Kein Ende in Sicht von silbiechan ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Der Mond strahlte hell durch das spärliche Blattwerk. Ein einzelner, verlorener Lichtstrahl trat kurz vor ihren Füßen auf die Erde. Wie sollte sie es schaffen? Sie blickte Van an, ihren Van. Wie eine hilflose, übergroße Puppe hing er an dem Baum. Das blasse Weiß des Spinnengewebes leuchtete grell im Gegensatz, zu seiner dunklen Haut. Er sah zerbrechlich und verletzlich aus. Wie sollte sie ihm helfen? Wie? Dicht über ihr knisterte es im dunklem Blätterdach. Überrascht hob sie ihren Kopf. Eine kleine pelzige Gestalt mit winzig kleinen, drahtigen Flügeln flog über ihren Kopf. War das nicht eines der Wesen, das sie am Fuß der Bäume gesehen hatte? Es sah aus wie ein Vogel, aber sein Fellkleid. Was hatte das zu bedeuten? Sie schüttelte resignierend den Kopf. Sie befand sich schließlich auf Gaia und konnte doch wirklich mit allem rechnen. Aber halt, Runa hatte ihr doch gesagt, dass dieser Teil Gaias, auf dem sie sich befanden, noch unerforschter und gefährlicher war, als der bekannte, alte Kontinent. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Ein plötzlicher Luftstoß wehte durch ihre Haare. Was waren das für Gedanken? Der alte Kontinent, woher kamen diese Gedanken? Was hatte das zu bedeuten? Sie schüttelte kurz ihren Kopf. Diese Fragen würden sich schon irgendwann klären und jetzt war außerdem nicht die Zeit dazu. Verwundert betrachtete sie das Wesen. Es zog immer kleinere Kreise und näherte sich ihr langsam. Sie konnte seinen blassblauen Schnabel in der Dunkelheit glänzen sehen. Seine Augen blitzten. Die Bewegung seiner Flügel wurde immer langsamer, sie wippten träge im Wind. Es starrte in ihre Richtung. Mutlos schloss sie ihre Augen, es sollte verschwinden, sie wollte verschwinden. Enttäuscht öffnete sie ihre Augen erneut, das Wesen saß plötzlich auf dem ihr nähstem Ast. Es blinzelte sie an. Nur um sich selbst zu beruhigen sprach sie ihre Gedanken aus, ohne sich jedoch eine Antwort zu erhoffen. "Was willst du? Warum starrst du mich an?" "Meine Herrin hat mich geschickt, um dich zu beobachten." Ihr Herz schien stehen zu bleiben wollen, Panik durchschwemmte ihren Körper. Der Boden schien unter ihr zu versinken. Ihre Arme kribbelten, ein Gefühl der Taubheit ergriff sie. Es hatte zu ihr gesprochen, was hatte das zu bedeuten? "Mädchen, warum fürchtest du dich?" Erschrocken wich sie zurück. Sie trat ins Bodenlose, spürte förmlich die unendliche Tiefe unter sich. In wilder Panik riß sie ihre Arme in die Höhe, irgendwo musste sie sich doch festhalten können. Ihre Finger gruben sich schmerzhaft in die Kante der alten, morschen Rinde. Ihre Hände klammerten sich an das dünne Ende des Astes, er bog sich leicht unter ihr. Sie spürte, dass ein oder zwei Fingernägel abbrachen. Aber was bedeuteten schon Fingernägel, wenn sie nicht in die dunkle, hoffnungsvolle Tiefe fallen würde. Ihre Beine baumelten in der Tiefe. Sie richtete ihren Blick auf, das gefiederte Wesen stand direkt vor ihr. Es blickte in ihre tiefgrünen, von Panik erfüllten Augen. "Mädchen, du musst dich an meinem Hals festhalten. Du darfst nicht fallen, vertraue mir, es ist die einzige Möglichkeit." Sie blinzelte ihn misstrauisch an, wenn er aber nur eine Täuschung ihrer verzweifelten Sinne war. Egal, sie hatte nun wirklich nichts zu verlieren. "Mädchen, beeile dich. Der Ast bricht." Der Vogel schien ihr von zu kleiner Größe zu sein um sie zu tragen. "Vertraue mir. Ich werde es schaffen." Las er ihre Gedanken oder was sollte das bedeuten? Mühsam lockerte sie ihre verkrampfte Hand und tastete nach seinen kleinen, schmächtigen Hals. Ihre Fingerspitzen berührten sein weiches und warmes Fell, neue Hoffnung erfasste sie. Aber ihre andere Hand verlor den Halt, ihre ganzes Gewicht lagerte jetzt auf dem kleinen Körper des seltsamen Vogels. Seine Krallen verlagerten sich in dem Ast, sie hörte das leise Splittern des Holzes. Sie hing frei in dieser Höhe. Woher nahm dieser Vogel seine unvorstellbare Kraft? Er blinzelte sie erneut an. Ohne hörbare Anstrengung in seiner Stimme sprach er zu ihr. "Du musst deine andere Hand auch um meinen Hals legen." Sie schlotterte. "Ich... schaffe es...n.." Er unterbrach sie energisch. "Mädchen, was hast du alles schon erreicht und