Grace and Disaster von Hypsilon (Haikyuu!! on Ice!!!) ================================================================================ Prolog: Imperfect Perfection ---------------------------- ❄️ Der Mensch, er strebt nach Perfektion. Fehlerfreiheit. Absolutismus. Die perfekte Technik, einen perfekten Kreis zu ziehen zu fahren. Die perfekte Haltung. Der Inbegriff von Schönheit und Anmut. Doch was ist Schönheit, wenn du sie nur sehen kannst? Was ist Schönheit, wenn du sie nicht spürst? Fehlt dann nicht etwas? ❄️ Kapitel 1: Together ------------------- ❄️ Mit einem scharfen Schleifen beendete Kenma im Training die letzte Figur seines Kurzprogrammes für den Vorentscheid der japanischen Meisterschaft. Die Ausdrehung war perfekt in jeder Hinsicht. Der Stand zugleich fest und sanft, wie Kenma in der Verneigung den Arm streckte und die Hand über seinen Kopf hinweg bewegte und sich schließlich wieder aufrichtete um an die Bande zu fahren, wo Kuroo klatschte, aber einen Blick auf dem Gesicht hatte, den er so nicht kannte. Fordernd sah er ihn an, weil er wollte, dass er sagte, was ihn störte. Er selbst war sich keines Fehlers bewusst. Das Kurzprogramm war perfekt. Die Sprünge waren hervorragend wie immer, die Landungen saßen und Kenmas Körperspannung ließ erst nach, als er es sich zum Ausfahren erlaubt hatte. „Kenma… für wen fährst du?“, fragte Kuroo beim Reichen der Wasserflasche. Kenmas Antwort kam knapp und prompt: „Für dich.“ Kuroo seufzte. „Warum?“, fragte er weiter. Kenma zuckte mit den Schultern. „Weil du es gesagt hast“ war die unzufriedenstellende Antwort. Kuroo seufzte wiederholt. Er erinnerte sich an damals. Als er mit seinem Vater in die Nachbarschaft gezogen war. ❄️ Es war Winter. Bitterkalt und am Stadtplatz gab es einen Eislaufplatz, wo seine neuen Mitschüler tollten, aber Kuroo hat sich nicht getraut, mit ihnen zu gehen. Stattdessen stand er hinter seinem Vater an der Türschwelle der Nachbarn und kreuzte nur für einen kurzen Moment den Blick mit dem Jungen, der hinter dessen Mutter versteckt lehnte. Die Erwachsenen sprachen, stellten einander vor und Kuroos Vater hob hervor, wie schüchtern sein Sohn war. Unangenehm. Aber es war zu erkennen, dass es dem anderen Jungen genauso ging. Ein Lächeln zierte seine Lippen, als Kenmas Kopf weiter ins Bild rückte. Kenmas Mutter legte ihre Hand auf seinen Kopf. Irgendwann saß Kuroo neben Kenma auf dessen Bett, mit einem Kontroller für die am Fernseher angeschlossene Spielekonsole und war in eine Welt abgetaucht, in der Kenma einsame Spitze war, er selbst aber auch auf gewisse Weise versinken konnte. Solange, bis sich Kuroo wieder an seine Mitschüler erinnerte, die über das Eis glitten. „Kannst du Eislaufen?“, fragte er Kenma, der schüttelte umgehend den Kopf. Auf die Frage, ob er es gerne probieren mochte, zögerte er und Kuroo hat die Chance am Schopfe gepackt. Seit diesem Tag waren sie immer mal wieder am Stadtplatz, später in der städtischen Eishalle und zwischendurch wieder in Kenmas Zimmer an den Kontrollern. ❄️ Kuroo hat damals schon erkannt, dass Kenma ein Talent dafür hatte. Er hat ihm Kombinationen aus dem Internet gezeigt, Schrittfolgen, Sprünge und Figuren und Kenma hat jede einzelne perfekt gemeistert, während er selbst sich damit quälte, bis er annähernd so gut war wie der Jüngere. Aber Kenma… er war wunderschön anzusehen. Immer. Aber damals wie heute fehlte ihm etwas. Als Kindkonnte Kuroo es nicht nennen, er war selbst zu jung und unerfahren. Aber heute, wo Kenma vor ihm stand und seine Abfolgen ohne jegliche Emotionen fuhr, perfekt zwar, aber kälter als das Eis unter ihm, war ihm bewusst, dass die Leidenschaft fehlte. „Wie wär’s, wenn du für dich fährst?“, schlug er vor. „Wie wär’s, wenn ihr euch beide nicht mit dem Training überfordert?“, kam es plötzlich lauter hinter ihnen. Kuroo zuckte zusammen. „Ich bin fertig für heute“, sagte Kenma und glitt dabei von der Eisfläche. Co-Trainer Naoi trat an die beiden heran. „Schade“, sagte er zu Kenma. „Ich hätt‘s gerne gesehen.“ Doch Kenma bestand darauf, dass es so war wie immer. Kuroo zuckte mit den Schultern aber nickte. Der Ältere wurde auf die Eisfläche geschickt und so, wie es immer war, hafteten Kenmas Augen fasziniert an Kuroos ungeahnter Grazie. Er wusste nicht, was es war, aber Kuroo hat sich über die Jahre zu einem frechen selbstbewussten Teenager entwickelt, der sich für keinen Spruch zu schade war und der mit Leichtigkeit auf Andere zugehen konnte. Von dem schüchternen Jungen, der sich im Schatten seines Vaters versteckt hatte, war nichts mehr übrig. Aber wenn er am Eis war, da war auch von seinem frechen Wesen nichts mehr zu sehen. Als würde Kenma eine ganz andere Seite seines besten Freundes sehen. „Sieh auf sein Gesicht“, sagte Coach Nekomata, der auch bereits die Halle betreten hatte und nun neben Kenma stand. Kenma kniff die Augen zusammen. Nur spärlich erkannte er, was sein Coach meinte. Kuroo hatte die Augen teilweise geschlossen und schaffte es, sie genau dann zu öffnen, wenn allein schon die Musik für Gänsehaut sorgte. Da war auch das freche Wesen wieder. Der Blick, der nicht nur Kenma in den Bann zog, sondern auch dieses Grinsen, das Kuroo aufsetzte, wenn er sich einer Sache ganz sicher war. Kenma wich einen Schritt zurück. Es war einschüchternd wie einnehmend. Coach Nekomata neben ihm ließ ein leises Lachen tönen. „Wenn du das kannst, steht deinem Platz 1 nichts mehr im Weg“ Aber Kenma konnte es nicht, obwohl ihm sein Trainer versichert hatte, dass sein Gesichtsausdruck manchmal Bände sprechen konnte. Das waren Reaktionen. Nichts, was er aufsetzen konnte, weil er von Leidenschaft getrieben war oder wie hat sein Jahrgangskamerad Yamamoto einmal gesagt? Kenma hatte die Willenskraft dafür einfach nicht. ❄️ Und Kenma hatte die Willenskraft auch am Tag des Vorentscheids nicht. Brauchte er auch nicht. Es reichte auch so. Mit seiner Kür zur Serenade des Wassers aus einem seiner Lieblingsspiele (Zelda, Ocarina of Time) bannte er sowohl das Publikum als auch die Juroren ganz in seine Performance. Er setzte seine Sprungkombinationen ideal und landete den dreifachen Lutz hervorragend wie eh und je, gefolgt vom vierfachen Rittberger, der den Höhepunkt des Laufes allerdings auch schon beendete. Jede noch so kleine Bewegung saß perfekt, aber zum Ende hin ließ die Schwierigkeit nach, wie es bei Kenma immer war. Er wurde müde. Sein Körper schmerzte und er riskierte es nicht, einen Fehler zu machen und spielte das Ende sicher aus. Mit seiner Sicherheit hat er neben dem aufbrausenden Bokuto der Fukurodani, der eine, wie man es von ihm gewohnt war, eher unübliche Darbietung zu Klaus Badelts He’s a Pirate lieferte auch seinen besten Freund Kuroo ausgestochen, aber für Platz 1 reichte es nicht. Den holte der elegante Iizuna der Itachyama mit seiner zarten Kür zu Hania Ranis Eden. „Gut, dass die besten drei zum Halbfinale antreten dürfen“, sagte Kuroo lachend zu Kenma, als dieser mit einem müden Blick auf die silberne Medaille vom Eis glitt. „Schade, dass du nur vierter wurdest“, seufzte Kenma und ließ sich von seinem besten Freund die Schoner auf die Kufen legen. „Danke“ Kuroo richtete sich auf und winkte ab. „Ach, ich hols mir nächstes Jahr. Stich du für Kanto die anderen aus und fahr zum Finale“, sagte er. Dennoch mit bitterem Beiton, denn er hat nicht einfach nur den vierten Platz gemacht, er hat ihn hinter Bokuto belegt und dessen breites stolzes Grinsen hätte er ihm am liebsten aus dem Gesicht geschnitten. „Bro, ich hätte echt auf ein Match in der Olympiahalle gehofft“, sagte der schräge Vogel. „Gegen dich fahr ich gleich hier und jetzt nochmal ganz persönlich“, erwiderte Kuroo mit geprellter Brust. Kenma verdrehte die Augen über dieses Verhalten. „Gut“, sagte Bokuto. „Gut“, sagte auch Kuroo nochmal etwas bestimmter und als die Halle geräumt und die Eisfläche leer war, ging der Eiskunstlauf Dance off der beiden Jungs los, die eigentlich ziemlich gute Freunde waren. Aber wenn es um den Sport und die Leidenschaft ging, da schenkten sie einander nichts. Kuroo begann bei On The Floor von Jennifer Lopez und Pitbull auch gleich mit einem herausfordernden Blick zurück zu fahren und deutete Bokuto mit ziehenden Handgesten, ihm zu folgen. Auch sein Gesichtsausdruck war von Anfang an wieder voll im Moment. Kuroo ließ sich von Bokuto sogar bereitwillig in J Los Part drängen. Pitpull passte auch viel besser zu Bokuto, der hatte diese zarten Figuren nicht drauf. Zu ihm passten die aggressiven Töne und Schrittfolgen, die Kuroo umkreisten und in die Knie zwangen. Aber durchaus auf eine Art und Weise, die bei einem Wettkampf einer Altersfreigabe bedurft hätte. Kenma fühlte sich unwohl, ihnen bei ihrem kleinen Dance-Off zuzusehen. Dennoch wusste er, dass sie ihn danach fragen würde, wer das Ding gewonnen hatte. „Kann ich nicht sagen“, war Kenmas Antwort, die sie beide nicht akzeptieren wollte. „Aber ich hab das viel cooler und riskanter gemacht“, prahlte Bokuto. „Dafür war ich der pure Sex zu deinen Füßen“, lachte Kuroo. „Ihr solltet in Erwägung ziehen, auch mal Paarlauf zu machen.“ Zwei weitere Jungs kamen von der Tribüne herunter. Die diesjährigen Favoriten Akinori Konoha und sein Partner Keiji Akaashi. Bokuto und Kuroo verfielen beide in Gelächter. „Ernsthaft, ihr hab ne Spannung, gegen die wir gerne antreten würden“, sagte Akaashi nachdem Konoha den Vorschlag gemacht hatte. Kenma verstand sofort, was der Junge aus seinem Jahrgang meinte. Es blieb auch ihm nicht verborgen, dass der geplante Versus eigentlich ein Featuring geworden ist. „Zuerst hol ich mir die Goldmedaille im Einzel. Danach kann ich neue Herausforderungen annehmen“, sagte Bokuto und schlug Kuroo so stark auf die Schulter, dass dieser einen Schritt nach vorne machte. „Bei aller Ehre, Bro, aber mit dir teil ich mir das Rampenlicht nicht“, wusste Kuroo, dass es mit Bokutos zeitweisen Launen als Paar für das Doppel alles andere als lustig werden würden. Für den Paarlauf konnte auch Kenma sich nicht besonders erwärmen. Er sah das als zu intim an und das Vertrauen, das er dafür einem anderen Menschen aufbringen müsste, hatte er maximal für Kuroo und der war wohl genauso abgeneigt. „Was für ein Verlust“, sagte Konoha. Er zog sich die Schoner von den Schlittschuhe und legte sie gemeinsam mit denen von Akaashi auf die Bank bevor sie beide die Eisfläche betraten. Auf Bokutos Vorschlag hin, sahen die drei sich schließlich noch das Training des Paares an und bekamen eine ganz neue Definition von Teamgeist vorgesetzt. Kapitel 2: Alone ---------------- Bokuto hat die Jungs von Nekoma aufgeklärt, dass seine Mitschüler, Konoha und Akaashi, ein Paar waren, quasi seit sie einander auf dem Eis das erste Mal gesehen hatten. Schon in der Mittelschule wussten sie, dass sie zu den Olympischen Spielen wollten. Sie wollten Weltmeister werden und hatten ihren Anfang im letzten Jahr beim Oberschulturnier gemacht. Sie waren jung, Schüler noch, so ehrgeizig, erfolgreich und unheimlich talentiert. Gut, dachte Kenma, dass sie im Paarlauf antraten und im Einzel somit nicht seine Gegner waren. „Weißt du, Akaashi hat auch nicht besonders viel Ausdruck in den Augen und im Gesicht, aber irgendwie, wenn er mit Konoha fährt… da bekomm ich ne Gänsehaut“, sagte Kuroo, als wollte er Kenma damit mehr vermitteln als einfach nur seine Reaktion. „Mhm“, erwiderte dieser nur. Kuroo seufzte. Er nahm die Trinkflasche entgegen und folgte Kenma mit den Augen auf die Eisfläche. Sie waren zum Training in die Eishalle gegangen. Coach Nekomata und Naoi standen auf der anderen Seite. Wachsam. Nekomata hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während Naoi mit den Händen an die Bande gestemmt war. Kenma fuhr sein verspieltes Kurzprogramm zum Lied des Sturmes aus Zelda: Ocarina of Time. In dieser Ausführung ließ er die vierfachen Sprünge ganz aus und setzte vermehrt auf einfachere Sprungfolgen, die ihn mit ihrer Häufigkeit genauso an die Grenzen brachten, als hätte er die komplexen intensiv geübt. Im Takt der bekannten Notenfolge setzte er seine Sprünge hintereinander. Rasch, sauber und mit vollkommener Körperbeherrschung. Aber leer im Ausdruck. Erst nach der Verneigung konnte Kuroo die Anstrengung in Kenmas Gesicht sehen. Mehr Regung gab es nicht. „Genießt du es nicht zumindest ein bisschen?“, fragte er ihn beim Abtausch. „Es ist anstrengend. Warum sollte ich es genießen?“ Kenma tat es, weil er gut war. Weil ihm der Erfolg irgendwie doch gefiel und weil Kuroo ihn unterstützte und sie damit eine Gemeinsamkeit hatten. Dass Kuroo für die Japanische Meisterschaft aber nur unter den Zusehern und nicht mehr mit ihm als Wettkämpfer am Eis stehen würde, nahm ihm Motivation. Sein Kurzprogramm war gut. Die Ausführung war perfekt, aber das gewisse Etwas fehlte mehr denn je. „Weil es doch Spaß macht, oder? Magst du es nicht, wenn die Leute applaudieren und jubeln?“ Kenma schüttelte den Kopf auf Kuroos nächste Frage. „Du weißt, ich mag die Aufmerksamkeit nicht“, seufzte er. Tja und nun hatte er sie und konnte sie nicht einfach abschütteln, weil er Ärger bekommen würde, würde er sich einfach aus dem Wettkampf rausnehmen wollen. „Kenma. Du fährst doch zur Musik aus deinen Spielen. Wie wäre es, wenn du dich anstatt auf die Schritt- und Sprungfolge auf die Musik und das Spiel konzentrierst?“, fragte Nekomata, während Kuroo unter Zurufen von Naoi seine Sprünge und Drehungen übte. Zwar nahm er nicht am großen Wettkampf teil, aber er musste im Training bleiben, um sich irgendwann für den nächsten qualifizieren zu können. Die Asia-Finals würden auch bald ins Land ziehen und um Japan vertreten zu können, musste er noch hart an sich arbeiten. Da konnte er sich keinen Fehler erlauben. Keine Sprunglandung auf beiden Füßen, keine Hand auf dem Eis und erst recht keinen Sturz. „Dann bin ich abgelenkt“, konterte Kenma seinem Trainer, obwohl er den Vorschlag gar nicht schlecht fand. „Dann kombiniere es.“ Nekomata ließ nicht locker. ❄️ Bis zum großen Tag dachte Kenma nicht nur einmal über die Worte seines Coaches nach. Er sollte es kombinieren. Seinen Lauf mit dem Spiel. Er hat es zuhause gemacht, als er die Sequenzen noch einmal gespielt hat. Dabei dachte er an seine Schritte und Drehungen am Eis und betätigte die Sprungtaste, wenn er im Programm einen Sprung machen würde, nur dass diesmal seine Spielfigur sprang und darauf einen Schwertangriff ausübte. Für Kenma folgte nach dem Sprung die Drehung. Bei der Generalprobe im Finale war ihm sogar ein zartes Lächeln über die Lippen gekommen, das auch der Konkurrenz aufgefallen war. „Kozume hat noch nie gelächelt dabei“, hat Iizuna zu Oikawa gesagt, der neben Yamagata und Azumane für die Region Tohoku antrat. Der Schönling der Aoba Johsai war dieses Jahr ganz überraschend bei den Einzelläufern angetreten. Seine Partnerin, so tuschelte man, hatte ihn just vor dem ersten Vorentscheid verlassen. In mindester Zeit hatte er also ein Kurzprogramm und eine Kür aufgestellt und sich damit knapp auf den dritten Platz gefahren, sowohl für die Präfektur Miyagi als auch danach für die Region. Iizuna wusste wie jeder andere, dass Oikawa danach all seine Energie ins Training gesteckt hat, was den Paarläufer zum sehr ernstzunehmenden Gegner im Einzelbewerb machte. Seine eigentliche Konkurrenz sah er aber in Asahi Azumane, der die Fähigkeit hatte, aus sich hinauszuwachsen, wenn es hart auf hart kam. Er hat im Halbfinale mit einer Differenz von 3,5 Punkten den zweiten Platz hinter Hayato Yamagata eingenommen. Und Yamagata war so unberechenbar wie das Wetter im April. Miyagi war dieses Jahr sehr stark im Einzelbewerb, denn die Fahrer haben sich auch regional durchgesetzt. Auch für die Kanto Region war es üblich, dass die Läufer aus nur einer Präfektur, Tokio, dominierten. Die Reihung war nach dem Halbfinale aber anders. Kenma hat sich den ersten Platz geholt, nach ihm kam Bokuto, der nochmal ordentlich aufs Eis geschlagen hatte und danach Iizuna, der zum Finale stärker denn je sein wollte. ❄️ Azumane trat als Erster an. Mit einer immer intensiver werdenden Kür zu Let in Go aus dem Disney Klassiker Frozen. Die meisten sahen es als Vorteil, denn Azumane war als Erster noch nervöser als bei jeder anderen Startnummer. Nur der letzte Platz war noch schlimmer. „Es ist ein Jammer, dass ich dieses Jahr nicht gegen deinen Kumpel Sakusa antreten kann“, schnaubte Oikawa. Iizuna schmunzelte. Im letzten Jahr haben Oikawa und seine Partnerin sich die Zähne an Sakusa Kiyoomi und seiner Schwester ausgebissen. Oikawa war nun Vize Meister im Paarlauf während die Sakusa-Geschwister amtierende Meister waren und deswegen neben Konoha und Akaashi für Kanto antraten. Beim Paarbewerb trat je Präfektur nämlich jeweils nur ein Paar zum Halbfinale an, statt drei wie für den Einzelbescheid. Dafür kamen im Halbfinale 3 Paare je Region weiter, wie bei den Einzelfahrern.