Wir sind keine Engel von Lethtendris (Oder doch?) ================================================================================ Kapitel 6: Ein Hauch von Venedig -------------------------------- Wir sind keine Engel Kapitel 6: Ein Hauch von Venedig In den folgenden zwei Wochen bereiteten Weiß gemeinsam alles bis ins letzte Detail vor. Omi hatte Einladungen gefälscht und sich und Aya auf die Liste der Kellner des Catering Service gesetzt. Sie hatten sich dazu entschieden zusammen mit den anderen Angestellten und Gästen das Schiff zu betreten. Es war Samstag und an diesem Abend sollte die Mission stattfinden. Bombay und Abyssinian begaben sich jedoch bereits gegen Mittag zusammen mit den anderen Angestellten auf die Yacht, um die Vorbereitungen für die Party zu treffen. Yohji und Ken nutzten den verbleibenden Nachmittag ausgiebig dazu, sich möglichst vorteilhaft in ihre neuen Kostüme zu drapieren. Hijiri hatte einen barocken Traum aus aufwendig verarbeiteten, erlesenen Stoffen geschaffen. Zwar hatte er die Kostüme einige Male nach ihren Wünschen ändern müssen, aber das Ergebnis war entsprechend sehenswert. Die beiden jungen Männer standen gemeinsam in Yohjis Zimmer vor dem Spiegel und halfen sich gegenseitig in ihre neue Ausstattung. Für Ken hatte Hijiri etwas entworfen, was entfernt an eine Art Vogelkostüm erinnerte. Ihr Schneider hatte es im Kontrast hierzu liebevoll ’Papageno’ getauft, obwohl es nicht halb so bunt war wie der Vogelfänger aus Mozarts Zauberflöte. Die Kleidung war reich mit Federn bestückt, die Ärmel endeten in Handschuhe, die das Aussehen von Vogelklauen hatten. So konnte Ken unauffällig seine Bugnuks darin unterbringen. Sein ganzes Gesicht war bedeckt von einer verzierten, goldenen Maske mit einer lang gezogenen Nase, die einen Schnabel darstellte. Sein Haupt bedeckte ein großer Hut, der über und über mit großen, buschigen Federn bestückt war. Yohji hatte ein nicht ganz so spektakuläres aber dennoch extravagantes und mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitetes Kostüm erhalten. Die Kleidung ähnelte der eines venezianischen Edelmannes des barocken Zeitalters: vorn etwas eckig zulaufende, schwarze Samtschuhe mit Absatz, breiter Schnalle und Rüschen, weiße Kniestrümpfe, die in eine dunkelblaue, samtene Pumphose übergingen, ein weißes, seidenes Rüschenhemd und darüber eine mit goldenen und silbernen Mustern reich verzierte, dunkelblaue Seidenweste, an deren Halsausschnitt die Rüschen des Hemdes zum Vorschein kamen. Über allem trug er einen schwarzblauen Gehrock, der ihm etwa bis zur Mitte seiner Oberschenkel reichte und ebenfalls sehr aufwendig bestickt war. An den umgeschlagenen Ärmelenden lugten ebenfalls Rüschen hervor und bedeckten teilweise die weißen Handschuhe, in denen seine Finger steckten. Sein Gesicht verbarg eine schwarze Maske, die um die Augen und an den Seiten ebenfalls mit verschlungenen Mustern aus Gold und Silber verziert war, sowie goldene Lippen aufwies. Ein schwarzer, dreieckiger Hut mit einigen weißen Federn thronte als Abschluss auf Yohjis Haupt und ließ nur noch wenig von der weißen Perücke mit den aufgedrehten Locken sehen. Schuldig und Farfarello verfolgten die Prozedur mehr oder minder interessiert. Scheinbar war es nicht ganz so einfach, sich in diese seltsamen Kleidungsstücke zu quälen, wie es aussah. „Glaubst du, dass es ihnen was bringt, so auf einer Mission herumzulaufen?“, fragte der Ire skeptisch. Sein Freund zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich ja, ansonsten würden sie es wohl nicht anziehen.“ „Von letzterem wäre ich nicht so überzeugt. Balinese scheinen diese Klamotten zu gefallen“, stellte der Einäugige fest und sah weiter dabei zu, wie Ken verzweifelt versuchte, seine Maske ordentlich zu befestigen, ohne dass sie verrutschte. „He, warte mal“, hielt Yohji ihn auf. „Du musst erst noch deine Augen schwarz umschminken, damit man die Haut unter den Löchern der Maske nicht sieht.“ Das hatte Ken beinahe vergessen und sofort sah er sich nach der schwarzen Theaterschminke um, die sie ebenfalls von Hijiri erhalten hatten. „Wo hast du denn das Zeug hingetan?“ Die Frage war eigentlich überflüssig, da der Playboy bereits zwei Finger in die Schminke tauchte und anfing, sie dem anderen um die Augen zu schmieren. Das Gleiche wiederholte er bei sich und überprüfte das Ergebnis im Spiegel. Dann half er Ken dabei seine Maske und den Hut ordentlich zu befestigen, zur Hilfe nahm er dabei ein paar Haarnadeln, um das Ganze zu fixieren. „Irgendwie habe ich langsam das Gefühl, dass du so was nicht zum ersten Mal machst“, meinte der ehemalige Torwart, als er sich in voller Pracht seines Kostüms im Spiegel betrachtete. Der honigblonde Mann grinste. „Also im Prinzip hast du Recht, ich hatte etwas Nachhilfe.“ Mit diesen Worten setzte er auch sich selbst Maske und Hut auf, um sein Outfit zu komplettieren. „Sieht doch gut aus.“ „Du trägst das gerne, kann das sein?“, fragte Ken zweifelnd. „Eigentlich ist es nicht schlecht. Aber wann sollte man so etwas anziehen? Außerdem sind diese Kniestrümpfe ein Verbrechen, dafür mag ich das Rüschenhemd. Dazu bieten sich glaub ich auch andere Gelegenheiten, das noch mal zu tragen.“ Für diese Stümpfe hätte er Hijiri wirklich umbringen können, er fand es sah einfach lächerlich aus, aber sie gehörten nun einmal dazu. In das Rüschenhemd hatte er sich allerdings verliebt. Wenn es Liebe auf den ersten Blick gab, so war es das in diesem Fall. „Na, was hab ich dir gesagt?“, feixte Farfarello und grinste. Ein erschreckendes Schauspiel, dass man sonst nur zu sehen bekam, wenn ihm die blanke Mordlust in die Augen geschrieben stand. Schuldig zuckte lediglich mit den Schultern. „Ist doch egal. Er kann das ja auch tragen, es steht ihm.“ Um halb acht fuhren Yohji und Ken auf einen Parkplatz in der Nähe der privaten Anlegestege am Hafen Tokyos. Die gesuchte Yacht ausfindig zu machen war nicht schwer. Omi hatte in seinen Recherchen viele Bilder davon gesammelt und außerdem war das voll beleuchtete und geschmückte Monstrum einer Yacht, das ohne weiteres circa 50 Personen fasste, kaum zu übersehen. Sie liefen nacheinander über die Landungsbrücke und wurden an Bord direkt von Aya, der einen weißen Anzug sowie eine goldene Maske trug und hinter einem Pult stand, in Empfang genommen. Zunächst war er nicht sicher gewesen, ob es sich einrichten ließ, dass er die Einladungen überprüfte, um die Möglichkeit, dass die gefälschten Einladungen auffielen so gering wie möglich zu halten. Aber der Rotschopf hatte wohl mit einem anderen Angestellten tauschen können. Allerdings flankierten ihn rechts und links zwei muskulöse Männer in schwarzen Anzügen und silbernen Masken. Davon ließen sich die Weiß-Mitglieder jedoch nicht beirren. „Guten Abend, meine Herren“, begrüßte Aya die Beiden und verneigte sich leicht. „Dürfte ich bitte ihre Einladungen sehen?