Wir sind keine Engel von Lethtendris (Oder doch?) ================================================================================ Kapitel 5: Gut Ding will Weile haben ------------------------------------ Wir sind keine Engel Kapitel 5: Gut Ding will Weile haben Weiß war fast vollzählig im Missionsraum versammelt. Yohji hatte sich auf der Couch zusammen gelümmelt, Aya lehnte an der Wand und Omi saß rittlings auf seinem Drehstuhl. Birman legte gerade ein Videoband in den Rekorder unter dem großen Bildschirm ein. „Sollten wir nicht vielleicht noch auf Ken warten?“, fragte Yohji. „Ich hab ihn auf dem Handy angerufen und er meinte, er beeilt sich herzukommen.“ Die Frau warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Okay, warten wir noch ein paar Minuten. Besser er bekommt auch alles von Anfang an mit.“ Lange mussten sie allerdings nicht warten. Nach nicht ganz einer viertel Stunde stürmte ein vollkommen außer Atem geratener junger Mann in den Missionsraum. Beinahe stürzte er noch die letzten Stufen der Wendeltreppe hinunter, weil er es so eilig hatte. „Tut ... tut mir leid, wenn ich zu spät bin“, keuchte er erschöpft und ließ sich völlig geschafft auf das Sofa fallen. „Dann können wir ja anfangen“, stellte Birman fest und knipste das Licht aus. Gleich darauf startete sie das Video, auf dem die digitale Simulation von Perser die neue Mission verkündete. „Weiß, Ziel eurer Mission sind diese beiden Personen, Takato Inagawa und seine Verlobte Maria Corleone. Ihre Position und Macht in ihren jeweiligen Organisationen ist enorm. Durch eine Zweckhochzeit würden die Yakuza und die italienische Mafia wohl zu einer der größten und bedrohlichsten kriminellen Organisationen der Welt heranreifen. Das muss unter allen Umständen verhindert werden, vernichtet die finsteren Hoffnungsträger. Jäger des Lichtes, jagt die dunkle Brut.“ Birman schaltete den Fernseher aus und das Licht wieder an. „Ich nehme an, ihr macht alle mit?“ Die vier jungen Männer stimmten zu und erkundigten sich nach Zusatzinformationen. „So geht das hier also ab“, bemerkte Schuldig. „Wenn sie keinen Bock auf eine Mission haben, brauchen sie nicht annehmen.“ „Aber wenn sie annehmen und gelinde gesagt scheiße bauen oder versagen, ist das ihr Todesurteil“, fügte Nagi hinzu. Farfarello kicherte leise. „Das haben sie doch längst unterschrieben. An dem Tag, an dem sie Weiß beigetreten sind.“ „Ja, aber damit ihre Galgenfrist verlängert wird, sind wir jetzt hier. Und um genau das zu tun, würde ich gerne mitbekommen, was Birman noch für Informationen über die Mission hat. Also haltet die Klappe!“, schnauzte Brad seine Kollegen mit den letzten Worten erbost an. „Ist ja schon gut“, gab der Deutsche kleinlaut bei und setzte sich neben Yohji. „Bin ganz still.“ „Takato ist der Enkel des hiesigen berüchtigten Oyabun Kakuji Inagawa. Maria ist eine Tochter des Corleoner Mafiaclans der, wie der Name schon sagt, ursprünglich von der italienischen Insel Sizilien stammt. Marias Teil der Familie hat sich jedoch während anhaltender, blutiger Bandenkriege bereits vor mehreren Jahren nach Venedig abgesetzt“, erklärte die dunkelhaarige Frau und verteilte einiges an Bildmaterial und Berichten auf dem Tisch. „Schon jetzt stehen hier Drogenhandel und Waffenschmuggel auf der Tagesordnung. Vor kurzem haben wir eine Meldung über einen Menschenhändlerring bekommen. Als wir dem Hinweis nachgegangen sind, stießen wir wieder einmal auf Inagawa.“ „Gut. Wann soll die Mission ausgeführt werden?“, erkundigte sich Aya. „Die Zielpersonen planen für Neujahr ihre Hochzeit“, erklärte die Frau. „Ihr müsst sie also vorher von der Bildfläche verschwinden lassen.“ „Das sollte doch keine Probleme machen, wir haben noch über zwei Monate Zeit“, meinte Ken lächelnd und lehnte sich entspannt zurück. Das schien doch auf den ersten Blick eine sehr lockere Mission zu werden. „So einfach, wie es aussieht, ist es wahrscheinlich nicht. Die beiden haben einen ziemlich vollen Terminplan und bisher konnten wir leider keinen geeigneten Zeitpunkt zur Ausführung der Mission ausmachen. Sie sind im Moment irgendwo in Europa unterwegs und da wollen wir euch nicht extra hinschicken. Außerdem wäre es gut möglich, dass Schwarz euch in die Quere kommen. Wir haben zwar schon seit einiger Zeit nichts mehr vor ihnen gehört, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, sagte Birman. „Wir haben schon seit ungefähr zwei Monaten von Schwarz nichts mehr gehört oder gesehen“, warf Yohji, der bisher geschwiegen hatte, ein. Der Gedanke ein verlobtes Paar, das kurz vor seiner Hochzeit stand auszulöschen, behagte ihm nicht. Ken widersprach ihm. „Das hat vielleicht nichts zu sagen. Vielleicht war das nur die Ruhe vor dem Sturm oder so. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie für so mächtige Kriminelle die Bodyguards spielen.“ Er versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu bekommen, damit sie sich nicht überschlug. Ansonsten würde er sich wohl verdächtig machen. Die Frau nickte zustimmend. „Ich muss Ken Recht geben. Vielleicht trefft ihr auf Schwarz. Und wenn nicht, dann werden sie trotzdem noch genügend andere Wachhunde haben. Außerdem solltet ihr die Beiden möglichst zusammen erwischen und nicht einzeln. Die Sicherheit wird ohnehin hoch sein und solltet ihr die Zielpersonen nacheinander eliminieren, wird ihr ganzes Sicherheitspersonal in Alarmbereitschaft sein und ihr würdet es euch nur unnötig schwer machen.“ Schuldig lachte leise, aber verbittert. „Wenn die wüssten. Sehen werden die uns wohl nie wieder müssen.“ „Ist wohl besser, wenn sie nichts wissen“, meinte Brad und schob seine Brille zurecht. „Vielleicht sollten wir ihnen ein paar Beweise zukommen lassen, dass wir tatsächlich tot sind“, mischte Nagi sich ein. „Ich denke mal in den Trümmern des eingestürzten Gebäudes werden doch wohl ein paar identifizierbare Überreste unserer Leichen zu finden sein.“ „Meinst du, das ist eine gute Idee?“, fragte Farfarello. „Vielleicht wiegen sie sich zu sehr in Sicherheit, wenn sie wissen, dass wir tot sind und werden unvorsichtig.“ Der Amerikaner war derselben Meinung. „Wir sollten sie es nicht rauskriegen lassen. Oder zumindest sollten wir sie nicht mit dem Kopf drauf stoßen. Wir müssen uns ja den Job nicht noch unnötig erschweren. Das wäre nicht besonders effektiv.“ „Sehe ich auch so. Warum mehr Arbeit machen als nötig?