Wir sind keine Engel von Lethtendris (Oder doch?) ================================================================================ Kapitel 10: Unerwünschte Zwischenfälle -------------------------------------- Wir sind keine Engel Kapitel 10: Unerwünschte Zwischenfälle Wieder in Tokyo angekommen kümmerten sich Weiß noch um den Feinschliff ihrer bevorstehenden Mission. Gemeinsam gingen sie noch einige Male die Unterlagen durch und prägten sich das Aussehen ihrer Zielpersonen sowie den Grundrissplan des Geländes inklusive Gebäude genau ein. „Also hier unten sind ein paar Büros. Die Räume in den oberen Geschossen dürften hauptsächlich aus Schlafzimmern sowie Bädern bestehen“, erklärte Omi. „Da wir sowieso wie immer nachts zuschlagen, dürfte im unteren Teil des Hauses alles ruhig sein. Sollte doch noch jemand fleißig sein, sehen wir das ja sofort.“ „Im Prinzip können wir es uns dann ja sparen, unten alles durch zu forsten“, stellte Yohji fest. „Sehe ich das richtig?“ Aya nickte. „Wir gehen trotzdem unten rein und arbeiten uns dann nach oben.“ „Ich hoffe nur, die Informationen stimmen und die Drei sind nächste Woche wirklich dort“, meinte Ken und zweifelte noch ein wenig daran. Bisher waren die Informationen, die sie von Kritiker erhielten immer korrekt gewesen, aber es gab schließlich für alles ein erstes Mal. „Sie werden schon stimmen“, bekräftigte der blonde Junge nochmals. „Außerdem denke ich, dass wir nicht jedes Zimmer durchsuchen müssen. Wenn wir den Überwachungsraum für die Kameras finden, können wir gezielt zuschlagen.“ „Gut, wir werden uns aufteilen“, bestimmt der Rotschopf und deutete auf den Grundriss. „Die Drei werden bestimmt nicht alle zusammen hocken. Omi und ich werden den vorderen Teil des Hauses durchkämmen. Ken, du nimmst mit Yohji den rückwärtigen Teil. Es gibt zwei Treppen und falls jemand das Weite suchen will, schneiden wir ihm direkt den Weg ab. Wir halten über Funk Kontakt.“ Der Playboy nickte. „Das sollte wohl dann keine Probleme machen. Wir treffen uns also im obersten Stockwerk wieder und nehmen von dort die Seilbahn über den See.“ „Ja“, bestätigte Omi und ergänzte, „ich schieße den Draht mit meinem Bogen hinüber zu diesem Baum hier, den wir vorher noch präparieren müssen. Schließlich muss der Pfeil unser Gewicht tragen. Vielleicht nehme ich aber auch besser die Armbrust, das muss ich erst ausprobieren.“ „Was ist, wenn es nicht funktioniert?“, fragte Ken. „Wenn du die falsche Stelle triffst? Oder wir zu schwer sind?“ „Dann haben wir ein Problem. Aber keines mit dem wir nicht fertig würden.“ Der blonde Junge lächelte, er wusste, was er tat und war sich daher sicher, dass auch dieser Plan einwandfrei klappen würde. Er würde sowieso keinen gewöhnlichen Pfeil verwenden, sondern wohl eine Art Enterhaken mit Greifmechanismus konstruieren und einsetzen. „Und wenn das der Fall sein sollte, dann sind immer noch wir da, um euch die Haut zu retten“, meinte Farfarello. Brad nickte. „Das schon, aber sie wissen es schließlich nicht und planen daher alle Eventualitäten mit ein. Ich finde, das ist auch besser so. Wenn sie sich selbst absichern, ist es nicht so auffällig, wenn wir eingreifen müssen.“ Die darauf folgende Woche verlief in den gewohnten Bahnen. Omi ging zur Schule und die anderen drei Weiß-Mitglieder kümmerten sich um den Blumenladen. Ihre Fassade musste schließlich immer aufrechterhalten werden. Der lange ersehnte Tag ihres Aufbruchs war endlich gekommen und die vier Assassins waren erleichtert. Es gab nichts schlimmeres als terminabhängige Missionen, die sich aufgrund der Umstände unnötig in die Länge zogen. Das Koneko sumu le wurde an diesem Tag bereits um die Mittagszeit geschlossen und Ken hängte ein Schild ins Fenster: ‘Wegen Inventur vorübergehend geschlossen‘. Auch Omi wurde vom Nachmittagsunterricht freigestellt, Krankheiten konnte er mittlerweile meisterhaft vortäuschen. Am Nachmittag saßen sie mitsamt ihrer Ausrüstung in einem gemieteten Geländewagen mit Allradantrieb und fuhren damit zur Villa Weiß. An Schneeketten hatten sie vorsichtshalber ebenfalls gedacht. Bei Einbruch der Nacht im Schutz der Dunkelheit und der Bäume, bezogen Weiß Stellung am Rande ihres Zielortes. Der Himmel war von dichten, grauen Wolken verhangen, die den Mond verdeckten, so dass dieser kaum Licht spendete. Allein ihre Nachtsichtgeräte erlaubten es Weiß ihre Umgebung genau wahrzunehmen und sich keine Fehltritte zu leisten. Omi traf noch einige Vorkehrungen, damit ihr Weg über den See nicht als ungewolltes Eistauchen endete. Nachdem er nochmals alles überprüft hatte, legte der die Armbrust an und schoss einen eigens für dieses Unterfangen angefertigten Enterhaken auf die andere Seite. So spannte er von einem Baum aus einen Draht über den unter Hochspannung stehenden Zaun und den dahinter liegenden See hinüber zu dem Herrenhaus. Nacheinander rutschten die vier Assassins an dem Draht hinüber. Als alle wieder festen Boden unter den Füßen hatten, wickelte Omi den Draht wieder mit Hilfe einer kleinen Spule auf. Sie schlichen sich zur Terrassentür und Yohji machte sich direkt zusammen mit dem blonden Jungen daran, das Schloss aufzubrechen und die Alarmanlage zu umgehen. Bereits nach wenigen Minuten sprang die Tür lautlos nach innen auf. Aya nickte und bedeutete den anderen voraus zu gehen. Er bildete das Schlusslicht und schloss die Tür wieder ebenso leise, wie sie geöffnet wurde. Dann folgte er Omi und gemeinsam machten sie sich daran, das Erdgeschoss auf der einen Seite bis zum Vordereingang zu durchsuchen. Ken und Yohji übernahmen die andere Seite. Doch wie sie bereits angenommen hatten, befanden sich auf ihrer Seite dieser Etage lediglich verlassene Büroräume. Ihre Zielpersonen mussten sich also weiter oben aufhalten. In einem der letzten Räume, die sie überprüften, entdeckte der Weiß-Leader den Überwachungsraum für die Videokameras. Vor einem Schaltpult mit einer Wand voller Monitoren saßen zwei Männer mit Headsets. Auf einem der Bildschirme waren Ken und Yohji zu sehen, wie sie am Fuße der Treppe auf die Statusmeldung der anderen warteten. „He, sieh mal hier“, meinte der Ältere der beiden Wachmänner und deutete auf den entsprechenden Bildschirm. „Wir haben Besuch.“ Während der andere eine Eindringlingsmeldung über die Sprechanlage an wohl noch anderes Personal weiter gab, huschte Omi an Aya vorbei und warf mit zwei Darts auf die am Schaltpult sitzenden Personen. Das Betäubungsmittel wirkte unmittelbar, nachdem die Pfeilspitze unter die Haut gedrungen war. „Sie töten wirklich nicht unbedacht“, stellte Nagi fest. „Wenn es nicht sein muss, suchen sie eine andere Lösung.