griff des Messers, welchen Tommy ihr gestern erst gegeben hatte und war bereit sofort zu zustechen. Sie horchte noch einmal auf, dann holte sie Schwung und wirbelte herum. Ihr Arm wurde durch eine Hand gestoppt, die Spitze der Klinge kam nicht mal in die Nähe seines Halses. „TOMMY!“, fauchte die junge Frau aufgewühlt, „ich hätte dich verletzen können!“ Der junge Mann zog zweifelnd beide Augenbrauen hoch und blickte zwischen ihr und der Klinge hin und her. „Bist du dir sicher?“ „Meine Fresse! Du bringst mich noch um!“ „Hoffentlich nicht“, grinste er schelmisch, „was machst du mitten in der Nacht hier im Wald? Du solltest doch in Wolfsburrow bleiben!“ „Ich war bei Hunter. Wir haben geredet.“ „Über was?“ „...das Tier mit den roten Augen. Ich wollte endlich Antworten haben.“ „Und hast du sie bekommen?“ „Nicht wirklich…“, seufzte sie schwerfällig, „Steve und die Anderen meinen zwar, dass Hunter und ich völlig den Verstand verloren haben, aber ich weiß, was ich gesehen habe.“ Sie blickte zu dem jungen Mann auf, welcher immer noch ihren Arm festhielt. Seine Gesichtsausdruck war ohne jede Mimik, sie wusste nicht, woran er gerade dachte. „Glaubst du auch, dass ich den Verstand verloren habe?“ „Nein.“ „Also glaubst du mir?!“ „Nein.“ „Ja wie jetzt nein?! Du hast schließlich auf es geschossen, verdammt!“ Er schüttelte den Kopf und gab ihren Arm wieder frei. Samantha steckte das Messer wieder weg und seufzte jetzt völlig entnervt. „Was machst du eigentlich mitten in der Nacht hier draußen? Ach ja richtig! Du trackst mich ja…“ Tommy legte schelmisch grinsend den Kopf schief und ließ sein Gegenüber noch eine Weile vor sich her fluchen, sie schien für ihn ein sehr amüsantes Bild abzugeben. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich überall finden würde“, meinte er schließlich ruhig. „Oh Gott, Junge. Das war der schlechteste Anmachspruch, den ich je gehört habe.“ „Wenn ich dich wirklich hätte haben wollen, dann würdest du bereits nackt unter mir auf dem Waldboden liegen, die Beine weit gespreizt und laut stöhnend!“ Sie starrte ihn für einen Moment lang mit weit aufgerissenen Augen an. Das Bild, welches sie nun von sich beiden im Kopf hatte ließ Samanthas Wangen glühen und auf den Rest ihres Körpers hatte es eine ganz ähnliche Wirkung. Ihr Unterleib begann zu ziehen und ihre Beine wurden allmählich zu Wackelpudding. Sie schluckte schwer und blickte viel zu tief in seine glühend gelben Augen. „Was machst du nur mit mir...“, raunte sie schließlich und hatte ein ungutes Gefühl vor seiner Antwort. „Ich bringe dich sicher zurück nach Wolfsburrow. Es ist für dich alleine viel zu gefährlich hier draußen.“ „Und du kannst mich beschützen?“ „Ja. Das kann ich.“ Samantha rieb sich die fröstelnden Arme und nickte zustimmend: „Dann lass uns gehen…“ Die meiste Zeit liefen sie schweigend nebeneinander, trotz Tommy bei sich wissend zuckte sie bei jedem Knacken und Rascheln zusammen, blickte sich hastig um. Er grinste in sich hinein und fing sich böse Blicke von ihr ein. „Was?“ „Und du wolltest alleine zurück laufen…“, bemerkte er süffisant, „du merkst gar nicht, wie du dich immer wieder von selbst in Gefahr bringst.“ „Du tust ja so, als würden wir gerade verfolgt werden.“ „Wer sagt dir, dass es nicht so ist?“, wollte er ruhig wissen und sah ihr fest in die Augen. „Hör auf damit!“, fluchte sie und beschleunigte ihren Gang, woraufhin Tommy nur noch breiter grinste. In der Ferne konnten sie mittlerweile die Lichter von Wolfsburrow erkennen, Samantha wagte es jedoch nicht jetzt schon erleichtert aufzuatmen. Sie hörte seinen regelmäßigen Atem neben sich, vernahm seine festen Schritte auf dem weichen Waldboden, während sie geradezu über Stock und Stein stolperte. „Wie geht es dem Auto?“, fragte sie, um die unangenehme Stille zwischen ihnen zu unterbrechen. „Unverändert. Immer noch.“ Sie rollte theatralisch mit ihren Augen und blieb ruckartig stehen. Irgendwas beobachtete sie aus dem Wald heraus, das konnte sie deutlich spüren. Auch Tommy hatte angehalten und blickte in die selbe Richtung. „Was ist da im Wald, Tommy?“, fragte sie ängstlich und trat einen Schritt näher an ihn heran. „Willst du das wirklich wissen?“, raunte er und warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu. „Das Tier mit den roten Augen?“, flüsterte sie und spürte, wie sich ihr Magen augenblicklich umdrehte. „Nein.“ „Was dann?“ Er hob den Kopf und schnupperte ein paar Mal. Samantha fand das immer noch ziemlich übertrieben, sie war der festen Überzeugung, dass er sie im Grunde nur noch mehr verunsichern wollte. Aber warum? „Nichts bedrohliches. Es hat mehr Angst vor uns als du vor ihm“, gestand er schließlich. „Du kannst seine Angst riechen?“ „Ja. Deine übrigens auch.“ „Ich habe keine Angst!