“ „Selbstverständlich.“ Yohji und Ken zogen ihre Einladungen aus den Taschen und zeigten sie vor. Der Rotschopf hakte die Namen auf seiner Liste ab und nickte. „Ich wünsche ihnen viel Spaß auf unserem Maskenball.“ Sie konnten passieren und wurden direkt in einen Salon eingelassen, in dem sich bereits mehrere Personen aufhielten. Ein Kellner bot ihnen sofort ein Glas Champagner an, aber sie lehnten dankend ab. Stattdessen begannen die beiden Assassins damit, sich nach ihren Zielpersonen umzusehen. Alle Gäste die später eintrafen, konnten sie von vornherein ausschließen. Eventuell hatten Omi und Aya ihre Gastgeber bereits bei den Vorbereitungen des Catering Services gesehen. Daher trennten sie sich und machten sich zuerst auf die Suche nach Omi. Ken fand ihn an der Bar, wie er neue Champagnergläser auf sein Tablett stellte und sprach ihn an. „Könnte ich wohl bitte ein Glas Champagner haben?“ Der Jüngere sah auf und hielt ihm das Tablett entgegen. „Aber natürlich.“ Nachdem er ein Glas genommen hatte, beugte sich der Kostümierte soweit nach vorne, wie es seine Aufmachung zuließ und flüsterte leise, so dass nur Omi es hören konnte: „Habt ihr sie gesehen?“ Omi nickte bestätigend. „Inagawa trägt ein ’Phantom der Oper’ Kostüm.“ „Geht das etwas präziser, davon laufen allein jetzt schon 3 Stück hier herum.“ „Es ist der da hinten, der bei der Frau in dem weiten, weißen Kleid mit den flügelartigen, großen Bögen an den Schultern und der goldenen Maske steht. Das ist Corleone“, erklärte Omi, trat einen Schritt zurück und erklärte dann lauter: „Wenn Ihnen der Sinn eher nach einem anderen Getränk steht, haben wir an der Bar noch eine große Auswahl.“ „Ja, vielen Dank.“ Damit wandte auch Siberian sich mit einem Glas Champagner in der Hand wieder ab und schlenderte zwischen den anderen Gästen hindurch, um Yohji wieder zu finden und ihm die Information mitzuteilen. „Time Force? Sie sind da“, teilte eine kleinere, aber ebenso verhüllte Gestalt seinem Begleiter mit. „Gut, sehen wir erst einmal zu, wie sie sich schlagen“, bestimmte der Angesprochene und folgte mit seinen kalten, blauen Augen Ken. „Sind die anderen beiden auf ihren Positionen?“ Ein Kopfnicken bejahte die Frage. „Unseen wird abwechselnd an den Vieren kleben und Changeling hat sich unter die Security gemischt. Außerdem stehe ich in telepathischem Kontakt mit ihnen und filtere ein bisschen die Gedanken von Weiß heraus. Wir wissen, dass sie ihre Zielpersonen erst einmal isolieren wollen, wobei ich nötigenfalls ein wenig Schützenhilfe geben werde. Sollte also wider erwarten etwas anders laufen, als geplant, können wir sofort eingreifen.“ Time Force nickte zufrieden. „Halt mich auch telepathisch auf dem Laufenden, Spirit.“ Er mochte es, wenn die Dinge genau so liefen, wie er es sich vorstellte. Solange Weiß ihnen die Drecksarbeit abnahmen, waren sie noch nützlich. „Sag mal, findest du nicht auch irgendwas seltsam?“, fragte Farfarello seinen Kollegen, als Ken gerade leise mit Yohji noch einmal ihr Vorgehen absprach. „Irgendetwas stimmt nicht.“ „Ja, ich hab ein seltsames Gefühl. Irgendwie, als ob man beobachtet wird. Meinst du das?“ Der Ire nickte. „So in der Art. Außerdem habe ich gerade gedacht, mal wieder durch jemanden hindurch gegangen zu sein. Es fühlte sich lebendig an, aber da war niemand.“ „Wir sollten unsere Augen noch offener haben als sonst. Ich habe so eine Ahnung, dass hier etwas nicht so ist, wie es sein sollte“, stimmte Schuldig zu und sah sich immer wieder um. Auch er hatte das Gefühl gehabt, durch jemanden hindurch gegangen zu sein, sah aber ebenfalls niemanden. „Unsere Fähigkeiten zu haben wäre jetzt sogar mehr als praktisch. Ohne die sind wir ja quasi aufgeschmissen.“ „Dann müssen wir eben mal unseren gesunden Menschenverstand einsetzen“, meinte der Einäugige. Der Deutsche hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten, um nicht wieder in Gelächter auszubrechen. Farfarello und gesunder Menschenverstand ... das passte für ihn ungefähr genau so zusammen, wie ... Ja, wie was eigentlich? Eigentlich hatte der Ire in letzter Zeit öfter bewiesen, dass er nicht so wahnsinnig war, wie immer alle glaubten oder wie er sie glauben machen wollte. Gegen Mitternacht gab Aya den anderen Weiß-Mitgliedern ein Zeichen, die Mission ging jetzt in die heiße Phase. Omi stellte sein Tablett mit den Horsd’oeuvre ab und suchte die männliche Zielperson auf. „Herr Inagawa? Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber ein Herr würde Sie gerne sprechen“, sagte der blonde Junge und verbeugte sich ehrerbietig vor dem Yakuza. „Mich sprechen? Wer denn?“, kam die etwas unfreundliche Antwort. Offensichtlich fühlte er sich durch diese Störung belästigt. „Er sagte, er heißt Tashiki und Sie würden ihn kennen. Außerdem sei es sehr wichtig und er müsse Sie privat unter vier Augen sprechen, es schien ihm sehr wichtig zu sein.“ „Privat?“, fragte Takato skeptisch. „Warum kommt er nicht selbst? Außerdem kann er genauso gut hier mit mir sprechen. Vor meiner Verlobten und meinen Vertrauten brauche ich keine Geheimnisse zu haben.“ „Es tut mir leid, Inagawa-san, aber darauf kann ich Ihnen leider keine Antwort geben. Soll ich ihm ausrichten, dass er selbst zu Ihnen kommen soll?“, fragte Omi und hoffte innerlich inständig, dass er sich doch noch auf das Treffen einlassen würde. Der Yakuza überlegte kurz, dann nickte er. „Wenn es unbedingt sein muss, dann werde ich mit ihm reden. Richte ihm aus, dass er mich in einer viertel Stunde in meinem Arbeitszimmer treffen soll.“ „Jawohl, ich werde es ausrichten“, antwortete Omi und verbeugte sich noch einmal höflich. Dann wandte er sich ab und verschwand aus dem Salon, um Ken aufzusuchen, den er auf einem der Gänge begegnete. „In einer viertel Stunde im Arbeitszimmer“, flüsterte er im Vorbeigehen und setze seinen Weg dorthin fort. Inagawa schnippte einmal kurz mit den Fingern und zwei seiner Leibwächter gesellten sich zu ihm. „Überprüft eure Waffen, ich habe gleich ein Meeting. Dafür will ich noch etwas vorbereiten, falls es nicht so läuft, wie es soll. Kommt mit.