*) „Hättest dir ja noch ne andere Partnerin oder nen Partner schnappen können“, sagte Iizuna und stemmte sich von der Wand ab. Es war jeden Moment für ihn an der Zeit, seine eigene Kür zu fahren. Aufgewärmt war er schon. „Pfft, als ob das so schnell ginge. Iwa-chan hat mir eins mit dem Eishockeyschläger übergezogen und Mattsun und Makki meinten, es wäre zu schwul“, maulte er. Ja genau, da zogen die beiden ihre Grenze. Sie waren bekannt für ihr Spiel mit ihrer Sexualität. Der Inbegriff eines noch nicht öffentlichen homosexuellen Pärchens, aber Eiskunstlauf, das war ihnen zu viel. Oder lag es daran, dass sie nicht mit Oikawa fahren wollten und es lieber gemeinsam gemacht hätten? „Dann musst du dich mit mir als Gegner zufrieden geben." Iizuna lächelte sanft und hob die Hand zum Gruß, als er sich für seinen Start aufs Eis begab. Fast ohne Vorwarnung legte er mit einer raschen Drehung zu Fairytail von Alexander Rybak los. Schnelle Runden wurden im Rückwärtssteigen gefahren, der erste Sprung folgte und Iizuna zeigte wieder sein zartes, liebliches Wesen, für das er bekannt war. Dennoch, die Songwahl zeigte, dass er auch noch andere Seiten hatte. Dass er auch drücken konnte und wilder war, als man es ihm ansah. Kenma war hingerissen von den Wechseln. Er merkte auch, dass sich viel im Gesicht des Läufers abspielte, dass er sich fragte, ob auch Iizuna etwas kombinierte. Bei Kenma waren es nun der Lauf und sein Videospiel, was ihm half, mehr im Moment zu fahren, wie Kuroo es auch nannte. Aber Iizunas Lied war doch irgendwie, so aufregend es auch gesungen und von ihm belaufen wurde, traurig. Als Kenma einer der Blicke direkt traf, wandte er sich umgehend ab, dass er den Fehler des darauffolgenden Sprunges nicht sah. In die Wertung wurde der aber aufgenommen und dann wechselte Iizuna mit Yamagata ab. Im Vorentscheid hat er sich mit einem außergewöhnlichen Programm zu Without Me von Eminem auf den ersten Platz gefahren. Aber für die Japanische Meisterschaft hat er sich an der Kür einer amerikanischen Eiskunstläuferin zu Bad Guy von Billie Eilish orientiert und hob Kenma in ganz ungewohnte Sphären. Kenma verstand zum ersten Mal so richtig, warum er so an seinem Ausdruck arbeiten sollte. Yamagata riss ihn mit. Sein Herz schlug schnell. Er war gefesselt und dann machte Yamagata seinen ersten Fehler. Er kam nach dem vierfachen Sprung mit beiden Füßen auf. Den Stunt mit der Hand hat er kurz darauf verrutscht und Kenma verlor sein Interesse an seinem Lauf. Schade. Yamagata wollte zu viel. Er war zu riskant. Kenma meinte, ein Dreifachsprung mit einem folgenden Zweifachen hätte vollkommen gereicht. Auch am Schluss war etwas faul an der Ausführung. Hat der Einzelläufer aus Miyagi etwa geschummelt oder einfach improvisiert? Er war doch ausgerutscht. Kenma hat es ihm an den Augen abgesehen. Wenn den Richtern das auch aufgefallen war, dann wäre es schwer für Yamagata, überhaupt aufs Treppchen zu kommen. Wenn nicht, Kenma war sich sicher, er würde mit diesem Läufer um den Sieg kämpfen. Als nächstes fuhr aber erst einmal Oikawa zu Imagines Dragons Natural als wäre es eine Farce an seine ehemalige Partnerin. Und Kenma musste ihm zustimmen: Toruu Oikawa war ein Naturtalent. Sein Körper war für den Eiskunstlauf gemacht. Allerdings war Oikawa auch arrogant und wollte die Medaille so dringend heimholen, dass er sich selbst zu sehr pushte. Ein Sturz folgte. Er fing ihn mit dem rechten Knie ab, verzog dabei aber keine Miene und könnte sich den Lauf vielleicht gerade noch retten, wenn er beim Kurzprogramm keinen Fehler machte und herausstach. „Ich wollte lieber als letzter fahren. Dann hätten alle auf mich gewartet und ich wäre das Beste gewesen, das kommt immerhin zum Schluss“, quengelte Bokuto noch während Oikawa seine Punkte für seine Kür bekam. Kuroo stand neben ihm und klopfte ihm auf den Rücken. „Konoha und Akaashi sind auch nicht Letzte und die werden den Titel im Paarlauf holen, also hau rein“, sagte er zu seinem Kumpel und schob ihn regelrecht aufs Eis, dass er sein Programm zu Hall of Fame von Skript fahren konnte. Kenma fühlte sich etwas schuldig, weil er an der Wunschposition von Bokuto fuhr. Als Letzter. Vor ihm fuhr nach Bokuto noch Izuru Nozawa zu Storm eine wahnsinnig sanfte aber nicht weniger intensive Kombination, wie Suna kurz darauf zu Janns Lookatme. Bei Sunas Performance hatte Kenma als Beobachter kein besonders gutes Gefühl. Der Junge aus Aichi lebte den Song und was da an Spannungen rüber kamen, wollte Kenma ausschließlich in einem Schlafzimmer wissen. In einem Fremden. Nicht in seinem. Unbeteiligt. Aber auch Suna wollte alles. Wie die anderen. Nur, dass sein Wunsch mit der Hitze seiner Darbietung beinahe das Eis unter sich zum Schmelzen brachte. „Na wenn hier jemand mit Verführung weiter kommt, dann ist es Rintaro“, sagte Kuroo plötzlich neben Kenma. Der sah zu seinem besten Freund hinüber. „Kennst du ihn näher?“, fragte er, weil Kuroo nicht jeden mit Vornamen ansprach. Aber Kuroo schüttelte den Kopf. „Ich beobachte nur“, sagte er mit einem schmutzigen Grinsen. „Sowas würde ich gern mal von dir sehen“, fügte er noch hinzu und Kenma machte nur einen murrenden Laut zur Antwort. Niemand würde jemals so etwas von ihm sehen. Und niemals würde Kenma einen verbotenen Saltosprung machen, wie Suna es im Ausklang seiner Kür machte. „Vollidiot“, schnaubte er. „Wie cool!“, rief Bokuto. Der nächste Vollidiot. Suna hatte sich disqualifiziert, schon wieder. Was er damit erreichen wollte, verstand Kenma nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Genauso wie die restlichen Läufer. Er trat zurück und begann sich im Gang aufzuwärmen. Kuroo stand ihm zur Seite und sprach wohlwollend auf ihn ein. „Ich bin total im Game“, sagte Kenma zu ihm, zeigte noch eines seiner Lächeln, das den meisten anderen verwehrt blieb. „Gut, aber spiel nicht auf Nummer sicher, riskier auch mal was“ Nach seinen Übungen hatte Kenma nur noch Kita, Kansai, vor sich. Kita mit seinem routinierten sauberen Stil, der genauso wenig Fehler zuließ wie der von Kenma. Doch er fuhr noch eine Spur sicherer und vorsichtiger, dass er zwar keine Punkte verlor, aber die großen Abstauber nicht lieferte. Wunderschön anzusehen, wie die anderen Läufer auch hervorhoben, aber langweilig, wie Oikawa feixte. Langweilig wollte Kenma nicht sein. Uninteressant für andere zwar, aber nicht langweilig und so fuhr er als letzter seine Kür zu Scattered and Lost aus dem kanadischen Einzelspieler Adventure Celeste. Kuroo stand am Rand und deutete ihm beide Daumen hoch, genauso wie Bokuto, der sich nie zu schade drum war, auch einen Konkurrenten anzufeuern. Iizunas Augenkontakt entging er ganz souverän, an Yamagatas richtenden Blick blieb er jedoch einen Moment hängen. Er konnte sich gut vorstellen, warum er ihn so ansah. Die beiden Läufer waren von Grund auf verschieden und dennoch kämpften sie seit Saisonen um den zweiten Platz. Mit tänzelnden Schritten und verspielten Drehungen baute Kenma seine Sprungreihe auf. Kuroo biss sich auf den Knöchel seines Zeigefingers. Fester mit jedem Sprung, der Kenma näher an seine Grenzen trieb. So ließ er aber einen enttäuschten Seufzer los, als Kenma die Kür mit den immergleichen leichten Sprüngen zum Ende führte, die, die er auch im Schlaf schon konnte. Sein Stehenbleiben war sanfter als sonst und zu Kuroos Überraschung suchte Kenma einen Blick besonders und das war nicht seiner. Kapitel 3: Combined ------------------- Nach den Programmen der Kür stand die vorübergehende Reihung fest, die Kenma nach seiner fehlerfreien Performance mit acht Punkten Vorsprung auf Yamagata anführte. Dem wiederum stand Iizuna knapp im Nacken. Bokuto befand sich vorerst auf dem vierten Platz und machte ein Gesicht wie sieben Tage Regen. Kuroos aufmunternde Worte verdunsteten wie Wassertropfen auf heißem Stein. Ein Jammer, aber Kenma würde es hinnehmen, wenn sein Konkurrent nun aufgab. Azumane träumte sich noch auf die Treppe, denn wenn er es beim Kurzprogramm gut machte, könnte er Yamagata verstoßen, denn der neigte zum Übertreiben und somit zum gehäuften Punkteabzug durch Fehler und Imperfektionen. Bei den Kurzprogrammen machte Yamagata den Anfang. „Drück mir die Daumen“, sagte er, als er sich an Kenma vorbei auf die Eisfläche schob. Da war er wieder. Dieser undefinierbare Blick. Genauso schnell, wie er ihn aufgeschnappt hatte, war er aber auch schon wieder aufgelöst und Yamagata machte mit seiner altbekannten riskanten Abfolge an Schritten, Drehung und Sprüngen weiter. Mit Overwhelmed von Ryan Mack hat er ein kurzes Stück gefunden, das ihm eine Einlage mit vielen Richtungswechseln erlaubte. Diesmal hatte er sogar die riskanten Sprünge im Griff und wechselte sie mit weicheren ab, allerdings nur um mit einer Drehung darauf beinahe das Gleichgewicht zu verlieren, sich umzujustieren und sofort die Fahrt wieder aufzunehmen. Yamagata hatte gut daran getan, den Song auszuwählen, denn er erlaubte ihm, die kurzen ruhigen Parts für das Ausdrehen zu nutzen. Kenma vermutete, dass ihm das die Führung eine Weile retten würde. Schön, fand er. Denn wie schon im Vorjahr und davor bei den Asia-Finals hat er mit Yamagata um den ersten Platz gekämpft. Nur, dass ihnen im letzten Jahr Semi Eita aus Miyagi einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und sie beide verschoben hat und bei den Asia Finals wurden sie von einem Underdog aus Kasachstan um den Titel gebracht. Bei der Weltmeisterschaft hatte keiner der beiden antreten dürfen, weil sich Suna für Japan durchgesetzt hatte, an der Meisterschaft hat er sich die Zähne aber am kanadischen Talent ausgebissen. Kenma war damals für Japan knapp hinter Yamagata auf dem dritten Platz. Diesmal wollte er ihn überholen und am besten gleich so hoch, dass sich niemand mehr vor ihn drängen konnte. Azumane vor ihm war ein Nervenbündel ähnlich wie Bokuto. Sie haben es beide nicht geschafft, Yamamata vom vorübergehenden Podest zu stoßen. Das wollte nun Oikawa um jeden Preis erreichen. Sein durch den Sturz angeschlagenes Knie wurde in der Pause getaped, man hat ihm Magnesium gegeben und ihn Sonderübungen machen lassen. Sein Trainer hat ihm geraten, es sein zu lassen. Aufzugeben und im nächsten Jahr wieder anzutreten, aber Aufgeben war das Letzte, was er tun würde und so trat Oikawa an. Souverän glitt er über das Eis an die Mittelposition und startete mit einer salutähnlichenbewegung in sein Kurzprogramm zum Quidditch World Cup Themensong von Patrick Doyle. In den knapp zwei Minuten schaffte es die veelaartige Erscheinung – wenn man schon im Genre blieb – von verspielter trickreicher Choreographie zu aggressiver einschüchternder Abfolge zu switchen und nicht nur den Zuschauern den Atem stocken zu lassen. Yamagata sah schon während der Verneigung nach dem perfekten Programm zu den Schiedsrichtern. Nach kurzer Absprache war Oikawa nun drei Punkte hinter Yamagata. Er hatte gut aufgeholt, aber nicht geschafft, was er wollte. Ein vierfacher Rittberger perfekt gelandet mehr und es wäre an ihm gewesen, das oberste Podest zu verteidigen. Aber stattdessen trat Kenma nach ihm gefühlt direkt gegen Yamagata an. Was der Schüler der Shiratorizawa Akademie konnte, war nicht in Kenmas Repertoire, aber er hatte mit seinem schwunghaften Kurzprogramm zu Mantis Lords aus Hollow Knight zumindest eine kleine Überraschung parat. Er hielt den Anfang mit schnellen Schrittfolgen und Wendungen passend rasant und hektisch. Ein durchaus sauber chaotischer Stil, den Kuroo ihm beim Training angeraten hat. Den Mittelteil füllte Kenma mit Drehungen aus denen er kontrolliert panisch mit den Händen nach unsichtbaren Seilen griff, um sich aus einer dargestellten Gefahr zu ziehen, aber sein Gesicht verriet nichts davon. Es war stets konzentriert auch nach der angedeuteten Befreiung, aus der er sich mit einer Kombination aus Zweifach- und Dreifach Sprüngen öffnete und die er mit einem Kniefall abschloss. Kein Muskel wurde zu viel angespannt aber auch keine weitere Emotion drang weiter als über seine Nasenspitze hinweg. Nur heftiges angespanntes Atmen. Erst als er seinen Punktestand sah, wechselte sein Gesichtsausdruck wieder. Seine Augen verengten sich und seine Mundwinkel zogen triumphierend nach oben. Empfänger dieses Grinsens war Yamagata, der sich seines Sieges schon so sicher war. Auch Kenma hätte ihn schon siegreich erwartet, aber mit der Sprungkombination zum Schluss hat er sich die notwendigen Punkte geholt, um das Podest zu erklimmen. Vorerst. Den Titel aber holte Iizuna mit einem unerwartet chaotischen aber perfekt choreografierten Kurzprogramm zu Diamond Mind von Rasputina. „Ich wollte eben diese Goldmedaille“, sagte er kichernd. Sein erfreutes Grinsen hätte nicht breiter sein können, dass sich Kenma bei dem Gedanken ertappte, dass Iizuna den Titel alleine deswegen mehr verdient hatte, als alle anderen. Kenma stand neben ihm. Um seinen Hals hing die silberne Medaille. Er war stolz, keine Frage. Aber er war auch enttäuscht. Seine Programme waren perfekt, von Anfang bis zum Schluss. „Etwas schwach zum Ende“, hat Kuroo zwar gesagt, aber so war das nun einmal. Kenma war angestrengt und müde, sein Körper hat weh getan und er hätte mit aufwendigeren Sprüngen zum Ende einen Sturz riskiert. Den Sturz, den Yamagata bei seiner Kür provoziert und auf eine fast schon verbotene Weise ausgebessert und vertuscht hatte. Dennoch stand der Läufer aus Miyagi zurecht auf dem dritten Treppchen mit der bronzenen Medaille. Er und Kenma hatten in der Gesamtwertung nicht einmal einen Punkt Unterschied, aber auf so etwas kam es eben an. Der Sprung, den Kenma nicht gewagt hat, hat ihn somit zwar den ersten Platz gekostet, ihn aber auch vor dem dritten bewahrt. Er war also zufrieden. ❄️ Nach den ganzen Pflichteinlagen wie der Siegerehrung, dem gemeinsamen Foto für die Zeitungen und der ein oder anderen Zeile, die er einem Reporter schenken musste, war Kenma wie eh und je eiligst dran, die Olympiahalle zu verlassen. Aber Kenma war in Gedanken. Seiner Performance fehlte es an nichts und dennoch reichte es nicht für den Sieg. Er dachte wieder an Kuroos Worte und auch die seiner Trainer. Wegen seinem Ausdruck. Und er dachte daran, dass andere Fahrer so viel Mimik hatten, dass sie Regungen in seinem Körper auslösten. Bei Suna wollte er sich am liebsten übergeben. Iizuna ließ ihn irgendwie wohl fühlen und Yamagata regte ihn auf. Warum, wusste er selbst nicht. Es beschäftigte ihn aber so sehr, dass er unachtsam wurde und die Horde aufgeschreckter Mädchen erst erkannte, als es bereits zu spät war. „Kenma!“ – „KenKen!“ – „Ein Selfie, bitte!“ - Verdammt! Für gewöhnlich schaffte er es, diese Ansammlungen bereits aus der Entfernung zu erkennen und auszuweichen, abzuwarten oder sich irgendwie anders mit Kuroo aus dem Staub zu machen. Aber gerade hatte er weder Kuroo bei sich, noch hat er sie frühzeitig erblickt. Die weiblichen Fans, die den Eiskunstläufern nachschwärmten und lästig waren. Zumindest in Kenmas Ansicht. Oikawas Fangirls waren da gesegneter, denn der Läufer aus Miyagi war den Jubelrufen und den Kameras viel mehr zugeneigt und er nahm sich auch gerne Zeit für seine Fans. Für Kenma blieb nun aber nur die Flucht. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus war er einfach weggelaufen. Vergebens, denn auch Mädchen konnten laufen und das gar nicht mal so langsam. Doch Kenma war wendig wie eine Katze und wusste durch seine Videospiele, dass es immer versteckte Wege gab, in die man abzweigen und verschwinden konnte. Und tatsächlich, er fand eine Seitengasse, just in dem Moment, als ihn ein älterer Herr passierte. Die Gasse war enger. Nur eine Fahrtrichtung war hier möglich und Kenma konnte sich in der Auslassung der Tür eines Wohngebäudes verstecken. Er war außer Puste, sein Atem ging schnell. Mit weiterer körperlicher Betätigung hatte er an diesem Tag nicht mehr gerechnet. Es war über die Maße anstrengend. Auf das laute, näherkommende Motorgeräusch hin, drängte er sich tiefer in die Auslassung. „Kozume? Brauchst du ne Mitfahrgelegenheit?“ Vor Kenma blieb ein Motorrad stehen. Ein schwarzes und ein cooles zwar, aber nicht so beeindruckend wie die, die er aus Rennspielen kannte. Dafür kannte er die Stimme, selbst wenn sie durch den gurgelnden Motor etwas überdeckt wurde. Kenma hob den Blick und sah in Yamagatas Gesicht, das sich unter dem Jethelm abzeichnete. „Hier“, sagte der Ältere und warf ihm einen zweiten Helm hin. Kenma wollte ablehnen, doch dann hörte er das Kreischen der Mädchen wieder und hatte nicht nur den Helm schneller als geplant auf dem Kopf sondern saß in Windeseile hinter seinem Konkurrenten auf der kleinen Yamaha Virago. Mit dem Geräusch des ankurbelnden Motors kniff er die Augen zu und widersprach umgehend seinem Vorsatz, die Hände nicht um den Fahrer zu legen. Viel zu fest und viel zu eng klammerte er sich ob der auftrabenden Geschwindigkeit an Yamagata und hoffte inständig, dass er ihn nicht in eine noch viel schlimmere Situation verfrachtete. Tat er nicht. Yamagata war mit ihm aus dem tokioter Stadtverkehr gefahren und hielt beim Hamarikyū-Park nicht unfern der City. Erst als Kenma das Brummen des Motors nicht mehr vernahm, lockerte er langsam seinen Griff. Yamagata machte zu seiner Überraschung keinen blöden Scherz darüber, weil er sich benahm wie eine Mimose. Von Tora hätte er sowas erwartet, denn Tora war schon irgendwie ähnlich cool wie Yamagata. Zumindest wäre er es gerne. Yamagata strahlte diese Coolness mit jeder Faser seines Seins aus und schien sich nicht einmal besonders bemühen zu müssen. Nein, eigentlich doch ganz anders als sein Klassenkamerad. „Danke“, sagte Kenma zurückhaltend und reichte den Helm zurück an dessen Besitzer. „Keine Ursache. War nicht ganz uneigennützig“ Der Helm wurde wie der von Yamagata am Lenker angemacht. Dann wurde geboten, den Park zu betreten. „Warum nicht uneigennützig?“, fragte Kenma. Er ging weiters schweigend neben ihm her. Daran, zumindest ein paar Meter zu gehen, war nichts einzuwenden. Außerdem schlug ihm sein Herz immer noch bis zum Hals und sein Körper reagierte eher aus Reflex. Yamagata antwortete nicht. Noch nicht. Erst führte er Kenma an der 300-jährigen Kiefer vorbei und schlug den Weg zum Kyu-Inabu Shrine ein. „Gratuliere zum zweiten Platz“, sagte er wie nebenbei. Ein weiteres knappes „Danke“ kam von Kenma. Er wusste, er sollte der Bronzemedaille nicht gratulieren, denn er war Schuld daran, dass es für Yamagata nicht Silber wurde und der schätzte das auch. Er wollte es nicht unter die Nase gerieben bekommen, schlechter als Kenma gefahren zu sein. Auch wenn ihr Punkteunterschied eine Frechheit war. 0,75. „Kozume. Ich wollte dich fragen, ob wir beide nächstes Jahr gemeinsam zum Paarlauf antreten“, ließ Yamagata die Bombe platzen. Kenma blieb stehen, noch bevor sie am Shrine angekommen waren. Erstmals seit langem war seinem Gesicht nahezu jeder Gedanke und Zweifel abzulesen. Yamagata schmunzelte und verschränkte die Arme vor der Brust. Starke Arme, aber nichts, worauf Kenma je einen Schwerpunkt gelegt hatte. „Mein Trainer meinte, dass ich etwas ändern muss. Er hat den Paarlauf vorgeschlagen, weil auch Semi im Doppel fährt und richtig gut ist mit seiner Partnerin. Eigentlich ist das nicht mein Ding, aber ich will’s probieren und er meinte, ich soll dich am besten gleich fragen“, sprach Yamagata weiter. Er setzte seine Schritte fort und ging direkt auf den Shrine zu. Kenma zögerte, aber er folgte ihm. Über die Schwelle trat er allerdings nicht. Immerhin wusste er nicht, wofür Yamagata hier war und er wollte ihm seine Privatsphäre geben. Außerdem ließ ihn diese Frage regelrecht erstarren. Wie kam er denn bitte auf so eine dumme Idee? Sie beide im Doppel? Lächerlich. Oder? Yamagata blieb direkt hinter der Tür stehen und drehte sich zu Kenma um. Er griff nach seinem Handgelenk und zog mit einem fordernden Gesichtsausdruck daran. „Also? Fahren wir zusammen?“, fragte er. Kenma stolperte über die Schwelle und kam vor Yamagata zum Stehen. Seine Hand nahm er wieder zu sich. Die Gedanken kreisten. Die Stille im Shrine ließ es auch zu, dass er abdriftete. Er dachte an Yamagatas Kür und Kurzprogramm und an seine früheren Choreographien. Der Junge aus Miyagi war ein begnadeter Eiskunstläufer. Soviel war klar. Aber er war nicht fehlerfrei wie Kenma, dafür fuhr er immer riskant und ausgefallen. Sie waren so unterschiedlich. Wie kam sein Trainer also auf die Idee? „Und warum wir beide?