“ Brad nickte zustimmend. „Sie bringen nur denen den Tod, bei denen sie das Todesurteil von Kritiker vollstrecken sollen. Vielleicht ist das sogar vernünftig.“ „Ja, wenn man uns mal so im Vergleich ansieht und was aus uns geworden ist, ist es das wohl.“ Der Amerikaner lachte kurz leise und freudlos auf. „Ironie des Schicksals. Sorgen wir einfach dafür, dass ihnen möglichst nicht dasselbe droht wie uns.“ Die beiden Weiß-Assassins hoben die schlafenden Wachleute aus ihren Stühlen und legen sie auf den Boden. Sie zu fesseln hielten die Beiden nicht für nötig, da das Betäubungsmittel sehr wirksam war und für einige Stunden anhalten würde. Weiß würden längst über alle Berge sein, wenn die Männer wieder zu sich kamen. Omi setzte sich danach an das Schaltpult und begann damit, bei den Bändern auf denen Weiß bereits zu sehen war, die entsprechenden Stellen zu löschen. Aya setzte sich zu ihm und gemeinsam suchten sie jeden Bildschirm nach ihren Zielpersonen ab. „Ich glaube, hier ist einer“, flüsterte der blonde Junge nach einem kurzen Augenblick. „Im zweiten Stock, es ist das zweite Zimmer rechts von der hinteren Treppe aus gesehen.“ „Gut, den übernehmen Siberian und Balinese“, beschloss der Rotschopf, schaltete die Funkverbindung ein und teilte den Beiden die Position mit. „Es sind noch zwei Jungen mit im Zimmer. Passt also auf.“ „Hast du das auch eben gespürt?“, fragte Nagi irritiert. Der Amerikaner sah ihn fragend an und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, was denn?“ „Das hat sich angefühlt, als ob jemand durch mich durch gegangen wäre, genau wie bei Farfarello und Schuldig auf dieser Yakuza-Yacht“, erklärte der Jüngere und überlegte kurz. Vielleicht hatte es ebenso etwas mit dem Zwischenfall bei der letzten Mission zu tun. Brad sprach Nagis Gedanken aus. „Vielleicht ist dieser Typ mit den weißen Haaren hier. Du weißt schon, von der letzten Mission, der auf einmal aus dem Nichts aufgetaucht ist.“ „Da hab ich auch gerade dran gedacht. Wenn der hier ist, dann sind vielleicht die anderen Drei auch irgendwo in diesem Haus. Und das bedeutet, Weiß könnten ganz schön Probleme kriegen.“ „Wir müssen Schuldig und Farfarello darüber informieren“, meinte der Schwarzhaarige und nickte zustimmend. „Und wie? Ich glaube nicht, dass Schuldig gerade in unseren Gedanken herumspukt oder offen für sie ist. Er wird sich wahrscheinlich auf Yohji konzentrieren.“ Brad nickte wiederum. „Einen Versuch ist es trotzdem Wert. Ich lasse mal meine mentale Barriere fallen, vielleicht bekommt Schuldig dann doch unwillkürlich meine Gedanken mit.“ Eben dies setzte er auch sogleich in die Tat um und dachte sehr konzentriert an Schuldig. Dieser schien das allerdings nicht zu bemerken oder ignorierte es einfach, da er nicht reagierte. „Er redet nicht mit mir.“ „Und wie sagen wir es dann den beiden?“, fragte der braunhaarige Junge. „Ich meine, Weiß werden sich wohl erst irgendwo weiter oben wieder treffen.“ Der Amerikaner überlegte kurz und meinte dann: „Ich hätte da eine Idee, aber ich weiß nicht ob das machbar ist. Wir könnten eines ihrer Funkgeräte einschalten und so einfach mit den anderen reden. Menschen sollten uns ja nicht hören können.“ Nagi sah den Älteren ein wenig zweifelnd an. „Aber sie merken es doch, wenn das Funkgerät an ist, das gibt doch dann so ein Rauschen von sich.“ „Ja, da hast du Recht. Auch wenn sie uns nicht hören, werden sie bestimmt misstrauisch. Aber es gäbe da sogar noch eine andere Möglichkeit, denke ich. Ich weiß nicht, wie weit wir von unseren Schützlingen weg können, ich hab es nie ausprobiert mich von Omi sonderlich weit zu entfernen. Aber ich könnte es ausprobieren einfach mal zu Schuldig und Farfarello hinüber zu gehen, schweben oder was auch immer und es ihnen direkt zu sagen. Dann müsstest du so lange auf beide aufpassen.“ „Wir können es versuchen“, meinte der junge Japaner und nickte. „Ich werde ein Auge auf Omi haben. Jetzt kannst du ja mal testen wie schnell Schutzengel so sein können.“ Brad wandte sich auch schon ab und rannte aus dem Zimmer hinaus auf den Flur. Dann entschied er sich allerdings dafür nicht den komplizierten Weg über Flure und Treppen zu nehmen, sondern den direkten Weg durch die Wände. Dabei stellte er fest, dass er nicht einmal zu rennen brauchte, sondern sich auch so in Gedankenschnelle fortbewegte. Innerhalb weniger Sekunden war er bei seinem Ziel angekommen und tauchte vor den beiden anderen Schwarz-Mitgliedern aus dem Boden auf. Die Zwei waren zunächst überrascht und musterten ihren Leader verwirrt. Dann fragten sie ihn, ob er nicht bei seinem Schützling sein müsste. Der Amerikaner schüttelte den Kopf und erklärte ihnen kurz angebunden, worum es ging. „Sehr wahrscheinlich sind diese vier seltsamen Männer von der letzten Mission hier. Ihr wisst schon, wo auf einmal die Zeit stehen blieb und wie aus dem Nichts jemand auftauchte. Haltet die Augen offen, das könnte gefährlicher für Weiß werden, als gedacht. Und Schuldig? Wir sollten vielleicht besser in telepathischem Kontakt bleiben.“ „Alles klar, Brad“, sagte der Deutsche und nickte verstehend, ebenso wie Farfarello. Die Beiden würden darauf achten, ob sie einen der Männer wiedererkannten. Nach dem kurzen Wortwechsel machte sich der Schwarz-Leader ebenso schnell wieder auf zu Omi, wie er zu seinen beiden Kollegen gekommen war. Währenddessen hatte Omi auch die anderen Männer, die an diesem Abend ihr Leben lassen sollten, ausfindig gemacht. Beide waren im dritten, im obersten Stockwerk anzutreffen. Auch diese Information erhielten Yohji und Ken über Funk und suchten zunächst ihr Ziel im zweiten Stock auf. Der Weiß-Leader erhob sich und wollte ebenfalls die oberen Etagen aufsuchen, als sein blonder Freund ihn allerdings zurück hielt. „Willst du etwa, dass wir auf jedem Überwachungsband zu sehen sind? Ich muss hier erst noch etwas erledigen, dann können wir losschlagen.