“ Als Inagawa den Salon verließ, gesellte sich Yohji zu Maria Corleone und begann, sie mit seinem Flirt erprobten Charme zu umgarnen. „Ich wünsche einen wunderschönen guten Abend, Frau Corleone. Eine wundervolle Party.“ Er verfluchte es jetzt schon, in diesem Kostüm zu stecken, da er es so um vieles schwerer haben würde. „Na, wenn du das mal gescheit auf die Reihe kriegst, Balinese.“ Schuldig zweifelte irgendwie daran. Außerdem sah er sich immer wieder um. Vielleicht litt er mittlerweile an Verfolgungswahn, aber er konnte sich nicht des unbestimmten Gefühls erwehren, beobachtet und überwacht zu werden. Und dieses Gefühl lösten nicht die allgegenwärtigen Sicherheitsleute aus. Maria drehte sich zu dem jungen Mann um, der sie gerade angesprochen hatte und musterte ihn abschätzend. „Woher wollen Sie wissen, wer unter dieser Maske steckt. Vielleicht bin ich jemand völlig anderes.“ Mit einer beiläufigen Handbewegung winkte sie einige ihrer Leibwächter näher zu sich. „Erwischt!“, gab der Playboy schmunzelnd zu. „Ich habe mich erdreistet, mich ein wenig bei den anderen Gästen und den Kellnern nach Ihnen zu erkundigen ... ich finde es einfach sehr schade, dass Sie Ihre Schönheit hinter einer Maske verbergen.“ „Mit wem habe ich denn das Vergnügen? Wissen Sie, ich rede nicht mit jedem dahergelaufenen Kerl, den ich nicht kenne und lasse mich schamlos anmachen“, erklärte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Yohji verbeugte sich förmlich vor seinem Gegenüber. „Wie unhöflich von mir, mein Name ist Hiroshi Tashiki. Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht dahergelaufen bin, sondern dass mein Vater einige Dinge mit Ihrem zukünftigen Ehemann zu besprechen hat.“ “Hiroshi Tashiki?“ Ein nachdenklicher und prüfender Blick ruhte für einige Sekunden auf dem jungen Mann. „Ich glaub, mein Verlobter hat Sie schon einmal erwähnt!“ Mit einer weiteren beiläufigen Handbewegung, wurden die Schoßhunde wieder fortgeschickt. „Und was wollen Sie jetzt von mir?“ „Muss man denn immer etwas bestimmtes wollen?“, fragte Yohji spitzbübisch. „Aber Sie sind sehr scharfsinnig, in der Tat hatte ich einmal vor Sie 'anzumachen'. Doch ich glaube, das würde meiner Gesundheit nicht besonders gut bekommen. Was ich allerdings sehr schade finde, auch wenn das jetzt sehr unverschämt klingt. Trotzdem möchte ich Ihnen meine aufrichtigen und besten Wünsche übermitteln. Takato Inagawa ist gewiss die beste Partie, die man machen kann.“ Erneut verbeugte er sich leicht und setzte dann in schelmischem Tonfall hinzu: „Ich hoffe, Sie werden noch einen ausgelassenen Junggesellinnenabschied feiern.“ Die Italienerin seufzte kaum hörbar und ging erst gar nicht auf die letzte Bemerkung ein. Stattdessen sah sie sich leicht gelangweilt um und meinte: „Finden Sie diese Veranstaltungen auch immer so ermüdend?“ Dann sah sie ihn wieder mit diesem prüfenden Blick an, als wolle sie hinter der Maske etwas erforschen. „Außerdem: was wissen Sie von meinem Verlobten? Ich weiß zufällig, dass er nicht irgendwelchen dahergelaufenen Kleinganoven alles über sich erzählt.“ Yohji nickte zustimmend. „Ich mag Maskenbälle eigentlich sehr gerne, daher war ich auch sehr erfreut darüber, dass wir eine Einladung zu Ihrem kleinen venezianischen Karneval erhielten. Allerdings muss ich zugeben, es ist ein bisschen steif. Ich will Ihnen da nicht zu nahe treten, ansonsten ist es eine großartige Party. Die meisten Leute trauen sich nur nicht besonders viel zu sagen oder zu tun, weil sie sich von Ihrem Sicherheitspersonal zu sehr eingeengt fühlen. Einerseits verständlich, aber andererseits ist das auch unumgänglich, wenn man sich und seinen Gästen einen gewissen Schutz bieten will. Darum kommt nicht so richtig Stimmung auf, wie ich finde.“ Ein kurzes, amüsiertes Lachen entrann seiner Kehle. „Ich weiß auch nicht wirklich mehr, als jeder andere der Nachrichten sieht. Ihr Verlobter ist nun mal ... sagen wir mal ein Prominenter. Er ist neben seinem Vater der meistgesuchte Kriminelle in Japan, der es immer und immer wieder aufs vorbildlichste versteht seine Weste blütenweiß zu waschen.“ „Wie es scheint, hält Sie unser Sicherheitspersonal nicht davon ab, hier einfach schamlos Leute anzusprechen und drauflos zu plappern.“ Die Frau winkte einen Kellner heran und nahm ein Glas Champagner von dem Tablett. „Was genau wollen Sie von meinem Verlobten? Welchen Vorteil hat er davon, sonst würde er sich doch nie mit Ihnen einlassen.“ „In der Tat. Wieso sollte ich auf eine gesellschaftlich wichtige Veranstaltung gehen, um mich dann totzuschweigen? Macht doch irgendwo keinen Sinn, finden Sie nicht?“ Das Glas Champagner, welches der Kellner auch ihm anbot, lehnte der Playboy dankend ab. Auf Missionen nahm er keinen Alkohol zu sich. „Nein, ich fürchte ich hab schon zu viel und meine Zunge könnte dadurch noch lockerer werden.“ Als der Kellner sie wieder allein ließ, wandte er sich wieder an seine Gesprächspartnerin. „Und ich will gar nichts von Ihrem Verlobten. Das ist Hiroshi Tashiki Senior, mein Vater. Ich weiß nicht, um was genau es jetzt im Moment geht, da bin ich überfragt. Und bis jetzt ist es nicht zur Sprache gekommen. Zurzeit ist meine einzige Funktion hinter meinem Vater her zu laufen und mir anzusehen wie 'Geschäfte' gemacht werden.“ Maria schüttelte leicht den Kopf. „Sie scheinen ja doch ein recht mutiger Mann zu sein. Wenn mein Verlobter Sie bei mir erwischen würde ...“ Sie hob leicht tadelnd den Finger. „Und dann sind Sie nur der Sohn eines kleinen Ganoven.“ Yohji konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Mutig? Ja, vielleicht. Andere nennen es einfach nur größenwahnsinnig. Und der Sohn dieses kleinen Ganoven hat ehrlich gesagt auch noch nicht einmal Lust dazu Daddys ’Geschäfte’ zu übernehmen, wenn er mal abtritt. Aber so ist das eben, wenn man in so etwas hinein geboren wird.“ „Doch, als Größenwahn könnte man Ihr Verhalten auch deuten“, meinte sie leise lachend und deutete auf eine Sitzecke. „Sollen wir uns nicht dort hinüber setzen? Ich habe keine Lust, die ganze Zeit über zu stehen und Sie scheinen ein Recht annehmbarer Gesprächspartner zu sein. Zumindest langweilen Sie einen nicht sofort zu Tode.“ Unseen wandte sich von Yohji und Maria, die er bisher aus nächster Nähe überwacht hatte, ab. Seine Fähigkeit für andere Absolut unsichtbar zu sein war mehr als perfekt für solche Aufgaben. Scheinbar bekam der Weiß es tatsächlich ohne Hilfe hin, die Zielperson von den anderen Gästen wegzulotsen, um endlich zuzuschlagen. So konnte sich Spirit ein weiteres Eingreifen ersparen, es hatte ausgereicht das Interesse der Italienerin für den jungen Mann im Ansatz zu wecken. Der unsichtbare Junge suchte jetzt Inagawa auf, um zu sehen, wie die Dinge hier liefen. Der junge Mann ließ seinen Blick kurz zu der Sitzecke schweifen. „Ja, gerne. Das ist auch viel bequemer.