Wir sind keine Engel von Lethtendris (Oder doch?) ================================================================================ Kapitel 4: Get this Party started --------------------------------- Wir sind keine Engel Kapitel 4: Get this Party started Schwarz verließen nacheinander das Wohnzimmer und begaben sich auf die Suche nach ihren Schützlingen. Farfarello, der vorausgegangen war, fand nach kurzer Zeit die Gesuchten. Er blieb im Türrahmen stehen und betrachtete argwöhnisch die vier am Tisch sitzenden Gestalten. Dann trat er einen Schritt auf den Flur zurück und rief die anderen zu sich. „Ich habe sie gefunden." Als die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten, betraten sie die Küche. Schuldig seufzte. „Also jetzt müssen wir wohl die ganze Zeit an ihnen kleben." Es passte ihm zwar nicht, aber mittlerweile hatte er akzeptiert, dass es ihre einzige Möglichkeit war. Immerhin hatte er nicht das schlimmste Los gezogen. Ken, zum Beispiel, wäre ihm um einiges unsympathischer gewesen, er hasste Fußball. Und Aya wäre ihm definitiv zu langweilig gewesen, der hatte doch nichts anderes im Kopf als seine Schwester und seine Arbeit. Omi wäre vielleicht auch noch akzeptabel, auch wenn man sich neben so viel geballter Intelligenz wohl über kurz oder lang leicht minderbemittelt vorkam. Das war ja schon bei Nagi so, wenn er zu viel Zeit mit ihm verbrachte. Nicht, dass er das jemals zugeben würde, immerhin war er das Mastermind mit einem zum Durchschnitt gesehenen nicht unbeachtlichen Intelligenzquotienten. Nagi ging zu Aya hinüber, stelle sich neben seinen Stuhl und betrachtete ihn kurz. "Irgendwie weiß ich immer noch nicht genau, was wir hier eigentlich tun sollen. Ich meine, bisher konnten sie ja eigentlich auch ganz gut auf sich alleine aufpassen." „Vielleicht hatten sie vorher andere Schutzengel und die machen jetzt etwas anderes oder sind bei Gott", mutmaßte Farfarello und zuckte mit den Schultern. „Oder es wird für sie gefährlicher, so dass sie auf sich allein gestellt nicht mehr überleben würden", meinte Brad und zuckte ebenfalls die Achseln. „Im Prinzip ist es doch auch eigentlich egal. Wir sind hier und haben einen Job zu erledigen. Wie auch immer der im Detail aussehen mag. Passt halt penibel auf sie auf." Omi stand von seinem Platz auf und begann damit, das Geschirr zusammen zu räumen. „Lass mal bleiben", sagte Yohji lächelnd und nahm ihm das Geschirr aus der Hand. „Ich mach das schon, du marschierst auf dein Zimmer und schläfst dich erst mal aus." „Danke, Yohji-kun, aber Tisch abräumen hätte ich auch noch geschafft." Trotzdem wandte sich das jüngste Weiß-Mitglied ab und verließ die Küche. Dabei lief er genau durch Brad hindurch, der immer noch in der Tür stand. Sein Schutzengel zuckte unwillkürlich zusammen und blickte etwas missmutig drein. „Ein seltsames Gefühl", bemerkte er und drehte sich um, um Omi zu folgen. Auch der blonde Junge stutzte kurz bei der Berührung. „Ist hier irgendwo ein Fenster auf? Es zieht irgendwie ein bisschen." Aya nickte bestätigend. „Oben im Badezimmer zum Lüften. Mach es zu, wenn es dir zu kalt ist." „Okay, werde ich tun. Ich bin dann in meinem Zimmer." Mit diesen Worten verschwand er schließlich in den Flur. Dort schnappte er sich seine Schultasche und lief die Treppe nach oben in den ersten Stock zu seinem Zimmer. Omi öffnete die Tür und betrat sein Reich. Er stellte seine Schultasche neben seinem Schreibtisch ab und wandte sich dann wieder ab, um ins Bad zu gehen. Dort schloss er zunächst das Fenster und öffnete dann den Medizinschrank, um darin herumzuwühlen. Vielleicht sollten sie ihn doch mal aufräumen und alphabetisch ordnen, wie Aya es vorgeschlagen hatte. Nach einiger Zeit fand er zumindest einen Teil von dem, wonach er suchte. Er fischte die weiß-grüne Schachtel aus dem Schränkchen und nahm sich zwei Kopfschmerztabletten heraus, die er sofort mit einem Schluck Wasser aus dem Wasserhahn hinunterspülte. Danach setzte er seine Suche fort und durchwühlte auch sämtliche andere Schränke in ihrem Badezimmer. Brad sah dem Jungen währenddessen interessiert zu. „Also ein wenig mehr Ordnung könnten sie bei ihren Medikamenten und dem Verbandszeug schon halten. Ich glaube, ich will nicht wissen, wie das hier nach einer Mission zugeht, bei der sie mehr als nur blaue Flecken davon getragen haben.“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. So etwas hatte es bei Schwarz nicht gegeben, auch wenn einige Mitglieder zugegebenermaßen in ihrer Lebensführung ein wenig chaotisch veranlagt waren. Auf einige Dinge hatte der Amerikaner trotzdem penibel geachtet. Als auch die weitere Suche nach einer viertel Stunde erfolglos blieb, seufzte Omi gequält und räumte alle herausgekramten Gegenstände wieder in die Schränke zurück. Er verließ das Badezimmer wieder und überlegte, wo er noch nach der Salbe für Prellungen und Sportverletzungen suchen konnte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Natürlich bei Ken! Wer sonst zog sich in seiner Freizeit so viele Blessuren zu wie ihr eifriger Sportler? Der blonde Junge steuerte das Zimmer seines Freundes an und stieß die nur angelehnte Tür auf. Er betrat den Raum und musste aufpassen, nicht auf irgendetwas zu treten. Ken hatte scheinbar all seine Habseligkeiten auf dem Fußboden verteilt. Zeitschriften, Sportgeräte, CDs, Kleidungsstücke ... einfach alles lag in dem Zimmer verstreut. Da fragte man sich, was dieser Mann in seinen Schränken hatte. Und vor allem: Wo sollte man in diesem Durcheinander nur eine winzige Tube Salbe finden? Da konnte man froh sein, dass er seine Unordnung nicht auch noch auf das ganze Haus verteilte. Aber darauf achtete Aya glücklicherweise. Trotz der geringen Erfolgsaussichten machte Omi sich daran, das Zimmer zu durchsuchen. Schnell beschlich ihn das Gefühl, dass sie bereits Missionen mit null Aussichten auf Erfolg besser gemeistert hatten. Auch dieses Suchspielchen sah Crawford sich eine Weile an. Für ihn war es kaum zu fassen, dass er sich dieses Elend jetzt auf unbestimmte Zeit noch antun musste. Soviel Unfähigkeit auf einem Haufen und dann auch noch direkt an einem Tag hielt doch niemand aus, nicht einmal oder besser gesagt, gerade er. Unfähige Leute waren etwas, was er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Das Beste war wohl, Bombay beim Suchen zu helfen, um schnellstmöglich ihr