“, fragte er deswegen. Das Offensichtliche, nämlich, dass weder er noch Yamagata Paarläufer waren, sprach er erst gar nicht an. So desillusioniert konnte der Andere ja nicht sein. Yamagata ging zum Gebetstisch. Aus der Seitentasche seiner Lederjacke zog er ein Feuerzeug und entzündete ein Räucherhölzchen. Noch ohne zu antworten steckte er es in den Sand und wandte sich zu Kenma um. Er hielt ihm das Feuerzeug hin, genauso wie ein zweites Hölzchen. Kenma nahm es irritiert an. „Weil ich es ausschließlich mit dir tun würde.“ Die Irritation wurde größer. „Wie bitte? Warum ausgerechnet mit mir? Warum nicht mit Iizuna oder Oikawa?“, fragte er. Yamagata deutete ihm, das Hölzchen anzuzünden und Kenma tat es geistesabwesend. „Weil sie langweilig sind. Keiner von ihnen oder den anderen Läufern wäre auf mein Motorrad gestiegen. Zumindest keiner von denen, die ich gelassen hätte. Mit deinem Kumpel Kuroo hätte ich das nicht gemacht, auch nicht mit Bokuto oder Suna. Du bist einfach, verzeih mir meine Direktheit, aber du bist perfekt. Du hast die richtige Größe für mich, einen ausgezeichneten Stil, auch, wenn da mehr geht und du bist einfach wunderschön, allein das passt schon für mich“, sagte er mit einem Schneid in der Stimme, den Kenma von Kuroo kannte, wenn er mit Mädchen sprach. Na ganz toll. Auf die Frage, warum Yamagata nicht mit einer seiner Mitschülerinnen fahren wollte oder eben einem Mädchen aus einer anderen Schule in Miyagi, schnaubte Angesprochener. „Ich kann mit Mädchen nicht umgehen. Die finden mich einschüchternd und aggressiv“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Also?“ ❄️ Kenma dachte lange über die Frage und Yamagatas Worte nach. Er hat ihn mit seiner Antwort auf später vertröstet. Dafür wurden Handynummern ausgetauscht. Selbst auf die digitale Wiederholung der Frage hatte er noch nicht geantwortet. Nicht, bis er mit Kuroo darüber gesprochen hatte. „Und der Kerl will ausgerechnet mit dir fahren?“, wiederholte der Kenmas sich ständig wiederholende Frage an sich selbst. Er lachte aufgekratzt und hielt sich den Bauch. „Yamagata ist doch gar nicht dein Typ. Also… nicht dass ich wüsste, was dein Typ ist, aber ich mein so beim Eislaufen. Du brauchst doch wen, der auf dich eingeht und besser wärs, jemand mit Erfahrung im Paarlauf, wenn du das denn überhaupt willst. Du bist Einzelläufer, ein sehr guter", auch das waren Gedanken, die Kenma sich bereits gemacht hat und dennoch konnte er Yamagata nicht einfach absagen. „Es wird auch total umständlich, mit ihm zu trainieren“, sagte Kenma ein paar Tage später zu Kuroo und drückte wild auf seiner Konsole herum. Kuroo hielt inne. „Moment! Du ziehst das wirklich in Betracht? Ne warte… du hast dich entschieden, oder? Du willst mit ihm fahren, oder?“, fragte sein bester Freund ungläubig und tatsächlich schien es so, als hätte sich Kenma bereits entschieden. Er würde mit Yamagata im Paarlauf antreten. Kapitel 4: Connencted --------------------- ❄️ „Und wie stellt ihr euch das bitte vor? Wie wollt ihr trainieren? Das sind drei Stunden Zugfahrt je Strecke“ Naoi lief aufgebracht vor Kenma auf und ab. Er raufte sich die Haare, aber Coach Nekomata kicherte. „Ich dachte mir schon, dass der Junge gut zu Kenmas Stil passt“, sagte er, wenig überrascht von der Tatsache, dass Kenma den Paarlauf in Betracht zog. Für Naoi war das anders. Er wies noch einmal auf die Entfernung hin und auch darauf, dass sie beide keinerlei Erfahrung hatten und zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere keine so radikalen Veränderungen vornehmen sollten. Kenma war doch am besten Weg zu Gold. Mit der Umstellung konnten sie die Asia Finals vergessen, die waren zu nah. Und mit dem Doppeltraining mussten sie lieber gestern als morgen anfangen. „Er kann mal übers Wochenende her und ich mal zu ihm“, schlug Kenma vor, auch wenn ihm der Gedanke eigentlich gar nicht gefiel. Das würde bedeuten, dass er woanders übernachten musste. Vermutlich auch noch auf einem Gästefuton in Yamagatas Kinderzimmer und anders herum müsste er Herberge für den Schüler aus Miyagi bieten und somit auch seine gesamte Freizeit an den Wochenenden für ihn opfern. Die ersten Zweifel seiner Entscheidung kamen auf. Aber im Grunde war er bereits fest entschlossen. Mit Yamagata, dachte er, würde er endlich die Goldmedaille holen und mit ihm würde er auch bestimmt dieses gewisse Etwas lernen, von dem sie alle immer wieder sprachen, denn Yamagata strotzte nur so davon. Außerdem würde er dem Älteren auch bestimmt etwas von seiner Risikobereitschaft nehmen können. Sie würden sich ausgleichen – das hat auch Kuroo gesagt, nachdem er sich mit der Idee angefreundet hatte. „Und wenn es nicht gerade Wochenende ist?“ – „Dann üben wir die einzelnen Figuren“ Naoi musterte Kenma eingehend. Dann riss er sich wieder los und lief weiter seinen Pfad auf und ab. Neben ihnen schlitterte Kuroo gerade über das Eis und deutete Kenma die Daumen hoch, um ihm Zuspruch zu übermitteln. Er fand es schön, dass sein bester Freund so hinter ihm stand, selbst wenn er anfangs sehr skeptisch war. Kuroo wusste, dass Kenma sowas gut durchdachte und dass er nicht, wie andere, Schnellschüsse abgab und falsche Entscheidungen traf. „Und wer wird euer Trainer sein? Wir oder Washijo?“, fragte Naoi weiterhin aufgekratzt. Die Antwort war einfach: Beide. Aber das war wenig zufriedenstellend. Die Diskussion führte weiter zur Frage, wer ihr Programm zusammenstellte, welchen Song sie wählen würden, weil die beiden so unterschiedlich waren, und wann das Training anfangen sollte und wie und außerdem sollte Kenma sich viel mehr Gedanken machen. „Wie wärs, wenn du dich am Wochenende mit Yamagata verabredest und ihr seht euch mal das Training von anderen Paaren an?“, schlug Coach Nekomata vor und Naoi wurde umgehend ruhig. Er sah zu Kenma, der wie ertappt schwieg. „Natürlich müsst ihr sehen, worauf ihr euch einlässt. Verbringt mal ein paar Tage miteinander und dann könnt ihr die Entscheidung fixieren, was sagst du dazu?“, wandte sich der Coach erst an Kenma und schließlich auch an Naoi, dem wohl durch den Kopf ging, dass die Jungs sich dabei ganz schnell wieder dagegen entscheiden würden. ❄️ Kenma war nach Absprache mit seinen Eltern und natürlich in Abklärung mit Yamagatas Familie in den Shinkansen gestiegen und zu seinem künftigen Eiskunstlaufpartner gefahren. Die Zugfahrt war lang, aber es hätte schlimmer sein können. Kenma war in seinem aktuellen Videospiel weiter gekommen als geplant und so konnte er sich nach der Ankunft auch ganz auf Yamagata konzentrieren, der es sich nicht nehmen ließ, ihn abzuholen. Mit der Virago natürlich, dem Motorrad, das Kenma immer mehr gefallen wollte, selbst wenn er sich durch die Unsicherheit immer noch fest an Yamagata schmiegen musste, was ihm nicht so gefiel. Genauso wenig wie der freche Blick seines Partners beim Abstieg. „Irgendwann gewöhnst du dich dran“, sagte er und meinte eigentlich die Nähe. Kenma nahm es für den Kontrollverlust an und nickte. An der großen Halle, dem Miyagi Eis-Center, angekommen, war Kenma erstaunt, dass selbst in der weniger dicht besiedelten Präfektur so viele Eiskunstläufer anwesend waren. Direkt beim Betreten fiel sein Blick auch schon auf das Paar, das gerade ihre Choreographie zu Pump it von den Black Eyed Peas fuhr. „Das sind Terushima und Misaki von der Johzenji. Sie sind hinter Semi und Eri zweite in Miyagi geworden. Das ist halt auch so ein Nachteil. Es kommt nur ein Paar je Präfektur weiter und Semi und Eri sind scheiße gut“, erklärte Yamagata während Kenma die beiden am Eis verfolgte. „Dann müssen wir einfach besser sein“, sagte er ruhig nachdem Terushima und Misaki das Programm ausgleiten ließen und der direkte Wechsel mit Semi und Eri anstand. „Dann lass dir mal was einfallen“, sagte Yamagata und setzte sich in eine der Reihen. Er schob sich am Sitz recht weit nach vorne, stemmte die Beine an der vorderen Reihe ab und verschränkte die Arme lässig hinter dem Kopf. Kenma blieb noch neben ihm stehen und verfolgte das Trainingsprogramm ihrer nähesten Konkurrenz. „Eri kommt doch auch nicht von hier, oder?", fragte er und Yamagata bestätigte. „Nee, die ist aus Kanagawa. Semi hat sich damals bei ihrer Einzelkür total in sie verschossen. Als Laufpartnerin natürlich nur, wie er immer sagt, und hat Washijo gebeten, das Doppel zu ermöglichen. Wie du siehst, geht alles, wenn man will.“ Yamagata deutete Kenma an, sich zu setzen. „Wie wollen wir das machen? Semi und Eri sehen sich jedes Wochenende und in den Ferien. Manchmal bekommen sie auch die Möglichkeit von der Schule, mal früher weg zu können. Das könnten wir auch machen und wir könnten uns unter der Woche in der Mitte treffen und in irgendeiner Eislaufhalle trainieren. Fukushima Präfektur zum Beispiel“, kamen auch schon richtig brauchbare Vorschläge von seinem neuen Partner, dass Kenma positiv überrascht war. „Ja, okay“, sagte er und setzte sich darauf endlich neben ihn. Aufrecht und nach vorne gelehnt, um das Treiben auf dem Eis zu beobachten. Seine Ohren und der Großteil seiner Aufmerksamkeit gehörten Yamagata. „Das klingt realistisch. Aber ich werde mich nicht die ganze Zeit über mit dir beschäftigen“, sagte Kenma und wollte damit bereits klarmachen, dass er kein Pausenclown war und sich um Yamagatas Unterhaltung kümmern würde, wenn er bei ihm war. Andersherum würde er es bevorzugen, wenn Yamagata ihn auch in Ruhe lassen würde, solange er hier bei ihm war und sie nicht gerade trainierten. „Keine Sorge, ich bin ein großer Junge, ich kann mich schon selbst beschäftigen“, sagte er und lehnte sich rasch nach vorne. „Aber hier schau mal. Sowas würde ich gerne mit dir fahren“ mit diesen Worte schob er sein Smartphone zu Kenma und präsentierte ihm eine gewagte Choreographie zu Maneskins Beggin. Zu seinem Bedauern konnte sich Kenma gut vorstellen, dass Yamagata bei sowas eine richtig gute Figur machen würde und vermutlich würden auch ihm die Leute aus den Rängen zujubeln, aber ihm gefiel der Stil nicht. Er war schmutzig. Dann sah er zu Yamagata und seufzte. Ja, auch er war… schmutzig. „Sicher nicht“, empörte er sich. „Aber das passt zu mir“, verteidigte sich Yamagata. „Aber nicht zu mir!“ Die Diskussion hatte sich schnell erledigt. Denn ja, auch Yamagata fand, es passte nicht recht zu Kenma. Dennoch. „Ich will was Aufregendes“, sagte er und Kenma nickte. Ihm fielen da einige Soundtracks ein, die Aufregung mit sich brachten. Er war auch schon Programme zu solchen gefahren. Allerdings nicht so, wie Yamagata es sich vorstellte, zu fahren. „Hmm… gibt’s bei deinem Zelda auch nen richtig krassen Bösewicht?“, fragte er. Kenma zog die Augenbrauen hoch. „Natürlich gibt’s nen Bösewicht“, antwortete er. Die Reaktion war ein verschwörerisches Grinsen. „Und der hat sicher ein richtiges badass Theme oder?“ – ach darauf wollte er hinaus. Und so sollte sich auch ihr Programm für die Qualifikation aufbauen. Yamagata gab sich damit einverstanden, zu Videospielmusik zu fahren, solange er dabei eine coole aufregende Rolle bekam und Kenma wollte gerne ausgefallene Figuren und Abläufe in ihr Programm bringen, solange Yamagata mit seinen Fingern dort blieb, wo sie hingehörten. Denn was ihm durch das Beobachten der anderen Paare deutlich aufgefallen war, war die Tatsache, wie innig diese miteinander umgingen. Kenma wusste, dass er mit seinem Partner nie so sein würde. ❄️ „Ich lass meine Finger, wo sie hingehören, wenn du mich so ansiehst, als würdest du unsere Choreo ernst meinen“, forderte Yamagata bei ihrem ersten Training in Tokio. Kuroo und Bokuto saßen neugierig in den Rängen. Dieses Spektakel hätten sie sich um nichts in der Welt entgehen lassen wollen. „Zuerst solltet ihr einfach mal nur üben, miteinander zu fahren. Keine Figuren. Nur Runden, ein paar Wechsel und die Fahrt an der Hand. Ihr seid es gewohnt, alleine zu laufen“, sagte Coach Nekomata zu den beiden und betonte vor allem das Letzte. Kenma sah hinunter zu Yamagatas Hand, die sofort bereit war, ihn zu führen. Er seufzte, aber ließ ihn gewähren. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie sich berührten. Da war das Motorradfahren, Yamagatas Hand an seinem Gelenk, als er ihn in den Shrine gezogen hat – später hat er ihm erklärt, dass das Anzünden der Hölzchen Glück für ihre gemeinsame Zukunft vorhersagen sollte – und er hat seinen Arm um ihn gelegt, als Terushima ihn beim Besuch im Miyagi Eis-Center versucht hat, anzumachen. Terushima war eingeschüchtert, obwohl Yamagata kleiner war. Das sprach für ihn und Kenma fand das irgendwie beeindruckend. Denn ihn trennten gerade einmal fünf Zentimeter von seinem Partner, die aber in ihrer Erscheinung nach so viel mehr wirkten. „Unordentlich!“, rief ihnen Naoi vom Rand entgegen. Kenma presste die Lippen zusammen. Das war ihm selbst bewusst. Yamagatas Schritte passten nicht zu seinen. Während Kenma mit mehr Schwung weniger Ansätze machte, stieg Yamagata immer wieder nach und brachte ihn durcheinander. Ihre Blicke trafen sich. „Pass dich an mich an“, verlangte Kenma. Yamagata schnaubte. „Pass du dich doch an, nur weil du dich weniger bewegen willst“, blaffte er. Kenma entriss ihm seine Hand. „Das ist nur vernünftig“, sagte er etwas lauter und stieß dem Älteren gegen die Brust, aber der packte ihn an den Armen und zog ihn sofort auf kurze Distanz. „Hey, werd hier mal nicht frech“, zischte er und kam Kenmas Gesicht gefährlich nahe. Kenma hielt die Luft an. „Kühlt euch mal ab, Jungs“, rief ihnen Coach Nekomata zu, aber Kenma dachte nicht daran. Er schob Yamagata am Eis vor sich her und der ließ es mit einem frechen Grinsen mit sich machen. „Komm nur, wo willst du mich haben?“, fragte er und zog wieder an ihm. Mehr Nähe. Kenma stieß ihn wieder ab. „Weg“, versuchte er, sich zu befreien, aber Yamagata hielt ihn weiter fest. Ihr unkoordiniertes Fahren und Kenmas weiterer Versuch, Yamagata loszuwerden, führte dazu, dass ihm ein Bein ausriss und sie beide Richtung Boden stürzten, doch nicht aufkamen. Yamagata hat seinen Arm um Kenma geschlungen und sich mit der anderen Hand an der Bande festgehalten. „Hey, pass auf, was du tust. Deine Fehler sind jetzt unsere Fehler“, sagte er vorwurfsvoll, aber Kenma drückte sich aus der Haltung weg und aus dem Griff heraus. „Ich mache erst Fehler, seit ich dich habe“, knurrte er und fuhr sofort runter vom Eis. Yamagata blieb zurück und sah zur Seite zu den beiden Trainern. „Und wie soll ich damit umgehen?“, fragte er angespannt und wies Kenma mit der Hand nach. „Abwarten“, sagte Nekomata. Und Yamagata wartete. Kurz darauf kam Kenma wieder zurück. Aber nicht mehr in seinen Eislaufschuhen und er kam auch nicht direkt zurück zur Eisfläche, sondern schlug den Weg nach draußen ein. „Na ganz toll, so erwachsen!“, rief ihm Yamagata nach, aber Kenma hob nur energisch die Hand und zeigte ihm den Finger. Von der Tribüne kam ein gespanntes „Uuuuuuh“, weil Bokuto und Kuroo die Köpfe amüsiert zusammengesteckt hatten. „Ihr müsst euren Gleichklang finden, einen gemeinsamen Rhythmus. Kenma ist ein Denker, das Gehirn und du bist leidenschaftlich, das Herz, das muss synchronisieren. Und lass ihn nicht einfach abhauen. Wir kümmern uns vorerst um die beiden“, sagte Nekomata und deutete auf das zweite Paar am Eis. Fukunaga und Komori übten gerade ihre Kür zu Elton Johns Rocketman, aber sie brachen überrascht ab, als die Aufmerksamkeit auf sie beide gerichtet wurde. Yamagatas Aufmerksamkeit aber hatten sie nicht. Die galt Kenma und deswegen stieg er nun auch vom Eis, wechselte rasch in seine Straßenschuhe und folgte seinem Partner nach draußen. „Kozume, warte doch“, rief er ihm nach. Ein Glück, dass Kenma kein schneller Geher war und dass Yamagata kein Problem mit dem Laufen hatte. „Was?!“, knurrte der Jüngere und drehte sich energisch zu ihm um. Yamagata griff wieder nach seinem Handgelenk. Kenma wehrte ab. „Ich will mich entschuldigen, okay? Aber du musst auch ein bisschen auf mich zukommen, allein kann ich das nicht tragen. Wir müssen beide Kompromisse eingehen, okay?“, sagte Yamagata und griff erneut nach der Hand. Kenma ließ es zu. Er musterte ihn angestrengt. „Ich werde mich wegen dir nicht überanstrengen“, sagte er. „Und ich werde mich wegen dir nicht zurücknehmen“, konterte Yamagata und tat dennoch genau das bereits. Er nahm sich für Kenma zurück. „Und ich verlange auch nicht das Unmögliche von dir. Komm mir einfach ein bisschen entgegen“, sagte er. Kenma wandte den Blick ab. „Ich kann dir nicht noch näher kommen, das ist unangenehm“, sagte er. Yamagata machte einen kleinen Schritt zurück, aber behielt Kenmas Hand in seiner. „Und wenn wir was anderes probieren?“, fragte er. Er griff auch nach Kenmas zweiten Hand und legte sich beide Handflächen auf die Brust. Kenma verstand nicht. Aber er war auch etwas überwältigt von dem, was er fühlte. So hat er noch nie einen anderen Menschen berührt. Wenn er hinter Yamagata am Motorrad saß, war es anders. Das war angstgetrieben. Aber das hier, das war nicht aus Angst aufregend. „Was soll ich jetzt machen?“, fragte er und wollte die Hände schon zurück nehmen. „Spür mein Herz“, verlangte Yamagata und Kenma sah von den fordernden Augen auf seine Finger. Yamagata rutschte eine Hand genau an die Stelle, wo es für Kenma ein Leichtes sein sollte, seinen Herzschlag zu vernehmen. Er lockerte den Griff der anderen Hand und legte sie vorsichtig auf Kenmas Brust. „Wir sollten unseren Rhythmus finden und wie wäre das einfacher als durch unseren Herzschlag?“, fragte er. Aber Kenma spürte, dass Yamagatas Herz ruhiger schlug als seines. „Hier bist du viel schneller als ich“, lachte der Ältere und Kenma schnaubte. Das war ihm unangenehm, weil er ihm nun anmerkte, wie aufgeregt er war. „Komm, lass uns zurückgehen und die Übung richtig machen“, bat er mit einem freundlichen Lächeln und Kenma willigte ein. Als sie wieder auf dem Eis standen, schlug Yamagata eine Anpassung vor. Anstatt neben Kenma an dessen Hand zu laufen, drückte er diesen nun mit der Hand am Brustkorb zurück während Kenmas Hand auf ihm lag, verbunden durch ihren Herzschlag. In der anderen Hand hielt er weiterhin die von Kenma und signalisierte ihm so den Halt, den er ihm geben wollte. Ihre Augen hatten einander bereits mit dem Start der Übung in Gefangenschaft genommen, dass sie alles andere um sich herum ausblenden konnten und sich nur noch auf den Gleichklang ihrer Herzen, der Kufen und sogar des Wimpernschlages konzentrieren konnten. Coach Nekomata grinste zufrieden und sah nickend zu Naoi hinüber, der erleichtert seufzte. „Oh und Yamagata? Sag doch Kenma zu mir, alle anderen tun das auch“, wurde zu Trainingsende angeboten. „Gerne, dann sag aber du auch Hayato, okay? Freunde nennen mich sogar Yato“, ließ sich auch Yamagata den nächsten Schritt in ihrer Partnerschaft bestätigen. ❄️ Kapitel 5: Troubled ------------------- ❄️ Das mit dem Gleichklang war in den nächsten Wochen eine lächerlich einfache Übung. Auch das nebeneinander Herlaufen, mit Spurwechseln und Überkreuzungen, bei denen sie sich an den Händen in eine gewisse Richtung wiesen, war nicht sonderlich schwer. Gefühlt unschaffbar wurde es für Kenma, als Yamagata seine Hände das erste Mal fest um seine Hüften legte und ihn vom Eis hochheben wollte. Beinahe wäre er gefallen, weil er sich so gewehrt hat, aber Yamagata ließ das nicht zu. Er hat es in der Zeit ihres Trainings kein einziges Mal zugelassen, dass Kenma fiel. Lieber war er selbst am Hintern gelandet und zog ihn beim Angebot, ihm hoch zu helfen, zu sich hinunter auf die Knie. Kenma lachte sogar. „Funktioniert besser als gedacht“, sagte Semi zu Washijo, weil er und Eri das Training gleich mit Yamagata und Kenma abtauschen wollten. Der Coach nickte. „Ja, aber der Bursche aus Tokio ist zu steif“, sagte er. Semi bot an, mit Eri etwas Entspannung in die Situation zu bringen. Er bat seine Partnerin mit einer eleganten Geste aufs Eis und führte sie zu Yamagata und Kenma. „Hey, ihr zwei. Wollt ihr nen Tipp von den Experten?