“, stimmte auch der Deutsche zu. „Du hast gesagt sie haben einen ziemlich vollen Terminplan“, hakte Omi noch einmal nach. „Also müssen wir wohl erst herausbekommen, wann und wo wir sie am besten erwischen?“ „Genau so ist es, Omi. Und das bedeutet, dass die Arbeit fürs Erste an dir hängen bleibt“, meinte Birman mit einem entschuldigenden Lächeln. „Aber Kritiker suchen ebenfalls weiter. Wir halten euch auf dem Laufenden, sollten wir noch ein paar Informationen ausgraben.“ Der blonde Junge seufzte leise. „Dann werde ich mich wohl mal an die Arbeit machen.“ Er nahm die braune Kladde vom Tisch und begann darin herumzublättern. „Ach, das ist doch für dich ein Kinderspiel“, meinte Yohji lächelnd und wuschelte ihm aufmunternd durchs Haar. „Ist doch nicht der erste Terminplan, den wir knacken.“ „Schon ... aber was ist, wenn sie ihre wichtigen Daten auf einem Rechner gesichert haben, der nicht im Netzwerk hängt? Dann komm ich da auch nicht dran. Und da Kritiker bisher auch nichts stichhaltiges gefunden hat, deutet das wohl darauf hin“, erklärte der Jüngste und überflog dabei schnell einige Berichte. „Wenn das wirklich so sein sollte, werden wir uns eben die nötigen Daten von dieser separate Workstation beschaffen“, beschloss Aya in einem Tonfall, der keine Widerrede zuließ. „Damit wäre dann wohl vorläufig alles geklärt“, meinte Birman und wandte sich der Treppe zu. „Wenn ihr noch weitere Fragen habt, wisst ihr ja, wie ihr mich erreichen könnt.“ Sie drehte sich um und ging die Treppe hinauf, wobei die Absätze ihrer Stöckelschuhe ein lautes Klacken auf dem Metall verursachten. Yohji seufzte leise, als er der Frau hinterher sah. „Dann geh ich wohl heute Abend nicht aus.“ „Ganz richtig, das tust du nicht“, meinte ihr Leader und reichte ihm einen Stapel Papier. „Erst mal arbeiten wir uns ein bisschen in diese Mission ein.“ „Das Meiste bleibt doch sowieso wieder an mir hängen“, beschwerte sich Omi und bezog bereits seinen Platz vor dem Computer. Ken schüttelte den Kopf. „Wenn man euch so zuhört, geht einem auch noch das letzte bisschen Motivation flöten. Wie wäre es, wenn wir uns erst mal was zu Essen besorgen? Mit leerem Magen lässt sich schlecht arbeiten. Wir könnten zum Beispiel Pizza bestellen oder so.“ Zumindest dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen und in die Tat umgesetzt. Sofern man einen protestierenden, im Verhältnis drei zu eins überstimmten Rotschopf als zustimmend bezeichnen konnte. Schon bald saßen die Vier zusammen im Missionsraum, inmitten von Papierstapeln, Berichten, Ausdrucken von einer CD, Notizzetteln und Pizzaschachteln. Schwarz leisteten ihnen dabei unbemerkte Gesellschaft. Auch sie begutachteten alle vorhandenen Aufzeichnungen. „Irgendwie ziemlich langweilig, anderen Leuten beim Arbeiten zuzusehen“, meinte Nagi und streckte sich ausgiebig. Brad stimmte ihm in dieser Sache zu. „Ich würde da auch lieber selber etwas bei tun können. Schaut euch bloß mal dieses unorganisierte Chaos an ... da kann ja nichts Gescheites bei herumkommen.“ „Hey, entspann dich, Bradley“, säuselte Schuldig und studierte die Fotos von Maria Corleone. Sie war eine durchaus rassige, italienische Schönheit: Hochgewachsen, mit leicht gewelltem, schwarzem Haar und dunkelbraunen Augen. „Ist doch auch mal nett, andere alles machen zu lassen. Wir bekommen noch früh genug alle Hände voll zu tun.“ „Nenn mich nicht Bradley“, knurrte der Amerikaner und blieb stehen. Er war die ganze Zeit nervös hinter Omi auf und ab gelaufen. Er fühlte sich so nutzlos. „Die haben ja ihre Finger wirklich überall drin“, stellte Omi nach einiger Zeit fest. „Schaut mal her. Habt ihr das schon gesehen? Spendengelder für die Jigen-Partei in beträchtlicher Höhe, Bestechungsgelder, wie man sieht. Da hätten wohl noch ein paar Leute was von gehabt, wenn Takatori an die Macht gelangt wäre.“ „Lass mal sehen“, meinte Aya und nahm ihm auch schon das Papier aus der Hand. Er überflog die Zeilen kurz und schüttelte dann missmutig den Kopf. „Warum können die so etwas ausgraben und an ein paar lächerlichen Terminen hapert es?“ „Die Beiden schätzen wohl ihre Privatsphäre“, antwortete Yohji mit einem sarkastischen Grinsen. Seine Zweifel bezüglich der Zielpersonen hatten sich mittlerweile weitestgehend aufgelöst. Diese Beiden hatten wirklich viel Dreck am Stecken. Und die Hochzeit schrie wirklich geradezu nach Zweckmäßigkeit, nach nichts anderem. Bis spät in die Nacht hinein arbeiteten die jungen Männer ihre Unterlagen durch, peinlich darauf bedacht, nichts Wichtiges zu übersehen. Doch an diesem Abend konnten sie aus den Informationen, die sie von Kritiker bekommen hatten, keinen passenden Zeitpunkt für die Durchführung ihrer Mission herausfiltern. Birman hatte nicht untertrieben. Allgemeine Müdigkeit breitete sich nach den geistigen Anstrengungen immer rascher aus. Als Ken anfing zu gähnen, steckte er die anderen damit an und Omi schlief bereits beinahe über seiner Tastatur ein. „Machen wir Schluss für heute“, bestimmte Aya und ordnete die Dokumente schnell in die Kladde ein. „Morgen ist auch noch ein Tag. Mach den Computer aus, Omi.“ Der Gedanke an ein weiches Bett war für alle verlockend und niemand widersprach dem Rotschopf. Eine Woche war bereits vergangen, ohne dass Omi etwas Brauchbares herausgefunden hatte. Diese Leute hatten wirklich Termine auf der ganzen Welt, soviel hatte er in Erfahrung bringen können. Sie besaßen einen Privatjet, was bei den Einnahmen aus kriminellen Machenschaften wohl ein angemessener Luxus war und waren alle paar Tage an einem anderen Ort anzutreffen. Nur Japan hatte er bisher für beide zusammen nicht bis Neujahr auf ihrer Route entdecken können. Ohnehin schienen die Termine vollkommen willkürlich gelegt zu sein und wiesen kein erkennbares Muster auf. Zwischendurch gab es auch immer wieder Tage, an denen wohl nichts geplant war. Wenn das so weiter ging, blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als sich ebenfalls in ein Flugzeug zu setzen und ihre Mission eben auf einem anderen Kontinent zu erfüllen. Der blonde Junge tippte mittlerweile mehr als lustlos auf der Tastatur herum. Irgendwie hatte er das Gefühl, immer einen Schritt hinterher zu hinken. Wenn er im Yakuza-Netzwerk einen Hinweis gefunden hatte und dem nachgegangen war, stelle er meistens fest, dass die Information schon wieder veraltet war und sei es bloß um ein