Pensum an guten Taten zu erfüllen und das möglichst unauffällig. Brad ließ seinen Blick weiter durch das Zimmer schweifen und meinte langsam ein Muster in der Art und Weise zu entdecken, wie dieser Mensch scheinbar seine Prioritäten setzte. Sein Fußball hing beispielsweise gut erreichbar in einem Netz von der Decke und er entdeckte noch einige andere Auffälligkeiten. Zunächst überlegte der bebrillte Mann wo ein Sportler, auch wenn er scheinbar der unordentlichste Mensch der Welt war, etwas ablegen würde, was er wohl regelmäßig brauchte. Natürlich würde er es griffbereit halten, wie zum Beispiel auf oder in seinem Nachttisch. Er suchte besagte Stelle ab, konnte die Salbe allerdings nicht finden, weder auf dem Nachttisch, noch daneben oder unter dem Bett. Die Schublade konnte er wohl kaum öffnen, ohne dass Omi direkt misstrauisch wurde. Andererseits war der Junge gerade damit beschäftigt Schicht für Schicht das gestapelte Gerümpel vom Schreibtisch abzutragen, dort die Schubladen zu durchsuchen und das danebenstehende Regal zu inspizieren. Vielleicht würde es ihm doch nicht auffallen, Crawford musste ja nur leise sein und darin sollte er Übung haben. Der Schwarz-Leader widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Nachttisch und zog die Schublade geräuschlos ein Stück auf. Er spähte hinein und entdeckte neben einigen interessanten Kleinigkeiten auch die Salbe, die Omi suchte. Jetzt musste er seinen Schützling nur noch auf seine Entdeckung aufmerksam machen. Die anderen Inhalte der Schublade sollte der Siebzehnjährige allerdings wohl nicht sehen. Kurzerhand nahm Brad die Tube heraus und ließ sie neben den Nachttisch fallen. Durch das leise, dumpfe Geräusch wurde der blonde Junge von seiner Regaldurchsuchung abgelenkt. Er ließ von seiner Tätigkeit ab und blickte sich in dem Zimmer um. Wahrscheinlich war nur etwas irgendwo heruntergefallen, was hier ja nicht weiter verwunderlich war. Sein Blick heftete sich schließlich auf Kens Nachttisch und er kämpfte sich seinen Weg dorthin durch den verstreuten Plunder. Schließlich erspähte er auch die Tube und er schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Ken-kun, kannst du denn niemals Sachen wieder an ihren Platz zurücklegen?“ Omi nahm die Salbe und verließ das unordentliche Zimmer, um gleich darauf wieder sein eigenes zu betreten. Hier zog er sich seinen Pullover aus und fing an seinen Arm mit der milchigen Paste einzuschmieren. Er ließ die Salbe kurz antrocknen und nutzte die Zeit, um noch kurz nach E-Mails zu schauen. Eigentlich war der junge Weiß bisher ein recht akzeptabler Zeitgenosse, fand Brad und hoffte, dass dies auch so blieb. Er war im Gegensatz zu seinem Kollegen, bei dem er nun doch recht froh war, ihn nicht als Schützling abbekommen zu haben, zumindest einigermaßen ordentlich. Mal von den CDs, Disketten, Computerzeitschriften und Ersatzteilen, die rund um seinen PC drapiert waren, abgesehen. Aber ungefähr so sah es schließlich auch in Nagis Zimmer aus, das hatten Computercracks wohl so an sich. Als Omi der Meinung war, das die Salbe genügend getrocknet war, zog er nun auch seine Hose aus und hängte sie zu seinem Pullover über die Stuhllehne. Dann zog er die Vorhänge zu und tat, was die anderen ihm empfohlen hatten. Er kroch in sein Bett, kuschelte sich in die Decke und war bald darauf eingeschlafen. Jetzt gab es für seinen Schutzengel nicht mehr wirklich etwas zu tun. Er nutzte die Zeit, um das Zimmer des Jungen genau zu inspizieren. Ken und Yohji öffneten nach ihrer Mittagspause wieder den Blumenladen und traten dem alltäglichen Ansturm von Schulmädchen entgegen. Wie üblich waren die wenigsten Mädchen in den Laden gekommen, um etwas zu kaufen. Ihr Hauptinteresse galt stattdessen dem Anhimmeln ihrer Idole, auch wenn sie enttäuscht darüber waren, an diesem Tag nur zwei von ihnen anzutreffen. Auch die Mädchen aus Omis Schulklasse waren anwesend und umringten die beiden jungen Männer, um sie mit Fragen über ihren Klassenkameraden zu bombardieren. „Was ist mit Omi? Ist er ernsthaft krank?“, fragte die Erste neugierig. „Der Lehrer hat ihn früher nach Hause geschickt, weil es ihm nicht gut ging“, ergänzte die Nächste. „Hoffentlich ist es nichts schlimmes“, setzte eine Dritte hinzu. „Er wird doch bald wieder gesund, oder?“, fragten einige andere besorgt. Aus dem bald anschwellenden Geschnatter konnte man kaum noch vollständige Sätze heraushören. Schuldig amüsierte sich über diese Vorstellung prächtig. Außerdem war es die geradezu perfekte Situation, um einigen der etwas reiferen jungen Damen in den Ausschnitt oder unter den Rock zu gucken. Dieser kleine Zeitvertreib verlor jedoch schnell wieder seinen Reiz für ihn, es war in der spärlichen Auswahl kaum etwas dabei, was für ihn von Interesse gewesen wäre. Stattdessen beobachtete er das Szenario noch eine Weile und versuchte dann, Farfarello in ein Gespräch zu verwickeln. „Was meinst du, Farf? Geht das hier jeden Tag so ab? Oder ist das nur ein Ausnahmezustand, weil das süße, kleine Unschuldslamm krank ist?“ Der Mann mit der Augenklappe zuckte nur mit den Schultern. „Also wenn das hier jeden Tag so chaotisch zugeht, wundere ich mich darüber, dass noch keiner von ihnen absolut übergeschnappt ist.“ Kurzes, andächtiges Schweigen folgte als Antwort des Deutschen, während er den anderen mit einer skeptisch nach oben gezogenen Augenbraue musterte. Dann fand er seine Sprache wieder und meinte etwas trocken mit seinem üblichen, sarkastischen Grinsen: „Na du musst es ja wissen.“ Alle Bemühungen Kens, die Mädchen zu beruhigen scheiterten zunächst kläglich, bis auch er die Fassung verlor. „Yohji! Jetzt tu doch auch endlich mal etwas.“ Der Angesprochene seufzte leise. Eine so aufgebrachte Schar pubertierender Mädchen war nur schwer wieder unter Kontrolle zu kriegen. Er klatschte versuchsweise ein, zwei Mal in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen. „Wenn ihr nacheinander redet, versteht man euch besser. Und Omi geht es den Umständen entsprechend gut. Wir vermuten, dass er eine leichte Grippe hat. Am Montag ist er wohl wieder in der Schule.“ Die Schulmädchen lauschten dem Älteren andächtig und setzten besorgen Minen auf. „Eine Grippe.“ „Vielleicht sollte er doch besser zum Arzt gehen.