“, fragte er, aber Yamagata lehnte umgehend ab. Kenma behielt den Blick auf den beiden. „Dann darf ich euch was fragen?“, erkundigte sich Eri und legte den Kopf schief, dass ihre Zöpfe ungleich lang wurden. Yamagata seufzte. „Das wäre?“, forderte er die Frage ein. Eri richtete sich wieder auf. „Warum fährt ihr miteinander? Ihr könntet doch sicher beide auch mit Mädchen aus euren Schulen fahren oder?“, fragte sie und Yamagata riss sich umgehend vom Boden hoch, um mit ihr auf einer Höhe zu sein. Auch Kenma war rasch aufgestanden, aber er blieb hinter seinem Partner. „Was willst du damit sagen? Dass wir nicht so gut zusammenpassen wie ihr? Das ist mir egal“, knurrte der Ältere. Eri blieb standhaft und schüttelte den Kopf. „Nein, ich dachte nur, ihr hättet eine schöne Paargeschichte“, überlegte sie. „Paargeschichte am Arsch“, schnaubte Yamagata, aber dann mischte sich plötzlich noch jemand in ihre Unterhaltung ein. Einer von Semis Mitschülern lehnte sich tief über die Bande. „Wäre es nicht leichter, wenn Semi-Semi mit Hayato fahren würde und KenKen mit Eri-chan? Ihr wohnt doch viel näher beisammen, nicht wahr?“ Rotes Haar drängte sich zwischen die beiden Paare. „Sag mal, hast du sie noch alle? Ich hab mir Kenma ausgesucht und deswegen fahren wir gemeinsam, da gibt’s nichts darüber zu überlegen und zu beanstanden. Ich werd mich da auch nicht rechtfertigen, weil wir nicht so süß sind, wie ihr oder so ein komischer Kram”, blaffte Yamagata und drehte sich zu seinem Partner. “Kenma! Du gehörst zu mir, ist das klar?”, machte er ganz deutlich. Er legte sogar besitzergreifend eine Hand an Kenmas Seite und schob ihn näher an sich ran. Kenma war überrascht darüber, wie sein Partner reagierte. Mehr noch aber über sich selbst, weil ihm diese Art und Weise gefiel und er die Nähe sogar guthieß, weil sie ihm in dem unangenehmen Moment Sicherheit schenkte. Er hätte die Frage auch nicht so klar und geradeaus beantworten können. Aber Yamagata war hier nicht der Einzige, der laut und herrisch wurde. „Satori! Was machst du schon wieder hier? Euer Eishockeytraining beginnt nicht vor fünf Uhr“, rief Washijo über die Eisfläche. Tendou riss sich aus der gebeugten Haltung hoch und sah zum Eiskunstlauf Coach. „Ach, ich schau mir nur gerne die hübschen Menschen hier an“, gluckste er und wandte sich mit einem ernsten Blick wieder an die betroffenen Paare. “Aber trotzdem, wäre ein Tausch nicht einfacher?" Yamagata schnaubte. Diesmal antwortete Kenma. „Ich könnte Eri nie heben. Nichts für ungut. Ich hab einfach keine Kraft.“ Tendou kicherte. „Also ich bin mir sicher, Eri könnte dich stattdessen genauso gut stemmen, nicht wahr?“, fragte er und Eri nickte stolz. „Könnte ich bestimmt. Weißt du noch, Eita? Als ich dich bei der einen Figur letztes Jahr so herumgewirbelt hab? Damit hat niemand gerechnet“, sagte sie und zwinkerte ihrem Partner zu. „Ja, das war überraschend, war aber im Training nicht leicht, nächstes Jahr machen wir das nicht“, sagte er und Eri nickte zustimmend. “Nächstes Jahr machen wir die Todesspirale”, jubelte sie und riss dabei die Hände hoch. “Todesspiraaaaaaleeeee!”, rief sie noch lauter und stapfte im Hulkmodus über das Eis davon, während Semi der Angstschweiß auf die Stirn trat. “Sie ist wundervoll, wirklich… ein sehr zartes Wesen gar… aber ein bisschen crazy von Zeit zu Zeit”, lachte er verhalten. Auch darauf wusste Tendou etwas zu sagen. “Ach, du stehst doch auf crazy!”, stichelte er und drehte eine halbe Pirouette am Stand. Seinen Kopf streckte er dabei tief in den Nacken und sah Semi umständlich verkehrt und von unten hinauf an. “Klappe”, nuschelte dieser und rempelte ihn mit der Schulter. Irgendwie liebevoll. Dann wandte er sich an Yamagata und Kenma. “Aber ich glaube, sie wollte darauf hinaus, dass ihr beide euch füreinander entschieden habt und das ist der beste Grund”, sagte Semi und fuhr zu seiner Partnerin, die ihn bereits lachend empfing. Yamagata suchte Kenmas Blick. Ja, er hatte sich für ihn entschieden. Aber er wusste nicht, ob Kenma nicht einfach nur nachgegeben hatte. So gut kannte er ihn noch nicht, um einschätzen zu können, dass der Jüngere keine halbherzigen Entscheidungen traf. Tendou richtete sich wieder auf und neigte den Kopf zu den Beiden, noch ehe Yamagata in Zweifeln versinken konnte. “Und ihr zwei Süßen? Du stehst doch drauf, wenn man dir Konter gibt”, wandte er sich mit einem lauten Lachen an Yamagata, der ihm daraufhin den Todesblick zuwarf. “Uuuh… so gefährlich. Ich mag das. Du aber auch, oder? Du stehst auf starke Persönlichkeiten, nicht wahr?”, kicherte er und sprach damit Kenma an. “Ich steh auf gar nichts! Komm, Yato”, murmelte dieser und stieß sich von der Seite weg. Seine Hand wurde weggestreckt, um die von Yamagata zu greifen. “Naaaaw~ er sagt Yato zu dir!”, gab Tendou entzückt im Singsang von sich und stellte den sterbenden schmelzenden Schwan dar. “Das ist ja herzallerliebst”, konnte man ihn noch hinter der Bande hören. Yamagata ignorierte ihn und schloss mit Kenma auf. Er zog ihn sogar etwas weiter, um mit Eri und Semi aufzuschließen. Ihr Gespräch fühlte sich noch nicht ganz abgeschlossen an und das wollte er nun ändern. „Es wird mir schon gelingen, dass er mir genug vertraut und sich von mir heben lässt“, sagte er mit bestimmenden Blick. Sein Druck um Kenmas Finger wurde stärker und jagte zarte Blitze durch Kenmas Körper. Er schwieg aber. Eri lächelte dafür erfreut auf. „Davon bin ich überzeugt!”, sagte sie und klatschte in die Hände. „Ihr gehört einfach zusammen“, freute sie sich und lehnte sich zufrieden an Semi. Es war schon ziemlich klar, dass sie das mit dem Tausch nicht im Ansatz in Betracht gezogen hat und auch Semi hat Tendou dahingehend nicht ernst genommen. „Lass uns die Figur noch einmal probieren“, schlug Kenma vor. Dieses ganze Gerede nervte ihn. Es brachte sie nicht weiter. Dachte er zumindest. Denn mit dem nächsten Blick in Yamagatas Augen wurde ein wohliges Gefühl in seinem Bauch losgelöst. Tatsächlich. Er vertraute ihm bereits etwas mehr. Dass Yamagata sie als Eiskunstlaufpaar so verteidigt hat, sprach dafür, wie ernst es ihm war und auch Kenma war es ernst. Sonst hätte er niemals zugestimmt. “Ein letztes Mal heute”, sagte Yamagata und nahm ein paar Laufschritte Anlauf um Kenma daraufhin in die Hebefigur zu verfrachten. Seine Finger lagen forsch um die schmale Hüfte und hielten ihn dank der perfekten Körperspannung hoch über sich. Für einen kurzen Moment hielt Kenma die Figur aufrecht, aber verlor die Spannung und die Konzentration, als ihm wieder bewusst wurde, wo Yamagatas Finger waren und ihre Augen sich trafen. Yamagata stieß sich nicht das erste Mal das Steiß, aber diesmal schlug auch sein Kopf nicht gerade unsanft am harten Eis auf. Kenma landete über ihm, mit beiden Knien je auf einer Seite von Yamagatas Oberkörper, die Handflächen waren gegen die kalte Oberfläche gestemmt. “Entschuldige bitte”, murmelte er und wollte sich gerade hochrichten, doch Yamagatas Hand griff nach ihm. “Warum trägst du die Haare eigentlich nicht zurückgebunden?", fragte er, weil sie Kenma nun strähnenweise ins Gesicht fielen. Vorsichtig strich er ihm eine Strähne hinter das Ohr. Doch Kenma schüttelte den Kopf rasch und damit die Haare wieder zurück. “Es schränkt meine Sicht genau so ein, wie es angenehm für mich ist", antwortete er und rappelte sich auf. “Schade, dabei hast du so ein schönes Gesicht”, fand Yamagata und richtete sich ebenso auf. “Blödsinn, du hast dir nur den Kopf zu fest gestoßen”, wich Kenma aus und entfernte sich weiter. Yamagata seufzte. Er wollte ihm gerne sagen, dass das nichts mit seinem Kopf zu tun hatte. Aber wer war er, dass er sich darum Sorgen machte? Ihm war der Fokus seines Partners wichtig und den sollte er nun langsam finden, wenn es darum ging, sich von ihm heben und führen zu lassen. Sie übten ja noch nicht einmal die komplizierten Figuren und er hat ihn bisher nur an der Hüfte gehoben. Noch nicht am Bein berührt oder ihn am Steiß stabilisiert. Da kam noch einiges auf sie zu und Yamagata hat von Anfang an gemerkt, dass es mühsam werden würde. ❄️ So klappten die Hebefiguren auch in den nächsten Wochen nicht besser, wenn es aber darum ging, dass Yamagata Kenma in eine Drehung stoßen, ja gar werfen sollte, dann waren sie von Anfang an in Höchstform. Denn Kenma drehte sich immer perfekt aus und Yamagata hatte die Kraft, um dem Jüngeren ausreichend Momentum mitzugeben. Nur, wenn er sich fangen lassen sollte, wurde es schwer für Kenma. „Warum vertraust du mir nicht?“, fragte Yamagata nach einer weiteren Einheit mit Würfen und ungeschickten Landungen in seinen Armen. „Ich vertrau dir, aber… was ist, wenn ich dich verletze?", gab Kenma seine Bedenken kund. Er schnürte seine Eislaufschuhe auf. Yamagata stand bereits barfuß auf und trat an Kenma heran. Vor ihm ging er auf die Knie und legte seine Hand fest um Kenmas Wade. Er hob das Bein an und setzte die Kufe des Schlittschuhs direkt an seinen Oberschenkel an. „Dann solltest du vielleicht einfach durchziehen und wir haben das hinter uns“, sagte er etwas angespannt. „Wir kommen so nicht weiter“ Kenma legte seine Finger umgehend auf Yamagatas Handgelenk. „Kommt überhaupt nicht in Frage“, protestierte er. Yamagata packte die zweite Wade und legte sich die andere Kufe an die Taille. „Und hier?“ Auch da widersprach Kenma. „Siehst du? Du kannst mich gar nicht verletzten“ ❄️ Aber Kenma konnte Yamagata verletzten. Zwei Wochenenden später fand er sich direkt über Yamagatas Kopf gestemmt. Die Hände des Älteren hielten ihn fest am Becken, aber die Berührung wurde immer unangenehmer und Kenma verlor seine Körperspannung. Beim Sturz landeten sie beide am Eis und Yamagata presste schmerzerfüllt Luft durch die Zähne. „Verdammt, Kenma!“, fauchte er und drückte sich fest auf den Oberschenkel. Kenma erkannte am Eis, dass er blutete. „Yato! Es tut mir so leid. Das wollte ich nicht. Bitte-“, begann Kenma und wollte ihm helfen, doch Yamagata stieß ihn weg. „Werd deine Scheiß Berührungsängste mal los. Ich tu dir nichts. So weit kennst du mich doch langsam. Fahr heim und gib deine Unschuld endlich an diesen Kuroo ab und dann komm unverkrampft wieder zurück, dass wir an unserem Programm arbeiten können“, wurden seine Worte grober. Er erhob sich und fuhr aufbrausend vom Eis. Kenmas Herz raste. Jedes einzelne Wort hat ihn tiefer getroffen als seine Kufe Yamagata erwischt hatte. Sein Körper spannte sich immer mehr an, bis er vor zittern nicht einmal mehr aufstehen konnte. Trainer Washijo war Yamagata nach geeilt und hat auf ihn eingeredet. Die Verletzung gehörte sofort behandelt. „Hayato ist ein ganz schöner Hitzkopf“, säuselte die Stimme ihres regelmäßigen Besuchers. Kenma hob angespannt den Kopf und sah in die stierenden Augen, von denen er dachte, sie würden direkt in seiner Seele lesen. „Aber er wird’s dir verzeihen, nur… du solltest wirklich lockerer werden. Er würde nie etwas tun, was du nicht willst“, sagte Tendou und tänzelte an der Bande entlang zu Ushijima, der die Eishalle gerade betrat um sich für das Eishockeytraining, das hier jeden Moment abwechseln sollte, umzuziehen. ❄️ „Es tut mir leid, was ich gesagt habe“, kam es von Yamagata am Weg nach Hause. Kenma hat sich noch nie so unwohl gefühlt und er fühlte sich oft fehl am Platz, weil die Menschen um ihn herum einfach alle anders waren. Mit Yamagata war das nie so gewesen und nun stand eine ganz seltsame Stimmung zwischen ihnen. „Schon gut. Ich sollte wirklich nicht so verkrampft sein“, erwiderte Kenma. Die Worte steckten dennoch tief. „Nichts ist gut. Ich hab dich wortwörtlich zum Vögeln zurück nach Tokio geschickt… Ich bin froh, dass du geblieben bist“, sagte Yamagata und nahm Kenmas Hand zum ersten Mal einfach nur so. „Auf sowas hör ich doch nicht“, sagte der Jüngere mit hochrotem Gesicht. Wie Yamagata aber überhaupt darauf gekommen ist, dass Kuroo dieses Problem beheben könnte, war ihm ein Rätsel. Kuroo war sein bester Freund. Solches Interesse hatte er nicht an ihm und es hat ihn verletzt, dass Yamagata es im Eifer des Gefechts outsourcen wollte. Irgendwie beruhigte es ihn aber auch. Weil es bedeutete, dass sein Partner so nicht an ihm interessiert war. Warum hat es dann so wehgetan? „Lass uns morgen nur die Hebefiguren üben, okay?“, schlug Kenma an der Haustür vor. Yamagata lachte. „Ich hab echt viel Kraft, aber zwei Stunden nur heben, so leicht du auch bist, das ist einfach nicht drinnen“, sagte er und ließ ihn bei der Tür hinein. „Aber ich hab für heute noch einen Vorschlag“, sagte er und ging mit ihm nach dem Schuhwechsel direkt auf sein Zimmer. Die Eltern wurden knapp begrüßt, aber weitestgehend ignoriert. „Komm her“, forderte Yamagata und deutete Kenma, sich neben ihn auf sein Bett zu setzen. Das hat er noch nie gemacht. Sonst saß er immer auf dem Gästefuton oder lag dort oder stand unsicher in der Gegend herum. „Ich beiß dich nicht“, versicherte Yamagata und Kenma setzte sich. „Gut und jetzt berühr ich dich, aber nicht unanständig, also unterstell mir das nicht gleich in deinem Kopf, ja?“, ging er weiter und führte Kenma nach knapper Zustimmung an dessen Hüften über sich. Kenma folgte. Er sah Yamagata angespannt in die Augen und löste sich auch nicht, als dieser nach hinten kippte und er direkt auf ihn gefallen wäre, hätte Yamagata es nicht ganz anders geplant. Seine Hände waren vorsichtig. Er positionierte sich mit ihm so im Bett, dass er Kenma mit den Füßen an der Hüfte hoch stemmte und seine Hände mit seinen zum Ausgleich hoch drückte. „Streck die Beine, so wie bei der Figur“, sagte Yamagata und Kenma machte wie ihm geheißen. Auch streckte er den Rücken durch und löste die Hände langsam, um nur noch auf Yamagatas Füßen zu balancieren. Seine Körperspannung war bemerkenswert. Er konnte auch die Atmung ruhig aufrechterhalten und behielt einen ruhigen Herzschlag, während der von Yamagata unbemerkt schneller wurde. „Hayato, Schatz, wollt ihr nicht essen kommen?“, fragte die Frau des Hauses und klopfte plötzlich an die Tür. Yamagata schreckte auf, löste die Spannung seine Beine und ließ Kenma mit einem überraschten Laut auf sich herunterfallen. Beschützend legte er die Arme um ihn und rollte sich mit ihm auf die Seite, allerdings so ungeschickt, dass sie vom Bett auf den Futon fielen und Kenma nun unter ihm lag und ihn mit vor Schock geweiteten Augen anstarrte. „Später, Ka-san“, rief Yamagata raus und hoffte inständig, dass sie nicht hereinkommen würde. „Siehst du? Ich achte darauf, dass dir nichts passiert“, wandte er sich gleich an Kenma. Ihre Situation hatte sich gedreht. Denn nun war Kenma derjenige mit dem schnellen Herzschlag und Yamagata bewahrte Ruhe. Vorerst. „Und wenn ich dich unsittlich berühre, dann nur so“, sagte er und begann, den Jüngeren zu kitzeln. Kenma lachte sofort auf und versuchte, sich unter seinem Partner rauszuwinden. „Das ist unfair! Du hast mich voll festgepinnt“, kicherte er und griff immer wieder nach Yamagatas Händen, um sie abzuwehren. Er begann sich auch mit den Füßen zu wehren, aber er trat nicht nach ihm aus. Es war wie wegschieben, nur dass es nicht gelang. Yamagata ließ nur langsam locker und ließ seine Hände dann an den Stellen liegen, wo er ihn halten würde, wenn sie die Hebefiguren machten. „Siehst du, nichts Unanständiges“, flüsterte er. Er erkannte erst jetzt, wie nah sein Gesicht dem von Kenma war und wie warm dessen Wangen geworden sind. Für einen Moment sahen sie einander nur tief in die Augen. „Ich… okay, ich vertrau dir“, sagte Kenma leise und Yamagatas Gesicht kam näher. Kenmas Herz schlug sofort schneller. Er legte seine Hand auf Yamagatas Brust um den Gleichklang zu ertasten, doch der sah das als Ablehnung und richtete sich rasch wieder auf. „Danke“, sagte er ob des Vertrauens und dann bot er ihm die Hand zum Aufstehen an, um hinaus zu seinen Eltern zu gehen und zu Abend zu essen. Eine weitere Übung, die die beiden regelmäßig machten, immer dann wenn Kenma sein Videospiel spielte und Yamagata Situps machte oder mit einem Buch über dem Kopf lernte oder einfach nur von Ideen sprach, war, dass sich Yamagata am Boden auf den Rücken legte und seine Beine anwinkelte, um die Füße gegen die Wand zu stemmen und Kenma saß auf seinen Schienbeinen. Mit seinem Handheld oder auch einem Schulbuch oder einem Manga in den Händen. So trainierten sie ihr Vertrauen und Yamagata hatte einen besseren Muskeltrainingsvorsprung anderen gegenüber. ❄️ Kapitel 6: Disconnected ----------------------- ❄️ „Habt ihr euch schon entschieden, für welche Präfektur ihr antreten werdet?