“ Er bot ihr seinen Arm an, damit sie sich einhaken konnte. „Wenn ich Sie dann dort hinüber geleiten dürfte, My Lady.“ „Aber gerne doch“, sagte Maria und hakte sich ein. Gemeinsam gingen sie zu der Sitzgelegenheit, während sie immer wieder prüfende Blicke über Yohjis Körper wandern ließ. Was sie unter dem Kostüm erahnen konnte, gefiel ihr. „Erzählen Sie mir doch, was Sie sonst machen, wenn Sie nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollen.“ „Im Moment studiere ich Jura im dritten Semester und habe mir eher vorgenommen Strafverteidiger für Leute wie die hier Anwesenden zu werden“, erklärte er und bot ihr einen Sitzplatz an. Erst nachdem die Gastgeberin Platz genommen hatte, ließ auch er sich nieder, um nicht unhöflich zu erscheinen. „Jura? Sie studieren allen ernstes Jura?“, fragte die Italienerin skeptisch und setzte verschmitzt hinzu: „Und ich hab Sie für vernünftig gehalten.“ Sie fand immer mehr Gefallen an diesem erfrischend anderen Typ Mann. Abermals musste Yohji schmunzeln. „Dann bin ich wohl größenwahnsinnig und unvernünftig. Aber ich glaube so verkehrt ist Jura nicht. Einigen reicht es zu wissen, dass sie etwas Ungesetzliches tun und dass sie sich dabei nicht erwischen lassen sollten. Ich finde, man kann ruhig auch wissen, wie viel man sich tatsächlich herausnehmen kann und ab wann man riskiert wirklich Ärger zu bekommen und was man dagegen tun kann. Außerdem dürfte es doch recht lukrativ sein, sollte man in dieser Sparte als Strafverteidiger erfolgreich sein. Bis dahin hab ich allerdings noch sehr viel vor mir. Und ich hoffe, dass mir niemand auf meinem Weg die Ohren lang zieht. Ich tanze nämlich gern ... und zwar aus der Reihe.“ „Und was sagt Ihr Vater dazu, dass Sie studieren? Ich meine, er ist da doch bestimmt nicht begeistert davon, wo Sie doch sein Geschäft übernehmen sollen. Aber Sie haben Recht. Einen Strafverteidiger zur Seite zu haben, wäre nicht schlecht. Vielleicht werde ich ein gutes Wort für Sie bei meinem Verlobten einlegen.“ „Nun ja, was soll er sagen? So begeistert ist er davon wirklich nicht. Aber er meint, solange ich meine 'Pflichten' nicht vernachlässige, könnte ich tun und lassen, was ich wollte.“ Der Playboy zuckte gleichgültig mit den Schultern und drehte sich seinem Gegenüber mehr zu. „Das könnte vielleicht wirklich für mich eine ziemlich große Chance sein. Aber deswegen habe ich Sie nicht angesprochen, Sie müssen das nicht tun. Vor allem, weil der Weg, den ich vor mir hab, noch ein sehr weiter und steiniger ist.“ Maria lächelte unter ihrer Maske. „Je nachdem, wie gut Sie mir weiterhin gefallen, werde ich sehen, was sich mit meinem Verlobten machen lässt.“ „Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen.“ Dann versuchte er das Gespräch in eine etwas andere Bahn zu lenken. „Und was ist mit Ihnen? Haben Sie nicht manchmal Heimweh, so weit weg von zu Hause?“ Die Antwort klang etwas wehmütig. „Venedig ... Ja, ich vermisse meine Heimat schon sehr. Sie ist soweit weg von hier... Manchmal wünschte ich mir, ich wäre nie hierher gekommen. Aber dann...“ Sie brach abrupt ab. „Aber sprechen wir nicht von mir, sondern von Ihnen. Wo kommen Sie her?“ „Um neue Ufer zu ergründen, muss man andere hinter sich lassen. Aber Venedig ist ja nicht aus der Welt, Sie können doch gewiss heim zu Ihrer Familie fahren, wenn Ihnen danach ist“, meinte Yohji tröstend und dämpfte seine Stimme etwas. „Bereuen Sie manchmal einige Entscheidungen, die Sie mal getroffen haben? Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“ Um das Thema wieder zu wechseln, beantwortete er ihre letzte Frage. „Ich komme ganz unspektakulär hier aus Tokyo. Und war noch nie in meinem Leben raus aus Japan.“ Maria seufzte ein wenig betrübt. Die Antwort, woher ihr Gesprächspartner kam, beachtete sie nicht einmal mehr. Sie unterhielten sich jetzt leiser als zuvor. „Ja, manchmal bereue ich meine Entscheidung. Vor allen Dingen... hasse ich meinen Verlobten.“ Erschrocken schlug sie sich eine Hand vor den Mund. „Wenn Sie auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlauten lassen ... dann gnade Ihnen Gott!“ „Wenn das so ist ... warum heiraten Sie ihn dann? Und nicht jemanden, den Sie lieben? Entschuldigen Sie die saudämliche Frage, ich kann es mir denken.“ Der Assassin nahm ihre Hand, drückte sie leicht und fuhr in ernstem Tonfall fort. „Kein Wort ... Versprochen. Es geht mich schließlich nichts an und andere ebenso wenig.“ „Sie gefallen mir wirklich immer besser!“ Die Italienerin drückte ebenfalls leicht seine Hand, um daran Halt zu finden. „Und wieso ich ihn heirate, ist jawohl mehr als klar...“ Sie sah sich kurz prüfend um und flüsterte: „Hier ist es zu voll für eine vernünftige Unterhaltung. Ich gehe jetzt meinen Verlobten suchen und ziehe mich dann zurück in meine Kabine, bitte ihn aber, meine Schoßhunde hier zu lassen. Kommen Sie in einer Viertelstunde nach, dann machen wir uns noch einen gemütlichen Abend. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Yohji lächelte triumphierend, sagte dazu nichts mehr und nickte nur. „Okay, wir sehen uns dann in 15 Minuten.“ Dann sah er zu, wie sein Opfer durch den Salon ging, um ihre Aufpasser loszuwerden. Er warf einen Blick auf die Uhr, seinen Einsatz durfte er auf keinen Fall verpassen. Schuldig grinste zufrieden. „Hast du gut gemacht, Kleiner. Jetzt sollten wir nur zusehen, dass sie gleich auch wirklich alleine ist, sonst hat dir das ganze Geschwafel auch nichts gebracht.“ Inagawa öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer und schaltete das Licht an. Sein Date schien niemand zu sein, der umgehend den genannten Ort aufsuchte. Also hatte er noch Zeit. „Ihr beiden wartet hier. Wenn jemand kommt, der behauptet, dass er mit mir verabredet sei, lasst ihn hier warten. Ich komme gleich wieder.“ Mit diesen Worten ließ er die beiden zurück und machte sich auf den Weg zurück auf die Party. Er informierte noch einige andere Sicherheitsleute darüber, dass er gleich eine geschäftliche Besprechung hatte und nicht gestört werden wollte. „Liebling?“, erklang eine helle Frauenstimme mit ausländischem Akzent hinter ihm. „Da bist du ja, Liebling, ich habe dich schon überall gesucht.“ Inagawa drehte sich zu der Frau um und setzte ein Lächeln auf. „Was gibt es denn, Maria?