“ Ken erhob beruhigend die Hände. „Warten wir es erst mal ab. Omi ist nicht der Typ, der direkt für jedes kleine Wehwehchen zum Arzt rennt. Wenn es ihm Montag nicht besser geht, werde ich ihn aber persönlich dorthin schleifen, versprochen.“ „Bis dahin könnt ihr ihm ja eine gute Besserung wünschen“, meinte Yohji und setzte mit einem gewinnenden Lächeln hinzu: „Zum Beispiel mit ein paar hübschen Blumen und Genesungskarten.“ Einige der Mädchen schienen diesen Vorschlag sogar ernst zu nehmen und fingen an, einige Blumen auszusuchen. „Ach, ist Omi nicht wunderbar?“ „Hart im nehmen. Eben ein richtiger Mann.“ „Ganz anders, als die anderen unreifen Jungs in unserer Klasse.“ So langsam konnte selbst Yohji dieses schmachtende Getue kaum noch ertragen, schließlich galt es nicht einmal ihm. Er stand kurz davor die Mädchen, die nichts kaufen wollten, zum Gehen aufzufordern. Diese Arbeit wurde ihm allerdings bereits von jemand anderem abgenommen. „Wer nichts kaufen will, raus! Lasst die zahlenden Kunden vor“, ertönte eine wohlbekannte, kühle Stimme in einem nicht unbedingt wohlwollenden Tonfall. Aya hatte gerade den Laden betreten, stand nun mit vor der Brust verschränken Armen mitten im Getümmel und starrte unfreundlich die Leute an. Zwar gab es wieder einige leise getuschelten Beschwerden über Ayas abweisende und unhöfliche Art, aber die Reihen der Kunden lichteten sich. So hatten Ken und Yohji Gelegenheit, sich um die zahlungswilligen Kunden und vor allem um die Schulmädchen zu kümmern, die Omi mit ein paar Blumen eine baldige Genesung wünschen wollten. Der Rotschopf nahm sich die Liste für die anliegenden Auslieferungen und überprüfte, ob die anderen Beiden bereits alles vorbereitet hatten. Glücklicherweise war das der Fall und er konnte sofort wieder weg von dem Getümmel. Er mochte Menschenaufläufe immer noch nicht wirklich. „Ich bin in ein bis zwei Stunden wohl wieder zurück, denke ich. Je nachdem wie der Verkehr ist. Macht nicht zu viel Blödsinn.“ Mit diesen Worten war Aya auch schon, mit einer großen Kiste voller Blumen beladen, aus dem Laden verschwunden. Auch Nagi hatte die Szene neugierig verfolgt und war froh darüber, dass er seine Zeit jetzt nicht in dem kleinen Verkaufsraum verbringen musste. „Ich bringe Omi die Blumen nach oben", sagte Yohji und sammelte die kleinen Sträuße ein, die sich hinter der Theke angehäuft hatten. „Du kannst ihm auch direkt Bescheid sagen, dass es in einer halben Stunde Abendessen gibt", meinte Ken über die Schulter hinweg, während er die Rollläden hinunter ließ und den Laden schloss. „Okay, mach ich", antwortete der andere knapp und ging zunächst ins Wohnzimmer, um einige Vasen aus dem Schrank hervorzuholen und die Blumen darin zu drapieren. Dann ging er voll beladen die Treppe nach oben und tastete sich langsam vor, da er die Stufen nicht sehen konnte. Schuldig wich nicht von seiner Seite, gab acht das sein Schützling keinen Unfall baute und kam sich vor wie ein Babysitter. „Und so was ausgerechnet mir. Vielleicht hätte ich einige Dinge in meinem Leben doch anders machen sollen. Zum Beispiel Nagi weniger ärgern oder so. Aber das hier ist doch wirklich eine Zumutung. Ich kann mir niemanden vorstellen, der diesen Job gerne macht.“ Er schimpfte und fluchte weiter vor sich hin, hören konnte ihn außer den anderen Schwarz-Mitgliedern ja sowieso niemand. Und bei ihnen war es dem Deutschen egal, ob er sie nervte. Im ersten Stock angekommen klopfte der Mann mit dem gewellten Haar an Omis Zimmertür. „Omi? Kann ich reinkommen?" Da er zunächst keine Antwort erhielt, klopfte er erneut. Als das erhoffte ‘Herein‘ wiederum ausblieb, öffnete er leise die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. Der abgedunkelte Raum wurde nur durch das Licht, dass nun durch die Tür fiel erhellt. Yohji ließ kurz seinen Blick durch den Raum schweifen und erblickte den Jüngeren in seinem Bett liegend. Ein liebevolles Lächeln stahl sich auf das Gesicht des hochgewachsenen Mannes, als er den Schlafenden betrachtete. „Wenn ihr ihn wach macht, muss ich euch leider grausam dafür bestrafen“, erklärte Brad und musterte die beiden Neuankömmlinge. Dann fragte er humorlos: „Kannst du deine Ausbrüche eigentlich auch mal für dich behalten oder zumindest leise herum meckern? Du bist immer noch genauso schlimm wie vor deinem Tod.“ Schuldig schüttelte den Kopf. „Wie willst du das denn machen? Erstens geht das nicht und zweitens darfst du es auch gar nicht. Deine einzige Lebensaufgabe besteht nur noch darin, Babysitter zu spielen. Und zwar nur bei deinem Baby, falls du dich erinnerst, was das Federvieh erzählt hat.“ Dann grinste er überlegen und fügte sarkastisch hinzu: „Außerdem ist mein Gemecker ganz uneigennützig, ich will doch nur das du dich heimisch fühlst, Bradley.“ Für diese Bemerkung und vor allem für das andichten einiger zusätzlicher Buchstaben an seinen Namen, fing sich der Deutsche einen bitterbösen Blick des Brillenträgers ein. Da Yohji von alle dem verschont blieb, betrat er leise das Zimmer und stellte die Blumenvasen behutsam auf den Schreibtisch, sorgsam darauf bedacht, Omi nicht aufzuwecken. Dann schlich er sich wieder hinaus und zog die Tür lautlos hinter sich ins Schloss. „Ich glaube nicht, dass Omi heute mitisst", erklärte Yohji, als er die Küche betrat und direkt die Kaffeemaschine ansteuerte. Ken schaute von den Karotten, die er gerade schälte auf und sah seinen Freund fragend an. „Wieso denn nicht? Hat er keinen Hunger?" Der Mann mit dem honiggoldenen Haar schüttelte leicht den Kopf. „Nein, er schläft. Und extra zum Essen sollten wir ihn nicht aufwecken. Ist besser, wenn er sich mal richtig ausschläft." Der Fußballer nickte zustimmend und widmete sich dann wieder seinem Gemüse, während Yohji Kaffeepulver und Wasser in die Kaffeemaschine einfüllte und diese anstellte. Dann setzte er sich an den Küchentisch, zog den Aschenbecher zu sich hin und fischte eine zerdrückte Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche. Als Ken das leise Klacken und Zischen des Feuerzeugs vernahm, fing Yohji sich einen missbilligenden Blick von diesem ein. „Guck nicht so. Wo soll ich denn sonst rauchen? Im Wohnzimmer darf ich ja nicht mehr", rechtfertigte Yohji sich und inhalierte den blauen Dunst seines Glimmstängels. Schuldig betrachtete das sich ihm darbietende Bild sehnsüchtig. „Ich will auch eine rauchen. Tot sein ist echt ätzend. Nicht mal die kleinsten Freuden sind einem dann noch vergönnt." „Ist doch eine gute