paar Stunden. Auch Brad beobachtete das Elend. So konnte das doch nicht weiter gehen. Weiß hatten schon ganz andere Dinger gedreht und da sollten so ein paar Mafiosi doch keine wirkliche Herausforderung darstellen. Anscheinend hatte Omi etwas Wichtiges übersehen. Was angesichts der Tatsache, dass er kaum schlief, rund um die Uhr vor dem Bildschirm saß und sogar für die Schule eine Krankmeldung hatte, kaum verwunderlich war. Unter solchen Umständen musste die Konzentration einfach früher oder später nachlassen. Vielleicht konnte Nagi bei der Recherche weiter helfen. Er war mindestens ein ebenso brillanter Hacker, wie der blonde Japaner, wenn nicht sogar noch besser. Das nächste Mal, wenn er mit Aya in den Missionsraum kam, um Omi etwas zu Essen zu bringen, würde Brad ihn darauf ansprechen. Dann mussten sie nur noch dafür sorgen, dass der Weiß-Leader auch zur moralischen Unterstützung bei seinem Freund blieb. Auf die ersehnte Gesellschaft musste Crawford nicht lange warten. Wie angenommen betrat nach einiger Zeit der Weiß-Leader den Missionsraum, Nagi wie immer im Schlepptau. Der Rotschopf trug ein Tablett mit Omis Abendessen und stellte es neben dem Computer ab. „Hast du schon etwas herausgefunden?“, fragte er hoffnungsvoll. Der Jüngere schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Nichts Brauchbares. Inagawa ist zwar ein paar Mal in Japan und sogar hier in Tokyo, aber seine Verlobte ist nie dabei. Vielleicht ahnen sie etwas.“ „Nein, das glaube ich weniger“, meinte Aya kopfschüttelnd. „Wieso denn nicht? Die werden sich bestimmt noch mehr Feinde gemacht haben.“ Omi tippte noch etwas ein und runzelte die Stirn. „Seltsam ... irgendetwas ist anders.“ Der Rotschopf sah ihn mit fragendem Blick an. „Wie meinst du das?“ „Ich hab mich bisher in die lokalen Netzwerke der Yakuza reingehackt sowie bei den Corleones. Untereinander sind sie selten bis überhaupt nicht vernetzt, so dass ich mir sie nicht gleichzeitig vornehmen kann. Aber irgendwas hat sich hier gerade in der Netzwerkstruktur geändert, glaube ich“, erklärte der Hacker und versuchte nachzuvollziehen, was er gerade entdeckt hatte. „Vielleicht solltest du mal eine Pause einlegen“, meinte Aya und hielt ihm die Essstäbchen hin. „Aber vielleicht übersehe ich dann etwas Wichtiges“, widersprach Omi und tippte, die Stäbchen ignorierend, weiter. „Du solltest trotzdem etwas essen.“ Der blonde Junge seufzte leise. „Okay, aber lass mich hier eben noch ein paar Tools einrichten, die mir ein bisschen Arbeit abnehmen.“ Brad und Nagi schauten ihm dabei interessiert über die Schulter. „Kannst du ihm hierbei etwas unter die Arme greifen?“, fragte der Amerikaner. Der Jüngste im Raum begutachtete kurz, was Omi bisher herausgefunden hatte und was er gerade einrichtete. Dann nickte er. „Ja, ich denke schon. Dadurch, dass er hier jetzt einige Programme startet, die quasi noch mal alles alleine durcharbeiten, kann ich unbemerkt selber dazwischenfunken. Das heißt, wenn die beiden nicht auf die Tastatur achten.“ „Die arbeiten also alleine?“, fragte Aya skeptisch. „Naja, nicht ganz alleine. Ich hab sie ja vorher programmiert. Und nachher muss ich die gesammelten Daten noch auswerten“, erklärte er. „Aber in der Zwischenzeit läuft alles automatisch? Dann kannst du dich ja mal bequemer hinsetzen und in Ruhe essen. Gönne deinen Augen auch mal etwas Ruhe.“ Mit diesen Worten nahm der Rotschopf das Tablett wieder auf und stellte es auf dem Tisch vor dem Sofa ab. Widerwillig erhob sich Omi von seinem Drehstuhl und folgte dem anderen auf das Sofa. Er setzte sich neben ihn und nahm die Schale an sich, es gab Reis mit Curryhühnchen und verschiedenen Gemüsen. „Wer hat gekocht?“, fragte er und begann langsam zu essen. „Ich, wer sonst? Glaubst du etwa, Yohji hätte mal eben auf die Schnelle kochen gelernt? Das wird er sein Lebtag nicht mehr lernen. Und Ken war gestern dran.“ Nagi nutzte die Gelegenheit und führte Omis Arbeit fort. Er musste sich beeilen, denn der andere würde schließlich nicht ewig essen. „Brad, ich glaub ich weiß jetzt, was Bombay gerade so seltsam vorkam.“ „Und was?“ „Es hängt eine zusätzliche Workstation im Netzwerk, die vorher nicht da war und scheinbar nicht richtig damit kompatibel ist. Ich werde mir das mal genauer ansehen. Dafür brauche ich aber noch ein paar Minuten.“ „Die Zeit hast du vielleicht nicht mehr. Omi ist fertig mit essen“, stellte der Amerikaner fest und beobachtete, wie sein Schützling seine Schale und die Essstäbchen wieder zurück auf das Tablett stellte. „Das war sehr gut, Aya“, sagte der blonde Junge und schenkte seinem Gegenüber eines seiner fröhlichen Lächeln. „Jetzt kann ich mich frisch gestärkt wieder an die Arbeit machen.“ Und genau das tat er dann. Er stand auf und setzte sich wieder an den Computer. Nagi musste fluchtartig den Stuhl räumen, damit Omis Körper nicht durch ihn hindurch sank. Dieser ungewollte Körperkontakt war eine eher unangenehme Erfahrung, die jeder von Schwarz bereits gemacht hatte. Er hatte nicht einmal mehr Zeit, das Fenster, in dem er gerade gearbeitete hatte, zu schließen. Der junge Weiß betrachtete kurz seinen Bildschirm und runzelte die Stirn. Dann ließ er seine Finger wieder in Windeseile über die Tasten fliegen. „Ich will dich nicht länger stören“, meinte Aya und ging mit dem Tablett wieder nach oben in die Küche. Hier waren Ken und Yohji gerade mit dem Abwasch beschäftigt und ihr Leader stellte Omis schmutziges Geschirr noch dazu. Dann setzte er sich an den Küchentisch und seufzte leise. „Immer noch nichts?“, fragte der Playboy. Aya schüttelte entmutigt den Kopf. „Er hat zwar einiges herausgefunden, aber nichts was für uns hilfreich wäre. So schwer hatte er noch nie an etwas zu beißen.“ Nagi grinste wissend und lehnte sich entspannt zurück. Er wirkte wie die Selbstsicherheit in Person, im Moment stellte er einen ziemlichen Gegensatz zu seinem Schützling dar. Das machte seine beiden Kollegen stutzig. „Was hast du ausgefressen?“, fragte Schuldig ihn direkt. „Gar nichts“, meinte Nagi. „Ich hab nur Omi ein bisschen Arbeit abgenommen und bin auf etwas gestoßen, was er wohl auch nach einiger Zeit bemerkt hätte, wenn Aya ihn nicht zum Essen gezwungen hätte.“ „Und was ist das?