“ Sofort machte er sich eilig daran sämtliche Kameras auf Standbild zu schalten. Außerdem musste er, da Ken und Yohji bereits durchs Treppenhaus liefen, nochmals einige Bänder löschen. Nach vollbrachter Arbeit nickte er dem Rotschopf zu und gab so das Zeichen zum Aufbruch. „Die brauchen aber ganz schön lange“, murmelte Xen missmutig und warf immer wieder Blicke auf seine Armbanduhr. Er stand in einer Ecke des Zimmers von Jigoku Gohan und wartete darauf, dass Weiß endlich auftauchten. Ihr Ziel sollte wenigstens einigermaßen das Gefühl haben von einem Bodyguard vor einer Übermacht an Feinden beschützt worden zu sein. So blieb ihm nichts weiter als abzuwarten und später sein schauspielerisches Talent zum Einsatz zu bringen. Hierfür würde er sich nicht einmal besonders anstrengen müssen, schließlich sollten Weiß ja für sie diese unnützen Männer beseitigen. Über die telepathische Verbindung, die Payakootha die ganze Zeit über aufrecht erhielt bekam er von Phuong die Information, dass er in einigen Minuten Besuch von Balinese und Siberian bekommen würde. Endlich passierte etwas. Schuldig ging durch die Wand direkt in das Schlafzimmer, keinen Körper zu haben erwies sich doch manchmal als ungemein praktisch. Wie von Brad angekündigt, war jemand im Raum der planmäßig überhaupt nicht dort sein sollte. Außerdem empfing der Deutsche sehr gezielte Gedankengänge, wie bei einer mentalen Kommunikation. Damit stand zweifelsfrei fest, dass diese Gruppe ebenfalls über einen Telepathen verfügte. Sofort sandte er eine Warnung an die anderen Schwarz-Mitglieder, da sie bereits bei zwei der vier Männer paranormale Fähigkeiten mit Sicherheit festgestellt hatten und sie bei dem Dritten, der ihr Anführer zu sein schien vermuteten, war die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Letzte von ihnen eine außergewöhnliche Gabe besaß, sehr hoch. Und eben dieser Kandidat, den Schuldig als den Mann wieder erkannte, der bei der letzten Mission von Weiß sein Fahrzeug gegen eine Wand gesetzt und es dennoch überlebt hatte, stand nun in diesem Raum und schien auf die beiden Weiß-Assassins zu warten. Bereits nach wenigen Augenblicken wurde die Tür sehr leise, langsam und vorsichtig geöffnet. Ohne Zweifel waren dies die fehlenden Partygäste, die sich jetzt nacheinander beinahe lautlos in das Zimmer schoben und Xens Vermutung bestätigten. Da dieser genau hinter der Tür an der Seite, zu der diese sich öffnete stand, konnten die Beiden ihn bei ihrem prüfenden Blick durch den Raum nicht sofort sehen. Also machte der grünhaarige Mann auf sich aufmerksam, indem er die Tür geräuschvoll ins Schloss stieß. Ken drehte sich ruckartig um und bedachte den anderen Mann mit einem prüfenden Blick. Yohji schaute nur kurz hinter sich und wandte sich dann sofort wieder dem Bett zu, in welchem die Zielperson, die ebenfalls aufgeschreckt war, nun aufrecht saß. Die beiden Jungen von vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren, die zu seiner Linken und seiner Rechten lagen, waren ebenfalls aufgewacht und betrachteten schlaftrunken ihre Umgebung, ohne wirklich etwas zu sehen, ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Schuldig sorgte zusätzlich dafür, dass dies auch so blieb und sie nicht die Gesichter ihrer Schützlinge erkannten, denn dies würde ihr Todesurteil bedeuten. „Weiß!“, rief Xen alarmierend. „Verschwinden Sie hier, Gohan-sama!“ Durch den Ausruf aufgeschreckt kam Leben in die drei im Bett sitzenden Personen und sie kletterten aus diesem. Die beiden Jungen konnten die Situation nicht vollständig realisieren, da ihnen einerseits der Name Weiß nichts sagte, doch schon allein der Tonfall nichts Gutes verhieß und andererseits der deutsche Telepath ihr Denkvermögen beeinträchtigte und sie zur schnellen Flucht antrieb. Sie waren gelenkiger und flinker als ihr sogenannter Kunde und schafften es daher die Distanz zur Badezimmertür in aller Schnelle zu überwinden. Da nicht ihnen die Aufmerksamkeit der Attentäter galt, konnten sich die Jungen ungehindert ins Bad flüchten. Die Türe schlossen sie hinter sich ab und hockten sich in die hinterste Ecke des Zimmers, sie schlangen verängstigt die Arme umeinander und warteten, den Blick auf den einzigen Ein- und auch Ausgang des Raumes gerichtet. Jigoku Gohan jedoch war durch sein Übergewicht etwas schwerfälliger und konnte mit seinen Gespielen nicht Schritt halten. Gerade als er aus dem Bett gestiegen war, spürte er, wie sich etwas Dünnes und Kühles um seinen Hals legte. Yohji reagiert sofort und setzte sein Haradshiki ein. Die Zielperson durfte nicht entkommen und so wickelte sich nun das dünne Metall um den Hals seines Opfers, zog sich immer mehr zusammen, schnitt immer tiefer in das Fleisch und schnürte dem Mann langsam die Luft ab. Währenddessen waren Ken und Changeling nicht untätig geblieben. Der Braunhaarige hatte seine Bugnuks ausgefahren und war damit auf den anderen Mann losgegangen. Dieser erwies sich allerdings als äußerst geschickt im Ausweichen und parierte die Hiebe mit zwei Messern deren Klingen etwa zwanzig bis dreißig Zentimeter maßen. Darauf vertrauend, dass Yohji sich ihrem eigentlichen Ziel widmete, drängte Ken den Angreifer immer weiter zurück und schon bald standen sie im Flur über den das metallische Klirren der Klingen in die Stille hallte. Farfarello unterstützte seinen Schützling, führte seine Waffen und hielt die des Gegners von ihm fern. Xen amüsierte sich über die Bemühungen des anderen, zwar war dieser ohne Zweifel gut, aber für ihn nicht gut genug. Für den Grünhaarigen war dieser Kampf ein Spiel, ein Zeitvertreib, er nahm nur selten etwas wirklich ernst. Neben den Geräuschen der aufeinander treffenden Waffen lauschte er aufmerksam darauf, was weiter in dem Schlafzimmer passierte. Der Draht wickelte sich unter Yohjis Zug immer straffer um den fleischigen Hals seines Opfers. Der Assassin lauschte auf die röchelnden Geräusche, die der andere von sich gab und beobachtete wie dieser nach kurzer Zeit die Augen nach hinten verdrehte, so dass man nur noch das Weiße darin sehen konnte. Der honigblonde Mann wickelte seinen Draht wieder auf und ließ den leblosen Leib so zurück aufs Bett sinken. Als Xen diese verräterischen Geräusche vernahm, ließ er sich weiter von Ken zurück drängen, so dass dieser sich in Sicherheit wog. In einem kurzen Augenblick in dem der Weiß-Assassin nur für den Bruchteil einer Sekunde nicht mit voller Konzentration bei der Sache war, stieß Changeling ihn zurück und verschwand in dem dunklen Korridor. Ken prallte gegen die Wand und rappelte sich leise fluchend wieder auf. Farfarello schüttelte verständnislos den Kopf. „Wie kann man sich nur so übertölpeln lassen? Aber wenigstens haben wir ihn in die Flucht geschlagen. Immerhin etwas.“ In diesem Moment kam auch Yohji aus dem Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich und sah den braunhaarigen Mann fragend an. „Ziel eins liquidiert, Zeugen dürfte es keine geben, ich denke nicht, dass die Jungs etwas mitbekommen haben. Sag Abyssinian aber Bescheid, dass es Probleme geben könnte. Scheinbar war das ein Bodyguard von Gohan. Mich wundert allerdings, dass er wusste, wer wir sind.