Gelegenheit für dich, endlich damit aufzuhören", meinte Farfarello unbeteiligt und hob seinen Blick nicht von Kens Händen. Mit einem Gemüsemesser und einem Sparschäler konnte man sich schließlich ebenso schneiden, wie mit jedem anderen Messer. Er war sehr darauf bedacht, dass die Klingen nicht den kleinsten Schnitt verursachten. „Aber ist schon irgendwie merkwürdig ..." Der Deutsche wusste nichts mit der letzten Bemerkung anzufangen. „Wie meinst du das jetzt schon wieder? Kannst du dich eigentlich auch mal so ausdrücken, dass man dich versteht?" „Ich meine unser Verhalten." „Unser Verhalten?" Manchmal waren die Gedankengänge des Iren wirklich kaum nachzuvollziehen. Farfarello schüttelte leicht verständnislos den Kopf. „Auch wenn dieser Michael ein Erzengel ist und ich ihn schon allein deswegen nicht mag ... Recht geben muss ich ihm trotzdem. Stell dich nicht immer dümmer, als du bist." „Drück dich klarer aus, dann versteh ich auch, was du meinst", meinte Schuldig schnippisch. Langsam verlor er wieder seine gute Laune und wurde wirklich wütend auf den anderen Schwarz. „Also gut, dann noch mal für Leute, die schwer von Begriff sind. Ich finde unser Verhalten merkwürdig. Wir sind jetzt gerade mal einen Tag ihre Schutzengel und schon machen wir alles anders. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal aufpassen würde, damit jemand sich nicht in den Finger schneidet. Einerseits würde ich gerne sehen wie die Klinge sich in das rosige Fleisch senkt und das Blut hervorquillt. Aber andererseits gäbe das bestimmt kein gutes Karma und wir brauchen noch länger, um in den Himmel zu kommen und Gott so richtig strafen zu können." Gutes Karma? So langsam zweifelte Schuldig an seinem eigenen geistigen Zustand, er hätte sich niemals auf dieses Gespräch einlassen sollen. Warum musste er aber auch immer seine große Klappe aufreißen und noch mal nachhaken? „Für dich ist das wirklich ein merkwürdiges Verhalten. Ich halte mich eigentlich noch für ziemlich normal.“ „Du warst noch nie normal, Schuldig. Aber irgendwann wirst auch du feststellen, das du dich merkwürdig verhältst. Merkwürdiger als sonst.“ Der Deutsche verdrehte die Augen. „Okay, du hast Recht und ich meine Ruhe." Andererseits hatte der Ire aber auch wieder einmal, erschreckender Weise, Recht. Der einäugige Mann zuckte nur mit den Schultern und beobachtete seinen Schützling weiter, der nun dazu übergegangen war, Hühnerfleisch in kleine Stücke zu schneiden und es in eine Pfanne gab. Leise Musik erklang aus dem Radio, als Yohji es einschaltete und einen Sender anwählte. Er lehnte sich entspannt zurück und rauchte genüsslich seine Zigarette zu Ende. „Wie wäre es, wenn du dich nützlich machst und den Tisch deckst?“, fragte Ken nach einiger Zeit und stellte den Herd aus. „Das Essen ist fertig. Außerdem könntest du Aya Bescheid sagen.“ Der Playboy seufzte leise. „Okay, du Sklaventreiber. Du bist schon fast genauso schlimm wie unser furchtloser Anführer.“ Er nörgelte zwar, tat aber trotzdem, was der andere von ihm verlangte. Nachdem er den Tisch gedeckt hatte, verschwand Yohji aus der Küche und rief nach Aya. Da dieser allerdings nicht antwortete, stapfte er die Treppe in den ersten Stock empor und klopfte an die Tür des Rotschopfes. „Aya?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete er die Tür und steckte den Kopf in das Zimmer. „Kommst du essen?“ Der Weiß-Leader lag auf seinem Bett und löste seine Augen von seinem Buch, um dem anderen einen missbilligenden Blick zuzuwerfen. „Kannst du nicht warten, bis man dich herein bittet?“ Er legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. „Ich komm ja schon.“ Nachdem die drei Weiß-Mitglieder zu Abend gegessen und den Abwasch erledigt hatten, setzten sie sich noch eine Weile im Wohnzimmer zusammen, um fernzusehen. „Irgendwie nicht wirklich aufregend, was die Kätzchen so treiben“, stellte Schuldig fest und gähnte ausgiebig. „Sie versuchen eben nur, ein normales Leben zu führen, wenn sie keine Mission zu erledigen haben“, meinte Nagi und schaute mit einem Auge ebenfalls den Film an, der über den Bildschirm flimmerte. „Wofür brauchen die denn beim Fernsehen einen Schutzengel? Und auch sonst ist bisher alles ziemlich öde, wenn du mich fragst.“ „Dich hat aber keiner gefragt“, warf Farfarello ein und funkelte den Mann mit dem flammend orange Haar aus seinem gesundem Auge leicht belustigt an. „Und dich hat niemand um deine Meinung gebeten“, keifte der Deutsche streitlustig. Nagi legte den Kopf schief und belächelte den Ältesten leicht. „Sag mal ... kann es sein das dich der Alkohol-, Nikotin- und Sexentzug aggressiv macht?“ Gerade als Schuldig zu einer patzigen Antwort ansetzen wollte, stand Yohji auf, streckte sich und verkündete, dass er heute Abend weggehen würde. „Sieht so aus, als bekämst du jetzt wenigstens etwas Abwechslung“, neckte der Ire ihn und sah dem Gespann kurz nach. Dann konzentrierte er sich wieder auf Ken. Yohji betrat sein Zimmer und steuerte direkt den Kleiderschrank an. Als er die Türen öffnete, fielen ihm direkt wieder einige Kleidungsstücke entgegen, deren Flugbahn Schuldig geschickt ablenkte, damit sie seinen kleinen Partylöwen nicht unter sich begruben. „Balinese, ich wusste gar nicht, dass du so schlampig bist“, meinte der Deutsche kopfschüttelnd und nahm das ein oder andere Kleidungsstück genauer unter die Lupe. „Aber ein paar coole Klamotten hast du, guter Geschmack, das muss ich dir Wohl oder Übel lassen.“ Interessiert beobachtete er den anderen dabei, wie er einige Hosen, Hemden und Shirts aus dem Schrank zog und überall in seinem Zimmer verteilte. Scheinbar konnte er sich nicht entscheiden, was er anziehen sollte. Da musste man ihm vielleicht etwas unter die Arme greifen, immerhin brachte es etwas Abwechslung. Schuldig durchstöberte sämtliche Kleidungsstücke und fand schließlich etwas, dass ihm zusagte und wovon er glaubte, dass sein Schützling darin gut aussehen würde. Er ließ das knappe, bauchfreie Top aus schwarzem Satin ohne Ärmel wie zufällig auf den Boden vor den Schrank fallen und lenkte Yohjis Aufmerksamkeit darauf. Dieser reagierte auch, hob das Kleidungsstück auf und begutachtete es. Kurzerhand zog er seinen dünnen Pullover aus und streifte sich das Top über. Sein Schutzengel musterte ihn dabei interessiert und ließ seinen Blick über den wohlgeformten Oberkörper gleiten. Ihm gefiel eindeutig, was er da zu sehen bekam. Zwar war der Killer für seine Größe sehr dünn und man konnte es schon beinahe als zu dünn bezeichnen, aber eben nur fast. Es stand ihm. „Und jetzt bitte noch runter mit der Hose“, sagte Schuldig und sein übliches, süffisantes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Mal sehen, was du hübsches in Sachen Beinkleidern zu bieten hast.