“ Sie nahm seine Hände und machte ein leicht wehklagendes Gesicht. „Ich fühle mich nicht besonders Wohl. Vielleicht hätte ich nicht so viel Champagner trinken sollen. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich mich ein Stündchen hinlegen möchte. Nicht das du dir noch meinetwegen Sorgen machen musst.“ Der Yakuza nickte. „Gut, leg dich etwas schlafen. Ich habe übrigens gleich eine Besprechung und ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Es kann also durchaus sein, dass ich noch in meinem Arbeitszimmer bin, wenn du schon längst wieder auf den Beinen bist. Komm mich dann aber bitte nicht stören, du weißt, ich mag das nicht.“ „Selbstverständlich“, säuselte sie. „Ich denke nicht, dass ich meine Schoßhunde brauche, wenn ich schlafe, ich schließe ja mein Zimmer ab. Du wirst sie vielleicht eher zur Unterstützung bei deinen Geschäften benötigen.“ „Du solltest vielleicht trotzdem jemanden vor deiner Tür postieren.“ Maria schüttelte den Kopf. „Nein, du weißt doch, dass mich so etwas nur nervös macht. Sie können meinetwegen die Türen vom Salon bewachen. Außerdem sind wir auf hoher See. Was sollte hier denn schon passieren? Niemand kann auf das Schiff und niemand herunter. Mach dir nicht immer so viele Sorgen.“ Ein leises Seufzen entwand sich Inagawas Kehle. „Gut, wie du meinst. Du gibst doch sowieso erst Ruhe, wenn du deinen Willen hast. Aber lass jemanden die Gänge patrouillieren.“ „Wenn es dich beruhigt, werde ich das tun. Ich ziehe mich zurück.“ Damit wandte sich die Italienerin ab und steuerte ihre Leibwächter an. Diesen teilte sie mit, was sie soeben mit ihrem zukünftigen Ehemann besprochen hatte. Die Patrouille auf den Gängen ließ sie jedoch aus. Dann machte sie sich auf den Weg in ihre Kabine. Nachdem Omi und Ken beobachtet hatten, wie ihre Zielperson mit zwei Bodyguards das Arbeitszimmer betreten, aber alleine wieder verlassen hatte, schlichen sie sich zu dem Zimmer und klopften an die Tür. Diese öffnete sich nach einem kurzen Augenblick. Ein stämmiger Mann in einem Anzug, unter dem sich deutlich seine Muskeln abzeichneten, betrachtete sie grimmig und nahm sie die beiden Neuankömmlinge misstrauisch in Augenschein. „Entschuldigen Sie bitte“, brach Omi das Schweigen. „Ich bringe Herrn Tashiki zu einer Besprechung mit Herrn Inagawa. Ist er anwesend?“ „Er kommt gleich zurück.“ Der Mann trat ein Stück beiseite und deutete in den Raum. „Kommen Sie bitte herein, Herr Tashiki, Sie können hier warten.“ „Danke“, antwortete Ken mit einer knappen Verbeugung und betrat das Arbeitszimmer. Omi wollte ihm folgen, wurde aber direkt von dem Bodyguard aufgehalten. „Nur Herr Tashiki, das ist privat.“ „Lass dich jetzt bloß nicht abwimmeln, Bombay“, meinte Brad und beäugte den Aushilfsgorilla misstrauisch. „Den schaffst du doch mit links.“ „Warum müsst ihr eigentlich immer alle mit ihnen reden?“, fragte Farfarello interessiert. Er hatte sich hinter Ken gegen den Schreibtisch gelehnt und wartete ab, was als nächstes passieren würde. „Schuldig tut das auch ständig. Sie hören uns ja nicht mal, weil wir nicht mit ihnen reden ’dürfen’.“ „Stress- und Aggressionsabbau würde ich sagen“, meinte der andere daraufhin. Der Ire nickt. „Wahrscheinlich. Und Bombay wird es schon nicht versauen, dafür sind sie zu lange im Geschäft.“ „Ja, ich weiß. Mir wäre aber trotzdem sehr viel wohler, wenn ich meine Fähigkeit hätte und wüsste, was er als nächstes vorhat.“ Der blonde Junge verneigte sich leicht. „Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte nur fragen, ob ich Ihnen noch einige Erfrischungen bringen darf.“ „Nein, das einzige, was du darfst, ist zurück zur Party zu gehen und die Gäste weiter bedienen“, blökte der Mann ihn an. „Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“ „Ja, das haben Sie,“ antwortete Omi und entfernte sich nur wenige Zentimeter nach hinten, so dass sein Gegenüber ihn nicht mehr festhielt. Dann duckte er sich unter dem Arm hindurch, trat die Tür zu und zückte bereits einen seiner Dartpfeile. Der Bodyguard, der die Tür geöffnet hatte, war im ersten Augenblick zu überrumpelt, um schnell genug reagieren zu können. Dann zog er aus seinem Schulterholster eine Waffe und wirbelte herum zu der Stelle, an der er Omi vermutete. Der hatte sich allerdings mit einer Rolle wieder hinter seinen Angreifer gebracht und stach ihm den Dart in den Rücken, woraufhin dieser leblos in sich zusammen sackte. Währenddessen war Ken nicht untätig geblieben. Er fuhr seine Bugnuks aus den Krallen seines Kostüms aus und attackierte den zweiten Mann von hinten. Dieser hatte seine Aufmerksamkeit dem Störenfried gewidmet, hatte ebenfalls seine Waffe gezogen und zielte nun auf Omi. Brad reagierte ebenfalls sehr schnell. Als der andere Bodyguard den Abzug betätigte, um seinen Feind zu erschießen, legte der Amerikaner flink den Sicherheitshebel an der Pistole um, so dass ein leises Klacken das einzige Geräusch war, das die Waffe verließ. Somit wurde keine unerwünschte Aufmerksamkeit der anderen Passagiere erregt und Omi blieb unversehrt. Ken setzte seinen Angriff fort und bohrte seine metallenen Klauen in den Rücken seines Ziels. Er zog sie kraftvoll durch den Körper und zerfetzte somit das Rückgrat. Farfarello schirmte die Bugnuks ab, so gut er konnte, damit das Blut nicht seinen Schützling und den Boden besudeln konnte. Dadurch würde ihr eigentliches Ziel nur misstrauisch werden und alle bisherige Mühe der Mission wäre umsonst gewesen. Ein erstickter Schrei, war das Letzte, was man von seinem ersten Opfer hörte. „Schnell geschaltet, Farf“, lobte Brad seinen Kollegen und nickte zufrieden. „Danke, das kann ich zurückgeben.“ Omi sah erschrocken auf den nach vorne kippenden Leichnam. „Siberian! Warum hast du mich den nicht erledigen lassen? Der blutet uns doch alles voll und dann zischt Inagawa doch direkt wieder ab.“ „Hey, hätte ich zusehen sollen, wie er dich erschießt? Außerdem ist nichts schlimm eingesaut, ich hab aufgepasst“, verteidigte er sich und sah sich kurz um. „Setzen wir den hier da auf das Sofa, dann sieht man die Wunde nicht.“ Der Jüngere nickte zustimmend. „Ja. Warte ich helfe dir dabei.“ Gemeinsam drapierten sie den Toten mit der offenen Wunde auf dem Sofa, so dass es aussah, als würde er normal sitzen. Ken wischte sich seine Klauen sauber und zog sie wieder ein. Das restliche Blut sah man auf den dunklen Stoff glücklicherweise nicht. „Was machen wir mit dem anderen?