“ „Das frage ich mich auch. Ich glaube, den Kerl hab ich schon mal gesehen“, meinte der ehemalige Torwart und aktivierte sein Funkgerät, um Aya leise von dem Vorfall zu berichten. „Verstanden. Abyssinian Ende“, flüsterte der Rotschopf und beendete das Gespräch. Dann nickte er Omi zu und deutete auf die Tür vor ihnen. Dahinter befand sich ihre zweite Zielperson, Mika Samejima. Durch Kens Warnung waren sie auf einen unerwünschten Zwischenfall vorbereitet. Der blonde Junge zückte einige vergiftete Dartpfeile und drehte leise den Türknauf bis die Tür einen Spalt weit aufsprang. Aya zog lautlos das Katana aus der Scheide, stieß die Tür gänzlich auf und betrat als erster den Raum. In diesem Moment flimmerte für den Bruchteil einer Sekunde eine Vision vor Brads geistigem Auge. Zwar war sie zur kurz gewesen, um Details herauszufiltern, aber sie hatte doch genug gezeigt. Er wandte sich ohne Umschweife an Nagi. „Unsere Vermutung war richtig. Da drin wartet schon einer auf uns. Und wenn Schuldigs Vermutung stimmt, ist er ebenso ein Telepath wie er.“ Der junge Japaner nickte verstehend. „Wir sind in der Überzahl. Ich werde ihn schon beschäftigen, falls er etwas Dummes versuchen sollte.“ „Aber denk bitte daran: Nicht zu auffällig“, ermahnte der Amerikaner ihn nochmals, obwohl dies kaum nötig gewesen wäre. Sein junger Kollege wusste, was er tat und ihm klangen auch immer noch die Worte des jüngsten Gerichts und des Erzengels Michael im Ohr. Nachdem der Rotschopf über die Schwelle getreten war, drehte er sich sofort zur Seite, damit Omi ihm folgen konnte. Mit den Augen suchte der Weiß-Leader den Raum ab und wie sie bereits durch die Videokamera gesehen hatten, lag ihre Zielperson allein im Bett und schlief tief und fest. Was ihn allerdings störte war die zweite Person in dem Raum, die vorher nicht dort gewesen war. Auf einem bequemen Stuhl an einem kleinen, runden Kaffeetisch saß ein junger Mann mit braunem Haar und sah Aya scheinbar direkt mit seinen grünen Augen an, obwohl er anders als die Weiß-Assassins kein Nachtsichtgerät oder irgendein anderes technisches Hilfsmittel trug. Er hatte die Beine lässig über einander geschlagen und die Hände auf dem Knie gefaltet. Payakootha lächelte wissend, als nur kurz nach dem Rotschopf das jüngste Weiß-Mitglied ebenfalls den Raum betrat. In einer raschen, geschmeidigen Bewegung stand Payakootha auf und brachte noch einige Schritte zwischen sich und die Eindringlinge. „Weiß!“, rief er dann und sorgte mit seinen mentalen Fähigkeiten dafür, dass Mika Samejima augenblicklich erwachte und sich im Bett aufsetzt. Schließlich sollte er ruhig mitbekommen, wer oder was sein Leben beendete. Er griff zu der Halterungsschlaufe an der rechten Seite seines Gürtels und nahm seine beiden Tomahawks zur Hand. Schließlich war Spirit als Mitglied von Mißgunst derzeit der offizielle Bodyguard des im Bett liegenden Mannes und konnte als solcher selbstverständlich nicht zulassen, dass Attentäter ihm etwas zuleide taten. Andererseits sollten Weiß auch nicht das Gefühl haben, als sei er nur hier um dabei zuzusehen, wie sie ihren Auftrag erfüllten. Mit einem Schrei, der verdächtig nach einem fremdländischen Schlachtruf klang, ging der braunhaarige Mann auf Aya los, welcher diesen ersten Angriff mit seinem Katana erfolgreich abblockte und sich daraufhin ein brisanter Schlagabtausch entwickelte. Nagi wich seinem Schützling dabei nicht von der Seite und sorgte mit seinen telekinetischen Fähigkeiten dafür, dass nur die Waffen sich trafen und niemand verletzt wurde. Omi konzentrierte sich stattdessen auf ihre eigentliche Zielperson, die sich nun anschickte aus dem Bett zu steigen und fluchtartig das Zimmer zu verlassen. Soweit ließ der blonde Junge es allerdings nicht kommen und zielte mit seinen Dartpfeilen auf Mika Samejima, der nur wenige Sekunden danach tot zusammenbrach. Da sie keine Spuren hinterlassen durften, sammelte der Assassin die Pfeile wieder ein. Als Spirit gewahr wurde, dass Weiß ihre Arbeit bereits schnell und sauber erledigt hatten, zog er sich langsam von Aya zurück, schließlich war er für sie im Augenblick ein störender Zeuge, der sie identifizieren konnte. Er wandte sich von seinem Widersacher ab und verschwand in der Dunkelheit des Korridors. „Er wird Alarm schlagen“, meinten Omi und Nagi beinahe gleichzeitig, als sie den Raum verließen. Brad schüttelte nur den Kopf. „Nein, das wird er nicht. Weiß wird nach der Beseitigung ihrer letzten Zielperson wieder auf ihn stoßen.“ „Bist du dir da sicher?“, fragte der junge Japaner mit einem Hauch von Zweifeln in der Stimme. In Anbetracht dieser ungewohnten Skepsis in Bezug auf seine Fähigkeiten zog der Amerikaner vorwurfsvoll eine Augenbraue nach oben. „Natürlich bin ich mir da sicher. Ich habe es schließlich gesehen.“ Aya nickte allerdings, da er der gleichen Auffassung war, wie sein junger Freund. „Und darum sollten wir unseren Job schnellstens erledigen.“ Er schaltete sein Funkgerät ein. „Abyssinian an Balinese. Meeting in zwei Minuten.“ Ken und Yohji warteten bereits im Dunkeln verborgen in einer Nische unweit des Zimmers ihres letzten Zieles. Der honigblonde Mann raunte nur eine kurze Bestätigung durch das Funkgerät und gab seinem Freund ein Zeichen, dass es an der Zeit war zur nächsten Etappe zu schreiten. Nur wenige Augenblicke später trafen sich Weiß vor der Zimmertür von Eiji Yamamotos Gemach. Alle hatten bereits ihre Waffen gezückt und Aya wollte gerade die Tür öffnen, als Yohji ihn am Arm zurück hielt. „Warte kurz. Irgendetwas sagt mir, dass wir es hier mit vier Leuten zu tun haben, auch wenn wir vielleicht nur drei sehen“, meinte er im Flüsterton. „Nicht irgendetwas, sondern irgendwer und zwar ich“, warf Schuldig ein, obwohl er wusste, dass diese Korrektur sowieso nichts brachte. „Manchmal solltest du dein hübsches Köpfchen auch mal für andere Dinge benutzen als zum flirten.“ Nagi zog eine Augenbraue nach oben. „Solche Worte von dir? Hast du nicht vor kurzem noch gesagt, er wäre cleverer als man annimmt?“ „Ja, das habe ich gesagt“, räumte der Deutsche ein und seufzte leise. „Aber es ist schon irgendwie deprimierend, dass sie überhaupt nichts von uns mitbekommen.“ „Das ist nun einmal so festgelegt und wir dürfen nichts daran ändern, also finde dich endlich damit ab. Außerdem machst du, glaube ich, sowieso schon zu viel auf dich aufmerksam“, meinte Brad. „Aber ich mache das doch nicht zu meinem Vergnügen“, verteidigte sich der langhaarige Mann und setzte in Gedanken hinzu, zumindest nicht immer. „Ich mache das um ihm und Weiß das Leben etwas zu erleichtern.