“ Nach einem prüfenden Blick auf die beträchtliche Hosensammlung, die der Schrank vorzuweisen hatte, entschied er sich für eine sehr eng aussehende, pechschwarze Jeans. „Mal sehen, ob das Teil hält, was es verspricht.“ Auch dieses Kleidungsstück ließ er aus dem Schrank fallen, während Yohji sich in dem großen Spiegel auf der Innenseite der Schranktür betrachtete. Der Honigblonde wunderte sich nicht einmal darüber, dass ihm immer mehr Bekleidungsteile aus dem Chaos, das sein Schrank beherbergte, entgegen kamen. Stattdessen hob er die Hose einfach auf und seufzte leise. „Vielleicht sollte ich doch mal aufräumen. Oder zumindest meinen Schrank neu sortieren“, murmelte er leise vor sich hin. „Und einen Neuen kaufe ich mir trotzdem.“ Einige Dinge konnte er einfach nicht wegschmeißen oder in eine Altkleidersammlung geben. Yohji betrachtete die Jeans, die er aufgehoben hatte und beschloss, sie einmal anzuprobieren. Behände knöpfte er seine Hose auf, zog sie aus und warf sie einfach zu den anderen Klamotten auf den Boden. „Braves Kätzchen“, schnurrte Schuldig und ergötzte sich weiter an dem Anblick. „Eigentlich gar nicht so schlecht. Gut, dass ich dich doch nie umgebracht habe und einen so großen Spieltrieb hab, der befriedigt werden will.“ Er beobachtete den anderen weiter und nickte nach einer Weile anerkennend. „Ja, so kann man dich unter Leute lassen.“ Die Jeans schmiegte sich hauteng an den wohlproportionierten Unterleib und war zu Schudigs Freude sogar eine Hüfthose, bei der man über dem Hosenbund noch deutlich Yohjis Beckenknochen hervortreten sehen konnte. „Wehe, du ziehst dich jetzt noch mal um!“ Aber das hatte das älteste Weiß-Mitglied gar nicht vor. Zwar wühlte er noch etwas in seinem Schrank herum, aber nur um nach einer Weile zwei dünne Lederbände zum Vorschein zu holen. Eines davon band er sich um den rechten Oberarm, das andere um den Hals. Danach zog er eine sehr dünne, silberne Bauchkette aus einer kleinen Schatulle und spielte kurz mit dem Gedanken, diese auch noch anzulegen. Dies tat er dann auch und betrachtete sein Erscheinungsbild im Spiegel. „Kudou ... Hab ich da etwa was verpasst? Du siehst nicht so aus, als wärst du heute darauf aus, Frauen aufzureißen“, stellte der Deutsche fest, sein Gegenüber von allen Seiten betrachtend. „Okay, ich bin daran vielleicht nicht ganz unschuldig.“ Er konnte sich ein sarkastisches Grinsen nicht verkneifen. „Aber das bin ich ja nie.“ Yohji war anscheinend mit sich zufrieden, denn er behielt alles an und begann die herumliegenden Kleidungsstücke wieder notdürftig in den Schrank zu stopfen. Dann griff er nach seinem Mantel, streifte ihn über, setzte sich eine zum Outfit passende Sonnenbrille auf die Nase und steckte zum Schluss noch seine Geldbörse ein. Die Autoschlüssel ließ er liegen, verließ sein Zimmer und ging wieder nach Unten. Vor der Haustür zog er sich seine Stiefeletten an und rief den anderen zu: „Ich bin dann weg, ihr braucht nicht warten!“ „Das hatten wir auch nicht vor!“, schrie Ken zurück, um den Fernseher zu übertönen. Allerdings hörte Yohji das schon nicht mehr, da er bereits vor die Tür getreten war und diese laut hinter sich ins Schloss gezogen hatte. Jetzt konnte der Abend anfangen. Der Morgen graute bereits als Yohji verzweifelt versuchte mit dem Haustürschlüssel das Schloss zu treffen. Er hatte sich wieder einmal ziemlich in einem Nachtclub ausgetobt und sinnlos betrunken. Schuldig war doch froh ihn als Schützling abbekommen zu haben. Erstens kam so er wenigstens auch hin und wieder etwas raus und musste nicht die ganze Zeit in der Wohnung hocken und zweitens war die Show, die er diese Nacht geliefert bekommen hatte durchaus amüsant gewesen. Wahrscheinlich wäre er vor lauter Langeweile noch einmal gestorben, wenn das überhaupt möglich war, hätte er Aya, Ken oder Omi abbekommen. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, was die Drei schon Interessantes machen könnten, schließlich war der Eine ein Bücherwurm, der andere ein Fußballfreak und der Dritte ein Computercrack. Nach mehreren Anläufen schaffte Yohji es doch endlich, die Haustür aufzuschließen. Er betrat die Wohnung und schloss die Tür wieder leise hinter sich. Das Licht brauchte er nicht anschalten, denn mittlerweile kannte er sich blind in ihrem Zuhause aus. Den Mantel hängte er an die Garderobe und stellte die Stiefeletten neben den Schuhschrank. Auf leisen Sohlen schlich er, ein wenig schwankend und sich am Geländer festhaltend, die Treppe hinauf. Er taumelte zu seinem Zimmer und verhielt sich so leise wie möglich, denn er wollte nach Möglichkeit keinen Ärger mit den anderen haben, weil er sie mitten in der Nacht aufweckte. Das hatte er bereits vor ein paar Jahren hinter sich gebracht und daraus gelernt. Eigentlich wollte er nur noch ins Bett und seinen Rausch ausschlafen. So weit kam er allerdings nicht mehr, denn eine andere Türe öffnete sich und der Schein, der durch diese fiel, erhellte den Flur sowie die Gestalt, die gerade in ihr Zimmer wollte. „Ach, du bist das, Yohji-kun“, flüsterte der blonde Junge, der nun, nur mit T-Shirt und Shorts bekleidet, aus seinem Zimmer trat. „Ich hab mich schon gewundert.“ Dieser nickte zur Antwort. „Ja, ich ... und ich ...“ Er stockte und seine Augen vergrößerten sich ein wenig. „Und ich muss ganz dringend mal ins Bad.