bewältigt? Das wirst du auch schaffen." Was hatte sie schon alles bewältigt? Erinnerungen, Bilder ihrer ersten Zeit auf Gaia schossen ihr durch den Kopf. Der Kampf gegen die Zaibacher, die unzähligen Male die sie Van vor den Zaibachern gerettet hatte. Es warimmer so knapp gewesen. Ja, was? Mühsam versuchte sie ihre linke Hand zu heben, sie baumelte nutzlos an ihrer Seite herunter. Sie war völlig kraftlos, sie konnte sie nicht bewegen, sie musste es schaffen. Sie drückte leicht ihre Finger auf ihren Handballen, ihre Hand kribbelte leicht. Es floss wieder Leben in ihre Hand. Langsam streckte sie zuerst ihre Finger aus, danach die gesamte Hand und schließlich, aber sehr langsam, ihren ganzen Arm. Sie schloss ihren linken Arm um den Hals des Vogels. "Mädchen, ich habe es dir doch gesagt." Seine Augen glänzten freudig. "Und was nun?" Fragte sie ihn ungeduldig. "Ich kann hier ja nicht ewig hängen bleiben." Sein Kopf wippte kurz. "Ja, ja." Er breitete seine kleinen, drahtigen Flügel aus. Ein greller Lichtstrahl breitete sich vor ihr aus. Solch einen Lichtstrahl hatte sie noch nie gesehen, er unterschied sich stark von den ihr bekannten. Er besass keine erkennbare Form, er breitete sich in dem gesamten Raum vor ihr aus. Das vogelähnliche Wesen war darin verschwunden. Aber sie spürte, dass ihre Hände um seinen dünnen Hals lagerten. Sie sah ihn nicht mehr, das war alles. Hoffentlich. Sie musste kurz ihre Augen schließen, das Licht war zu grell. Es stach in ihren Augen. Das Licht verebbte und sie öffnete sie wieder. Der kleine unscheinbare, pelzige Vogel von der Größe einer Taube war verschwunden. Vor ihr stand ein großer, prachtvoller Vogel, dessen schwarzes Fell von kleinen, silbernen Feder unterbrochen wurde und prächtig im Mondlicht schimmerten. Sie starrte ihn verwundert an. Ohne das sie es wirklich bemerkte, hellte sich der Himmel über dem Blätterdach auf. Der Tag dämmerte. "Mädchen, halt dich fest." Sie konnte nur kurz und verwundert blinzeln. Er trat einen kraftvollen Schritt und zog sie mit sich. Sie wimmerte kurz. Ihr Bauch schliff über die rauhe, splitterige Rinde des Astes. Ihre Bauchwunden rissen auf, sie brannten, aber sie hing endlich nicht mehr über der Tiefe. "Mädchen, steh' auf." Sie lag ausgestreckt auf dem dicken Ast. Sie hob ihren Kopf, eine schwarze Strähne fiel ihr in die Augen. "Was hat das zu bedeuten?" Sie stemmte sich mit ihren Händen ab. "Erzähl es mir. Was hat das zu bedeuten? Was bist du für ein Wesen?" "Meine Herrin hat mir es nicht gestattet, es dir zu erklären." "Wer ist deine Herrin?" Er schüttelte spöttisch sein prächtiges Haupt. "Mädchen, du wirst es noch erfahren. Ich bin nicht in der Lage es dir zu erklären." "Bist du etwa auch ein Untertan dieser seltsamen Königin wie Runa?" Er starrte sie kurz erschrocken an, aber nach einer Sekunde hatte er seine Mimik wieder unter Kontrolle. "Mädchen, du weißt nicht worüber du sprichst." Sie schaute ihn verwundert an, sie hatte doch nichts Bedeutendes gesagt. "Mädchen, man muss nicht immer etwas sagen, um sich zu verständigen. Das müsstest du wissen." "Was meinst du?" Er strahlte sie an. "Wenn du es nicht weißt, musst du es herausfinden. Aber das ist jetzt unbedeutend." Er richtete seinen Blick auf Van. "Du willst, dass ich dir helfe." Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Sie nickte leicht. "Ich kann dir, aber nur begrenzt, helfen." "Was meinst du?" "Ich darf ihn nicht befreien." "Warum nicht?" "Es ist mir nicht gestattet." Er blickte sie direkt an. "Steig' auf meinen Rücken, ich werde dich tragen." "Was meinst du mit tragen?" "Ich bin ein geflügeltes Wesen, oder etwa nicht? Ich werde dich auf seine Höhe bringen." Er deutete mit seiner pechschwarzen Schwinge auf den hilflosen Van. "Aber.." "Ich weiß, dem Mädchen müssen wir auch helfen." Seine Schwingen kämpften gegen den plötzlich aufgekommenen Wind. Er schwankte gefährlich. Sie klammerte sich erschrocken an dem Vogel fest. Warum hat sie sich darauf eingelassen? Es wäre einfacher gewesen, wenn sie geklettert wäre. Aber das konnte sie jetzt nicht mehr ändern. "Mädchen, halte dich lieber fest." Als ob sie es nicht selber wüsste, was war das für ein seltsamer "Vogel"? Er benahm sich wie ein Mensch und besaß das Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)