“, fragte er dann und sah sich nochmals prüfend um. Nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens antwortete der Blonde: „Wir versuchen ihn mal gegen die Wand zu lehnen. Schau mal nach ob es da vielleicht eine Art Haken gibt, wo wir das Jackett einhaken können, damit er nicht umfällt.“ Nach etwa zehn Minuten, nachdem Ken und Omi die Bodyguards getötet hatten, betrat Inagawa das Arbeitszimmer. Sein Blick fiel auf die Gestalt in dem Vogelkostüm. Prüfend ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, um festzustellen, ob sie tatsächlich allein waren. Da er niemanden sonst außer ihm und seinen beiden Sicherheitsleuten erblicken konnte, schloss er die Tür hinter sich, damit sie nicht gestört wurden. Er verließ sich darauf, dass seine Schoßhunde den Raum zuvor gründlich durchsucht hatten. „Sie wollten mich dringend sprechen?“, fragte er. Ken nickte. „Ja. Zwar wollte ich eigentlich allein mit Ihnen sprechen, aber ich akzeptiere, wenn Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit lieber Ihre Leute bei sich haben.“ Er nickte. „Worum geht es denn? Und stecken wirklich Sie unter dieser Maske, Herr Tashiki?“, verlangte er zu wissen. „Es geht um Sie, um Ihre Verbrechen, die Sie begangen haben und für die Sie jetzt in der Hölle büßen werden. Wir sind Jäger im Dunkeln und richten den schwarzen Schwarm: Weiß!“ „Weiß?“ Takato war verwirrt und runzelte fragend die Stirn. „Was soll ...“ Weiter kam er nicht. Ein mit Gift präparierter Dartpfeil bohrte sich in seine Halsschlagader, lähmte sein Nervensystem und seine Atemwege, nahm ihm die Kontrolle über seinen Körper und ließ ihn binnen weniger Sekunden leblos zusammenbrechen. Omi kroch unter dem Schreibtisch hervor und beugte sich zu dem toten Yakuza, um seinen Puls und seine Atmung zu überprüfen. Dann nickte er seinem Kollegen bestätigend zu. Ihren Teil der Mission hatten die beiden somit bereits erfüllt. Er nahm den Dartpfeil wieder an sich und steckte ihn in die Tasche, schließlich wollten sie keine Spuren hinterlassen. Ken hob Inagawas Leiche dann vom Boden auf und setzte ihn auf seinen Chefsessel hinter dem Schreibtisch, während der Jüngere bereits das Zimmer verlassen hatte und in den Salon zurückkehrte. Der Braunhaarige ging vom Arbeitszimmer aus direkt nach draußen an Deck. Yohji machte sich nach der vereinbarten Zeit auf, um Maria zu ihrer Kabine zu folgen. Als er davor stand klopfte er an die Tür, machte sich jedoch bereit, falls jemand anders die Tür öffnen sollte. Nach wenigen Augenblicken wurde ihm dann geöffnet. Die Italienerin hatte ihre Maske und den anderen Kopfschmuck bereits abgelegt und ihr wallendes, schwarzes Haar umrahmte ihr gebräuntes Gesicht, genauso wie auf den Fotos. „Kommen Sie rein“, wies sie ihn an und trat beiseite, um ihn einzulassen. Der junge Mann tat, wie ihm geheißen und sah sich in der Kabine um. Sie war stilvoll und teuer eingerichtet, wie die ganze Yacht, außerdem waren sie wie abgesprochen allein. Maria schloss die Tür sofort wieder wandte sich Yohji zu. Sie trat so nah an ihn heran, dass ihre Körper sich streiften. „Und jetzt will ich sehen, was für ein Gesicht unter der Maske steckt.“ „Ich fürchte, dass wird nicht gehen, Maria. Ich bin nicht gekommen, um dir den Abend zu versüßen“, sagte er und strecke eine Hand nach ihrem ebenmäßigen Gesicht aus, um über ihre Wange zu streicheln. Die Italienerin runzelte fragend die Stirn. „Was meinst du damit? Genau dafür habe ich dich herkommen lassen. Nimm deine Maske ab. Oder steckt darunter vielleicht gar nicht Hiroshi Tashiki Junior?“ Yohji nickte. „Ich bin Weiß, Jäger des Dunklen.“ Mit einer schnellen Bewegung rollte er den Draht aus seinem Armband ab, legte ihn der Frau um den Hals. Sie wollte fragen, was das bedeutete, doch ihre Augen weiteten sich nur erschrocken, als sie spürte wie der Draht in ihr Fleisch schnitt und ihr den Atem raubte. Maria rang verzweifelt nach Atem, doch Yohji zog seine Fäden immer enger zusammen, bis sie leblos in seine Arme sank. Er legte sie auf ihr Bett und rollte den Draht wieder in sein Armband ein. Ken lehnte bereits einige Zeit an der Reling, blickte auf das weite Meer hinaus und wartete. Nach einigen weiteren Minuten gesellte sich Omi zu ihm und murmelte leise: „Abyssinian und Balinese brauchen viel zu lange.“ „Vielleicht hätten wir uns nicht trennen sollen. Yohji flirtet wahrscheinlich wieder nur zu viel und verschwendet damit wertvolle Zeit“, flüsterte Ken. Stummes Kopfschütteln war zunächst die Antwort darauf. Dann setzte der Jüngere jedoch noch leise hinzu: „Es war so geplant und so ziehen wir es durch. Ich geh nachschauen, was los ist. Geh du schon mal alles für unseren Heimweg vorbereiten.“ „Okay“, meinte der Kostümierte und nickte. „Komm so schnell wie möglich mit den Beiden nach. Wir sollten hier nicht länger bleiben als nötig. Ich habe ein schlechtes Gefühl.“ „Ja, das meine ich auch.“ Mit diesen Worten wandte sich Omi wieder ab und ging zurück in den Salon, um zu sehen, wie weit die anderen Weiß-Mitglieder waren. Ken indes machte sich auf zum rückwärtigen Teil der Yacht. An Deck waren glücklicherweise nur zwei Sicherheitsleute postiert, an denen man sich vorbei schleichen konnte. Changeling bemerkte den Schatten, der über das Deck huschte und folgte ihm mit den Augen. Der andere Sicherheitsmann hatte ihn wie erwartet nicht bemerkt, da er an der gegenüberliegenden Seite an der Reling entlang schlenderte. Der Mann in dem schwarzen Anzug und der silbernen Maske, unter der einige leuchtend grün gefärbte Haarsträhnen zum Vorschein kamen, warf einen beiläufigen Blick auf seine Uhr. Dann gab er die Nachricht, dass Weiß jetzt bald die Yacht verließen an Spirit weiter, damit dieser die anderen informierte. Changeling ging zu dem anderen Wachmann. „Alles ruhig, wie zu erwarten war.“ „Ja“, stimmte dieser zu. „Ich weiß nicht, was für Sorgen sich Inagawa gemacht hat.“ „Ich denke, die Sorgen waren berechtigt. Er ist tot und du störst nur.“ Er zog eine mit Schalldämpfer versehene Pistole aus seinem Schulterholster und schoss drei Mal auf sein verwirrtes Gegenüber, ohne ihm auch nur Zeit zum Reagieren zu lassen. Dann warf er ihn einfach über Bord. Yohji trat aus Marias Kabine und sah sich kurz um. Glücklicherweise war niemand in Sicht und er begab sich zurück in den Salon zu den anderen Gästen. Dort ging er an die Bar und bestellte sich bei Aya eine Bloody Mary, ihr verabredetes Erkennungsmerkmal, wenn sein Teil der Arbeit getan war. Der Drink wurde vor ihm abgestellt, doch er rührte ihn nicht an. Stattdessen wandte er sich nach wenigen Minuten wieder von der Bar ab und verließ den Salon wieder, um auf Deck zu gelangen. Dort sah er sich kurz um, doch Ken wartete nicht an der Stelle, wo er eigentlich stehen sollte. Hinter sich hörte er auf einmal Schritt. „Entschuldigen Sie bitte, aber der Herr, der Sie sprechen wollte, möchte Sie jetzt an einer anderen Stelle treffen.