“ „Ja, ist ja schon gut. Zugegeben hätten sie ohne dich die letzte Mission wohl ziemlich in den Sand gesetzt oder eher gesagt ihr Leben verspielt. Aber jetzt genug davon. Mister Yamamoto ist auch nicht alleine und gleich wird noch Besuch dazu kommen.“ „Wie kommst du denn darauf?“, wollten die anderen drei Weiß-Mitglieder wissen und musterten den anderen fragend. Der Playboy schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nur so ein Gefühl, aber seid vorsichtig.“ Damit ließ er Ayas Arm wieder los und dieser öffnete geräuschlos die Tür. Der dahinter liegende Raum war ebenso dunkel wie der Rest des Hauses. Die Assassins betraten ihn nacheinander und sicherten ihn zu allen Seiten hin, aber es schien wider erwarten niemand anderes als Eiji Yamamoto im Raum zu sein. Ken schlich auf leisen Sohlen neben das Bett und fuhr an der rechten Hand seine Bugnuks aus, mit der linken zog er die Bettdecke weg und wurde kraftvoll weggestoßen. Verwundert taumelte der ehemalige Torwart einige Schritt zurück, fing sich aber schnell wieder und beobachtete wie ein schwarzhaariger, junger Mann aus dem Bett sprang und eine Waffe auf ihn richtete. „Wenn sie Yamamoto-sama suchen“, begann er mit kalter, schneidender Stimme und einem Akzent, der verriet, dass er kein Japaner war, „der ist im Moment leider etwas unabkömmlich und musste dringend das Badezimmer aufsuchen.“ „Kann es sein, dass du deine Zukunftsguckerchen mal wieder putzen solltest, Braddy?“, stichelte Schuldig. „Das war ja wohl nichts.“ Der Amerikaner schüttelte irritiert den Kopf, es war das erste Mal, dass eine seiner Visionen unzutreffend war. „Gerade vor einigen Minuten war er noch alleine. Und nenn mich gefälligst nicht Braddy!“ „Könnte es nicht auch sein, dass dieser Kerl daran schuld ist?“, warf Nagi ein. „Das ist doch derjenige, der die Zeit angehalten hat, wenn ich mich richtig erinnere. Wisst ihr noch was der andere gesagt hat? Gib ihm seine Zeit wieder. Vielleicht hat er gerade einfach alles geändert.“ Viel Zeit darüber zu debattieren blieb Schwarz allerdings nicht. Omi hatte die Initiative ergriffen und mit einem Dartpfeil nach dem bewaffneten Mann geworfen. Dann geschah allerdings etwas, dass sowohl Weiß als auch Schwarz nicht schlecht staunen ließ: Der Dartpfeil verharrte einige Zentimeter vor seinem Ziel in der Luft. „Da müsst ihr euch schon etwas besseres für mich einfallen lassen“, meinte Yukio kühl, griff nach dem kleinen Geschoss und drehte es einfach in der Luft um, so dass es nun auf Omi zielte. „Was glaubst du? Was passiert, wenn für diesen Dart die Zeit weiter läuft?“ „So ein Angeber“, meinte Nagi kopfschüttelnd. „Das kann ich auch und ich muss dem dämlichen Dart dazu nicht mal anfassen. Der hält sich wohl für ne ganz große Nummer, dabei ist das, was er da macht, doch kein Kunststück.“ „Du kannst zwar den Dart anhalten, Nagi“, antwortete Brad gelassen, „aber nicht die Zeit. Omis Pfeil steht für alles andere, er könnte genau so gut dafür sorgen, dass Weiß einfach stehen bleiben. Vielleicht kann er auch noch andere Sachen mit der Zeit anstellen, sie zum Beispiel schneller oder langsamer laufen lassen. Wir wissen es nicht, also mach nicht den Fehler ihn zu unterschätzen.“ Den Moment in dem die Aufmerksamkeit des Störenfrieds auf Omi ruhte, nutzte Aya dazu ins Badezimmer zu stürzen, um sich um ihre eigentliche Zielperson zu kümmern, wodurch die kleine Unterhaltung von den beiden Schutzengeln unterbrochen wurde. Wenn der Auftrag damit erledigt war, dass ihr drittes Ziel eliminiert war, mussten sie nicht noch Zeit mit diesem Mann verschwenden, sondern konnten schleunigst verschwinden. Eiji Yamamoto drehte sich erschrocken zu Aya um, als die Tür aufflog und er mit erhobenem Katana das Bad betrat. Scheinbar hatte er bisher nichts von Weiß eindringen mitbekommen. Die Augen vor Erstaunen und Fassungslosigkeit weit aufgerissen wich er von dem rothaarigen Mann zurück. Sein vermeintlicher Fluchtversuch wurde jedoch gebremst, als er spürte, wie sich das Waschbecken in seinen Rücken bohrte und es kein Weiterkommen mehr gab. „Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?“, fragte er in einem letzten, verzweifelten Versuch mit dem Assassin zu verhandeln, obwohl er sich vorstellen konnte, dass dieser nur hier war um sein Leben zu beenden. „Nur ein Mörder“, antwortete Aya knapp und war mit einem Satz bei seinem Opfer. „Aber ich ...“ Der Rest des Satzes endete in einem qualvollen Gurgeln, als die blanke Klinge des Katanas sich ihren Weg durch den Hals und über den Brustkorb von Eiji Yamamoto suchte und den roten Lebenssaft über den weißen Marmor der Badezimmereinrichtung verspritzte. Mit einem dumpfen Platschen viel der tote Körper zu Boden und eine schnell größer werdende Blutlache breitete sich auf diesem aus. Aya wandte sich ab und wischte mit einem Handtuch die rote Körperflüssigkeit von seiner Waffe, um sie daraufhin wieder in der dafür vorgesehenen Schwertscheide verschwinden zu lassen. Das verschmierte Handtuch ließ er achtlos zu Boden fallen und eilte wieder in den Nebenraum, wo seine Freunde noch mit dem Bodyguard beschäftigt waren. „Keine Zeit zum Spielen“, sagte er kühl, als er sah, dass die drei anderen Weiß-Mitglieder den schwarzhaarigen Fremden zurück gedrängt hatten. „Mission erfolgreich, wir verschwinden.“ Ohne Yukio den Rücken zuzuwenden verließen Weiß eilig das Zimmer und verschlossen die Tür, so dass er nicht herauskommen und ihnen folgen konnte. Omi lief den anderen voraus und steuerte ein Zimmer auf der anderen Seite des Gebäudes an. Laut seinem Lageplan und den Bildern der Überwachungskameras, war es nichts weiter als ein Abstellraum. Er öffnete die Tür und blieb abrupt verwundert stehen, so dass Ken, der direkt hinter ihm her spurtete gegen ihn prallte und sie beide zum taumeln brachte und der blonde Junge schließlich zu Boden fiel. „Na, na, wer hat es denn da so eilig?“, säuselte eine tiefe Männerstimme lieblich. „Ihr wollt uns doch nicht etwa schon verlassen, oder doch?“ „Sorgt dafür, dass Weiß ihre Nachtsichtgeräte abnehmen! Sofort!“, rief Brad plötzlich. „Nicht fragen, tut es einfach!“ Schuldig reagierte sofort und schickte reflexartig an alle den Gedanken aus, dass es besser sei sich jetzt von den High-Tech-Brillen zu trennen. Nagi sorgte dafür, dass Weiß auch diesem mentalen Befehl nachgaben und lockerte die Halterungen, so dass die Nachtsichtgeräte verrutschten. Keine Sekunde zu früh machten sich die vier Assassins daran, ihre Brillen auszuziehen. Der Überraschungsgast in dem Raum ließ seine Finger zum Lichtschalter wandert und mit einem leisen Klicken leuchtete im nächsten Moment die Lampe auf und erhellte den Raum. Jetzt konnten Weiß auch erkennen, wer sie begrüßt hatte: ein mittlerweile nur allzu bekannter, sarkastisch grinsender Mann mit grünem Haar. „Ah! Verdammt!