“ Mit diesen Worten drehte er sich bereits um und taumelte über den Flur Richtung Badezimmer. Omi sah ihm zunächst etwas verwirrt hinterher, folgte ihm dann jedoch und schaute zu, wie der andere sich gerade vor die Toilette hockte und den Klodeckel hochklappte. Der Jüngere betrat denn ebenfalls das Bad und schloss die Tür hinter sich, um die anderen nicht wach zu machen. Dann kniete er sich neben Yohji und hielt ihn fest, da dieser immer noch verdächtig schwankte. Gerade rechtzeitig, dachte Omi, als sein betrunkener Freund auch schon zu würgen anfing und die unverdaute, hochprozentige Flüssigkeit ausspie. Er strich die Haare des anderen etwas zurück und hielt sie mit einer Hand fest, damit diese ihm nicht im Gesicht hingen. Dann sah er etwas angeekelt beiseite. Zwar hatte er schon viel gesehen und konnte einiges vertragen, aber es gab trotzdem noch Dinge, die dem jungen Killer ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend verursachten. Das hier war eines davon und er wartete einfach, bis Yohji fertig war. „Danke, dass du meinen Kopf über die Kloschüssel hältst“, sagte dieser nach einiger Zeit leise und brachte ein schwaches, dankbares Lächeln zustande. „Außer dir würde das wohl niemand tun“, ergänzte er etwas gepresst, woraufhin ein weiteres Würgen folgte. „Ach, schon okay. Besser ich helfe dir, als dass du nachher den ganzen Flur oder das Bad vollkotzt. Das würde Aya bestimmt nicht lustig finden“, sagte Omi sanft und stützte weiterhin Yohji ab, damit dieser nicht umkippte. „Nein, bestimmt nicht“, murmelte der Ältere und wischte sich den Mund mit dem Stück Toilettenpapier ab, das der andere ihm hinhielt. „Warum bist du eigentlich wach?“ Der Jüngere zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich hab den ganzen Tag geschlafen und bekomme deswegen jetzt kaum ein Auge zu. Und als ich dich gehört hab, dachte ich mir, dass es vielleicht besser ist, mal nach dir zu sehen.“ „Weise Entscheidung“, brachte Yohji gerade noch mühsam heraus, bevor ihn der erneute Drang zu würgen erfasste und er seinen Magen weiter entleerte. „Gott, ich hätte den Swimmingpool vielleicht nicht trinken sollen, aber vielleicht ist auch irgendein anderer Cocktail schuld. Zuviel durcheinander ist nicht gut. So etwas sollte ich mittlerweile wohl gelernt haben.“ „Ein Swimmingpool? Was ist das denn?“ „Das ist so ein blaues Zeug, eben ein Cocktail mit Rum und Wodka. Eigentlich nicht so mein Ding. Und vielleicht war noch irgendwas anderes drin, was nicht darein gehörte.“ Yohji wischte sich erneut den Mund ab und betat zum wiederholten Male die Toilettenspülung. Mittlerweile sollte sein Magen wohl keinen Inhalt mehr besitzen. Er atmete tief durch, schloss seine Augen und blieb ruhig sitzen. Brad schielte zu Schuldig hinüber. „Eigentlich nicht so sein Ding? Hast du ihm das Zeug etwa untergejubelt?“ Der Deutsche setzte eine Unschuldsmiene auf und sah seinen Kollegen gekränkt an. „Ich? Wie kommst du darauf? Nie im Leben würde ich so was tun, das kann ich im Moment gar nicht. Schon vergessen? Ist doch nicht meine Schuld, wenn er meint zuerst mal mindestens eine halbe Flasche Whiskey saufen zu müssen. Außerdem hat er sich später mit vielen bunten Cocktails die Kante gegeben. Das kommt halt davon, wenn man jeden Drink annimmt den man von irgendwem ausgegeben bekommt oder selber versucht irgendjemanden aufzureißen.“ Die pikanten Details, die zwischen den Drinks passierten, verschwieg er. Alles musste Brad ja nun auch nicht wissen, er sollte sich lieber um seinen eigenen Schützling kümmern. „Was ist denn hier los?“, ertönte Nagis etwas gelangweilt klingende Stimme von der Badezimmertür her. Er hatte sich gerade dazugesellt. „Siehst du doch“, antwortete Schuldig. „Balinese kotzt sich die Seele aus dem Leib und der Kurze passt auf, dass sein Kopf nicht ins Klo fällt und er dabei auch noch ersäuft.“ „Ist das nicht eigentlich dein Job?“ Für einen kurzen Augenblick betrachten die drei Schwarz schweigend die Szene, die sich zwischen Omi und Yohji abspielte. Dann unterbrach der Deutsche die Stille wieder. „Warum habt ihr so etwas eigentlich nie für mich getan?“ „Weil sogar wir eine Schmerzgrenze haben“, kam Nagis neckische Antwort. Brad schenkte dem überhaupt keine Beachtung. „Sag mal Nagi, musst du nicht auf jemanden aufpassen?“ „Aya? Der schläft wie ein Baby und hat sich den Wecker erst für neun Uhr gestellt. Morgen ist Samstag und sie öffnen den Laden ja erst um halb elf. Er und Ken haben Schicht. Also habe ich grade so quasi Freizeit.“ „Trotzdem könnte er aus dem Bett fallen und sich dabei das Genick brechen“, entgegnete der Amerikaner. „Woher weißt du das denn, Nagi?“, fragte Schuldig erstaunt. Er kannte die Ladenöffnungszeiten ebenso wenig, wie die Schichteinteilung. Die Bemerkung Crawfords ignorierte er beflissentlich. Der Jüngste von ihnen verdrehte die Augen. „Weil ich im Gegensatz zu dir scheinbar lesen kann und diese Fähigkeit sogar einsetze. Unten im Laden hängt im Hinterzimmer ein Plan aus. Yohji ist übrigens morgen Nachmittag im Laden dran, falls es dich interessiert. Aber keine Sorge, sie schließen um 18 Uhr schon wieder.“ „Na immerhin etwas. Es ist so unglaublich langweilig, den ganzen Tag in einem Blumenladen zu verbringen und überhaupt nichts tun zu können, um sich diese Langeweile zu vertreiben“, nörgelte der Deutsche. „Du wirst dich daran gewöhnen müssen“, sagte Brad ungerührt und zuckte mit den Achseln. „Und du gehst besser wieder zu Aya zurück, Nagi.“ Dieser seufzte leise, drehte sich aber auf dem Absatz um und verschwand wieder im Zimmer des Rotschopfes. Yohji blieb einige Minuten lang reglos vor der Porzellanschüssel sitzen und versuchte seinen Magen wieder zu beruhigen. Als er nicht mehr den Drang zu würgen spürte, stand er schwankend auf, wobei Omi ihm half. „Geht’s wieder?“, fragte der Junge besorgt. Der andere nickte, stützte sich auf das Waschbecken und drehte den Kaltwasserhahn auf. Er beugte sich herunter, um sich den Mund gründlich auszuspülen und den galligen Geschmack loszuwerden. Danach sammelte er immer wieder das Wasser in seinen Händen und benetzte damit sein Gesicht. Mit einem dankbaren Lächeln nahm er das Handtuch, das Omi ihm reichte entgegen und trocknete sich damit ab. Als er es danach in den Wäschekorb werfen wollte, verfehlte er diesen auch noch und murmelte leise einige Flüche vor sich hin. Nachdem Omi das Handtuch wieder aufgehoben und zu der anderen Schmutzwäsche geworfen hatte, half er dem Älteren in sein Zimmer zu kommen. Er öffnete ihm leise die Tür und knipste das Licht an. Yohji schob sich daraufhin an ihm vorbei und steuerte sein Bett an, als die Stimme des Jüngeren nochmals seine Aufmerksamkeit erregte. „Du, Yohji-kun?“, fragte dieser etwas unsicher. „Mmm?“, bekam er von seinem vollkommen erledigten Gegenüber als Gegenfrage zur Antwort. „Kann ich heute bei dir schlafen?“ Yohji musste die Worte erst in seinem Verstand sortieren, um ihren Sinn richtig zu erfassen. Dann lächelte er so fürsorglich, wie er es gerade noch hin bekam und nickte. „Klar. Wenn dich die Alkoholfahne nicht stört.