“, fragte Coach Nekomata am Ende einer weiteren Trainingseinheit. Yamagata und Kenma trainierten in der Zwischenzeit bereits ein paar Monate miteinander und sie mussten sich in der folgenden Woche für die Qualifikation eintragen. „Tokio“, sagten sie gleichzeitig, dass beide Trainer überrascht schauten. „Wäre es nicht leichter, in Miyagi anzutreten? In Tokio gibt es so viele starke Paare“, sagte Naoi. Kenma setzte ein Grinsen auf, das er eindeutig von Yamagata abgeschaut hatte. „Ja, das wäre einfacher, aber wir dachten uns, wir schalten die beste Konkurrenz sofort aus, dann haben wir bei der Meisterschaft bessere Karten“, sagte er selbstsicherer denn je. Vermutlich lag es an Yamagatas Hand, die auf seiner Schulter weilte. Kenma war zuversichtlich. Er wusste, dass er und sein Partner gut waren. Sehr gut. ❄️ Sehr gut war sein Partner aber irgendwann besonders bei Verspätungen, vorrangig in Miyagi. Auch konnte er sich manchmal nicht schnell genug von Kenma verabschieden und ließ ihn dann stehen. Manchmal blieben sogar Kenmas Nachrichten lange unbeantwortet, weil Yamagata nicht immer um den genauen Verweilort seines Handys Bescheid wusste. Das war kein Problem für den Schüler aus Tokio. So kam er auch mal dazu, den Jungs beim Eishockeytraining zuzusehen, denn er musste schon zugeben, die geballte Power von einem Ushijima Wakatoshi gegen einen Iwaizumi Hajime zu beobachten, war sowas wie eine Naturgewalt. Das Trainingsspiel zwischen Shiratorizawa und Aoba Johsai brachte aber nicht nur Kenma als Zuseher. Auch Oikawa war dabei, der seinen besten Freund auf dem Eis anfeuerte. „Los Iwa-chan~ Ushiwaka schießt du den Ball doch locker zwischen die Füße hindurch“, rief er ihm zu. “Wie oft soll ich dir noch sagen, dass es Puk heißt, Trottel-kawa?!”, polterte Iwaizumi mit starker Stimme und erhobener Faust über die Eisfläche. Die Haltung ließ den weiten Ärmel des Trainingsgewandes rutschen und eröffnete den Blick auf einen gut trainierten Unterarm, von dem nicht nur Oikawa einen Schlag meiden wollte. “Mindestens einmal noch”, hat er sich weggelacht und ein Gespräch mit Kenma gesucht, aber der war nicht darauf eingegangen. Es gab nur spärliche Informationen für ihn. Dass er eben nun im Doppel fuhr, mit Yamagata und diesen später am Abend erst wieder sehen würde. Oikawa hatte ausgeholt über seine Erfahrungen im Paarlauf, aber es hätte Kenma nicht weniger interessieren können. Er hatte die anderen Paare gesehen und er hatte seine Routine mit Yamagata bereits gefunden, auch wenn es im Moment wieder holpriger war. Die fehlende Verlässlichkeit in Pünktlichkeit wurmte ihn. Am meisten störte es ihn am Sonntag, weil Yamagata ihn gebeten hat, vorzugehen, um selbst noch etwas zu erledigen. Als Kenma warm gefahren war, beobachtete er Terushima und Misaki bei ihren Proben. Terushima mochte er nicht besonders. Der Junge war zu aufdringlich und ziemlich vulgär. Als er ihn nach dem ersten Besuch nicht nur beim Training mit Misaki beobachtet hat, hat ihn Yamagata auch vorgestellt, wie alle anderen. “Schade, dass ich für zwei weitere Wochen keine Blow-Jobs geben darf. Du wärst ne Infektion aber fast schon wert”, hat er damals gesagt, die Zunge mit einem recht frisch gestochenem Zungenpiercing gezeigt - es war auch kaum zu überhören - und danach hat es gleich zweimal geknallt. Zuerst hat ihm Yamagata eine Ohrfeige verpasst und direkt darauf hat er die flache Hand seiner Partnerin über den Hinterkopf gezogen bekommen. Kenma war nur leicht erschrocken und mit Yamagata abgehauen. Seitdem war er dem Paar der Johzenji ausgewichen, auch wenn Misaki sehr nett und vernünftig wirkte. Sie musste aber auch einen ganz speziellen Humor haben, ausgerechnet mit Terushima im Paarlauf anzutreten. Der schlug ihr jetzt gerade vor, dass sie ihn für die richtige Stimmung zurückstoßen sollte. Machte sie auch, aber der Punk hat das anscheinend mit weniger Schwung erwartet und so riss es ihm komplett die Füße vom Eis. Kenma presste die Lippen schadenfroh zusammen. „Hana! Du sollst doch nicht so grob mit mir sein“, lamentierte Terushima und stand ganz schnell wieder auf. „Und du solltest nicht überrascht sein, wenn ich deine Vorschläge mal annehme und ausprobiere, sonst fällst du auf den Hintern“, meckerte sie zurück, aber reichte ihm direkt die Hand zum Weiterfahren. Neben Kenma saßen zwei Jungs mit gelben Jacken. Sie kicherten vor sich hin und er konnte ein leises „Hana hat Hintern gesagt“ vernehmen. Kindisch. Kindisch wurde er selbst dann, als Yamagata ihn über eine Stunde versetzt hatte. Er schwieg ihn an und schlug beim Fahren stetig seine Hände von sich. „Mensch Kenma, du musst mich schon ranlassen!“, murrte er ihm hinterher und wie auf sein Stichwort war dieser Tendou wieder da. „Hey hey! Hayato! Schon mal von Consent gehört? Er muss gar nichts!“, summte er von der Seite. Er stand neben Semi und Eri an der Bande und hat das Treiben auf dem Eis ganz genau beobachtet und analysiert. „Außerdem solltest du vielleicht etwas mehr Fokus auf deinen Partner legen als auf die süßen Mädchen vom Schwimmteam der Karasuno.“ Das Summen wurde pure Provokation und die schlug auch vollkommen ein. Aber nicht wie erwartet bei Yamagata, der sich zwar auch entsprechend empörte und herauszureden versuchte, aber mehr traf es Kenma. Er dampfte vom Eis ab, ohne Yamagata auch noch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. „Na los! Nach nach, sonst müssen wir die Scheidung einreichen“, rief ihm Tendou zu und Semi stieß ihm gegen den Oberarm. „Sei nicht so ein Arsch“, sagte er, aber im Grunde hatte der Rotschopf recht. Und alleine konnte Yamagata jetzt auch nichts mehr anfangen. „Hayato… mit diesem Jungen hast du dir wirklich was richtig Trotziges eingefangen… aber so viel muss ich ihm lassen. Wenn du noch einmal zum Training zu spät kommst, haben wir ein Problem“, tadelte ihn sein Trainer beim Vorbeilaufen. „Als würde es was bringen, wenn ich pünktlich bin und er so rumzickt“, knurrte Yamagata, nahm aber nicht unter Bedacht, dass Kenma wegen seinem Verhalten so drauf war. Bei den Kabinen stemmte er sich gegen den Türstock, als Kenma gerade raus und an ihm vorbei wollte. Kenma versuchte auszuweichen und auf der anderen Seite vorbeizukommen, aber Yamagata stellte sich ihm wieder in den Weg. Statt einer Auseinandersetzung ging Kenma wieder zurück und ließ seine Umhängetasche fallen. Er setzte sich bockig hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Verdammt, ich weiß doch, dass das nicht die feine englische Art ist“, sagte Yamagata angespannt. Kenma wandte den Kopf langsam zu ihm um und hob eine Augenbraue. Er schwieg. „Aber du hast kein Recht, eifersüchtig zu sein“, polterte Yamagata weiter. Er ging sogar einen Schritt auf Kenma zu, aber der war umgehend aufgesprungen, schnappte seine Tasche wieder und stürmte an Yamagata vorbei nach draußen. „Er kann sich gleich nach einem neuen Partner umsehen. Vielleicht will ja eine von den Schwimmerinnen“, ließ er es an Semi, Eri und Tendou aus. Washijo sah er gar nicht mehr an. Der Trainer war ihm immer schon unangenehm, selbst wenn er diesmal auf seiner Seite gewesen wäre. „Miau~“, summte Tendou und dann war es still in der Halle. Zumindest bis Yamagata von den Umkleiden kam und Kenma schleunigst nach draußen folgen wollte. Er wurde aufgehalten. „Du musst Prioritäten setzen. Wenn ihr euch jetzt nicht reinhängt, wird das nichts mit dem Bewerb und das sag ich als euer Konkurrent“, wies ihn Semi auf den Ernst der Lage hin. Yamagata schnaubte. „Ist ja nicht so, als würde ich es ihm zu fleiß machen, aber manchmal ist er mir einfach zu viel!“ ❄️ „Habt ihr gestritten?”, fragte Yamagatas Mutter beim Abendessen. Kenma saß bereits im Shinkansen und Yamagata stocherte unliebsam mit den Stäbchen in seinem Reis herum. „Kann man so sagen“, murrte er. „Was hast du denn getan?“, fragte sein Vater. „Warum ist es gleich klar, dass ich was gemacht habe?“ – „Weil Kenma ein äußerst ruhiger und genügsamer Junge ist und du… nun ja, du kennst dein Temperament selbst oder sollen wir Mai mal wieder zum Abendessen einladen?“, streute seine Mutter Salz in eine längst verheilte Wunde. „Wir laden außer Kenma niemanden mehr zum Abendessen ein“, fauchte Yamagata, erhob sich, verneigte sich zwar höflich, aber preschte dann, ohne etwas gegessen zu haben, auf sein Zimmer. Am Weg zum Bett stolperte er über den Futon, den er noch nicht weggeräumt hatte und den er sogar meistens liegen ließ, weil er es am Wochenende sowieso gewohnt war, drüber steigen zu müssen. Diesmal wollten die Füße aber einfach nicht hoch genug und er fand sich an der Stelle wieder, wo normalerweise Kenma saß, lag und schlief. Und somit genau an der Stelle, wo er ihn vor Wochen beinahe geküsst hätte. Wütend auf sich selbst schlug er auf den Stoff ein, aber schlang die Arme um den Polster, der immer noch nach seinem Eiskunstlaufpartner roch. Yamagata schloss die Augen und seufzte. Er wusste ja, dass er ihm gegenüber nicht fair war. Seit diesem Vorfall hat er sich mit Mao aus Karasunos Schwimmteam getroffen und versucht, sich abzulenken. Geklappt hat das nicht und es führte sogar zu noch mehr Problemen. Es trieb Kenma weiter von ihm weg, denn je. An diesem Abend schlief er schnell ein. Mit sich drehenden Gedanken zwar, die ihm wahnsinnig verrückte Träume bescherten, aber er hat es nicht mehr geschafft, sich aufzuraffen. Er konnte Kenma nicht schreiben, er konnte nicht klar darüber nachdenken und er wollte nicht mehr munter bleiben, weil er sich sonst mit den verwirrenden Gefühlen auseinandersetzen hätte müssen. ❄️ Kenma war hingegen nach der langen Zugfahrt noch bis spät in die Nacht wach. Selbst am Sonntag vor einem Schultag ging er lange nicht zu Bett und war stattdessen in sein Videospiel vertieft, bei dem er sich ständig ärgern musste, aber er drehte es nicht ab. Denn es abzudrehen, hätte bedeutet, dass er sich mit dem auseinandersetzen musste, was er in Miyagi zurückgelassen hat, aber auch mit dem, was er mitgenommen hat. Nämlich A Yamagata, der noch dort war und B seine verwirrenden Gefühlen, die allgegenwärtig waren. Er musste so lange scheitern, bis er zu müde zum Nachdenken war. Und dann stand er morgens vollkommen neben der Spur und musste sich von Kuroo anhören lassen, dass ihm diese Paarlaufsache nicht gut tat. Kenma erwiderte nichts darauf. Er fand nicht, dass es schlecht war. Er mochte es sogar, wenn Yamagata denn pünktlich war und ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Das war noch nie so. Kenma scheute Aufmerksamkeit, aber die von Yamagata tat ihm von Anfang an gut und er wollte sie nicht teilen. Diese Erkenntnis war beunruhigender als die erste Hebefigur, die er je mit Yamagata gestartet hatte. ❄️ “Und du bist dir sicher, dass du das willst?”, fragte Kuroo. Seine Hände lagen nach kurzem Zögern an Kenmas Armen, aber sein Blick war so fest wie eh und je. “Nein, bin ich nicht, aber wenn er doch irgendwann wieder mit mir trainieren will, dann will ich, dass endlich alles klappt”, sagte Kenma, weil er seit Sonntag nichts von seinem Partner gehört hatte. Er hat sich auch nicht die Mühe gemacht, selbst zu schreiben. Und so stand er nun an einem Mittwoch mit Kuroo beim Training, wo sie beide eigentlich Einzelübungen wiederholen sollten. Kuroo, weil er natürlich weiterhin im Einzel fuhr und Kenma, weil er nicht ausschließlich Paarfiguren mit Yamagata zu üben hatte. Kuroo seufzte. “Sowas hab ich noch nie zu jemanden gesagt, aber… stell dir einfach vor, ich bin er”, schnaubte er und schob Kenma vor sich her. Vorsichtig verlagerte er die Hände und setzte sie an seine Hüfte. Mit einem Ruck hievte er ihn hoch und merkte gleich, einfach war das nicht, und so ließ er ihn rasch wieder hinunter, noch bevor Kenma annähernd auf der gewünschten Höhe war. “Yo Bro! Du hast schon viel schwerer gehoben als Kenma”, rief dann auch noch Bokuto von der Seite rein. Die Fukurodani Läufer würden auch jeden Moment mit ihrem Training anfangen. “Nen Menschen heben ist ganz anders als ne dumme Stange mit Gewichten”, konterte Kuroo im Ausfahren der Runde, die direkt an Bokuto vorbei verlief. “Es ist okay, Yato hats auch nicht beim ersten Mal geschafft”, sagte Kenma und wusste, dass das nicht einmal der schwierigste Part war. Zumindest für ihn. Eigentlich war es ab dann an seinem Partner, ihn festzuhalten, zu stabilisieren und mit der Fahrt eine schöne Figur zu machen. Kenma musste eigentlich nichts tun, außer zu vertrauen und die Körperspannung zu halten. Aber das mit dem Vertrauen klappte nicht. Nicht einmal mit Kuroo und zu seiner eigenen Überraschung - und auch der von Trainer Nekomata und Naoi - war es sogar noch schlechter als mit Yamagata am Anfang. Dass es mit Bokuto, der sich kurz darauf als sein Held angeboten hat, noch viel schlimmer lief, war für keinen der Anwesenden verwunderlich. Einzig, dass Kenma ihm keine Ohrfeige verpasst hatte, weil der aufgedrehte Junge viel zu plump mit ihm umging. Kuroo war noch zögerlich und hatte sich all die Überlegungen gemacht, wie er Kenma möglichst richtig berührte, aber Bokuto hat sich keine Mühen gemacht, nachzudenken. Er hat einfach zugepackt. Erst viel zu tief unten und dann zu fest und dann hat ihn Kenma mit wütendem Blick von Eis gefaucht. ❄️ Kapitel 7: Reconnected ---------------------- ❄️ Kenma war überrascht, als Yamagata am folgenden Freitag pünktlich an der Tokioter Eishalle stand. Nicht, weil er mit einer Verspätung gerechnet hätte, sondern weil er ihn gar nicht erwartet hat. Er war nur aus Gewohnheit selbst hingegangen. Vielleicht hatte er in seinem Kopf bereits ein Gespräch mit seinen Trainern geführt, das Ganze nun doch abzublasen und ein unkompliziertes Programm für den Einzelwettbewerb zusammenzuschmeißen. Ähnlich wie Oikawa es im letzten Jahr gemacht hat. Aber das schien wohl auszubleiben. „Hey“, sagte er knapp im Vorbeigehen. Er war immer noch beleidigt, sowas ging nicht über Nacht weg und auch nicht über eine Woche, in der man sich nicht gesehen hat. „Du hast wenig geschlafen“, erkannte Yamagata richtig und folgte ihm ohne Begrüßung. „Mhm“, machte Kenma und ging weiter zu den Umkleiden. Yamagata schnaubte angestrengt. „Kenma… Es tut mir leid. Wie ich schon geschrieben habe.“ Er setzte sich zum Schuhwechsel direkt neben ihn. Kenma nickte nur. Ja, er hatte gelesen, dass es ihm leid tat. Er hat auch gelesen, dass er sich bessern wollte. Das war der erste Haken, den er vorsichtig setzen konnte, denn die Pünktlichkeit wurde geschätzt. Weiters hat Kenma gelesen, dass sich Yamagata ablenken wollte, aber er hat ihn nicht gefragt von was. Er hat ihm gar nicht zurückgeschrieben. Keine Frage. Keine Akzeptanz. Kein Leck mich am Arsch. Nichts. Und das hat Yamagata in der vergangenen Woche am meisten genervt. Denn selbst mit unkonstruktiven, wütenden oder gar kindischen Worten hätte er umgehen können. Aber das Silent Treatment? Das bekam ihm nicht gut. „Hey, red‘ verdammt nochmal mit mir“, forderte er und riss Kenmas Hände von seinen Schnürsenkeln weg. „Was soll ich sagen?“, fragte Kenma und sah ihm direkt in die Augen. „Dass alles okay ist zwischen uns…“ Yamagata stierte ihn ernst an. „Ich weiß, dass meine Art nicht immer leicht ist, aber Kenma, ich mein es wirklich ernst mit dir und ich will das mit dir schaffen“, sagte er und meinte damit nicht mehr nur ausschließlich die Meisterschaft, aber das konnte er ihm gerade nicht deutlicher machen. Einerseits war nicht der richtige Moment dafür, außerdem hinderte ihn dann doch sein Ego. „Gut, zeigs mir“, sagte Kenma und band sich die Schlittschuhe fertig zu um sich dann kurz darauf am Eis zeigen zu lassen, dass Yamagata es absolut ernst meinte. An diesem Trainingsnachmittag fuhren sie ihr Qualifikationsprogramm zum ersten Mal von Anfang bis zum Schluss durch ohne grobe Fehler. Nicht direkt zum Start, eher zum Ende hin und es war nicht makellos, wie Kenma es von sich gewohnt war, aber auch nicht so riskant und unvorhersehbar, wie man es von Yamagata kannte. Coach Nekomata stand neben Naoi und grinste zufrieden. Naoi seufzte erleichtert. „Ich hätte echt nicht gedacht, dass sie das noch packen. Jetzt müssen sie es nur noch oft genug üben“, sagte er. Aber dem alten Mann neben ihm war das von Anfang an klar. Er wusste, dass die beiden ein besonderes Paar waren, das es noch weit bringen konnte, wenn sie sich zusammenrauften. Während Naoi gedacht hat, dass Kenma am besten mit Kuroo hätte fahren können, hat Nekomata gewusst, dass Kuroo der Falsche gewesen wäre, denn er wäre zu sehr auf Kenma eingegangen, wie er es immer machte. Kenma brauchte jemanden wie Yamagata, der seinen eigenen Kopf hatte und Temperament und der Kenma mit sich reißen konnte. ❄️ Am Tag zum Vorentscheid war Yamagata sogar so nervös, dass es auf Kenma abfärbte und man es ihnen ansah. Denn Konoha hat sich auf der Bank zu ihnen gesetzt und auf sie eingeredet. „Das erste Mal ist es immer am schlimmsten, aber ich hab euer Programm beim Training gesehen, das ist wirklich gut und wenn ihr den Blickkontakt nicht löst, dann steht euch meiner Meinung nach nichts im Weg, euch zu qualifizieren“ Für Kenma wirkte es tatsächlich wie gewünscht beruhigend. Aber Yamagata nahm es als Hetze auf. „Und warum bist du überhaupt hier? Dachte als amtierende Meister seid ihr sowieso schon fix im Finale“, blaffte er. Konoha schmunzelte. „Wir spähen gerne die Konkurrenz aus, außerdem ist Eiskunstlauf schön anzusehen“, konterte er und stand auf. Akaashi kam gerade mit Getränken und einer Tüte Popcorn zu ihnen und holte seinen Freund und Partner ab. „Viel Erfolg, Kozume“, sagte er zu Kenma, nickte auch Yamagata höflich zu und ging mit Konoha auf die Tribüne. „Pff… die haben leicht reden“, knurrte Yamagata und sah starr geradeaus auf das Eis, wo das letzte Paar seine Übungen abgeschlossen hat. Kenma legte seine Hand auf die Bank zwischen sie und rutschte damit so weit zu ihm hinüber, bis sein kleiner Finger den seines Partners berührte. Yamagata zögerte nicht und nahm sofort die ganze Hand. „Ja, ich weiß“, sagte er, noch ohne, dass Kenma ein Wort über die Lippen gebracht hätte. Der legte Yamagatas Hand auf seine Brust und bettete seine andere an derselben Stelle auf Yamagatas Oberkörper. „Gleichklang“, sagte er und spürte den Unterschied deutlich. Kenma war ruhig, Yamagata aufgeregt. Aber er spürte auch, dass er sich beruhigte und er selbst aufgeregter wurde. Ein breites Grinsen zierte Yamagatas Gesicht. “Hast du gemerkt, dass Konohas Haare immer länger werden?”, fragte Yamagata. Vermutlich mehr, um sich abzulenken, als wirklich über die Haare eines anderen Jungen zu reden. Kenma fasste es aber anders auf. Er nahm wieder Abstand und zog den Kopf etwas ein. “Findest du es doof?”, fragte er. “Lange Haare? Ne, ich steh auf lange Haare. Aber ich steh nicht auf Konoha, okay? Mir ist’s nur aufgefallen. Ich wollte zeigen, dass ich aufmerksam bin und so. Und Mann, ich werd das Gefühl nicht los, dass ich dich beleidigt habe. Kenma… Ich mag deine langen Haare. Also ist alles okay”; wurde Yamagata immer aufgebrachter. Außerdem war er ein Mensch von Affekt und so legte er die Hand an Kenmas Kopf und fuhr ihm zur Untermalung durch das blonde Haar. “Sehr sogar”, flüsterte er. Kenmas Lippen formten ein zartes Lächeln, seine Augen konnten sich nicht abwenden. Wieder schlug ihr Herz im Gleichklang. Schnell, nervös, hoch. Yamagata biss sich auf die Unterlippe, Kenma fixierte diese umgehend und ließ sich näher ziehen. Schneller, nervöser, höher. Beinahe hätten sie die Umgebung um sich herum ausgeblendet und wären ineinander versunken, doch anstatt die Initiative zu ergreifen, schreckten sie beide hoch, weil ein lautes “Hey! Hey! Heeey!” hinter ihnen ertönte und Bokuto mit ausgestreckten Armen auftauchte. Neben ihm stand Kuroo, dessen Blick bereits Bände sprach, und Kenma sprang ruckartig auf, als wollte er Yamagata, die Nähe und dieses aufregend kribbelige Gefühl abschütteln. “Wir sollten uns aufwärmen”, sagte er hastig. “Mhm, Aufwärmen”, zwinkerte Kuroo und Bokuto klatschte in die Hände. Kenma griff nach Yamagatas Hand und zog ihn weg, noch ehe Kuroo etwas Dummes sagen konnte und auch, bevor Yamagata ihn dazu herausfordern konnte. Und dann waren sie dran, ihre Kür zu fahren. Naoi hat für sie einen Zusammenschnitt aus Zelda Themensongs gemacht. Zum einen war da The Legendary Hero für Kenmas Auftakt und den Start ihrer Verfolgungsjagd und dann kam das Ganondorf Battle für Yamagatas Angriff. Beides Titel aus Kenmas Lieblingszeldaspiel: The Wind Waker Ihre Choreographie verlangte gut eingespielte Wechsel, aufregende Hebefiguren, die zur Mehrzahl in Würfen endeten, die Kenma mit perfekten Ausdrehungen und weit gestrecktem Bein landete, nur dass Yamagata ihn an den Händen wieder zurück in seine Fänge reißen konnte. Kenma war mit den Gedanken tief ins Spiel versunken, aber ließ durch Yamagatas tiefe Blicke in seine Augen auch Mimik über sein beim Eiskunstlauf sonst so starres Gesicht blitzen. Etwas, das bei den Juroren gut ankam und nach der Kür nur die Sakusa Geschwister mit ihrem Programm zur [/url=https://www.youtube.com/watch?v=7qOc9cf0frk]Maske des Zoro vor sie drängen ließ. „Yato, wir müssen das Kurzprogramm besser machen. Dreh mich bitte beim letzten Wurf stärker als sonst. Ich verspreche, ich lande den Vierfachen“, sagte Kenma aufgeregter als Yamagata ihn kannte. „Bist du sicher, dass du das am Schluss noch kannst?