“, schrie Ken als einziger auf, als es hell in dem Zimmer wurde. „Ich kann nichts mehr sehen!“ Er hatte seine Brille nicht schnell genug von den Augen gezogen und wurde so durch das vielfach verstärkte Licht geblendet. Das Nachtsichtgerät fiel klirrend zu Boden und die Gläser zersprangen, was Xen ein noch gehässigeres Lächeln entlockte. Omi kam schnell wieder auf die Beine, zückte einige Dartpfeile und trat sofort bei Seite, um den anderen Weiß-Mitgliedern Platz zu machen. Dieser Kerl wollte sie offensichtlich daran hindern, sich aus dem Staub zu machen, was für den blonden Jungen an sich nichts Verwunderliches war, die Tatsache, dass er jedoch wusste wie und geradezu auf sie gewartet hatte, machte ihm Sorgen. Auch Yohji und Aya machten sich sofort dazu bereit, sich ihren Weg in die Freiheit notfalls zu erkämpfen und zogen ebenfalls ihre Waffen, wobei der Rotschopf Ken allerdings erst einmal zur Seite und außer Reichweite ihres grünhaarigen Gegners schob. Solange der Fußballer nichts sehen konnte, war er ein leichtes Ziel und ein Hindernis zugleich. Sehr zum Bedauern der anderen Weiß-Mitglieder konnte dieser Zustand der vorübergehenden Blindheit durchaus einige Minuten anhalten. Zeit, die sie vielleicht nicht hatten. „Es ist unhöflich eine Party zu verlassen, ohne sich zu verabschieden“, erklang vom Flur her noch eine Männerstimme. Sie wies den gleichen, verräterischen Akzent auf, wie ihn der schwarzhaarige Mann im Schlafzimmer von Eiji Yamamoto hatte. Als die beiden ältesten Weiß sich halb zum Flur drehten, ohne dabei jedoch den ersten Störenfried aus den Augen zu lassen, um einen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen, bemerkten sie, dass dort zwei Männer standen. Außer der Tatsache, dass ihnen beide an diesem Abend bereits in dem Herrenhaus begegnet waren, kamen ihnen alle drei Männer wage bekannt vor, als hätten sie schon mal mit ihnen zu tun gehabt oder sie irgendwo, an einem anderen Ort bereits zuvor gesehen. „Wenn man erst gar nicht eingeladen war, wäre es dreist es zu tun“, erwiderte Aya kühl. Yukio schmunzelte leise. „Sieh an, da hat jemand Sinn für Humor.“ Er wurde wieder ernst und seine Gesichtszüge wiesen eine steinerne Härte auf. „Genug davon. Greift sie euch.“ Auf dieses Kommando hin zogen Xen und Payakootha ihre Waffen und kamen langsam aber bedächtig, wie Raubtiere, die ihre Beute umkreisen, auf Weiß zu. Ken hatte mittlerweile sein Augenlicht weitestgehend wiedererlangt und stieß Omi beiseite, in Richtung Fenster. „Mach du unseren Ausgang klar. Wir kümmern uns um die hier.“ „Wie heldenhaft“, spöttelte den grünhaarige Mann und nahm damit Schuldig praktisch die sarkastische Bemerkung aus dem Munde. „Aber viel nützen wird es nichts. Ich glaube, wir waren unten gerade bei etwas bestimmten stehen geblieben. Ich glaube, es war das hier.“ Mit diesen Worten ging er auf Ken los und attackierte ihn mit schnellen und gezielten Hieben, die der Assassin mit seinen Bugnuks jedoch dank seinem Schutzengel wieder einmal problemlos parierte. Auch die anderen waren nicht untätig geblieben. Yohji hatte mit seinem Draht Yukio die Waffe entrissen, so dass dieser nun mit den blanken Fäusten kämpfte. Praktisch direkt neben ihnen prallte ebenfalls Metall auf Metall, als Aya und Payakootha sich erneut duellierten. Beide Weiß-Mitglieder waren darauf bedacht und setzten alles daran, ihre neuen Feinde nicht zu ihrem jüngsten Mitglied durch zu lassen. Omi hatte das Fenster währenddessen weit geöffnet und verkeilt, so dass es sich nicht durch einen Luftzug von selbst wieder schließen konnte. Ein Ende des stabilen Drahtes hatte er bereits sicher befestigt und zielte nun mit der Armbrust auf den präparierten Baum am anderen Ufer des Sees. Der erste Schuss musste ein Volltreffer werden, denn eine zweite Chance hatte er nicht. Der im Hintergrund tobende Kampflärm erschwerte die Angelegenheit allerdings, weil es ihn empfindlich in der Konzentration störte. Als er den von ihm konstruierten Enterhaken abschoss, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, er wollte sich nicht den Weg ins Freie erkämpfen müssen. „Keine Sorge“, meinte Brad. „Das klappt schon. Zumindest hab ich nichts Gegenteiliges vorausgesehen.“ Der Haken traf wie berechnet die am Baum angebrachte Vorrichtung und wurde gespannt. Omi holte vier Schlaufen aus seiner Tasche hervor und drehte sich zu den anderen um. Wie er sehen konnte, hatte Ken immer noch alle Hände voll mit seinem Gegner zu tun. Aya und Yohji hatten es geschafft die beiden anderen Fremden draußen auf dem Flur zu behalten. „Wir sollten uns verziehen“, rief der blonde Junge und holte einige seiner einfachen Dartpfeile hervor, mit Gift versehene hatte er nicht mehr. Die beiden ältesten Weiß-Mitglieder folgten dem Ruf ihres Jüngsten und wandten sich von ihren Gegnern ab. Ehe Yukio und Payakootha hinter ihnen her in den kleinen Raum stürmen konnten, überwältigte der Fußballnarr Xen und stieß ihn den anderen beiden entgegen, so dass alle zurück auf den Flur taumelten. Reflexartig stieß Yohji die Tür zu, schloss sie ab und stellte einen Stuhl unter die Klinke. „Ich glaube kaum, dass diese Typen dadurch aufgehalten werden“, zweifelte Nagi. Schuldig verdrehte leicht die Augen. „Dann sorge du dafür, dass sie draußen bleiben. Du musst einfach nur die Tür zu halten, dass sollte ja für dich kein Problem darstellen.“ Der junge Japaner nickte. „Das sollte in Ordnung sein, so greife ich ja niemanden direkt an und nicht direkt ein.“ Solange sein Schützling mit im Raum war, konnte er dieses Hindernis aufrechterhalten. „Und jetzt raus hier“, meinte Aya sachlich. „Bombay, warum bist du noch nicht weg? Ab mit dir.“ Er nahm dem Jungen die restlichen Schlaufen ab, gab ihm einen kleinen Schubs und beobachtete wie dieser an dem Draht hinunter auf die andere Seite des Sees und über den Zaun hinweg rutschte. Dann zog er Ken zu sich, gab ihm eine der Schlaufen und wies ihn an Omi zu folgen, was dieser auch sofort tat. Als der braunhaarige Assassin gerade auf das Fensterbrett stieg vernahmen Weiß lautes Poltern an der Tür, die drei Ausgesperrten versuchten sich lautstark wieder Zutritt in den Raum zu verschaffen. „Ich glaube, wir sollten uns mal etwas beeilen“, meinte Yohji woraufhin Ken sich sofort am Fenster abstieß und Omi folgte. Aya warf Yohji eine der beiden verbliebenen Schlaufen zu und zuckte zusammen, als die Tür anfing zu splittert und die Klingen von Xens und Payakoothas Waffen sich durch das Holz bohrten. Jetzt wurde die Situation reichlich brenzlig und der honigblonde Mann sah sich nach etwas um, was er noch zusätzlich als Hindernis vor die Tür stellen konnte. Das einzige Möbelstück, was dafür allerdings geeignet zu sein schien, war ein Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand. Da der Raum nicht allzu groß war, sollte das Regal die Tür blockieren, wenn man es einfach nach vorn kippte. Er wickelte seinen Draht ab und schlang ihn um den Einrichtungsgegenstand. „Warum bist du immer noch hier? Mach, dass du raus kommst, Abyssinian“, meinte Yohji dann und nickte in Richtung des Fensters. „Ich blockiere die Tür und komme direkt hinterher. Und jetzt verschwinde.