“, wollte Farfarello wissen und wurde für einen Augenblick unachtsam. Genau in dieser Sekunde ließ Ken eine Porzellanschale auf den Boden fallen und sie zersplitterte in tausend Scherben. „He, pass doch auf“, beschwerte sich Yohji, der schnell einen Schritt zur Seite gesprungen oder mehr oder weniger von Schuldig zur Seite gezogen worden war, um keine Splitter abzubekommen. „Tut mir leid, es ist mir einfach aus der Hand gerutscht“, entschuldigte er sich und beugte sich herunter, um die Scherben aufzusammeln. Schuldig schüttelte leicht den Kopf und seufzte. „Wir müssen echt bei allem aufpassen, selbst bei solchen Kleinigkeiten. Was meint ihr wohl, wie oft ich Yohji davon abhalten musste, mit dem Akkuschrauber oder dem Hammer aus Versehen Selbstmord zu begehen, als wir den neuen Schrank aufgebaut haben?“ „Jetzt übertreibe mal nicht“, meinte Nagi und lachte. „Ihr habt irrsinnig viel Krach gemacht und geflucht habt ihr beide mehr als genug. So schlimm kann es also nicht gewesen sein, ihr schient euren Spaß zu haben.“ Farfarello schenkte seinen beiden Kollegen für den Augenblick keine Beachtung. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Ken, damit dieser sich beim Scherbenauflesen nicht auch noch schnitt. Es war schlimm genug, dass er durch seine Schuld erst etwas hatte fallen lassen. „Also jetzt rück schon raus mit der Sprache“, kam Schuldig wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. „Was hat Bombay, beziehungsweise: Was hast du denn jetzt herausgefunden?“ Nagi schüttelte den Kopf. „Das wird Omi den anderen, denke ich, in ein paar Minuten erzählen. Ich hab ihn ja nur in die richtige Richtung geschubst, den Rest muss er noch alleine machen. Ich hab nur so eine Ahnung, dass sie jetzt mit ihrer Mission einen großen Schritt nach vorne machen.“ „Ich hab was! Ich hab was!“, tönten immer lauter werdende, weil näher kommende, freudige Rufe aus dem Missionsraum im Keller. Wenige Augenblicke später stand ein über das ganze Gesicht strahlender Junge mitten in der Küche und tänzelte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. „Ich hab was gefunden und weiß jetzt auch warum ich so lange danach suchen musste. Was nicht da ist, kann man nicht finden.“ „Und was hast du gefunden?“, fragte Aya erwartungsvoll. „Die persönliche Agenda von Maria Corleone“, verkündete Omi voller Stolz. „Sie ist immer mit ihrem Laptop unterwegs. Nein, eigentlich ist Laptop falsch, sie benutzt so ein Apple iBook. Daher schließt sie ihn wohl auch nur ganz selten ans Netzwerk an, weil es da schon mal Kompatibilitätsprobleme zwischen MAC OS und den Windows Betriebssystemen gibt. Und vom Internet hält sie wohl auch allgemein nicht so viel.“ „Und in dieser Agenda steht drin, wann sie das nächste mal mit Takato Inagawa in Tokyo ist“, vermutete Yohji und nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarette. „Bingo!“, strahlte der blonde Junge. „Ich spiegele gerade ihre gesamte Festplatte und durchforste sie dann nachher. Wenn ich das lokal bei ihr direkt drauf mache, ist erstens das Risiko zu groß entdeckt zu werden und zweitens könnte sie die Verbindung unterbrechen.“ „Omi, du bist ein Genie.“ Den anderen, einschließlich Schuldig und Farfarello blieb nichts mehr hinzuzufügen, außer zustimmendem Kopfnicken. „Ich weiß, Ken.“ Mit diesen Worten verließ er die Küche wieder fluchtartig und stürmte zurück an seinen Computer. Um nichts in der Welt wollte er riskieren, dass jetzt noch etwas schief ging. Blieb nur zu hoffen, dass Maria lange genug online blieb. „Das ist gemein“, nörgelte Nagi niedergeschlagen. „Er heimst die ganzen Lorbeeren ein, obwohl er ohne mich immer noch vor einem einzigen großen Fragezeichen stünde.“ „Ach, Kleiner“, meinte Schuldig in tröstendem Tonfall und tätschelte ihm den Kopf. „Mach dir nichts daraus, für uns bist du das größere Genie.“ „Hör auf damit!“, Der Junge Japaner war verärgert und schlug dem Deutschen die Hand weg. „Behandle mich nicht immer wie ein kleines Kind. Das bin ich nicht, schon lange nicht mehr.“ Der Ältere zuckte ob des Schlages leicht zurück. „Tut mir leid“, meinte er dann kleinlaut. „War doch nicht böse gemeint.“ „Ja, ich weiß ... tut mir auch leid. Aber ... es ist nur ...“ „Ich versteh ja, wie du dich fühlst. Aber es ist unser Job und damit müssen wir klar kommen. Wir werden keine Anerkennung für das bekommen, was wir hier tun.“ „Und trotzdem müssen wir“, stimmte Farfarello zu, „egal unter welchen Umständen. Auch wenn es uns manchmal nicht passt. Aber etwas anderes haben wir schließlich nicht verdient.“ Nagi war geknickt. Die Beiden hatten Recht. Zum ersten Mal wünschte er sich, ein paar Dinge in seinem Leben anders gemacht zu haben. Doch ungeschehen konnte man nichts von alledem machen, nur versuchen ein paar andere Dinge dafür richtig zu machen und damit einige Falten in der längst nicht mehr weißen Weste auszubügeln. „Ich glaub, ich geh mal runter und sehe mir an, was der Kleine da gefunden hat“, sagte Yohji und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. „Vielleicht solltest du warten, bis er alles fertig hat. Er wird uns da schon Bescheid sagen“, meinte Aya. Ken nickte zustimmend. „Es wäre besser, wenn wir ihn nicht stören. Wir könnten damit einiges kaputt machen.“ Der Playboy seufzte leise. „Ist ja gut, ich gebe mich geschlagen. Dann geh ich eben mal so lange gucken, was in der Glotze läuft.“ Und schon machte er sich auf ins Wohnzimmer. „Tu das“, meinte der Rotschopf und verließ die Küche ebenfalls. „Wenn irgendwas ist, ich bin oben.“ Mit diesen Worten stapfte er die Treppe hinauf und verschwand in seinem Zimmer. „Na ganz toll“, murrte der Zurückgelassene. „Alle lassen mich alleine und ich muss den Rest wieder alleine machen.“ Ken schnappte sich ein Spültuch und wischte noch den Tisch und die Anrichte sauber. Nachdem die Küche zu seiner Zufriedenheit blitzte und blinkte, gesellte er sich zu Yohji und schon nach einigen Minuten entbrannte ein Streit über das Fernsehprogramm und über die Macht über die Fernbedienung. „Sag mal, Farf ... haben wir uns früher auch so kindisch benommen?“, fragte Schuldig, als er sich die kleine Vorstellung kritisch ansah. Der Einäugige überlegte kurz. „Wir nicht, du schon.“ „Danke, aber das war nicht die Antwort, die ich hören wollte.“ „Wenn du sie nicht hören willst, dann frag mich doch erst gar nicht.“ „Ist ja gut, du hast ja Recht“, stöhnte der Deutsche wehleidig. „So langsam sollte ich es wohl besser wissen.“ Er machte eine kurze Pause und fügte schnell hinzu: „Und jetzt versuch bloß nicht, auch noch das letzte Wort zu haben.