“ Der blonde Junge schüttelte den Kopf. „Nein, das geht schon, denke ich. Vielleicht hilft mir das ja beim einschlafen, wenn ich so ein paar Promille von dir abbekomme.“ „Aber auf deine Verantwortung“, nuschelte der Mann mit den grünen Augen und machte sich langsam daran, sich von seiner Kleidung zu befreien. „Prima!“, strahlte der Junge, schloss die Tür hinter sich und hüpfte mit Anlauf in das große Bett. Die beiden Schutzengel betrachteten die Szene mit gemischten Gefühlen. Irgendwie war es schon etwas seltsam, wie es bei Weiß zu Hause zuging. „Sag mal Brad, was glaubst du, wie Balinese das gemeint hat? Das ’auf eigene Verantwortung’? Und dass der Kleine das auch noch toll gefunden hat ...“, fragte Schuldig und beobachtete interessiert, wie sein Schützling ein Kleidungsstück nach dem anderen auf den Boden fallen ließ und schließlich nur noch in engen, schwarzen Shorts vor ihm stand. Der Amerikaner zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Vielleicht weil er gerne kleine Jungs vernascht, wenn er sturzbetrunken ist und das sich dann auch noch jemand geradezu dazu anbietet und freiwillig in seinem Bett schläft.“ Zunächst schaute der Deutsche etwas verwirrt drein, brach dann aber in unkontrolliertes Lachen aus. „Ich liebe deinen Humor, Bradley.“ „Ich habe keinen Humor. Und nenn' mich nicht Bradley“, brummte der andere und setzte sich neben das Bett. Auch Schuldig setzte sich neben das Bett, allerdings auf die Seite, wo Yohji sich gerade hatte hineinfallen lassen und unter die Decke kroch. Omi knipste das Licht aus und flüsterte leise: „Gute Nacht, Yohji-kun. Träum was Schönes.“ „Nacht Omittchi, du auch“, murmelte sein Bettgefährte bereits im Halbschlaf und war kurz darauf auch schon fest eingeschlafen. Schweigend betrachteten die beiden Schwarz-Mitglieder die beiden Schlafenden eine Weile. Nach einziger Zeit gab Schuldig jedoch seinem unermüdlichen Mitteilungsdrang wiedereinmal nach. „Meinst du, die beiden haben was miteinander?“ „Nein, wie du siehst, schläft der eine schon tief und fest und der andere wartet auch bloß noch auf das Sandmännchen“, sagte Brad und fragte sich, ob sie wohl auch schlafen mussten oder überhaupt durften. „Ich meine doch nicht jetzt im Moment“e erklärte der Deutsche mit einem etwas genervten Unterton und rollte mit den Augen. „Ich meine so generell, ob die beiden ein Paar sind. Oder zumindest gerne eins wären. Wenn ich meine Fähigkeit noch hätte, dann würde ich dich nicht mit der Frage nach deiner Meinung belästigen, sondern einfach in ihren Köpfen nach sehen.“ „Und deine voyeuristische Ader befriedigen“, ergänzte der andere trocken. „Das hast du vergessen hinzuzufügen.“ Mit einem abfälligen Schnauben beendete Schuldig kurzerhand die Diskussion. Er stützte sich stattdessen mit den Ellenbogen am Bettrand ab und betrachtete seinen schlafenden Schützling eingehend. Jetzt hatte er ja genug Zeit, um diese ebenmäßigen Gesichtszüge einmal genau zu studieren. Mittlerweile war auch Omi in das Land der Träume geglitten und rutschte im Schlaf immer näher zu Yohji hinüber und kuschelte sich schließlich an ihn. Die wohltuende Wärme begrüßend, legte dieser nun leicht einen Arm um den kleinen Körper neben sich. Am nächsten Morgen klopfte Ken an Omis Zimmertür und wartete darauf hineingebeten zu werden. Da er jedoch keine Antwort erhielt, betrat er einfach das Zimmer. „Omi, hast du die Sportsalbe irgendwo ...“ Er brach ab, als er bemerkte, dass der Junge gar nicht in seinem Zimmer war. Da die Vorhänge noch zugezogen waren, schob er diese zunächst zur Seite und öffnete das Fenster, um zu Lüften und verließ den Raum wieder. Vielleicht konnte Yohji ihm weiter helfen, obwohl er bezweifelte, dass dieser bereits wach war. Trotzdem ging er die wenigen Schritt über den Flur und klopfte an die Tür des Playboys. Wahrscheinlich schlief er noch und Ken betrat daher einfach das Zimmer, schließlich hatte er keine Lust, ewig auf eine Antwort zu warten. „Hey Yohji, weißt du wo ...“ Ihm stockte der Atmen. In dem großen Bett schmiegten sich zwei ihm wohlbekannte Leiber eng aneinander. Sie lagen reglos aneinandergekuschelt in den Kissen und schienen immer noch zu schlafen. Der braunhaarige Mann spürte, wie ihm wieder das Blut in den Kopf schoss und Schamesröte seine Wangen überzog. Eventuell war es besser, Yohjis Zimmer nicht mehr ohne Erlaubnis zu betreten. Wer wusste schon, welche Anblicke sich ihm dann noch bieten würden. Wie versteinert stand Ken im Türrahmen und konnte kaum seinen Blick von den Schlafenden lösen. Einerseits war er zu geschockt, um sich zu rühren, andererseits beneidete er die Beiden auch ein wenig. Er wusste nicht, wie lange er schon so dagestanden hatte, als Omi sich regte und sich müde blinzelnd aufsetzte. „Ken-kun? Was ist denn los?“, murmelte er verschlafen und rieb sich die Augen. Sofern es überhaupt möglich war, nahm Kens Kopf eine noch dunklere Farbe an. „Ich hab nur ... ich wollte ... die Sportsalbe“, presste er stotternd hervor. Der blonde Junge gähnte einmal ausgiebig und flüsterte: „Sei leise, sonst weckst du Yohji-kun auf.“ Erst jetzt merkte er, in welch inniger Umarmung er sich mit dem anderen befand. Etwas erschrocken und peinlich berührt löste er sich vorsichtig von Yohji. „Es ist nicht das, wonach es aussieht, Ken“, murmelte Omi beinahe entschuldigend und kroch aus dem Bett. „Was wolltest du denn jetzt?“ Der ehemalige Torwart winkte jedoch ab. „Ach ähm, nein ist schon gut. Schlaft ruhig weiter. Ist auch nicht so wichtig.“ Rückwärts ging er wieder aus dem Zimmer heraus und zog die Tür zu. „Meine Güte, was für ein Trottel“, brachte Schuldig mühsam zwischen einigen Lachanfällen heraus. Immer noch prustend krümmte er sich leicht zusammen, da sein Körper von immer neuen Lachattacken durchgeschüttelt wurde. „Dieses Gesicht ... unbezahlbar. Merkt der eigentlich noch was?“ Langsam beruhigte er sich wieder und setzte sich auf den Bettrand zu Yohji. „Schade, dass ich nicht mit ihm reden darf. Sonst würde ich ein wenig mit ihm ‘Ich weiß etwas, was du nicht weißt‘ spielen.“ „Wirst du eigentlich nie erwachsen?