“, fauchte sie ihn an. Tommy hob fragend beide Augenbrauen hoch und prüfte ihren zitternden Körper. Dann grinste er schelmisch und fragte, ob sie sich da sicher sei. „Ich bin mir sicher, dass ich mich definitiv unwohl in deiner Gegenwart fühle! Du machst mir absichtlich Angst, damit ich dich nicht wegschicke!“ Er lachte laut auf und warf den Kopf gen Nacken. „Und warum sollte ich dir absichtlich Angst machen wollen? Dein Puls schlägt dreimal so schnell seitdem du die Hütte des Jägers verlassen hast, dein Atem geht zittrig und unregelmäßig, und das liegt nicht an der Kälte. Deine Nackenhaare stehen zu Berge und du hast Gänsehaut seit mindestens zehn Minuten.“ Sie stockte. Er hatte mit allem Recht. Hinzu kam noch dieses ständige paranoide Gefühl, dass sie von irgendwas verfolgt wurde. „...und was spürst du noch…?“, kam die Frage plötzlich über ihre Lippen und sie wunderte sich über sich selber. „Das dir vorhin ganz heiß wurde, als ich den Liebesakt mit mir beschrieben habe“, grinste Tommy jetzt breit und fing sich dadurch einen Stoß ihrer flachen Hand ein. „Du bist unmöglich!“, rief sie genervt aus, wusste jedoch, dass er auch damit Recht gehabt hatte. „Komm jetzt“, kicherte er gehässig, „es ist nicht mehr weit und du musst schlafen!“ Erst als die beiden die Brücke zu Wolfsburrow überquert hatten atmete Samantha tief durch. Augenblicklich hellte sich ihre Stimmung auf und ihr Herzschlag regulierte sich allmählich wieder. Hier und dort waren noch einzelne Bewohner wach und bauten Stände für das Mondscheinfest morgen Abend auf, einer der Männer befestigte eine sehr langes Seil von Stand zu Stand. „Für die Laternen“, grinste er fröhlich, als er Samanthas prüfenden Blick bemerkt hatte. „Laternen?“ „Wir werden sie morgen aufhängen, damit sie über die Nacht Licht spenden können. Hi, Tommy!“ „Hallo“, erwiderte der junge Mann und schob Samantha weiter vor sich her. „Warum leben du und Earl eigentlich nicht hier bei den anderen?“, erkundigte sich die Frau, während sie auf das Wirtshaus zusteuerten. „Zu viele Menschen.“ „Du befürwortest also ein Leben in Einsamkeit?“ „Ich bin nicht allein. Ich habe den alten Mann und die Schafe.“ Samantha klatsche in die Hände und lachte herzhaft auf: „Die Schafe!“ Die beiden betraten das lebhafte Gasthaus, Martha und Steve hatten wie gestern Abend alle Hände voll mit ihren Gästen zu tun, winkten ihnen jedoch zur Begrüßung. Samantha winkte ihnen zurück und ging gefolgt von Tommy um die Ecke, wo es zur Treppe nach oben ging. „Also dann“, klatsche sie in die Hände, nachdem sie auf der zweiten Stufe Halt gemacht hatte, „vielen Dank, dass du mich sicher nach Hause gebracht hast.“ Er blickte ihr intensiver denn je in die Augen. Samantha fühlte, wie sich eine angenehm kribbelnde Aufregung in ihr breit machte. Sie stand immer noch auf der zweiten Stufe der Treppe, war somit genau auf Augenhöhe mit ihm. Mit diesen bernsteinfarbenen Augen, welche sie schon so oft in ihren Bann gezogen hatten. „Kommst du morgen zum Mondscheinfest?“, fragte sie, um die unangenehme Stille zwischen ihnen zu unterbrechen. „Ich komme auf jeden Fall“, grinste er schelmisch und griff nach ihrem Handgelenk, „...und ich werde dich finden, egal wo du bist.“ Sie ließ seine Berührung zu und grinste breit. Dann zog Tommy sie vorsichtig näher zu sich heran, seine glühenden Augen brannten sich wie immer in die ihren und dann passierte es. Samantha legte ihre freie Hand zuerst an seine Wange, glitt von dort aus bis in seinen Nacken, die junge Frau schloss die Augen und küsste ihn. Anstatt sich dagegen zu wehren, wie sie es eigentlich in diesem Moment erwartet hatte erwiderte Tommy ihren Kuss sofort, legte einen Arm um ihre Hüfte und drückte ihren Körper gegen den seinen. Ein heißes Kribbeln durchfuhr Samanthas Bauch, sämtliche Nerven pulsierten im Takt ihres Kusses und ihr Unterleib ließ ein dezentes Ziehen vernehmen. Tommy ließ von ihrem Handgelenk ab, fasste ihr mit beiden Händen um ihre Taille und hob Samantha mit Leichtigkeit auf seine Hüften, ohne dabei den Kuss auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. Sie keuchte kurz auf, was er sofort als Einladung wahrnahm und ihr seine Zunge entgegenstreckte. Ihre Fingerkuppen fuhren über seine Kopfhaut, wuschelten durch seine schwarzen Haare, während er sicheren Schrittes die Treppe emporstieg. Von wegen er will mich nicht, kicherte Samantha triumphierend in sich hinein, schlang ihre Beine nur noch enger um seine Hüften und krallte sich in seinen Haaren fest. Augenblick ließ Tommy sie wieder zu Boden, ging sicher, dass sie ordentlich auf ihren Füßen stand und starrte ihr dann schwer keuchend in die Augen. „Was ist los?“, kicherte sie und legte ihre Arme wieder um seinen Nacken, „kannst du etwa schon nicht mehr?“ „Ich...ich kann...nicht...vergib mir!“, keuchte er und sprang die Treppe auf einmal runter. Dann war er verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)