“ Omi verbrachte noch ein paar Stunden damit die Datenmenge, die er kopiert hatte zu ordnen und die für sie relevanten Informationen zu filtern. Als er endlich damit fertig war, verriet ihm ein Blick auf die Uhr, dass es bereits weit nach Mitternacht war. Und das spürte er auch in jeder Faser seines Körpers, einfach alles tat ihm weh. Ein neuer, ergonomischer Stuhl war etwas, das er jetzt auf der Liste der demnächst zu tätigenden Anschaffungen ganz oben ansiedelte. Die letzten Ausdrucke wurden von dem Gerät ausgeworfen und der Junge streckte sich ausgiebig und gähnte herzhaft. Die genaue Planung der Mission konnten sie auch noch morgen vornehmen und besprechen. Jetzt brauchte er zuerst einmal dringend Schlaf. Das fand auch Brad. Er hatte seinen Schützling die ganze Zeit über interessiert über die Schulter geschaut. In einer Angelegenheit musste er ihm durchaus Respekt und Anerkennung zollen: Wenn er nicht gerade einen Durchhänger hatte, arbeitete er durchaus schnell und effektiv. Und Effizienz wusste der Amerikaner zu schätzen und die Gegenwart solcher Menschen mit dieser mittlerweile rar gewordenen Tugend genoss er geradezu. Dunkle Ringe hatten sich mittlerweile unter Omis sonst so lebendigen, aber jetzt einfach nur noch müden und überanstrengten Augen gebildet. Er schloss die letzten Programme und fuhr seinen Computer herunter. Dann ordnete er noch die Ausdrucke, damit sie am nächsten Tag direkt anfangen konnten. Als er alles zu seiner Zufriedenheit wieder einigermaßen ordentlich wieder hergerichtet hatte, schleppte er sich langsam die Treppe nach oben. Aus dem Wohnzimmer fiel durch einen schmalen Türspalt noch Licht auf den Flur. Wahrscheinlich sah Yohji sich wieder irgendwelchen Schweinkram im Nachtprogramm an. Omi öffnete die Tür und steckte den Kopf ins Wohnzimmer, um zu sehen, dass er mit seiner Vermutung vollkommen falsch lag. Ken saß angespannt auf dem Sofa und fieberte bei einem Fußballspiel mit. Okay, das wäre meine zweite Vermutung gewesen, dachte Omi und schlurfte zum Sofa hinüber. „Hey, Ken-kun. So spät noch auf? Ist das eine Live-Übertragung?“ Ken drehte sich um und sah den Jüngeren zunächst etwas verduzt an, da er ihn nicht erwartet hatte. Dann nickte er. „Ja, ist es. Yohji hat mich schon das Spiel heute Abend nicht ansehen lassen. Da wollte ich wenigstens das hier nicht verpassen.“ Der blonde Junge seufzte und schüttelte leicht den Kopf. „Kauft euch doch endlich mal jeder einen eigenen Fernseher. Ist ja nicht so, als würdet ihr an der Armutsgrenze leben.“ Er gähnte ausgiebig und setzte hinzu. „Übrigens können wir morgen endlich mal mit der konkreten Planung der Mission anfangen. Ich hab alles nötige soweit zusammen. Jetzt brauch ich aber erst mal eine Mütze voll Schlaf.“ „Das sind ja wirklich tolle Nachrichten. Den Schlaf hast du dir verdient. Gute Nacht, schlaf schön“, meinte Ken lächelnd und heftete dann wieder seinen Blick auf den Bildschirm. Omi wandte sich wieder ab und ging dann die Treppe nach oben. Er überlegte kurz, ob er nachsehen sollte, ob die beiden anderen noch wach waren und entschied sich dann dafür. Zuerst klopfte er an Yohjis Zimmertür, doch er bat ihn nicht herein. Wieder wog er das Für und Wider ab, entschied sich dann aber für das Wider. Vielleicht hatte er Damenbesuch und dann wäre es mehr als peinlich, einfach so ins Zimmer zu platzen. Also ging er hinüber zu Ayas Zimmer und klopfte an dessen Tür. „Ja? Herein“, war die angenehm tiefe Stimme gedämpft von drinnen zu hören. Der blonde Junge öffnete die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer, so dass er sehen konnte, wie der andere auf dem Bett lag und las. „Aya-kun? Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich gefunden hab, was wir brauchen und wir morgen anfangen können die Mission zu planen. Jetzt geh ich erst mal schlafen, meine Augen tun mir schon weh, genauso wie alles andere auch.“ „Gute Arbeit, Omi“, lobte der Rotschopf ihn und schenkte ihm eines seiner seltenen Lächeln. „Geh jetzt ins Bett.“ „Ja. Gute Nacht, Aya-kun. Mach du aber auch nicht mehr allzu lang“, mahnte der Jüngere, zog sich wieder auf den Flur zurück und schloss die Tür hinter sich. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf Omis Lippen. Aya war stolz auf ihn. Er sagte es zwar nicht explizit, aber man merkte ihm so etwas an. An der Art, wie er etwas sagte ... und an seinem Lächeln. Wenn er dieses Lächeln geschenkt bekam, wusste er, wofür es sich zu arbeiten lohnte und all die mühselige Plackerei war vergessen. Man musste diese kleinen Dinge zu schätzen wissen, etwas anderes würde er wohl niemals bekommen. Brad betrachtete den Jungen eingehend, als dieser förmlich in sein Zimmer schwebte. „Hey, Erde an Omi.“ Vergebens schnippte er mit den Fingern vor Omis Gesicht, als dieser sich bis auf die Boxershorts auszog, in einen Pyjama schlüpfte und sich dann ins Bett kuschelte. Der Amerikaner seufzte und setzte sich auf den Schreibtischstuhl. „Houston ... ich glaube wir haben hier ein Problem.“ Am besten, er sprach morgen direkt mit Nagi. Vielleicht war ihm auch etwas an Aya aufgefallen. Für den Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als über den Schlaf des Jungen zu wachen, der nun mit einem seligen Lächeln ins Land der Träume glitt. Am nächsten Morgen saßen Aya, Ken und Yohji bereits am Frühstückstisch, als Omi die Küche betrat. „Guten morgen zusammen“, grüßte er sie gutgelaunt und setzte sich auf seinen Platz. „Guten morgen, Omi“, kam es beinahe gleichzeitig aus drei Mündern. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Yohji, ließ ihrem Jüngsten jedoch noch einmal genug Zeit, um zu antworten. „Ich hab schon gehört, dass du gestern Abend noch richtig erfolgreich warst.“ Der blonde Junge nickte. „Beides ja. Wie kommt es eigentlich, dass du schon wach bist? Vor mir?“ „Wahrscheinlich deswegen, weil ich auch vor dir ins Bett gegangen bin. Kaum zu glauben, aber wahr.“ Nach dem Frühstück erledigten sie gemeinsam den Abwasch und begaben sich dann in den Missionsraum. Hier setzten sie sich zusammen und ließen sich von Omi erklären, was er herausgefunden hatte. „Also, wie ihr ja schon wisst, habe ich endlich Zugriff auf die privaten Dateien von Maria Corleone bekommen. Hier hab ich etwas Passendes entdeckt, wann wir unsere Mission umsetzen können. Birman habe ich gestern Abend sogar noch darüber informiert. Mitte November geben Inagawa und Corleone einen venezianischen Maskenball für Freunde, Geschäftspartner und halt die sogenannten Familienangehörigen. Einige davon sehr hohe Tiere in Politik und Wirtschaft und die meisten sind auch zu der Hochzeit eingeladen, wie ich festgestellt hab“, begann Omi seine Erläuterungen. „Die anderen Gäste interessieren uns erst einmal nicht. Wie sieht es mit diesem Maskenball aus?