“ Mit einem Satz war auch der Rotschopf dann aus dem Fenster gestiegen und rutschte nun an der Überspannung hinunter zu Ken und Omi, die bereits ungeduldig auf ihre Freunde warteten und sich Sorgen machten. Der Playboy zog mit seinem Draht das Regal nach vorne und kippte es gegen die Tür. Was die Entfernung anging, so hatte er sich allerdings verschätzt und das obere Ende des Möbelstückes lehnte nun in einem niedrigen Winkel gerade eben gegen den unteren Teil der Tür. Vom Flur her wurde weiter energisch gegen das Holz geschlagen, so dass dieses splitternd immer weiter nachgab und sich immer größere Löcher bildeten. Yohji beeilte sich und war mit wenigen Schritten an das Fenster heran getreten. Aya hatte bereits die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und der Playboy hoffte, dass Omis Konstruktion stabil genug war, um zwei Personen zu tragen. Er schlang die Schlaufe um den Draht, der um einiges massiver war als der, den er als Waffe benutzt und stieß sich am Fensterrahmen ab, um den anderen in die Freiheit zu folgen. Kurz nachdem sich Yohji aus dem Fenster geschwungen hatte, schafften Xen und Payakootha es mit ihren Waffen ein Loch in die Tür zu schlagen, welches groß genug war, um hindurch klettern zu können. Der grünhaarige Mann stieg als Erster durch die Öffnung und erfasste die neue Situation. Weiß waren anscheinend doch bereits entkommen, ohne dass sie ihnen einen größeren Denkzettel verpassen konnten. Xen stürzte daraufhin zum Fenster und sah mit an, wie das letzte Weiß-Mitglied an einem Draht hinunter rutschte und so den See überwand, auf dessen anderer Seite, hinter der Abgrenzung seine Kollegen bereits auf ihn warteten. „So kommst du mir nicht davon“, murmelte der Japaner und zog schnell ein weiteres Messer aus der Tasche, um den Draht damit zu kappen. Weiß sollten wissen, mit wem sie sich anlegten und dass nicht sie es waren, die dieses Spiel beherrschten. Amüsiert beobachtete er, wie der honigblonde Mann in die Tiefe stürzte. „Hoffentlich kann er schwimmen und hat seine warme Unterwäsche an. Das könnte für ihn ein bisschen ungemütlich werden.“ Yohji spürte wie sie Spannung des Drahtes über seinem Kopf abrupt nachgab und ihn nun nichts mehr in der Luft hielt, um ihn am freien Fall in die Tiefe zu hindern. Der freie Fall von seinem derzeitigen, etwa zehn Meter über dem Boden oder eher gesagt der gefrorenen Wasseroberfläche, befindlichen Aufenthaltsort kam ihm unwirklich und beinahe wie in Zeitlupe vor. Er hörte sich selbst erschrocken aufschreien und beobachtete, wie sich die anderen drei Weiß-Mitglieder am Ufer gehetzt nach ihm umdrehten und seinen Namen riefen. „Yohji!“, rief auch Schuldig entsetzt. Er reagierte in Gedankenschnelle, teleportierte sich direkt unter den honigblonden Mann und schloss schützend die Arme um ihn, um seinen Sturz abzufedern. Hilflos mussten Weiß mit ansehen, wie der Älteste von ihnen fiel und durch die dicke Eisschicht brach. Durch den Aufprall und den Einbruch, den Yohji größtenteils mit der Schulter abfing, da er sich in der Luft gedreht hatte, spritzen Eissplitter und eisiges Wasser fontänenartig nach oben. Allerdings hatte er sich trotz seiner Bemühungen möglichst sachte aufzukommen, den Kopf angeschlagen und verlor vor den Bruchteil einer Sekunde das Bewusstsein. Das eiskalte Wasser ließ ihn jedoch schnell wieder zu sich kommen und im ersten Schockmoment verlor der Playboy unter Wasser vollkommen die Orientierung. Er wusste kaum noch wo oben oder unten, geschweige denn rechts oder links war und strampelte wild um sich, um zu versuchen einfach nur wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Seine schwere Lederkleidung behinderte ihn allerdings sehr bei diesen Unterfangen und zog ihn wieder nach unten. Schuldig wusste nicht genau, was er tun sollte, aber das er irgendetwas tun musste, damit sein Schützling nicht ertrank, stand zweifelsfrei fest. Er hielt ihn immer noch fest, neutralisierte den Abtrieb so gut es ging und versuchte ihn sachte wieder nach oben zu dirigieren. Yohji blickte sich immer wieder um, auch wenn das Wasser in seinen Augen brannte und er seine Umgebung dadurch nur verschwommen wahrnehmen konnte. Aber so konnte er wenigstens anhand der Hell- und Dunkelunterschiede feststellen, dass er sich auf dem Richtigen Weg an die Oberfläche befand, was dadurch bestätigt wurde, dass er gegen etwas Hartes, Kaltes stieß. Die Eisdecke, ging es dem honigblonden Mann durch den Kopf, also musste hier irgendwie auch das Loch sein, durch das er wieder auftauchen konnte. Langsam spürte er, wie der Drang zu atmen immer stärker wurde, die Kälte tiefer in seine Glieder drang und anfing ihn zu lähmen. „Halte durch, Yohji“, mahnte Schuldig ihn, nahm die Hände des anderen und führte sie an dem gefrorenen Wasser die wenigen Zentimeter bis zu der Öffnung entlang. Als Yohji die Bruchstelle ertastete, fühlte er sich um einiges erleichtert, wenigstens würde er jetzt nicht mehr ertrinken, bestenfalls noch erfrieren. „Yohji!“, riefen Weiß entsetzt, als sie sahen, wie der Älteste von ihnen durch das Eis brach. „Verdammt! Wir müssen ihn da raus holen!“, meinte Ken und sah sich hektisch um. Jetzt war ihnen der Zaun im Weg und wenn sie versuchten, ihn zu überwinden, konnte sie durchaus einen tödlichen Stromschlag bekommen. „Wir müssen den Strom abschalten.