“, fragte er und Kenma nickte überzeugt. Etwas Skepsis blieb, aber Yamagata war zufrieden. Wer wäre er denn, wenn er sich nicht darüber gefreut hätte, dass sein Partner mehr von ihm verlangte? Ihr Kurzprogramm zu Pirates,ebenfalls aus dem Wind Waker, war zarter und verspielter. Es hatte länger anhaltende Hebefiguren mit viel Körperspannung und Nähe, die in anstrengendere Drehungen und bodennahe Haltungssituationen mündeten. Aber Kenma hielt seine perfekte Form aufrecht und Yamagata fehlte es nicht an Kraft, seinen Partner sicher zu führen. Als Yamagata ihn aus der letzten Figur hochzog, spürte er den kurzen Aufschlag ihrer Oberkörper wie seinen Herzschlag. Kenma lächelte ihn nahezu verliebt an und fast wäre es um ihn geschehen, aber ihm war bewusst, wo sie sich befanden und so ließ er sich nicht ablenken und setzte zu seinem letzten Wurf an - stärker, wie Kenma es sich gewünscht hat - und schleuderte seinen Partner damit weiter übers Eis, als es jeder von Kenma erwartet hätte. Kenma landete perfekt auf seinem linken Bein. Er neigte das Knie, zog das andere Bein und die Hände an, um sich in einer Pirouette wild zu drehen, sich dabei aufzuziehen und in der Schlussfigur direkt in Yamagatas starke Arme zu fallen. Seine Augen fixierten Yamagatas und sein Atem ging schnell, aber auch Yamagata war außer Puste. Mit dem Applaus zog er Kenma in eine aufrechte Haltung und verneigte sich stolz mit ihm. Etwas zögerlich hob er vor dem Abfahren Kenmas Hand an und legte sich die zarten Finger auf die Lippen. „Danke, dass du mit mir fährst“, sagte er mit einem Blick, der Kenma mehr Gefühl übermittelte, als dieser bereit war anzunehmen. „Gerne“, antwortete er nur rasch mit einem schüchternen Lächeln und stieg mit Yamagata vom Eis. Dort nahmen sie Naoi und Nekomata in Empfang und gratulierten ihnen für die hervorragende Performance. „Ihr könnt sehr stolz auf euch sein“, sagte Trainer Nekomata und meinte sowohl Kenmas Willen, etwas Riskantes zum Schluss zu machen als auch Yamagatas Durchhaltevermögen. Er klopfte den beiden auf die Schultern und ließ sie ziehen, sich zu setzen und durchzuatmen. „Tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin“, sagte Yamagata im Setzen. Aber Kenma schüttelte den Kopf. „Es war nur ungewohnt“, gab er leise von sich. Dass ihre Herzen wieder im Gleichklang schlugen - rasten! - ahnte er nicht und selbst, wenn es ihm bewusst gewesen wäre, hätte er es auf die Aufregung geschoben, weil sie jeden Moment ihre Punkte erfahren sollten. Denn selbst wenn die Zahl hoch war, wurde sie erst nach dem Kurzprogramm der Sakusa-Geschwister wirklich wertvoll. Vor ihnen fuhren noch Komori und Fukunaga zu einem Want you Bad-Kurzschnitt von The Offspring und heizten die Halle auf ihre übliche Weise ein. Die beiden wählten meistens Lieder, die bekannt waren, die viel Rhythmus hatten und die dem Publikum Spaß brachten. Das war auch eine Art, sich Sympathie zu sichern und floss in die Wertung ein. Allerdings nicht hoch genug, dass sich Kenma und Yamagata Sorgen um ihren vorweiligen ersten Platz in Tokio machen mussten. Die Sorge kam erst auf, als Sakusa Kiyoomi seine Schwester zu 1000 Ships of the Underworld von Two Steps From Hell über das Eis schob als gäbe es kein Morgen. Yamagata griff mit seiner schwitzigen Hand nach der von Kenma, der den Druck erwiderte. Die Hebefiguren des Eiskunstlaufpaares waren über ihrem Niveau. Nicht umsonst hatten die beiden ganze Wände voller Titel und Medaillen gefüllt. Den japanischen Meistertitel haben sie letztes Jahr an Konoha und Akaashi abgeben müssen, aber wollten ihn ganz eindeutig dieses Jahr zurückholen. Mit dem auftrabenden Mittelteil des Kurzprogrammes fuhren die Geschwister schneller, riskanter und hatte Kenma da einen Fehltritt gesehen? Nichts, was ihnen den Sieg für Tokio kosten sollte, aber bei so einer Geschwindigkeit wurde jeder noch so kleine Fehler zum fatalen- Sturz! Das Publikum füllte die Halle mit ershrockener Unruhe. Sakusa entglitt die Hand seiner Schwester. Der Versuch, es auszubessern half nicht und er konnte der jungen Frau statt dem Abschluss des Programms nur die Hand reichen und sie zu sich hochziehen. Ein geplagtes Lächeln zierte beide ihrer Gesichter, während sie sich notgedrungen der Etikette verneigten. Es wurde bitter, als sie von der Eislauffläche kamen und an Yamagata und Kenma vorbei stapften. Yamagata drückte Kenmas Hand fester, aber der entriss sie ihm sofort wieder, was für einen unmessbar intensiven Augenblick der Unsicherheit sorgte. Doch Kenma warf sich ganz überraschend um Yamagatas Hals und flüsterte „Wir habens geschafft“, in sein Ohr, was dem Älteren eine Gänsehaut bescherte, die er bis zum Abend nicht hätte abschütteln können. „Dann üben wir heute gleich das neue Programm?“, fragte er frech und wollte die Umarmung gerade auch von seiner Seite schließen, aber Kenma löste sich umgehend und sah ihn ungläubig an. „Heute sicher nicht mehr. Aber morgen, da kannst du sicher sein“, sagte er von der Motivation gepackt. Selbst damit hätte Yamagata nicht gerechnet. „Ich muss heute wieder heim. Es tut mir leid, Kenma“, sagte er etwas wehmütig, auch Kenmas Gesichtsausdruck glich sich an. Er nickte. „Ja, natürlich. Morgen ist Schule“, wurde er leiser und wandte das Gesicht ab. Kenma hatte sich schon so an Yamagata gewöhnt und daran, dass er immer wieder bei ihm war und anders herum, dass er die Schule in letzter Zeit verdrängte. In seinen Erinnerungen gab es fast ausschließlich die Treffen und Trainingseinheiten mit dem Jungen aus Miyagi. ❄️ „Du weißt schon, dass ich massiv eifersüchtig auf den Kerl bin, oder?", sagte Kuroo am Abend nach dem Vorentscheid. Er war noch für ein paar Runden eines Beat’em’ups zu Kenma gekommen und merkte natürlich, dass dieser einerseits Yamagata vermisste und andererseits viel zu oft von ihm sprach. „Sag sowas nicht“, forderte Kenma und Kuroo legte ein breites grinsen auf. „Warum nicht? Stimmts etwa? Bin ich zurecht eifersüchtig?“, fragte er weiter. Kenma seufzte und legte den Kontroller ab. „Du bist mein bester Freund und das wirst du immer bleiben“, sagte er und sah Kuroo ernst an. „Und Yamagata?“ – „Er ist… was anderes, okay?“ Für einen Moment war es still. „Freut mich für dich“, neckte Kuroo und stieß mit der Schulter gegen die von Kenma. „Und… weiß er das auch?“, fragte er. Kenma schüttelte energisch den Kopf. “Warum nicht?”, fragte Kuroo weiter und Kenma erzählte von dem Mädchen vom Schwimmteam der Karasuno. “Tja… Schwimmerinnen sind schon reizvoll”, sagte Kuroo mit einem verschlagenen Grinsen. “Aber ich glaube, er lenkt sich nur ab, hm?” Da wurde Kenma hellhörig. Yamagata hat ihm mal kommuniziert, dass er sich ablenkte. Er sah Kuroo mit diesem Blick an, der ihn dazu brachte, weiter zu reden. “Checkst du echt nicht, wie er dich ansieht?” Kenma schüttelte den Kopf. “Wie sieht er mich an?”, wollte er wissen. “So als… naja, als wärst du auch was anderes für ihn” Kuroo boxte ihm sanft gegen den Oberarm. Das Gespräch der beiden Jungs ging weiter über die Frage, was Kenma nun machen sollte, zu Vorschlägen, die für ihn unmöglich wirkten. Den richtigen Moment abzuwarten. Eine liebe Geste teilen. Yamagata mal eine Entscheidung treffen lassen. Händchenhalten, wenn sie gerade nicht am Eis waren. Intensiven Blickkontakt halten - bei dem Gedanken daran wurde Kenma schon mulmig im Magen. Aber als Kuroo meinte, dass Yamagata sicher jemand war, mit dem man ganz deutlich handeln konnte und er ihn einfach küssen sollte, wenn es sich richtig anfühlte, protestierte Kenma und komplimentierte seinen besten Freund aus seinem Zimmer und folglich aus dem Haus der Kozume. Yamagata einfach küssen. Soweit kam es ja noch! Da ließ er ihn lieber den Song für ihr Meisterschaftsprogramm auswählen. ❄️ „Ich hab nachgedacht“, sagte Yamagata als er mit Kenma vom Bahnhof über den Parkplatz zur Virago ging. Kenma sah ihn schief von der Seite an. Ein ungläubiges „Oh“ kam ihm über die Lippen. „Über uns“, sprach sein Partner weiter. „Es ist nichts Schlimmes!“, versicherte er auch sofort, weswegen Kenma erst recht unsicher wurde. Sowas sagte man doch, wenn es eigentlich schlimm war. Er kannte dieses “Ist nicht schlimm, aber“ und dann kam das Desaster. “Bitte lass uns zur Meisterschaft zu einem Song von mir laufen”, bat Yamagata und Kenma setzte schon zum Protest an, dass die Lieder, die Yamagata mochte, nicht zu ihm passten und zu aufregend waren, aber dann schossen ihm Kuroos Worte wieder in den Kopf. Er sollte Yamagata auch einmal eine Entscheidung überlassen. Denn für das Halbfinale waren sie auch zu Kenmas Wunschliedern gefahren und haben sich damit für das Finale qualifiziert. Eigentlich war seine Auswahl somit immer gut gewesen. Dennoch. Notgedrungen ging er den Kompromiss also mit einem nüchternen „Okay“ ein. „Ich bin bis jetzt immer auf deine Wünsche eingegangen, ich will nur einmal… Moment… Hast du Okay gesagt?“ Yamagata blieb perplex stehen, denn er hatte sich augenscheinlich eine Diskussion darüber erwartet. Auch Kenma blieb stehen. Er nickte. „Mhm“, machte er. Ihm war ja auch bewusst, dass sie bisher alles gemacht haben, was er sich gewünscht hat und Yamagata sich immer gefügt hat. Mit dem Liedvorschlag wollte er sich Kenma aber noch mehr fügen, als dieser es erahnen konnte. Als wäre es bereits das Normalste der Welt, stieg Kenma kurz darauf auf Yamagatas Motorrad und lehnte sich sanft an den Rücken seines Partners. Die Hände lagen locker an seiner Hüfte und würden nur zupacken, wenn Yamagata unvorhergesehen beschleunigte oder ein anderes Manöver fuhr, mit dem Kenma nicht rechnete. Aber Yamagata war immer vorsichtig, wenn Kenma hinter ihm saß. In Yamagatas Zimmer zückte der Ältere sein Smartphone und spielte den Song vor, den er sich wünschte. I wanna be your slave von Maneskin. Wie damals als Yamagata die Performance zu dem anderen Song dieser Band - was war das noch gleich? Ach ja, Beggin - wurde Kenma unwohl. Er begann, seine Lippen aufeinander zu pressen, aber erkannte die Begeisterung in Yamagatas Augen. “Okay, aber du bist der Sklave. Ich rutsch sicher nicht unanständig vor dir am Eis herum”, sagte Kenma bestimmend und Yamagata grinste schmutzig. “Hab mir nichts anderes erwartet.” Ein Zwinkern folgte. “Und dennoch werd ich dich heben. Auf Händen tragen, wie es Sklave ein so macht”, scherzte er, aber Kenma sah ihm an, wie ernst er es meinte. “Du bist wirklich seltsam”, sagte er und bat ihn, die Musik abzudrehen. Das Lied würde er in den nächsten Wochen noch oft genug hören. ❄️ Kapitel 8: Bonded ----------------- Das Finale in Tokio hätte nicht aufregender sein können. Am Vormittag hat sich Bokuto den Meistertitel der Einzelfahrer geholt, weil es ihn über die Maße gefreut hatte, mit Kuroo darum zu fahren. Nur dass sich Suna noch zwischen die beiden gedrängt hatte. „Sex sells“, hat Kuroo gezischt und abfällig gepfiffen. Kenma war daraufhin zusammengezuckt und überdachte seine Entscheidung noch einmal, Yamagata das Lied und sogar den Großteil des Programms ausgesucht haben zu lassen. Immerhin kannte der sich am besten mit diesen Vibes aus. Allerdings konnte er jetzt auch nicht mehr zurückrudern, denn jeden Moment wurde die Ziehung für die Reihenfolge der Paarläufer-Kür gemacht und einfach eine Alte zu fahren war unmöglich. Es wäre auch unfair und eigentlich gefiel Kenma ihre Choreographie. Weil er sie mit Yamagata fuhr und weil er sich ihm dabei noch näher fühlte, als wenn er auf dem Bett neben ihm einnickte und sich überraschend in seinem Arm wiederfand. Yamagata hat ihn nie aufgeweckt, wenn das passiert war. Er hat einfach weitergelesen, weitergelernt oder den Fernseher leiser gestellt und gewartet, dass Kenma von alleine aufwachte und auf den Gästefuton hinunter kletterte. So nah und dennoch war da mehr, wenn sie gemeinsam auf dem Eis fuhren und das sollten sie nach der Ziehung als Vorletzte machen. Den Anfang machten die amtierenden Meister mit ihrer einnehmenden Kür zu Find Me von Forest Blakk. In der Halle wurde es mit dem ersten leisen Ton still. Die musikalische Begleitung, die erst nur etwas mehr als eine Geräuschkulisse war, fing umgehend das gesamte Publikum. Als die Stimme zu sprechen begann, spürte auch Kenma die Spannung auf sich übergehen. Akaashi und Konoha hatten einen so vertrauten Stil und waren perfekt synchron, egal, ob es Figuren oder Drehungen waren, die sie parallel in der Fahrt machten. Es passierte kein Fehler. Beide waren absolut konzentriert und obwohl das Stück nicht wild oder rhythmisch auftrabend war, war das Programm unheimlich anspruchsvoll und ließ auch Kenma bei der ein oder anderen Figur die Luft anhalten. Konohas Körperspannung war musterhaft, wenn Akaashi ihn hob, drehte und um sich bewegte. Der Blick wich dafür kein einziges Mal dem Partner. Kenma sah zu Yamagata hinüber und musste feststellen, er ließ ihn während ihren Programmen auch nie aus den Augen. „Bokuto hat mal gesagt, dass Konoha gesagt hat, er würde Akaashi in jedem Universum lieben, egal ob hier und jetzt in Japan oder irgendwann in Amerika, Europa oder wenn sie Rennfahrer wären oder Ärzte oder bei der Yakuza oder wie Romeo und Julia oder wenn sie einfach nur in die Volleyball AG gegangen wären, statt sich beim Eiskunstlauf eingetragen zu haben. Süß oder?“ Kuroo war plötzlich neben ihnen aufgetaucht und sah dem Paar genauso fasziniert zu wie alle anderen. „N bisschen gar dick aufgetragen, wenn du mich fragst“, sagte Yamagata und verzog das Gesicht. „Was hat Akaashi gesagt?“, wollte Kenma wissen. „Dass es wohl schwer wäre, sowas zu behaupten und zu erwarten“, seufzte Kuroo. Das fand Kenma sogar realistisch. Es war doch eine absolut wahnwitzige Idee, davon auszugehen, dass zwei Personen immer zueinander finden würden, egal wie verändert die Umstände waren. So eine Liebe konnte es doch nicht geben. Oder? Doch Konoha schien überzeugt. „Ich werde dich immer finden“, flüsterte er am Ende ihres Programms. Akaashi sah ihn verliebt an und schüttelte lächelnd den Kopf darüber. „Du bist unverbesserlich“, sagte er und bewegte sich aus der Schlusshaltung heraus um sich mit seinem Partner zu verneigen und die Eisfläche zu verlassen. Die Paare, die darauf folgten, hatten teils gewöhnliche Programme, teils gewagte und dadurch fehleranfälligere, dass die Kür, die Yamagatas Schulkollege Kawanishi mit seiner Partnerin Yachi fuhr, eine angenehme Abwechslung war. Die beiden tanzten neben dem Eiskunstlauf auch klassisch miteinander und haben sich bei Tanzstunden kennengelernt. Da merkte man ihnen den Quick-Step richtig an, den sie zu Love You Like the Movies von Anthem Lights aufs Eis brachten. Bei dem Paar war wie bei manch anderen deutlich zu spüren, dass sie starke Gefühle füreinander hatten. Das war bei Konoha und Akaashi so, bei den Fahrern aus Hokaido und nun auch bei Kawanishi und Yachi. Bei Semi und Eri würden sie das wohl auch noch sehen, denn die beiden waren für Eris Präfektur angetreten und waren so im Halbfinale weiter gekommen und standen nun mit Yamagata und Kenma und einem Paar aus Saitama im Finale als die drei Paare für die Region Kanto. Neben den Titelverteidigern. Für die Region Kansai fuhr aus Hyogo ein Geschwisterpaar und wenn sich Kenma nicht täuschte, waren sie sogar Zwillinge – was beide aber abstritten, einer sollte adoptiert sein. „Schwachsinn“, murrte Kenma. Schwachsinnig fand er auch das Programm der Miya-Zwillinge zu Gangnam Style von Psy. „Hast du gewusst, dass die beiden nur miteinander fahren, weil sie einem anderen Läufer imponieren wollen?“, fragte Yamagata, um die Anspannung, die sich langsam aufbaute, zu lockern. Viele Paare waren nicht mehr vor ihnen und gleich würden sie sich aufwärmen. „Warum? Und wen?“, fragte Kenma willkommend der Ablenkung. „Hab gehofft, dass du fragst. Also ich hab gehört, sie stehen beide auf denselben Kerl und wollen, dass er sich bei ihrem Programm für einen entscheidet, mit dem er nächstes Jahr zu den Bewerben antritt. Dumm nur, dass Suna sich schon mehrmals gegen den Paarlauf ausgesprochen hat“, erklärte Yamagata. Kenma blinzelte ihn verdattert an. „Die beiden fahren um Sunarin?“, fragte er perplex und Yamagata lachte. „Jup und sie raffen einfach nicht, dass es umsonst ist“, sagte er amüsiert und stand dann auf. Er reichte Kenma die Hand und zog ihn hoch um im Gang zu den Umkleidekabinen ihre Dehnübungen zu machen. „Ich bin froh, dass ich um dich nicht fahren muss. Wir sind ein gutes Team, auch wenn wir Anfangsschwierigkeiten hatten.