“, unterbrach Aya. „Dazu komm ich ja jetzt, lasst mich halt ausreden. Beide Ziele werden definitiv auf dem Maskenball vertreten sein. Rein kommt man aber nur mit einer Einladung oder als Angestellter.“ „Das sollte doch kein Problem sein. Ist nicht die erste Party, die wir sprengen“, meinte Ken gelassen und lehnte sich entspannt zurück. „Hört sich doch nach einem Kinderspiel an.“ „Naja, im Prinzip hast du Recht“, pflichtete der Blondschopf ihm bei. „Wir sollten keine Probleme damit haben, eine falsche Einladung zu besorgen oder uns als Kellner einzuschleichen. Wäre ja wirklich nicht die erste Aktion in der Art. Aber wir könnten Schwierigkeiten mit der eindeutigen Identifikation der Zielpersonen bekommen. Jeder ist verkleidet, es ist Pflicht eines dieser prunkvollen, venezianischen Kostüme mit der dazugehörigen Maske zu tragen. Hier müssen wir wohl über Gespräche mit den anderen Gästen herausbekommen, wer die Gastgeber sind. Ich habe hier schon versucht, etwas in Erfahrung zu bringen. Das einzige was ich gefunden habe, war eine Bestellung an einen Schneider in Venedig, aber keine Bilder oder Beschreibungen der Kleidung. Es könnte alles Mögliche sein.“ „Ich will als Gast auf diesen Ball“, meldete sich Yohji zu Wort. „Ich war noch nie auf einem richtigen Maskenball, Halloweenpartys zählen da nicht. Ich will mich so unter die Leute mischen.“ „Yohji“, grollte Aya in maßregelndem Tonfall. „Wir gehen da nicht zu unserem Vergnügen hin. Es ist unser Job, vergiss das nicht.“ „Das weiß ich doch.“ Aber ich würde doch so gerne, fügte er in Gedanken hinzu. „Wir müssen uns doch sowieso aufteilen“, bemerkte Ken und zuckte mit den Schultern. „Zwei von uns mimen Kellner und zwei Gäste. Und wenn Yohji unbedingt mal so ein pompöses Zeug anziehen will, lass ihn doch. Besser er tut das auf so einem Maskenball, als im Laden.“ „Vielen Dank für deine Unterstützung“, meinte Yohji und schob leicht schmollend die Unterlippe ein Stück nach vorne. Der Seitenhieb zum Schluss hätte nun wirklich nicht sein müssen. Das war wohl die Rache für gestern Abend. Omi stimmte dem zu. „Ich hatte mir das ungefähr so gedacht: Ken und ich mogeln uns unter die Angestellten und Yohji und Aya mischen sich unter die Gäste. So haben wir verschiedene Ansatzpunkte.“ Das passte Aya überhaupt nicht. Er wollte sich nicht in so ein affiges Kostüm zwängen und sich zum Gespött machen. Yohji eignete sich dafür sehr gut, das konnte er in keiner Weise bestreiten. Aber er selbst würde mit seiner etwas steifen Art wohl auffallen. „Es wäre mir lieber, wenn ich unter die Angestellten gehen könnte. Ich hab mehr Erfahrung im kellnern als in so etwas.“ „Dann tauschen wir eben, ist doch kein Problem, Aya“, meinte Ken und lächelte etwas verlegen. „Als Kellner würde ich wahrscheinlich mehr auffallen, wenn ich mich wieder irgendwie tollpatschig benehme und Sachen umstoße oder fallen lasse.“ „Gut. Nachdem wir das geklärt hätten, können wir ja eigentlich mit den Vorbereitungen anfangen“, sagte der blonde Junge freudestrahlend. „Stattfinden wird dieser Ball natürlich stilecht auf dem Wasser und zwar auf der Privatyacht unserer beiden Zielpersonen. Sie liegt im Moment hier im Hafen von Tokyo und wird am Stichtag um genau 20:00 Uhr ablegen. Zurückkehren wird sie wohl erst am nächsten Morgen.“ „Wir können doch unmöglich die ganze Nacht auf dieser Yacht bleiben“, warf Yohji skeptisch ein. „Ich glaube es dürfte doch auffallen, wenn die beiden Gastgeber irgendwann tot in der Ecke liegen.“ „Also bitte, wenn ihr so dermaßen schlampig arbeitet, frage ich mich langsam, warum ihr immer noch lebt“, meinte Nagi und sah sich sehr skeptisch in der Runde um. Schuldig fing an zu lachen. „Die hören dich doch eh nicht, also gib dir keine Mühe. Außerdem glaube ich nicht, dass er das ernst gemeint hat. Er hat es wohl eher sehr vereinfacht ausgedrückt.“ Brad stimmte dem ausnahmsweise zu. „Glaub ich auch. Ansonsten würden sie nämlich einerseits ihren Job nicht lange behalten und andererseits wohl auch schon längst tot sein.“ Weiß indes begannen bereits rege mit der Planung ihrer Mission. Langsam wurde es auch Zeit, sie hatten noch knapp zwei Wochen Zeit und noch viel vorzubereiten. „Jetzt stell dich nicht so an, Ken.“ Yohji klang mittlerweile reichlich genervt. „Wir brauchen nun mal Kostüme und die kriegen wir nicht so von der Stange.“ „Aber wir könnten doch zuerst bei einem Kostümverleih nach fragen“, meinte Ken abwehrend, schließlich war nicht er es, der sich anstellte, sondern der selbsternannte Doktor Love. Er verstand nicht, warum sein Freund sich sein Kostüm unbedingt maßschneidern lassen wollte. „Okay, wenn es dich glücklich macht durchstöbern wir zuerst sämtliche Kostümverleihe in der Stadt. Aber dir ist klar, dass die Sachen die man da bekommt, meistens sowieso nicht richtig passen und eher aus ziemlich zweitklassigen Material sind.“ Yohji steuerte also auf den nächstbesten Kostümverleih zu und parkte seinen Wagen davor auf dem Kundenparkplatz. Er hatte sich bereits, seit Omi das erste Wort über diesen Maskenball hatte fallen lassen, darauf gefreut und wollte sich natürlich auch entsprechend einkleiden. Schließlich war es nicht irgendein Kostümfest, sondern eine Veranstaltung mit Stil, auch wenn Kriminelle sie gaben. Für Ken war es daher nicht mehr als eine Mission und er und die anderen wollten wie immer das bestmögliche Ergebnis mit dem geringsten Aufwand. Aber man hatte schließlich nicht jeden Tag so eine Gelegenheit. Die beiden Weiß-Mitglieder betraten den Verleih und sahen sich zunächst einmal um. Während Ken damit anfing, sich durch die verschiedenen Kostüme zu wühlen, stöberte Yohji eine Kundenbetreuerin auf und schilderte ihr, was genau sie suchten. Er wollte definitiv nicht mehr Zeit als nötig mit etwas verbringen, bei dem er von Anfang an dagegen war. Die Auswahl fiel eher spärlich aus, da einerseits nicht viele venezianische Kostüme zur Verfügung standen und andererseits die wenigen Vorhandenen größtenteils bereits vorbestellt waren. Was die junge Frau ansonsten an Kostümen anzubieten hatte, gefiel dem Playboy ganz und gar nicht. Ken hingegen zeigte sich genügsam und wollte das Ein oder andere anprobieren. „Das sieht nicht aus“, war Yohjis Prädikatsurteil auf die meisten Sachen. Dann zog er seinen Freund auf die Seite und flüsterte sehr leise: „Und hast du außerdem mal darüber nachgedacht, was ist wenn wir den ein oder anderen unerwarteten Zwischenfall bestreiten müssen? Ich halte das nicht gerade für sinnvoll dann ein Kostüm zu leihen. Zurückgeben kannst du es dann sowieso nicht mehr und musst den Kaufpreis zahlen. Da können wir dir doch auch genauso gut eines anfertigen lassen, das dann immerhin noch gut aussieht. Außerdem können da dann noch gewisse ‘Extras‘ eingearbeitet werden. Darüber schon mal nachgedacht?