“, fragte Brad entnervt. Es war einfach eine Strafe, mit diesem Mann eingesperrt und ein Opfer seiner Versuche sich die Langeweile zu vertreiben zu sein. Allerdings konnte er nicht abstreiten, dass die Situation eben etwas Komisches an sich hatte und Ken wirklich ungeahnt dämlich aus der Wäsche schauen konnte. Omi stand unschlüssig vor dem Bett und warf einen prüfenden Blick auf Yohji, um sicher zu gehen, dass er ihn nicht geweckt hatte. Aber der Mann schlief immer noch tief und fest. Es brauchte schon Einiges, um ihn aus dem Land der Träume zu holen. Sollte er nun Ken hinterher laufen, um zu fragen, was er wollte oder lieber wieder ins Bett gehen? Seine Überlegungen schwankten zwischen den beiden Möglichkeiten hin und her. Letztendlich entschloss er sich jedoch dafür, lieber noch etwas zu schlafen, schließlich war er noch im Wachstum und brauchte seine Ruhephasen. Er kletterte wieder zu Yohji ins Bett und kuschelte sich bis zum Kinn in die Decke ein. Ken für seinen Teil beschloss, das Gesehene fürs Erste zu verdrängen. Schließlich war es ihre Sache und sie waren alt genug, um zu wissen, was sie taten. Er ging wieder in die Küche und gesellte sich zu Aya, der gerade ihr Frühstücksgeschirr abspülte. Um nicht vollkommen nutzlos herum zu stehen, schnappte er sich ein Handtuch und fing an die Teller und Tassen abzutrocknen. „Schlafen Yohji und Omi noch?“, erkundigte sich der Rotschopf und ließ das Wasser aus dem Spülbecken. Was sollte denn jetzt diese Frage? Ken war irritiert. Wusste ihr Leader etwa, ob da etwas Ernsthaftes zwischen Omi und Yohji war? Warum war eigentlich immer jeder informiert, nur er nicht? Die Welt war ungerecht. „Ich hab dich was gefragt“, riss der andere ihn wieder aus seinen Gedanken. Ken schreckte kurz zusammen und nickte dann eifrig. „Ja, sie schlafen noch. Aber sie haben ja auch keine Schicht und Omi muss nicht zur Schule.“ Aya nickte bloß, trocknete sich die Hände und machte sich daran, das saubere Geschirr wieder in die Schränke zu räumen. Dann ging er in den Blumenladen und öffnete die Rollläden. Nur wenige Minuten später gesellte sich auch Ken wieder zu ihm und half ihm, die Blumenkübel nach draußen vor die Schaufenster zu stellen. „Findest du nicht, dass Ken sich merkwürdig verhält?“, fragte Nagi irgendwann seinen Kollegen. Farfarello zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Meinst du merkwürdiger als sonst?“ Ein leichtes Lächeln stahl sich auf die Lippen des Jungen. Irgendwie hatte der andere Recht, sie benahmen sich doch alle merkwürdig. Schließlich versuchten sie mit ihrem Image als Blumenhändler ihre wahre Identität als Profikiller zu verbergen. „Ja, irgendwie schon. Hat er etwa heute schon Mist gebaut? Es ist doch grade mal elf Uhr.“ „Er ist heute Morgen beim Joggen umgeknickt und wollte sich dafür nur eine Salbe bei Omi holen. Der war aber nicht in seinem Zimmer, sondern bei Yohji und darum konnte er die Salbe nicht holen. Sonst war aber nichts“, erklärte Farfarello gelassen und zuckte mit den Schultern. „Ach so, na dann“, meinte Nagi achselzuckend und widmete Aya wieder seine volle Aufmerksamkeit. So verbrachten sie bis zur Mittagspause die Zeit damit, ihre Schützlinge zu hüten, die nichtsahnend ihre Kunden bedienten, Bestellungen entgegennahmen und Blumensträuße banden. Als Aya und Ken den Blumenladen zur Mittagspause schlossen und in die Küche kamen, stand Omi bereits am Herd und kümmerte sich um das Mittagessen. „Hallo“, grüßte er sie gut gelaunt und strahlte übers ganze Gesicht. „Schläft Yohji etwa immer noch?“, erkundigte sich der Rotschopf und begann damit, den Tisch zu decken, während Ken wieder leicht errötete und krampfhaft versuchte, nicht an das Bild vom Morgen zu denken. Der blonde Junge schüttelte den Kopf. „Nein, er blockiert das Badezimmer.“ „Es wäre besser für ihn, wenn er heute mal nicht stundenlang braucht und pünktlich zu seiner Schicht kommt.“ „Keine Sorge, Aya, ich bin pünktlich“, erklang eine Stimme von der Küchentür her. Der Mann, der gerade noch das Gesprächsthema gewesen war, betrat nun mit immer noch nassen Haaren den Raum und steuerte als erstes die Kaffeemaschine an, um sich eine Tasse der schwarzen Brühe zu genehmigen. „Für mich brauchst du nichts machen, Omi. Für mich gibt’s Katerfrühstück.“ Mit diesen Worten war er auch schon wieder verschwunden und die anderen Drei schauten ihm irritiert hinterher. Yohji setzte sich raus auf die Terrasse und zündete sich zunächst eine Zigarette an. Seine Erinnerung an die letzte Nacht war nur noch verschwommen und er fühlte sich einfach nur elend. Hoffentlich hatte Omi den anderen nichts von der peinlichen Kotzorgie erzählt. So schlimm war es ihm schon lange nicht mehr ergangen und er betete, dass sein Magen wenigstens den Kaffee aufnehmen würde, den er in kleinen Schlücken in sich hinein laufen ließ. Der Nachmittag kroch geradezu elend langsam dahin. Zwar hatten Aya und Yohji alle Hände voll zu tun und konnten sich keineswegs über sinkende Kundenzahlen beklagen, aber Schuldig und Nagi langweilten sich. „Wie war es eigentlich letzte Nacht mit Yohji?“, fragte Nagi, um sich die Zeit zu vertreiben. „Du meinst wohl eher ‘Wie war es ihm zuzusehen, wie er Spaß hatte?‘“, korrigierte der Deutsche ihn. „Aber eigentlich war es auch für mich recht amüsant. Was für ihn dabei allerdings im Endeffekt heraus gekommen ist, hast du ja selber gesehen.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile darüber, was sie bisher getan hatten, um auf ihre Schützlinge aufzupassen. Insgesamt kamen sie zu dem Ergebnis, dass es sich bisher nur um uninteressante Belanglosigkeiten handelte. Am frühen Abend ließ Yohji die Rollläden herunter, um den Laden zu schließen, als er ein paar Stöckelschuhe über den Asphalt klacken hörte, die genau vor dem Laden hielten. Er sah die Schuhe und die darin steckenden Füße an. „Diese Fersen kenne ich doch. Die gehören Birman“, stellte er fest und schob dabei das Rollo wieder nach oben, um der Frau Einlass zu gewähren. „Hallo Yohji“, begrüßte sie ihn lächelnd. „Sind die anderen auch da?“ Der junge Mann erwiderte das Lächeln und nickte. „Ja, Aya und Omi sind drinnen. Aber Ken ist mit seinen Kids Fußball spielen, wie jeden Samstag.“ „Gut.“ Sie wartete bis Yohji den Laden geschlossen hatte und wandte sich dann ab, um mit ihm in die Wohnung zu gehen. „Hol die anderen und ruf Ken an, es gibt eine neue Mission“, sagte Birman und ging schon die Wendeltreppe nach unten in den Missionsraum. Schuldig wurde hellhörig. Das versprach doch endlich mal etwas Aufregung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)