“ Es war, als hätte Yamagata die ganze Zeit darüber nachgedacht, denn am Vormittag und nun während den anderen Paaren war er für seine Verhältnisse ruhig gewesen. Was Kenma nicht störte. Er mochte es, wenn Yamagata ruhig war. Sein Bein weit und hoch an die Wand gestreckt fiel ihm darauf auch nur das einzig Wahre als Antwort ein. „Darüber bin ich auch froh. Du hättest mich mit so einem Affentheater nicht für dich gewonnen“, sagte er ob der Tatsache, dass Yamagatas Programme manchmal schon einem Affentheater ähnelten. Nicht vergleichbar mit dem, was Terushima mit Misaki versucht und die immer sofort abgeblockt hat, aber irgendwie zumindest aufmerksamkeitserregend und damit war er gar nicht so erfolglos, denn Kenma konnte sich genau an seine ersten Asia Finals von vor inzwischen zweieinhalb Jahren erinnern und an die erste ausgefallene und kesse Performance seines jetzigen Partners. Das war für ihn auch das erste Mal, dass er ihn gesehen hat und er blieb im Gedächtnis. Er war spannend und aufregend. Talentiert, aber nun mal riskant und fehleranfällig. „Na dann lass uns denen jetzt mal unsere Arena der Löwen zeigen“, lachte Yamagata als Beschreibung für ihr Programm. ❄️ Einen kurzen Moment standen sie noch in einer voneinander abgewendeten Startposition, aber kaum ging der erste Takt los- I wanna be your slave, I wanna be your master -scherten sie beide um ihre eigene Achse, I wanna make your heartbeat run like rollercoasters suchten sofort den Blickkontakt zueinander und I wanna be a good boy, I wanna be a gangster Yamagata nickte Kenma mit einem einschlägigen Blick zu und nahm mit dem Einsetzen des Basses die Verfolgungsjagd auf. 'Cause you could be the beauty and I could be the monster I love you since this morning, not just for aesthetic I wanna touch your body, so fucking electric Sie fuhren erst ein paar aufregende Runden umeinander. I know you're scared of me, you say that I'm too eccentric I'm crying all my tears and that's fucking pathetic Yamagata griff immer wieder nach Kenma, was ihm durch neckende Ausweichmanöver verwehrt wurde, aber mit einer eleganten Drehung von der anderen Seite aufgefasst wurde. I wanna make you hungry, then I wanna feed ya I wanna paint your face like you're my Mona Lisa Kenma drehte und schob Yamagata nun mit der Hand auf der Brust vor sich her. Der wilde Schlag des Herzens, gekoppelt mit diesem Funkeln in seinen Augen, ließ ihn stocken. I wanna be a champion, I wanna be a loser I'll even be a clown 'cause I just wanna amuse ya Yamagata griff nach dem Handgelenk und zog Kenma in eine kurze Hebefigur, die ihn in seine Richtung vorwärts fahrend wieder am Eis absetzte. I wanna be your sex toy, I wanna be your teacher I wanna be your sinner, I wanna be your preacher Kenma kam die Spannung diesmal so viel intensiver vor, dass er Yamagata jedes Wort des begleitenden Songs glaubte. Beunruhigend schmeichelnd. I wanna make you love me, then I wanna leave ya 'Cause, baby, I'm your David and you're my Goliath Es war ein Hin und Her der Nähe und des Abstandes. Mal durch geschickt eingesetztes Abstoßen, ein andermal durch einen Wurf, bei dem Yamagata wieder aufholen musste. Die Führung gehörte - wohl geplant - den Lauf über ihm und dennoch hing für ihn alles an Kenma. Mit dem ersten uh-huh, Mhm uh-huh zog Yamagata einen Kreis um Kenma. Umgarnend legte er ihm die Hand an den Hals, Kenma tat es ihm gleich, aber ließ die Hand hinunter streichen und stieß ihn abermals von sich. Because I'm the devil who's searching for redemption And I'm a lawyer who's searching for redemption And I'm a killer who's searching for redemption A motherfucking monster who's searching for redemption Yamgata ging schlussendlich vor ihm auf die Knie, um noch intensiver nach Erlösung zu betteln. Gespielt zwar, aber Kenma spürte jede Zeile des Liedes durch den Blick übertragen. And I'm a bad guy who's searching for redemption And I'm a blonde girl who's searching for redemption And I'm a freak that is searching for redemption A motherfucking monster who's searching for redemption Das letzte Redemption war Yamagatas Stichwort, sich wieder hochzureißen und nach Kenma zu greifen, ihn diesmal sofort zu erwischen. Kenma riss sich wie trainiert weg, aber Yamagata hob ihn hoch und warf ihn über seine Schulter. Kenma wandte sich um Yamagatas Nacken herumdrehend heraus. Er landete in seinen Armen und befreite sich genauso schnell. Hitzig wurde um Halten und Flüchten gerungen. Passend zur Musik. Die Blicke, die Yamagata ihm dabei schenkte, ließen in Kenmas Magen ungeahnte Schmetterlinge los und auch Kuroos Worte drängten sich nun in seine Gedanken. Nach dem Gitarrensolo war es an Kenma, den Part des Bittstellers zu mimen. I wanna be your slave, I wanna be your master I wanna make your heartbeat run like rollercoasters Momente aus dem Training schossen ihm wieder ein. Wo Yamagata ihn falsch berührt und er ihn abgewiesen hat. Auch, dass er sich immer entschuldigt hat und dass es beim nächsten Versuch besser war. So oft wiederholt, bis es perfekt wurde. I wanna be a good boy, I wanna be a gangster 'Cause you can be the beauty and I could be the monster Yamagata schenkte ihm auch wieder einen ganz besonderen Blick, warum er all die Sicherheit, die er sonst an den Tag legte, fallen ließ und das größte Risiko einging, das er sich vorstellen konnte. Er improvisierte. I wanna make you quiet, I wanna make you nervous Kenma nahm Yamagatas Hände, aber er glitt näher als ausgemacht. I wanna set you free but I'm too fucking jealous Er verhakte auch ihre Finger, statt die Hände einfach nur ineinander zu legen. I wanna pull your strings like you're my Telecaster Sein Blick sprach mehr als Worte und zog bereits an den unsichtbaren Schnüren. And if you want to use me, I could be your puppet Entgegen der Choreographie legte Yamagata eine Hand in Kenmas Rücken und drückte ihn näher an sich. Eigentlich sollte sich die Figur nun öffnen und Yamagata sollte Kenma mit Schwung um seine eigene Achse drehen, um einen neuen Wurf mit Drehung einzuleiten. Kenma sollte danach in seinen Armen landen. Stattdessen starrte er ihn an. “Risiko“, flüsterte Kenma und lehnte sich weit über Yamagatas Arm in seinem Rücken. Er streckte die Arme aus und sah nicht nur für Yamagata anbetungswürdig aus. 'Cause I'm the devil who's searching for redemption Yamagata zog Kenma mit einem festen Ruck wieder an sich. Begehren. And I'm a lawyer who's searching for redemption Ein Blick - “Tu alles mit mir, was du willst“ - der sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt beschränkte. And I'm a killer who's searching for redemption Fester Halt. Dennoch weiche Knie. Herausforderung. A motherfucking monster who's searching for redemption Yamagata ließ Kenma los. Er ließ ihn fallen, aber schnappte mit dem Gitarrensolo kurz vor dem Aufschlag am Eis nach seiner Hand und zog ihn hastig wieder zurück. Ihre Blicke trafen einander fest. Kenma biss sich auf die Unterlippe. Das Herz schlug aufgeregt. Schnell, laut, unregelmäßig, weil die Eindrücke so wild waren. Yamagata zwang ihn aus der Figur in rasante, aber kontrollierte Pirouetten. Nur für den Bruchteil eines Moments ließ er von ihm ab, umrundete ihn, packte ihn mit Leidenschaft wieder eng an sich ran. Kenmas Beine versagten. Sein linker Schlittschuh riss aus, aber Yamagata schenkte ihm ein schmutziges, je zuversichtliches Grinsen. “Fall!“, las er die Aufforderung und fiel. Sanft. Im Halt von starken Armen streckte er den Rücken durch. Er überstreckte auch den Nacken und spürte das kalte Eis bereits am Schopf. Eine Hand hielt an Yamagata fest, die andere streckte er intuitiv zur Seite, um eine schöne Figur zu machen. Yamagata war mit ihm zu Boden gegangen und fuhr die Figur bis zum letzten Flüstern aus. I wanna be your slave, I wanna be your master Im Schlusstakt beugte er sich über Kenma, verband kurz ihre Blicke und trennte sie mit dem Wunsch „schau die Leute mit diesem Blick an“ wieder. Kenma sah über das Eis zum Publikum. Seine Wangen waren rot, seine Lippen geöffnet und seine Augen glasig von der Hitze zwischen ihnen. Yamagata hob den Kopf und vermittelte mit jedem Muskel seines Gesichtes den Besitzanspruch an seinem Partner. Niemand würde ihm Kenma so auch nur jemals streitig machen. An der Bande tuschelten die Trainer, Kuroo schlug die Hände vor den Mund, Bokuto auf die Augen. Das Publikum brach in Jubel aus. Gekreische. Pfiffe. Lautes Klatschen. Kenma hörte das heiße Blut, das ihm durch die Ohren rauschte. Er neigte den Kopf und traf wieder Yamagatas Augen. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben und der Ton der Welt ausgefallen. Der Atem ging schnell. Die Realität blieb für Kenma fern. Er merkte nicht einmal, dass Yamagata ihre Position wechselte und sie mit einer schwunghaften Bewegung aufrichtete. „Verneig dich“, flüsterte er mit einem frechen Grinsen. Kenma tat es wie in Trance mit Yamagatas Arm im Rücken und der eigenen Hand in der fremden, wie es sich gehörte. Das Klatschen wurde lauter, die Jubelrufe drangen näher und beim Verlassen der Eisfläche hörte er auch Kuroos Stimme, aber die Worte nicht. Auch ihre Trainer wurden ausgeblendet, nur hektisch der Weg in den Gang zu den Kabinen gesucht. „Kenma“, hauchte Yamagata und pinnte ihn mit derselben Leidenschaft gegen die Tür, mit der er ihn gerade noch über das Eis getrieben hat. Kenma spürte Yamagata überall auf sich. Erst waren es die Lippen, die sich endlich auf seine pressten und ihm die Augen zu zwangen. Wie der Erfüllung eines langjährigen Wunsches klammerte sich Kenma an diesen Moment und mit den Fingern in den Stoff um Yamagatas Oberteil. Die Lippen ließen ab. Ein sehnsüchtiges Seufzen tönte, aber wechselte in Überraschung als Kenma die Lippen auf seinem Kieferknochen spürte und ihren Weg seinen Hals hinunter erfühlen konnte. Zeitgleich spürte er Yamagatas Hände, die ihn gierig betasteten und seinen starken Oberkörper, der sich ihm entgegenpresste, genauso wie sein- „Hayato, warte“, japste Kenma erschrocken. Er kniff die Augen fester zu. Der Atem war unkontrolliert. Yamagata hat gerade eine Hand von ihm gelöst und die Finger zitternd vor Aufregung auf die Türschnalle gelegt. Er schluckte und atmete genauso heftig. „Was?“ „Wir sollten… draußen… die warten…“ Kenma rang aufgelöst nach Worten. Yamagata hielt inne. Er sah tief in die schönen hellen Augen. Sein Blick zeigte, dass er gedanklich gerade überall anders war, nur nicht hier im Gang. Zumindest in der Umkleide. Alleine mit Kenma, aber der hielt ihn von dieser Erfüllung zurück. Yamagata schnaubte. Er hatte ja recht. Aber verdammt nochmal, er wollte nicht. Noch nie waren ihm Punkte so unwichtig. „Hey! Kommt ihr, ihr zwei Idioten? Feiert das nachher! Daheim am Besten“, rief Kuroo plötzlich durch den Gang und damit wäre die Stimmung nun wirklich für jeden versaut gewesen. Kenma sah noch immer an die Tür gelehnt in Yamagatas Augen. „Wir haben nachher Zeit und dann… lassen wir es auf uns zukommen, okay?“, fragte er. ❄️ Aber es kam anders auf sie zu. Sie kamen genau zur rechten Zeit zurück, also bevor man sie ausrufen ließ. Die Punktezahl hätte ihnen in dem Moment nicht egaler sein können. Zwischen ihnen hat sich etwas aufgebaut, das sie nicht zu kontrollieren vermochten. Die Siegerehrung ging an ihnen vorbei, wie ein in Watte gepackter Traum. Schnell. Mit vielen Beglückwünschungen. Sie konnten den Fragen der Reporter kaum antworten. Einzig, dass Yamagata durchgehend seine Hand hielt, fiel Kenma auf und daran klammerte er sich auch. Bis sie nach dem Trubel auf der Virago saßen. Eng aneinander gedrückt. Der Fahrtwind und das laute Geräusch des Motors holten sie langsam zurück ins Hier und Jetzt. Und als sie in Kenmas Zimmer waren, war der Zauber verflogen. „Kennst du das? Runners High?“, fragte Yamagata. Er saß am Boden, während Kenma ausgestreckt auf dem Bett lag. „Hmmm?“, summte Kenma und drehte sich nur mühsam zur Seite, um wieder den Blickkontakt zu erlangen. „Das ist wie ein Rausch, wenn man super angestrengt ist und immer weiter macht und sich pusht und pusht und pusht und plötzlich kommt der Moment, wo man sich unbesiegbar fühlt. Ich glaube, das hatten wir gerade beide… Es tut mir leid, Kenma“, erklärte er. Kenma schwieg. Er griff nur langsam nach seinem Arm und strich daran hinunter, um seine Hand zu nehmen. „Es war wirklich aufregend und… ich würde gerne weiter mit dir fahren, wenn das für dich in Ordnung ist.“ Yamagata schnaubte amüsiert. „Natürlich will ich weiter mit dir fahren und ich will dich wieder küssen“, sagte er und tat es nach Kenmas Zustimmung. Vorsichtiger, als er den Jüngeren jemals berührt hatte. Kapitel 9: To be Continued -------------------------- Die beiden trainierten auch nach der Japanischen Meisterschaft weiter miteinander. Sie wollten noch viel mehr erreichen. Für die Asia Finals für ihr Land zu fahren zum Beispiel und wenn sie alt genug waren, an der Winterolympiade teilzunehmen oder gar zur Weltmeisterschaft der Erwachsenen zu fahren. Seit der Goldmedaille in Japan war die Stimmung zwischen ihnen anders. Yamagata konnte es sich schwer erklären, aber irgendwie war er seitdem noch vorsichtiger und fasste Kenma mehr denn je mit Samthandschuhen an. Übertragen nur, denn die einzigen Handschuhe, die er trug, waren seine Motorradhandschuhe. “Kenma?”, begann er eines Tages am Boden in seinem Kinderzimmer liegend. Er hatte die Füße wieder gegen die Wand gestemmt und machte Situps, während Kenma auf seinen Schienbeinen saß und in den Handheld versunken war. Mit einem knappen “Hm?”, wurde ihm symbolisiert, dass man ihm zuhörte. “Sag… hättest du es bereut, wenn wir weiter gegangen wären? Also, wenn auch Kuroo uns nicht noch erwischt hätte und wenn wir doch in die Kabine wären?” Für Yamagata war es eigentlich nicht schwer, es beim Namen zu nennen. Aber mit Kenma war einfach alles anders. Es war anders, dass er sich für einen Jungen interessierte. Es war anders, dass er zart und sanft war und es war anders, weil seine Gefühle so anders waren. Er blieb in der aufrechten Haltung und legte seine Hände auf Kenmas Knie. Zögerlich strich er weiter nach oben, vorsichtig wie immer, aber mit einer eindeutigen Richtung. So verstand auch Kenma, worauf er hinaus wollte. Er wandte das Gesicht ab und Yamagata löste sofort den zusätzlichen Körperkontakt. “Ich schätze schon”, murmelte Kenma. Yamaga ließ sich wieder sinken und blieb liegen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, weil er es damals wirklich fast einfach durchgezogen hätte. Er wollte Kenmas Worte, dass man draußen auf ihn wartete, mit einem weiteren Kuss übertönen und an der Klinke drücken, wenn da eben nicht auch noch Kuroo gewesen wäre. Jetzt zu hören, dass Kenma es bereut hätte, ließ ihn wirklich schrecklich fühlen. Aber nicht, weil er sich verraten oder verarscht vorkam. Sondern, weil er einen folgenschweren Fehler gemacht hätte, den er schlussendlich noch viel mehr bereut hätte. “Das ist okay, Kenma. Nur bitte sag mir das. Ich warte”, versicherte er ihm und hievte sich wieder hoch. So konnte er zumindest in sein Gesicht sehen, aber Kenmas Augen trafen seine nicht. Sie wichen weiter aus, wie es die gesamte Körpersprache des Jüngeren tat. Gerade, dass er die Konsole in seinen Händen nicht vors Gesicht hielt. “Und wenn du vergebens wartest?”, fragte Kenma. Yamagata legte ihm die Finger auf die Hände und holte sich so den Blickkontakt. “Ich weiß nicht… aber das ist nicht jetzt, oder? Und jetzt will ich warten”, war seine Antwort. Solange er ihn jetzt bei sich haben durfte, war alles gut für ihn. Was später kam oder nicht kam, war später. Er musste sich jetzt nicht den Kopf darüber zerbrechen. Eine Sache schoss ihm dann doch noch einmal ein. “Aber wehe, du spielst mit mir. Wenn du sowas nämlich noch einmal abziehst und mich dann nicht ranlässt, muss ich mir wohl oder übel mein Ding abhacken und dann haben wir ein Problem, wenn du bereit bist”, sagte er und ließ seine Beine mit Kenma sinken. Er setzte sich auf und ging ihm mit den Fingern sanft durchs Haar. Dabei achtete er darauf, dass er Kenmas Sicht nicht zu sehr öffnete, aber sein Fokus lag wieder auf dem Display. So sehr er dieses Gerät am Anfang liebte, weil er Kenma damit abstellen konnte und somit nicht für Unterhaltung sorgen musste, so sehr hasste Yamagata es in der Zwischenzeit. Er hasste auch die Schulbücher und Aufgabenzettel, die oft für eine Kluft zwischen ihnen sorgten. Aber so war das für Sportler in der Highschool. Die Schule nahm einen enorm großen Platz ein. “Willst du mit mir spazieren gehen?”, fragte er und Kenma hob den Kopf wieder. “Jetzt noch? Es ist spät?” War es. Es war schon dunkel und eigentlich sollten sie langsam (abwechselnd) das Badezimmer aufsuchen und sich bereit zum Schlafen machen. Kenma wollte noch unter der Decke weiterspielen, wie er es oft tat und Yamagata hätte versucht, einzuschlafen, was schon lange nicht mehr so einfach war. An den Wochenenden. Weil immer Kenma da war und ihn allein der Gedanke, dass er in der Nähe war, wach hielt . “Du wirst eh noch nicht schlafen und ich bin noch nicht müde. Also?”, versuchte er es noch einmal und stand auf. Yamagata zupfte sich die Lederjacke vom Schreibtischstuhl und hielt Kenma die Hand hin, weil dieser immer noch am Boden saß. ❄️ Draußen hielt Yamagata Kenmas Hand in seiner. Das war in den letzten Tagen öfter einfach so passiert und er wollte nicht, dass es sich änderte. Auch Kenma machte keine Anstalten, sich dieser Geste zu verwehren. “Kennst du das, wenn man ein Lied das erste Mal hört und man merkt sofort, das ist mein Lieblingssong? Für immer und ewig?”, fragte Yamagata, aber Kenma schüttelte den Kopf. “Ich kann doch jetzt nicht wissen, was für immer und ewig ist”, erwiderte er. Das war absolut korrekt. Aber Yamagata wollte auf etwas anderes hinaus. Etwas, das man aber wohl trotzdem mit derselben Antwort abspeisen konnte. “Naja… es ist nicht wissen… es ist mehr so ein Gefühl”, sagte er. Aber Kenma schwieg. Yamagata hob den Kopf und sah hoch zu den Sternen und dem Mond. “Und Schicksal? Glaubst du, dass es das gibt?”, fragte er weiter. Kenma hob den Blick und sah zuerst zu Yamagata und dann in den Nachthimmel. “Das wäre ziemlich lahm”, sagte er. Yamagata riss sich sofort von den Sternbildern los und suchte Blickkontakt. Er bekam ihn auch. “Warum lahm?”, wollte er wissen. Kenma zuckte mit den Schultern. “Ich bin gern selbst für mein Leben verantwortlich. Schicksal nimmt den Erfolg raus. Davon hab ich genug in den Videospielen, die haben immer eine Story und man kann nicht viel anders machen. Klar, gibt es mal Spiele mit alternativen Enden und auch open World Games, aber es gibt immer eine Bestimmung. Im echten Leben ist das anders und ein Achievement ist viel mehr wert”, erklärte er seinen Standpunkt und Yamagata musste zugeben, dass das gar nicht so doof klang. “Ich glaub trotzdem, dass es Schicksal war, dass wir uns getroffen haben. Was wir daraus machen, ist aber ganz unser Ding.” So würde er sich zumindest mit der romantischen Vorstellung von Schicksal und Bestimmung auf einen Kompromiss einigen. Denn anders als Kenma fand er es beängstigend, dass wirklich alles auf Zufall basierte. Da gab es für ihn zu viele Variablen, die ihn daran gehindert hätten, nun Kenmas Hand halten zu dürfen. Kenma schwieg, aber seine Finger drückten kaum merklich etwas fester zu. Yamagata schmunzelte. Er hat in den Wochen und Monaten gelernt, dass er bei Kenma auf die kleinsten Gesten achten musste und diese war viel größer als es schien. Für ein paar Schritte ließ er die