“ „Herr, lass Hirn herab regnen“, stöhnte Schuldig beinahe verzweifelt. „Soll er doch wenigstens einmal auf Balinese hören. Das ist doch alles ziemlich einleuchtend, oder? Außerdem sieht dieses Polyesterzeug nicht sonderlich vorteilhaft aus.“ „Mode interessiert ihn halt nicht. Er ist eher praktisch veranlagt“, meinte Farfarello dazu mit einem Achselzucken. Letztendlich ließ Ken sich doch breitschlagen und sah ein, dass der Playboy zumindest in einem Punkt Recht hatte: Bei einer Sonderanfertigung konnte man wenigstens alles so arbeiten lassen, dass man ohne größere Probleme seine Waffe verstecken konnte. Der Kostümverleih konnte demnach keine neuen Kunden verzeichnen und die beiden jungen Männer begaben sich wieder zu Yohjis Wagen. „Und wo meinst du sollen wir jetzt hin?“, fragte Ken. Er war sicher, dass es einige Schneidereien gab, die ausgefallene Wünsche erfüllten und sich vielleicht darauf spezialisiert hatten, nur kannte er davon nicht eine einzige. „Jetzt fahren wir dahin, wo ich schon von Anfang an hin wollte, zu jemandem, der wirklich Ahnung von so etwas hat“, antwortete er und strahlte über das ganze Gesicht. Endlich hatte er doch seinen Willen durchsetzen können. „Da bin ich ja mal gespannt.“ Irgendwie bezweifelte der Dunkelhaarige mittlerweile, ob es eine gute Idee war, Yohji nachzugeben. Der jedoch ließ sich nicht beirren und lenkte das Auto zielstrebig durch den dichten Verkehr. „Vertrau mir einfach. Hijiri ist Ausstatter beim Theater und der Oper, er hat bereits für einige italienische Aufführungen das Ensemble zusammengestellt. Und außerdem hab ich von ihm schon ein paar andere ausgefallene Klamotten bekommen.“ Weitere Erklärungen sparte er sich, da er bereits in eine Seitenstraße nahe dem Theater einbog und dort parkte. „Wir sind da.“ Während Ken und Yohji auf Kostümjagd waren, saßen Aya und Omi zusammen vor dem Computer im Missionsraum und begannen mit der Planung der Mission. Sie stellten eine Liste von Dingen zusammen, die sie noch besorgen mussten. „Wir sollten auch einen Notfallplan B erstellen“, meinte Aya und las mit, was der andere eintippte. Omi nickte lächelnd. „Machen wir doch immer, Aya-kun.“ „Nagi?“, fragte Brad und erregte so die Aufmerksamkeit des anderen Schutzengels. „Ich wollte dich schon die ganze Zeit etwas fragen, aber hab bisher nie den richtigen Moment erwischt.“ „Was gibt’s denn?“, wollte der Jüngere wissen und wandte seine Augen vom Bildschirm ab, um seinen Leader anzusehen. „Ist dir in letzter Zeit irgendetwas an Aya aufgefallen?“ Nagi sah den Amerikaner verwirrt an. „Aufgefallen? Was soll mir denn bitte an ihm aufgefallen sein?“ „Ich meine bezüglich Omi. Hast du da vielleicht festgestellt, dass er irgendwie anders reagiert als sonst?“ „Nein, nicht das ich wüsste.“ Verständnisloses Kopfschütteln folgte auf diese Erklärung. Brad nickte dafür verstehend. „Dafür ist mir an Omi etwas aufgefallen. Er sieht in unserem kleinen Eisklotz scheinbar mehr als nur einen Freund und Arbeitskollegen. Ein wenig viel mehr. Du hättest mal seinen Gesichtsausdruck an dem Abend sehen müssen, als er Aya gesagt hat, dass sie jetzt mit der Planung anfangen können und er ihn angelächelt hat. Vollkommen ab von der Welt.“ „Hm. Nein, ich hab wirklich nichts bemerkt. Aber ich kann ihn ja mal intensiver beobachten. Ich habe ja Gelegenheit genug dazu“, erklärte der junge Japaner und seufzte leise. „Gut. Wenn sich da zwischen den beiden etwas entwickelt, könnte das vielleicht gefährlich für alle werden, wenn sie zu sehr aufeinander fixiert sind.“ Yohji führte Ken durch den Hintereingang des Theaters in die Requisite. Als er Hijiri nicht finden konnte, fragte er einen jungen Mann, der gerade einige Bühnenbilder mit Pappmaché ausbesserte. „Der ist heute nicht hier“, antwortete er. „Wahrscheinlich ist er im Elysium. Ich würde es da mal versuchen.“ Der Playboy bedankte sich für die Auskunft und schleifte seinen Freund wieder mit nach draußen auf die Straße. „Und was ist das Elysium, wenn man fragen darf?“, wollte der ehemalige Torwart wissen. Über Yohjis Lippen breitete sich ein wissendes Grinsen aus. „Das siehst du, wenn wir da sind. Es ist ein kleiner Nachtclub die Straße runter.“ „Ich glaub, den kenne ich auch“, meinte Schuldig und runzelte nachdenklich die Stirn. Als sie beim gesuchten Club ankamen, wurde ihnen auch hier Einlass durch den Hintereingang gewährt und sie wurden abermals in die Requisite geführt. Dort stießen sie auf einen Mann mittleren Alters, der ihnen erfreut entgegeneilte, als er sie erblickte. „Yohji, wie komm ich zu der Ehre, dass du mich in meinen kleinen, bescheidenen, rosa Plüschhallen besuchst?“, fragte er überschwänglich, umarmte den soeben Begrüßten einfach und küsste ihn ungeniert auf die Wange. „Und wer ist die Hübsche, die du mir da mitgebracht hast?“ Der honigblonde Mann musste lachen, während Ken es wohl nicht sonderlich witzig, sondern eher peinlich fand. Ihm schoss, wie schon so oft, das Blut in den Kopf und färbte seine Wangen rot. Ein wenig trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust. „Ach, ist er nicht niedlich“, meinte Schuldig spöttisch und grinste sarkastisch. „So ist Ken nun einmal“, meinte Farfarello. „Kümmere dich lieber um deinen Schützling. Wir wollen ja nicht, dass ihm noch was passiert. Und warst du jetzt schon mal in diesem Club?“ „Das weiß ich nicht genau. Nachts sehen solche Clubs halt vollkommen anders aus als tagsüber. Und solche Hinterzimmer und Garderoben sehen doch auch irgendwie alle gleich aus.