“ Yohji drehte sich herum, grinste unter seiner Maske und meinte mit gedämpfter Stimme: „Musst du mich so erschrecken, Bombay?“ Omi antwortete ebenso leise. „Siberian bereitet schon alles vor, ihr habt so lange gebraucht. Ich hab Abyssinian auch schon Bescheid gesagt. Wir verschwinden jetzt, komm.“ Damit drehte er sich um und pirschte sich langsam zum rückwärtigen Teil des Schiffes vor, wo Ken bereits auf sie wartete. Yohji folgte ihm und hatte mittlerweile einige Bedenken wegen der vielen Sicherheitsleute. Doch Fortuna schien ihnen wohl gesonnen, es waren nur zwei der Anzugträger an Deck und keiner von ihnen war zu sehen. Außerdem war hier draußen das Geräusch der Motoren und der wogenden Wellen laut genug, um ihre leisen Schritte zu übertönen. „Hast du das auch gehört?“, fragte Nagi seinen Kollegen. Farfarello schüttelte den Kopf. Er war gerade zu sehr damit beschäftigt, Ken unauffällig dabei zu helfen, sich aus seinem Kostüm zu schälen. „Da war aber was“, beharrte der junge Japaner. „Aya hat das, glaube ich, auch gehört, er hat nämlich grade auch in die Richtung geschaut, aus der das Geräusch kam.“ „Hast du das auch gehört?“, kam dann auch prompt die geflüsterte Frage des Rotschopfes. Ken sah ihn allerdings nur ebenso fragend an und schüttelte ebenfalls den Kopf. „Nein. Was denn?“ „Ein Geräusch, als ob etwas ins Wasser fällt“, erklärte der Weiß-Leader. „Wir sollten uns beeilen und machen, dass wir weg kommen. Bombay und Balinese könnten ruhig mal eintrudeln.“ „Wir sind ja schon da“, sagte Omi, der mit Yohji hinter ihm auftauchte. „Macht nicht so einen Lärm.“ Die beiden Neuankömmlinge schlugen die Abdeckplane des Beibootes ein Stück beiseite. Darin befanden sich einigen Utensilien, die Aya und Omi bereits am Mittag hier versteckt hatten. Sie holten vier Neoprenanzüge hervor und zogen sich in der Nische zwischen Reling und Beiboot schnell im Schutze des Schattens um. Aya schnallte sich bereits sein Atemgerät um und verstaute die Kleidungsstücke in einer wasserdichten Tasche. „Wir müssen uns beeilen, einer der Wachleute wird gleich wieder hier vorbei laufen“, sagte er und drängte die anderen zur Eile. So schnell sie konnten zogen sich alle ihre Taucherausrüstung komplett an und verstauten alles andere in Taschen, so dass nichts mehr auf dem Schiff auf ihre Anwesenheit hindeuten konnte. Nacheinander sprangen sie ins Wasser und die dunklen Tiefen verschlangen sie. Der Rotschopf ging als letzter von Bord, um das Schlusslicht zu bilden, damit sie sich nicht gegenseitig verloren. Unter Wasser schalteten sie ihre Tauchlampen ein und schwammen Richtung Land. Glücklicherweise zog die Yacht nur innerhalb der Bucht vor Tokyo ihre langsamen Kreise, so dass sie kaum drei Kilometer vor der Küste lagen. Diese Strecke war ohne weiteres in einer Stunde zu schaffen. Die Sicht unter Wasser war ohnehin schon schlecht und je weiter sie ins Hafenbecken hinein schwammen, um so miserabler wurde sie. Bald konnten sie trotz ihrer Lampen bloß noch ein bis zwei Meter weit sehen, das Wasser war einfach zu verschmutzt. Ihre einzige Orientierungshilfe war der Kompass und die jeweils anderen Weiß-Mitglieder. Plötzlich würde Aya von etwas gestreift und er sah sich danach um. Etwas trieb an ihm vorbei, doch er konnte nicht genau erkennen was sich unter dem von Algen überwucherten Treibgut verbarg. Es war kaum zu glauben, wie verschmutzt, verkommen und voller Müll die Küste war. Ohne sich weiter darum zu kümmern setzte er seinen Weg fort und folgte den anderen schnell, um den Anschluss nicht zu verlieren. Schwarz waren in diesem Augenblick mehr als froh keinen Körper mehr zu haben. Zwar war es auch für sie nicht gerade angenehm durch eine solche Drecksbrühe zu schwimmen, aber wenigstens mussten sie sich keine Sorgen darüber machen, auch nach unzähligen Bädern immer noch danach zu riechen. Schuldig bezweifelte ernsthaft, dass die Neoprenanzüge genügend Schutz boten. Weiß näherten sich immer weiter dem Ufer und bisher konnten sie keine Schiffsaktivitäten, die darauf hindeuteten, dass man sie entdeckt hatte, bemerken. Omi hoffte nur, dass dieser Zustand auch anhielt und sie nicht am Ufer bereits erwartet wurden. Falls doch, würden sie wahrscheinlich ziemlich alt aussehen. Sie durchschwammen wiederum einige von Seepflanzen überwucherten Gegenstände, die sich über Jahre bereits auf dem Meeresgrund sammelten, wie zum Beispiel Tonnen, Kanister, Kisten, Dosen, Treibnetze oder einfach nur Dinge, bei denen sich nicht einmal mehr bestimmen ließ, was sie ursprünglich mal gewesen waren. Zwar war es gefährlich über diese Dinge hinweg zu schwimmen, aber zu dicht an die Oberfläche wollten die Weiß-Mitglieder auch nicht kommen. Es gab wohl kaum etwas Auffälligeres für die Hafenpolizei, als vier Männer die mitten in der Nacht im wohl dreckigsten Gewässer der Welt auf Tauchgang waren. Aya spürte abermals etwas am Bein, kümmerte sich allerdings nicht darum. Erst als er einen Ruck verspürte und nicht mehr von der Stelle kam, drehte er sich um und sah nach, was ihn behinderte. Er hatte sich in einem der beschädigten Treibnetze verfangen, das sich immer enger um sein Bein schlang, je mehr er daran zog. Und ausgerechnet heute habe ich mein Katana nicht dabei, dachte er missmutig und tastete an seinem Gürtel nach einem Tauchermesser. Er war der Überzeugung, eines für den Notfall eingesteckt zu haben, aber es war nicht da, vielleicht hatte er es verloren. Da stummes Fluchen ihm auch nicht weiterhalf, versuchte er das Netz mit den Händen zu lösen. Dieses Unterfangen erwies sich allerdings als schwieriger als erwartet, da seine Finger in Handschuhen steckten und ihm somit das nötige Fingerspitzengefühl fehlte. Nach einiger Zeit gelang es ihm, die größere Knoten, in die sich das Netz im Laufe der Zeit verheddert hatte, zu lösen. Die kleinen Knoten, mit denen das Netz geknüpft war, konnte er allerdings nicht öffnen und so verlor er nach einiger Zeit die Geduld und zog und zerrte an den Kunststoffschnüren. Er musste schnell hier raus, die anderen waren sowieso schon viel zu weit Weg. „Wenn du das weiter so hektisch machst, dann machst du es nur noch schlimmer“, meinte Nagi und besah sich das Gewirr aus strapazierten Kunststofffäden. Hätte