Stille walten. Sie sahen beide wieder geradeaus und dann kamen sie an einem Kinderspielplatz vorbei. Yamagata schlug vor, sich auf die Schaukeln zu setzen. Es war ja niemand hier, der es ihnen hätte verbieten können. “Weißt du… ich wollte immer schon mit dir fahren. Seit ich dich das erste Mal gesehen hab”, sagte Yamagata mit ungewohnt nervöser Stimme. Das Quietschen der Seilhalterung erfüllte den Hintergrund. Kenma wandte seinen Blick zu ihm um und hob die Augenbraue. “Du meinst vor drei Jahren? Bei den Asia-Finals?”, fragte er, aber Yamagata schüttelte den Kopf. “Vor sieben Jahren. Ich war mit meinen Eltern in Tokio und da sind wir am großen Eislaufplatz gewesen und du warst auch dort. Mit Kuroo. Ihr habt Einzelfiguren gemacht und du warst wunderschön. Als Kind hab ich nicht verstanden, dass ich mich damals voll verknallt hab, so kindisch oder? Voll peinlich, aber ich hab zu meiner Mom gesagt, dass ich mal Paarlaufen will. Mit dir”, lachte Yamagata, aber in seiner Stimme lag Unsicherheit, weil er dieses lange Geheimnis nun lüftete. “Wirklich? Ich kann mich nicht an dich erinnern und ich mochte dich bis vor einem Jahr gar nicht”, sagte Kenma etwas betroffen, aber Yamagata schüttelte den Kopf. “Das ist egal, das hier und jetzt zählt”, sagte er, weil er weiterhin unsicher war. “Warum hast du früher nie was gesagt?”, fragte Kenma. Seine Finger weilten auf den Seilen der Schaukel. “Das sagt sich so einfach. Weißt du, wie schwer es ist, mal an dich ranzukommen, ohne dass dieser schneidige Kuroo um dich herum wuselt?" Yamagata wurde etwas lauter, aber nicht ungut. Dennoch sah ihn Kenma überrascht an. “Kuroo? Schneidig? Warum hat dich das aufgehalten?”, fragte er. Yamagata seufzte. “Gott, Kenma! Du stellst Fragen. Ich war eingeschüchtert” - “Du?” - “Ja Mann, Gefühle machen einen ganz komisch, okay?”, schnappte er fast schon aus, weil ihm das gerade so peinlich war. “Oh… ja, das versteh ich irgendwie”, murmelte Kenma mit einem verlegenen Lächeln und dann trat wieder Stille zwischen ihnen ein. Yamagata musste erst einmal verarbeiten, was Kenma da gesagt hat. Dass er das mit den Gefühlen verstand. Aber warum verstand er es? Ja klar, er hatte sie wohl. Aber hatte er sie für ihn? Er dachte, dass es anzunehmen war, weil sie sich geküsst hatten. Nicht nur einmal und weil sie sich berührten. Unschuldig gar, aber zuneigend. “Und jetzt? Bist du immer noch in mich verknallt?”, brach Kenma die Stille und Yamagatas Gedankenkarussell. “Nein… jetzt bin ich richtig verliebt” Kapitel 10: Cancelled --------------------- ❄️ Richtig verliebt. Auch Kenma war richtig verliebt. So richtig richtig. Das beschleunigte Herzklopfen hatte endlich eine Erklärung und das unruhige Kribbeln im Bauch waren Schmetterlinge, die total ausflippten. Mehr noch, seit Kenma endlich Gewissheit hatte, dass Yamagata auch richtig echte Gefühle für ihn hatte. Für ihn waren die Küsse nicht Sicherheit genug gewesen. Nicht ausreichend Bestätigung, weil Yamagata auch Schwimmerinnen geküsst hat und nicht so gesprochen hat, als wären Gefühle im Spiel. Davon, dass es tatsächlich nur eine war und dass die Treffen mit Mao irgendwann nur dazu dienten, dass sich Yamagata sein Herz bei ihr über sein irgendwie kompliziertes Verhältnis zu Kenma ausgeschüttet hat, hat er ihm nie gesagt. Würde er auch nicht. Denn sowas sah ihm gar nicht ähnlich und es reichte, dass Mao es wusste. Es sah Yamagata auch nicht ähnlich, dass er die Zukunft plante. In seinem Kopf würde er so lange Eiskunstlauf ausüben, bis seine Knie kaputt waren. Wenn er erst einmal aus den Schul- und Jugendturnieren raus war, konnte er es professionell machen und damit Geld verdienen. Für die Bewerbe der Erwachsenen galten allerdings andere Regeln. Strengere. Da gab es keine 3 Läufer für die Präfektur mehr oder 3 Paare je Region. Bei den Erwachsenen musste er immer der Beste sein. Mit Kenma. Mit Kenma… “Ich möchte nach der Schule nicht mehr Eislaufen”, mit diesen Worten hat Kenma Yamagatas ernstgemeinte Pläne zerschlagen. Er hatte bereits Überlegungen, dass er nach Tokio ging, sich eine kleine Wohnung suchte und Kenma stückchenweise zum Einziehen bringen könnte und dann könnten sie immer gemeinsam zum Training gehen und zuhause die Figuren im Trockentraining üben und statt über das Eis würde er Kenma ins Bett werfen und er würde… Nichts würde er. Kenma wollte sein restliches Leben Videospiele spielen. Online, sie streamen und damit Geld machen. Für Yamagata war das unverständlich. “Du kannst ja im Einzel weitermachen und ich unterstütze dich”, sagte Kenma und zuckte mit den Schultern, weil Yamagata protestierte und das Ende seiner Karriere betrauerte, noch bevor sie richtig begonnen hatte. “Ich kann dann von meinem erfolgreichen Freund bei den Olympischen Spielen reden”, schmeichelte er ihm und schon war die Sache wieder halb so niederschmetternd. “Und bis dahin fahren wir noch gemeinsam?”, fragte Yamagata und Kenma nickte. Noch ging ja zumindest Kenma zur Schule. ❄️ Der Gästefuton in Yamagatas Zimmer war irgendwann weggepackt worden, denn Kenma blieb eines Nachts im Bett liegen und war auch nicht in den frühen Morgenstunden wieder heraus geklettert, wie er es sonst gemacht hat, wenn er neben ihm eingenickt war. Dass Yamagata morgens ganz eilig aus dem Bett gesprungen und auf die Toilette gelaufen war, hat Kenma nicht bemerkt, noch weniger den Grund dafür. Und auch bei Kenma war das kleine Bett dann groß genug für sie beide. Bei ihm war es beim Fernsehen passiert, als Yamagata währenddessen den Arm um Kenma gelegt hatte. Kenma hat sich nah an ihn geschmiegt und wohlig geseufzt. Dass ihn das Programm gar nicht mehr interessierte, spürte Yamagata erst, als er den langsamen Atem vernahm, weil Kenma eingeschlafen war. Was nebenbei lief, wusste er selbst nicht mehr, denn seine Aufmerksamkeit lag ganz auf dem Jungen, der sich immer tiefer in sein Herz schlich, was den Umgang mit seinen anderen Bedürfnissen und Wünschen wachsend schwieriger machte. Aber er hat es nach ihrem Gespräch nicht mehr angesprochen. Er hat Kenma versprochen, zu warten und zu warten bedeutete, Kenma auf ihn zukommen zu lassen. Sie kamen sich dafür langsam Stück für Stück näher. Der erste Knutschfleck zum Beispiel war irgendwie aus dem Affekt passiert und hätte Kenma nicht peinlicher sein können. “Bist du verrückt? Das sieht man doch!” Sie standen gemeinsam im Badezimmer beim Zähneputzen, als Kenma das rote Mal an seinem Hals aufgefallen war. “Das bekommst du 100 Mal zurück”, drohte er. Eigentlich hätte er an Yamagatas schmutzigem Grinsen erkennen müssen, dass das alles andere als eine Drohung war, aber er war zu aufgewühlt. Zurück im Zimmer des Älteren machte Kenma umgehend die Tür hinter ihnen zu und begann an seiner Rache zu arbeiten. Er knabberte nicht nur an Yamagatas Hals herum, sondern tobte sich auch am Schlüsselbein entlang aus und auf den Schultern und nachdem Yamagata sich sein T-Shirt ausgezogen hat, auch etwas tiefer. So lange, bis er mit einem enttäuschten Seufzen aufgab. “Meine sieht man gar nicht…” Yamagata strich ihm zärtlich durchs Haar. Sein Atem war von Kenmas Zuwendung schon deutlich beschleunigt. Die beiden lagen auch bereits in Yamagatas Bett und genossen die Nähe zueinander. “Vielleicht sollte ich dir meine Technik zeigen”, schlug der Ältere vor, aber Kenma schüttelte sofort den Kopf. “Du hast genug angestellt”, blaffte er ihn an, aber konnte nicht lange eine böse Schnute ziehen. “Wir wärs mit einer Stelle, die keiner sieht?”, fragte Yamagata und streichelte vorsichtig Kenmas Seite entlang nach unten. “Es ist spät, wir sollten schlafen”, sagte Kenma rasch darauf und drehte sich aus der schönen innigen Haltung heraus. Es war noch lange nicht seine übliche Schlafenszeit, aber seine Comfortzone und Comfortzeit hatten sie dafür eindeutig passiert. Yamagata drehte sich auf den Rücken und fuhr langsam über die Stellen, an denen er vorhin Kenmas Lippen so intensiv gespürt hatte. Er wünschte ihm eine gute Nacht, aber Kenma schwieg. ❄️ Und eines Nachts passierte etwas, das Yamagata nie erwartet hätte. Die ganze Woche war anstrengend gewesen. Schule, Hausarbeiten für seine Eltern, sogar seinem Großvater hat er im Garten geholfen und das Training war fordernder denn je, wo die Asia Finals in Reichweite waren. Er hat sich sogar mehrmals mit Kenma in Fukushima getroffen, um dort bis in die Abendstunden in einer fremden Eishalle zu fahren. Danach war er besonders erledigt und fertig ins Bett gefallen. Als er aber mitten in der Nacht aufwachte und in Kenmas wunderschönes Gesicht sah, machte sein Herz einen Sprung, so hoch, wie es noch nie gesprungen war. “Hayato?”, flüsterte Kenma und Yamagata spitzte umgehend die Ohren. Erst einmal hat ihn er seit der Einführung des Spitznamen beim vollen Vornamen genannt und das war nach der Japanischen Meisterschaft im Gang, als sich die Spannung zwischen ihnen ganz besonders aufgebaut hatte. Kenmas Hand suchte nach seiner und er reichte sie ihm umgehend. “Kenma?”, fragte er ihn mit leiser Stimme. Sein Gesicht näherte sich und ihre Lippen trafen sich. Yamagata schloss die Augen und schob seinen anderen Arm unter den zarten Körper. Er legte ihm die Hand an den Rücken und schob ihn näher an sich. Kenmas Finger drückten fester zu, aber auch ihr Kuss wurde intensiver. Nichts, was nicht schon einmal vorgekommen war. Er und Kenma küssten einander in den letzten Wochen immer öfter und es wurde für Yamagata nicht selten richtig heiß, aber er hat Kenma stets darauf hingewiesen, der daraufhin abbrach. Es war in Ordnung. Es war fair. Aber es war so verdammt hart. Jetzt mit ihm im Bett zu liegen, schlaftrunken und noch nicht zu einhundert Prozent bei Sinnen, gingen auch seine Gedanken mehr denn je mit ihm durch. Seine Fantasien waren immer schon recht lebhaft, aber er war dabei für gewöhnlich alleine. Kenma löste den Kuss auf. “Ich hab mit Kuro gesprochen”, sagte er. Yamagata verdrehte die Augen. Immer dieser verdammte Kuroo. Er schwieg. “Und ich hab mir ein paar Dinge von ihm erklären lassen”, sprach Kenma weiter. Yamagata fragte sich, warum er ihm jetzt von Lerneinheiten mit seinem besten Freund erzählen musste. Der nächste Satz aber machte alles unheimlich klar: “Ich bin bereit” Yamagatas Herzschlag setzte aus. Sein Mund klappte auf, aber kein Ton drang über seine Lippen. “Bist du auch bereit?”, fragte Kenma und er nickte rasch. Er hätte einen Teufel getan, sich jetzt dagegen zu wehren. Hätte er auch am nächsten Morgen nicht oder vor Wochen oder in Monaten. Stattdessen löste er den Griff um Kenmas Finger und legte ihm die Hände an die Taille, während dieser bereits von sich aus über ihn kletterte. Sein Herz schlug schneller. Sein Urinstinkt kündigte sich an, aber er hielt sich zurück. Wenn er ihn jetzt überforderte, hätte er wohl für immer verloren. Kenma richtete sich auf und sah im Mondlicht einfach nur anbetungswürdig aus. Yamagata biss sich auf die Unterlippe und rutschte mit den Händen von der Taille über Kenmas Hüfte und Oberschenkel. Neckend ließ er den Daumen an die Innenseiten streichen und beobachtete, wie Kenma mit schnellem Atem darauf reagierte. Vorsichtig. Er musste vorsichtig sein. “Und… was hat dir Kuroo erklärt?”, fragte er und hätte sich für diese Frage am liebsten selbst geohrfeigt. Warum musste er Kuroo nun selbst ins Spiel bringen? Aber dann sprach Kenma von Vorbereitung, so sachlich und trocken, wie über alles andere, dass es Yamagata fast peinlich wurde. Aber nur fast, denn er erkannte in Kenmas Worten, dass er es ernst meinte und so baute sich die Vorfreude mit jedem weiteren Wort mehr auf, bis- “Und er hat gesagt, wir sollen ein Kondom verwenden, weil er nicht weiß, wo du schon überall warst. Aber du warst doch nie außerhalb von Japan, oder?", fragte Kenma und in Yamagatas Augen funkelte die Wut auf den besten Freund auf. “Ich hasse diesen Kerl”, knurrte er und packte Kenma an den Oberarmen, ihre Position zu wechseln. Einnehmend lehnte er sich über ihn und suchte tiefen Blickkontakt. “Aber wir verwenden eines, wenn du möchtest.” Er wäre in diesem Moment wohl auf jeden Wunsch eingegangen und er wollte auch jeglichen Gedanken an Kuroo verdrängen, denn der hatte hier nun wirklich gar nichts mehr zu suchen. Ihm war egal, ob er irgendeinen unchristlichen Segen von ihm bekam oder ob er für ihn auf Kenma eingeredet hat. Im nächsten Augenblick verflog das auch alles. Kenma legte ihm eine Hand auf die Brust, auch seine Hand fand den richtigen Platz und er fühlte sich nostalgisch an ihre erste geglückte Paarübung erinnert. Gleichklang der Herzen. Rasend diesmal. “Mach ich dich nervös?”, fragte Kenma. Das schmutzige Grinsen dazu gab ihm wirklich den Rest. “Ja Mann”, japste er nach Luft, weil die Hand nun tiefer wanderte und auch die zweite hinzu kam und über seinen Oberkörper glitt. Yamagata schluckte. “Ich dachte, du hättest damit schon Erfahrung” Kenma blinzelte frech. Yamagata lachte verhalten. “Nicht mit dir”, sagte er und lehnte tiefer um Kenma innig und leidenschaftlich zu küssen. Mit einer Hand stützte er sich neben ihm ab und strich ihm mit dem FIngern sanft durch das lange blonde Haar, die andere wanderte von seiner Brust weiter hinunter. Vorsichtig zur Taille, nicht auslassend jedes vom T-Shirt bedeckten Stückchens Haut, nach der er sich so sehnte, sie endlich direkt berühren zu dürfen. Er spürte, wie ihn der Kuss und die Berührungen immer mehr einnahmen, denn auch Kenmas Hände wurden neugieriger und bekundeten den starken Oberkörper. Ein wohliges Seufzen war zu hören. Als würde es Kenma mutiger machen, wurden seine Finger forscher und setzten ein deutliches Zeichen. Yamagatas Hand rutschte über Kenmas Taille zu seiner Hüfte und von dort unter das T-Shirt, aber da stoppte er. Ihn so zu spüren, beschleunigte seine Atmung wieder. Auch für Kenma wurde es wohl schier unmöglich, den Kuss aufrechtzuerhalten. Er löste sich wiederholt, doch Yamagata nahm seine Lippen immer wieder aufs Neue in Beschlag, bis er sich ungeduldig das T-Shirt über den Kopf hinweg zog und es aus dem Bett warf. Wie hypnotisiert betrachtete Kenma darauf die freigelegte Haut. Yamagata konnte die Finger genau dort spüren, wo er sah, dass die katzenartigen Augen ihn inspizierten. Er gab ihm Zeit und genoss es sichtlich. Vorsichtig schob er auch Kenmas T-Shirt etwas höher, aber spürte sofort den Widerstand. “Kenma, bitte… entschuldige”, sagte er leise und lockerte die Finger, aber Kenma schüttelte den Kopf. “Es ist okay, nur nicht so schnell”, drang ein Flüstern an Yamagatas Ohren, das ihm die aufkommende Anspannung wieder nahm. “Ich dachte schon”, begann er, aber Kenma grinste ihn wieder mit diesem viel zu frechen Gesichtsausdruck an. “Keine Sorge”, sagte er leise und zog ihn mit den Händen im Nacken näher, ihn wieder zu küssen. “Komm mir so näher”, hauchte er, bevor sich ihre Lippen versiegelten. Dieser Aufforderung kam er liebend gerne nach und drängte sich enger zwischen die schlanken Beine, wo gerade auch nur Platz für ihn war und niemals mehr sein würde. Wohligen Tönen folgten erregte. Ihre Küsse wurden wilder. Yamagata saugte fordernd an Kenmas Lippen, die so am nächsten Morgen noch deutlich Zeugen ihres Abenteuers sein würden. Irgendwann kamen Kenmas Finger am Bund von Yamagatas Hose an. Zögerlich zog er daran und Yamagata spürte, wie das Grinsen zwischen ihren Küssen schmutziger wurde. Es war zum Verrücktwerden. Kenma baute in seiner Hose bereits eine stattliche Reaktion auf das alles auf, dass es mit der Aufregung fast nicht mehr auszuhalten war, als er die Hand unter den Stoff gleiten spürte. Er öffnete den Mund für einen Laut, den Kenma hinter seinen Lippen sofort verstummen ließ. Ein angenehmer Schauer lief ihm über den Rücken. Endlich! Endlich würden sie diesen Schritt gehen und endlich würde Yamagata morgens nicht mehr abwägen müssen, ob er es einfach abwarten konnte oder ob er sich davonstehlen musste. Er kniff die Augen zu und löste den Kuss auf, um Kenma bei seiner nächsten Handlung ansehen zu können. Im Mondlicht erkannte er, wie entschlossen er war, da klappte ihm der Mund wieder auf und er wollte es sagen. Er wollte ihm die drei magischen Worte sagen, die er gerade so deutlich in seiner Brust spürte, doch es rumpelte plötzlich an seiner Tür und der Augenblick verschwamm. “Hayato, Liebling. Du hast Besuch”, die Stimme seiner Mutter riss ihn aus dem lebendigsten, heißesten Traum, den er je hatte. Hastig setzte er sich auf und zog eiligst die Decke bis zum Bauch, da ging die Zimmertür auch schon auf und seine Mutter schob Kenma regelrecht hinein. “Hey, du warst nicht am Bahnhof”, sagte er vorsichtig und musterte Yamagata im Bett. Der trug immer noch seine Schuluniform, aber sah nicht so aus, als wäre er gerade von dort gekommen. Vielmehr als wäre er über einen weiten Umweg nach Hause gelaufen und hätte sich durch etliche Lernunterlagen gewälzt. In Wirklichkeit schallte nun aber ein lautes Kraftwort durch Yamagatas Kopf, das ihm Kenma fast schon ansah und so irgendwie spürte, dass er ungelegen kam, obwohl es ausgemacht war. Sie wollten ja in die Eishalle, wie jeden Freitagabend. “Hey”, sagte Yamagata etwas brüchig im Abgang, mehr brachte er noch nicht über die Lippen. Er war auch noch nicht ganz wach und stand total neben sich. Sein Herz raste, der Atem ging wild und er achtete beim aufrecht Hinsetzen penibel darauf, dass die Decke nicht verrutschte. “Ist alles in Ordnung? Du siehst nicht besonders gut aus”, ertappte ihn Kenma natürlich. Er war aufmerksam, was für eine Frage, aber musste er ihn gleich bloßstellen? Stellte er ihn überhaupt bloß? “Ja, ja klar, ich bin beim Lernen eingepennt und hab etwas… Wildes geträumt”, sagte Yamagata und Kenma weitete die Augen mit einem leisen “Oh”. Einen Moment starrten sie einander so an. Bis Kenma die Stille wieder brach. “Gehen wir zur Eishalle?” “Natürlich, gleich, ich muss mir nur noch mein Ding abhacken", murmelte Yamagata undeutlich und sprang schnell aus dem Bett. Er lief an Kenma vorbei und ließ ihn in seinem Zimmer zurück. “Was?”, fragte er überrascht und Yamagata antwortete entfernt nur mit einem verzweifelten, hastigen: “Duschen! Ich bin duschen” “Aber… wir duschen doch danach”, sagte Kenma noch, aber Yamagata hörte ihn gar nicht mehr. Epilog: Epilog – perfect imperfection ------------------------------------- Gefühle, sagt man, machen alles kompliziert. Gefühle treiben uns zu Fehlern und Fehler sind das Inbild der Imperfektion. Doch liegt in manchem Fehler verborgen Schönheit. Schönheit, die der Perfektion ins Gesicht lacht und sie neu definiert. Ein Makel, ein riskanter Ansatz, ein Stückchen Chaos. Das gewisse Etwas. Die Spannung. Unperfekt zwar, aber perfekt, wenn sich alles fügt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)