“ „Das ist Ken, ein Freund und Arbeitskollege von mir“, stellte er Hijiri seinen Begleiter vor. „Und das ist Hijiri, ein guter Bekannter und die gute Fee aus dem Märchenland, die armen Prinzessinnen zu ihren extraordinären Ballkleidern verhilft.“ Der Jüngere stutzt. „Ähm, Moment mal. Von was redest du da? Ich dachte, wir wollten uns etwas passendes, venezianisches für den Maskenball anfertigen lassen.“ Yohji schüttelte verständnislos den Kopf. „Ken, manchmal bist du wirklich herzerweichend einfältig. Es war ein Scherz, okay? Hijiri macht weit und breit die besten Kostüme, glaub es mir.“ Dann wandte er sich an den anderen Mann. „Also wie Ken schon sagte brauchen wir für einen traditionellen, venezianischen Maskenball ein passendes Outfit, komplett mit Masken und irgendwelche Kopfbedeckungen.“ Der Angesprochene nickte verstehend und wurde etwas ernster. „Gut, schwebt dir schon etwas Bestimmtes vor? Vielleicht sollten wir in meine Schneiderei gehen, dann kann ich direkt Maß nehmen.“ Mit diesen Worten bedeutete er den anderen beiden auch schon ihm zu folgen und führte sie durch einige Gänge. Sie gelangten in einen Raum, der vollgestopft war mit Stoffballen, Modepuppen, Nähmaschinen, Schneidetischen, Spiegeln und allem möglichen anderen Krempel. „Also ich dachte an etwas Elegantes aus Brokat, Damast, Samt oder Seide. Oder alles zusammen, du bist der Maestro. Außerdem eine Ganzgesichtsmaske, am besten wir sind komplett verhüllt“, erklärte Yohji dann und betrachtete bereits einige Stoffe. „Ich hätte schon eine Idee, was ich aus euch beiden Hübschen machen könnte. Ich würde dich zu gerne in einen weiten Reifrock stecken, mit einem Korsett deine Taille schnüren und die Illusion eines weichen Dekolleté erschaffen. Wie lange ich schon davon träume, einmal für einen solch vollkommenen Körper das perfekte Kostüm zu kreieren. Das würde so gut zu dir passen, du bist geradezu geschaffen für so etwas mit deinem schlanken Körper und diesen unendlich langen Beinen. Nur ein kleines bisschen zu groß bist du vielleicht.“ Hijiris Blick wanderte zu Ken. „Aber er ist kleiner, bei ihm ginge das vielleicht. Ihr würdet ein wunderschönes Pärchen abgeben.“ Yohji winkte schnell ab. „Nein, so extravagant soll es dann doch nicht sein. Und wie du schon sagtest, ich bin eh zu groß. Und Ken ist zu muskulös, das sieht nicht aus. Außerdem würde er mich umbringen, wenn ich zulasse, dass du ihn in so was hineinsteckst. Und noch was: Mit Pärchen ist nichts, er ist vergeben. Also gilt auch für dich: Finger weg. Außerdem hab ich mir ein paar Vorlagen aus dem Internet zusammen gesucht.“ Er griff in seine Manteltasche und holte einige gefaltete Blätter zum Vorschein und gab sie ihrem Ausstatter. „Ich dachte eher an etwas in der Art.“ „Wie schade, ich habe auch nur Pech. Zeig mal her was du da hast. Sieht zumindest nicht schlecht aus. Ich werde sehen, was ich euch zaubern kann.“ Der Mann mittleren Alters seufzte schwer und nahm ein Maßband und einen Notizblock zur Hand. „Würdet ihr euch denn bitte zumindest ein bisschen freimachen, damit ich eure Maße korrekt nehmen kann?“ „Klar“, meinte der Playboy und zog sich die Schuhe und den Mantel aus. Ken beäugte die Prozedur, wie sein Freund abgemessen wurde, misstrauisch. Immerhin verlangte diese merkwürdige Gestalt nicht, dass sie sich ganz auszogen. Irgendwie war ihm dieser ominöse Freund von Yohji nicht ganz geheuer. Dann war er an der Reihe und das Maßband legte sich geschickt um seinen Körper. Seine Maße wurden ordentlich auf dem Notizblock vermerkt. „Dann schau ich doch mal, was sich aus den Vorlagen so machen lässt. Ihr könnt in drei Tagen wiederkommen, um die ersten Entwürfe anzusehen und anzuprobieren“, erklärte Hijiri dann und legte seine Notizen beiseite. Der Playboy nickte. „Was kostet uns der Spaß ungefähr?“ „Hm, lass mich mal überlegen“, der Schneider legte seine Stirn nachdenklich in Falten, fing dann aber an süffisant zu lächeln. „Für dich eine Nacht.“ „Ich meinte eigentlich in Yen. Ich wollte nicht unbedingt in Naturalien zahlen.“ „Schade.“ „Wer ist diese schräge Gestalt, zu der du mich da geschleppt hast, eigentlich?“, wollte Ken wissen, als sie auf dem Weg nach Hause waren. „Hab ich dir doch gesagt. Ein guter Bekannter. Und vielleicht ist er ein bisschen schräg, aber man kann sich auf ihn verlassen. Außerdem muss man wohl ein bisschen anders sein, wenn man neben seiner normalen Tätigkeit auch noch Kostüme für Dragshows und all so etwas entwirft. Außerdem ist er schwul, wie du bestimmt gemerkt hast.“ Dragshows und schwul ... ja, das erklärte zumindest dieses plüschige Ambiente, in dem sie empfangen worden waren. „Und du bist dir sicher, dass es die richtige Entscheidung war, uns von ihm unsere Einsatzkleidung für die Mission anfertigen zu lassen?“ Seine Skepsis wurde er nicht los, egal wie sehr der andere ihm auch die Unbedenklichkeit dieser Sache beteuerte. Yohji seufzte leise. „Ja, das meine ich. Hör mal, ich bin sehr wählerisch, was Klamotten angeht. Das solltest du wohl mittlerweile wissen. Und ich würde darum nicht zu irgendjemandem gehen, der nicht weiß, was er tut.“ „Hey, guck auf die Straße!“, brüllte Ken, als auf einmal vor ihnen ein LKW ausscherte und sich genau vor sie setzte. Der Honigblonde trat blitzartig auf die Bremse. Eine Sekunde später und sie hätten den Laster vor ihnen geknutscht. „Das war knapp ...“ „Ganz cool, ihr beiden“, meinte Schuldig grinsend und ließ die Bremse wieder los, so dass sein Schützling wieder die Kontrolle über den Wagen hatte. „Wir haben das alles hier voll unter Kontrolle.“ „Warum redest du eigentlich ständig mit ihnen?“, fragte Farfarello. „Sie hören dich doch eh nicht.“ „Ich bin eben sehr mitteilungsbedürftig und du bist ja nun manchmal nicht gerade der ideale Gesprächspartner.“ Das er einen regelrecht in den Wahnsinn treiben konnte ließ der Deutsche unausgesprochen. „Aber sie könnten ruhig öfter in solche brenzligen Situationen gelangen. Da bekommen wir wenigstens etwas zu tun.“ „Sie haben bald eine Mission. Ist dir das brenzlig genug?“ „Ja, vielleicht“, räumte der Mann mit dem flammend orange Haar ein. „Aber bisher hat sich das alles nach einem ziemlich gemütlichen Spaziergang angehört. Findest du nicht? Sie gehen auf eine Party, murksen zwei Leute ab, verschwinden wieder und fertig. In so etwas haben die doch Übung.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)