er jetzt seine Fähigkeiten gehabt, dann wäre es ein leichtes gewesen Aya mit einem Wimpernschlag sofort zu befreien und ebenso schnell wieder zu den anderen Dreien aufholen zu lassen. Ein Messer oder ein spitzer Gegenstand wären allerdings in der Tat auch sehr hilfreich gewesen. Andererseits musste er sich mit dem behelfen was er hatte und das waren nun mal nur seine Hände. Mit geschickten Fingern half er Aya dabei, das Netz von seinem Bein zu lösen, was ihm um ein vielfaches leichter fiel als seinem Schützling. Aya fing an, sich Gedanken über seinen Sauerstoffvorrat zu machen. Er hoffte nur, dass er trotz der Verzögerung noch bis zum Ufer ausreichen würde. Wenn nicht, dann musste er wohl oder übel auftauchen und riskieren, entdeckt zu werden. Immer eiliger machte er sich an den Schnüren zu schaffen und war erleichtert, als er merkte, dass sie sich endlich lösten. Es dauerte einige Zeit, bis der Rotschopf vollständig befreit war und sich wieder frei bewegen konnte. Die anderen drei Weiß-Mitglieder waren bereits hunderte Meter vor ihnen. Ob er sie noch einholen würde, war fraglich. Allerdings hatte Aya keine Zeit, einfach nur darüber nachzudenken, sondern warf einen Blick auf seinen Kompass und schwamm dann weiter in Richtung Ufer. Yohji erreichte als Erster einen der Anlegestege. Er tauchte auf und sah sich kurz um. Omi und Ken kamen ebenfalls kurz nach ihm an die Wasseroberfläche, um zu sehen, wo genau sie jetzt waren. Der Playboy deutete auf einen der anderen Stege. „Wenn wir da drüben aus dem Wasser gehen, sind wir näher am Parkplatz, wo unsere Autos stehen.“ Die anderen beiden nickten zustimmend. Es war besser, wenn sie in ihrer Tauchermontur möglichst wenig der restlichen Strecke auf dem Trockenen zurücklegten. Omi sah sich suchend um. „Wo ist Aya? Er war doch gerade noch genau hinter mir.“ „Vielleicht ist er woanders aufgetaucht“, mutmaßte Ken und sah sich ebenfalls um, konnte ihren Leader jedoch nirgendwo erblicken. „Warten wir kurz hier“, beschloss Yohji und drängte sich zusammen mit den anderen Beiden nah an den Steg, so dass man sie von diesem oder von einem Schiff aus nur sehr schlecht sehen konnte. „Vielleicht ist er etwas zurück gefallen und kommt gleich.“ „Hey Brad, weißt du, wo Abyssinian und Prodigy sind?“, fragte Schuldig. „Du warst doch genau vor ihnen, du hättest dich ja mal umgucken können.“ „Sie waren ja auch die ganze Zeit da“, meinte Brad und überlegte kurz. „Sie sind kurz zurück gefallen. Nagi rief irgendwas von wegen sie kommen sofort nach, Aya wäre in etwas hängen geblieben.“ Farfarello runzelte die Stirn. „Warum hast du uns denn nicht Bescheid gesagt? Das tust du doch sonst immer. Außerdem hätten wir es dann irgendwie den anderen Weiß mitteilen können, damit die ihm helfen.“ Der Amerikaner seufzte leise, er sah überhaupt nicht ein, warum ausgerechnet er sich rechtfertigen musste. „Ich habe nichts gesagt, weil ich es nicht für nötig hielt. Nagi hat die Situation vollkommen unter Kontrolle. Ich vertraue auf seine Fähigkeiten, er kann mehr als nur seine Telekinese einsetzen. Außerdem ist er genau dazu da, um Aya zu helfen, wenn es nötig ist. Er ist nicht mehr nur auf die anderen angewiesen.“ Für ihn war die Diskussion damit beendet. Nach einigen Minuten hörten die drei Schwarz-Mitglieder aus der Ferne Nagis Rufe. „Hey! Sorgt dafür, dass Weiß nicht ohne uns verduften! Wir kommen jetzt! Wir hatten nur ein kleines Hindernis.“ Die Stimme des Jungen kam immer näher, ebenso wie der Taucher, der sein Tempo seit dem Zwischenfall mit dem Treibnetz erhöht hatte, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen und die anderen nicht unnötig warten zu lassen. Einige Meter vor dem Steg, an dem die Assassins warteten, tauchte Aya an der Wasseroberfläche auf und schwamm zu ihnen hinüber. „Warum seid ihr noch hier?“, verlangte er zu wissen. „Ihr solltet doch direkt raus aus dem Wasser und zu den Wagen.“ „Weil wir auf dich gewartet haben“, warf Ken ein. „Ja, wir dachten, dir wäre vielleicht etwas passiert, Aya-Kun“, fügte Omi besorgt hinzu. „Und alleine zurück gelassen hätten wir dich nicht.“ Yohji nickte zustimmend. „Noch ein paar Minuten und wir wären zurück geschwommen, um dich zu suchen.“ Der Rotschopf runzelte die Stirn und sah die Drei vorwurfsvoll an. Dann aber atmete er tief durch und blickte freundlicher. Diese Diskussion hatten sie schon so oft geführt, es nützte überhaupt nichts, sie jetzt schon wieder aufzurollen. Jeder von ihnen wusste ganz genau, dass sie keinen der anderen jemals im Stich lassen würden. Und daran änderten auch Ayas Standpauken nichts, dass sie lieber sich selbst in Sicherheit bringen sollten, wenn es brenzlig wurde. Eigentlich war er jedes Mal froh, wenn sie seinen Sturkopf ignorierten. „Ich habe mich nur in etwas Treibgut verheddert“, erklärte er dann, um die Wogen zu glätten. „Nichts Wildes, ich konnte mich ja wieder heraus winden.“ „Und dir ist nichts passiert?“, hakte der Jüngste von ihnen nochmals nach. Aya schüttelte den Kopf. „Nein, alles in bester Ordnung. Ich hatte nur befürchtet, die Luft würde vielleicht nicht reichen. Jetzt lasst uns endlich verschwinden.“ Er wollte endlich raus aus dem Wasser, es war so kalt, dass er bereits seine Finger nicht mehr spüren konnte. Aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, darüber zu jammern, auch wenn er sicher war, dass es seinen Freunden nicht anders ging. Gemeinsam legten sie auch noch die letzten Meter im Wasser hinter sich zurück und gingen an dem Steg an Land, den Yohji zuvor ausgesucht hatte. Dort zogen sie lediglich ihre Flossen aus, um richtig Laufen zu können und machten sich eilig auf zum Parkplatz wo die beiden Autos standen. Dort angekommen legten sie ihre Atemgeräte in den Kofferraum von Ayas Porsche und holten aus einer Tasche einige trockene Kleidungsstücke. Hastig zogen sie sich um und verstauten auch ihre Neoprenanzüge und die restlichen Taschen. „Gott ... ich rieche wie ein toter Fisch“, beschwerte sich Yohji und zog sich seine Schuhe an. „Den Gestank werde ich doch tagelang nicht mehr los.“ „Dann würde ich sagen, du gehst erst mal ordentlich duschen, wenn wir zu Hause sind“, meinte Schuldig und grinste. „Ich will meine ganze Zeit nicht mit einem toten Fisch verbringen.“ „Nicht nur du, also beschwer dich nicht, Yohji-kun“, meinte Omi und lächelte. „Aber dagegen gibt es ja ’sauberes’ Wasser und Seife. Also lasst uns endlich nach Hause fahren. Ich kann mich nämlich auch nicht mehr riechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)