“ „Bin ja schon dabei“, sagte Omi, rannte bereits los und zog dabei seine Armbrust hervor. Als er das Wachhaus auf der anderen Seite des Hauses sehen konnte, legte er seine Waffe an und zielte auf den Sicherungskasten für die Stromversorgung. Der Bolzen durchbohrte die Metallverkleidung des Kastens und durch die Beschädigung der empfindlichen Elektronik schlugen einige Funken aus dem Loch. Der Schütze beugte sich hinunter, nahm eine Hand voll Schnee vom Boden auf, presste ihn fest zu einem kleinen Schneeball zusammen und warf ihn gegen den Zaun. Wie erhofft schmolz die weiße Substanz nicht mit einem Zischen dahin, sondern verteilte sich nach dem Aufprall in vielen kleinen Bröckchen in alle Richtungen. Erleichtert gab der blonde Junge den anderen ein Zeichen und rannte dann so schnell er konnte zu ihnen zurück. Aya bekam dies allerdings schon nicht mehr mit, sofort nachdem Omi losgelaufen war, hatte er die andere Richtung eingeschlagen, um den Wagen zu holen. Schließlich brachte es niemandem, vor allem nicht Yohji, etwas, wenn sie alle wie die Ölgötzen vor dem Zaun standen und auf ein Wunder hofften. Im Rückwärtsgang fuhr er die bestenfalls einhundert oder zweihundert Meter von dem Versteck des Jeeps zu der Unfallstelle zurück. Inzwischen hatte Ken mit Hilfe seiner Bugnuks ein großes Loch in den Zaun geschnitten, durch das man bequem hindurch gehen konnte. Jetzt galt es nur noch, Yohji so schnell wie möglich aus dem Wasser zu holen. Mittlerweile war er bereits fast eine ganze Minute, die jedem der Betroffenen wie eine Ewigkeit vorkam, unter Wasser. Xen lehnte währenddessen am Fenster und hatte die Unterarme auf dem Fensterbrett verschränkt und stützte sich so ab. Interessiert hatte er dabei zugesehen, wie das älteste Weiß-Mitglied dank ihm verunglückt war und wie die anderen ihm nun doch recht professionell und koordiniert zur Hilfe kamen. „Was machst du da, Changeling?“, fragte Phuong interessiert, als er ebenfalls den kleinen Raum betrat und über das umgestürzte Regal an seinen beiden anderen Kollegen vorbei kletterte. „Fernsehen“, kam die knappe Antwort des schadenfroh grinsenden Mannes. Payakootha schüttelte den Kopf. „Also manchmal bist du echt abartig.“ „Wenn es ihm Spaß macht, dann lass ihn doch“, meinte Yukio leicht gelangweilt und zuckte mit den Schultern. „So lange er seine Arbeit macht und uns die unsere tun lässt, kann er tun, was er will.“ Dann trat er hinter den grünhaarigen Mann und blickte über dessen Schulter hinweg nach draußen und besah sich das Schauspiel. „Glaubt ihr, der überlebt das?“ „Wir können ja wetten“, schlug Xen mit einem weiteren Grinsen vor. „Ich sage, der schafft das, ich glaube die sind alle ziemlich zäh.“ Die beiden jüngsten Mitglieder hingegen teilten diese optimistische Einschätzung nicht. Beide waren der Meinung, dass einem so ein Sturz und vor allem diese Kälte durchaus sehr hart zusetzen konnte. Der Mißgunst-Leader kümmerte sich gar nicht mehr um diese Diskussion, auch wenn er danach gefragt hatte, so interessierte es ihn nicht wirklich. Er wandte sich ab, stieg über das Regal und verließ den Raum. Im Flur drehte er sich noch einmal zu den anderen um. „Ich mach schon einmal Meldung über den Vorfall. Es hat ja alles wie erwartet geklappt. Alles andere ist jetzt nur noch die Sache von Weiß, wenn sie ein Mitglied verlieren, werden sie ein Neues bekommen. Das ist im Moment alles irrelevant, wir brauchen sie vorerst nicht.“ „Heißt das, wir haben vorerst nichts zu tun?“, fragte Phuong hoffnungsvoll und wandte seinen Blick vom Fenster ab, um den schwarzhaarigen Mann anzusehen. Dieser schüttelte allerdings den Kopf. „Nein, das heißt es nicht.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und ließ seine drei Kollegen allein. Aya setzte den Jeep bis zu dem Maschendrahtzaun zurück und stellte den Motor aus. Er sprang vom Fahrersitz, holte ein Seil aus dem kleinen Kofferraum und eilte zum Seeufer. Dort stand Ken bereits und versuchte vorsichtig auf das Eis zu treten, jeder Schritt konnte die Eisdecke jedoch weiter zum brechen bringen. Bevor er eine Dummheit begehen konnte, war auch bereits Omi wieder zur Stelle um ihn zurück zu halten. „Ken, warte! Das ist gefährlich“, rief er und hielt ihm am Arm zurück. „Aber wir müssen Yohji schnell da raus holen. Wenn er noch länger da drin bleibt, dann ertrinkt er. Er ist bestimmt schon eine Minute, wenn nicht sogar länger unter Wasser.“ Während Weiß anfingen sich immer größere Sorgen zu machen, versuchte Yohji die Eiskante zu umfassen und sich daran hochzuziehen, seine Finger fühlten sich allerdings bereits taub an. In dem Wasser, das bestenfalls eine Temperatur um den Gefrierpunkt hatte, kühlte sein Köper einfach zu schnell aus und jede Bewegung kostete ihn Mühe und Konzentration. Als Schuldig bemerkte, dass die Kräfte seines Schützlings mehr und mehr schwanden blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm noch mehr unter die Arme zu greifen. Er führte Yohjis behandschuhte Hände auf das Eis und half ihm dabei, seinen Oberkörper halb aus dem Wasser zu ziehen. Der honigblonde Mann tauchte hastig auf und sog die frostige Nachtluft hastig ein, was seine Lungen ihm allerdings mit einem stechenden Schmerz dankten, woraufhin er unwillkürlich husten und keuchen musste. Dies beeinträchtigte seinen Versuch sich aus dem Wasser zu ziehen und das er auf der glatten Oberfläche keinen Halt fand, war ebenso hinderlich, so dass er wieder durch das Loch in der Eisdecke zurück ins Wasser rutschte. Um Hilfe rufen konnte er ebenso wenig. Die drei anderen Weiß-Mitglieder hatten das Auftauchen des honigblonden Mannes allerdings sofort ein wenig erleichtert registriert. Aya hatte bereits eine Schlaufe an das eine Ende des Seiles geknotet und versuchte es so zu werfen, dass er es um Yohjis Oberkörper schlingen konnte. „Halt dich daran fest!“, rief er. „Dann können wir dich heraus ziehen.“ Der mittlerweile vollkommen durchnässte und durchgefrorene Mann versuchte nach dem Seil zu greifen, konnte es aber nicht festhalten. Seine Finger waren förmlich steif gefroren und er war froh, seine Handschuhe zu tragen, damit er nicht sehen musste wie seine Haut bereits blau anlief. „Ich kann nicht“, krächzte er mühsam und steckte stattdessen seinen Kopf und die Arme durch die Schlaufe des Seils, mit dem Aya nicht ganz getroffen hatte. Mit seinen Unterarmen stützte er sich dann auf dem Eis auf, um nicht wieder zu sinken, denn mit den Beinen auf der Stelle Wasser zu treten war inzwischen viel zu anstrengend geworden. „Wir versuchen dich jetzt raus zu ziehen, Yohji“, kündigte der Rotschopf an und Ken und Omi griffen ebenfalls nach dem Seil. „Du musst uns vielleicht ein bisschen helfen.“ Noch bevor der Eingebrochene überhaupt antworten konnte, spürte er, wie sich das Seil um seinen Körper spannte und er versuchte sich mit den Armen nach oben zu drücken. „Sag mal, kannst du ihm da nicht heraus helfen?“, fragte Farfarello und richtete seinen Blick auf Nagi. Dieser überlegte kurz. „Wir sollen uns doch um unsere Schützlinge kümmern und Yohji ist eben Schuldigs Schützling. Ich könnte bestimmt, aber ich weiß nicht, ob ich das darf.“ „Du hilfst doch Aya damit, indem du Balinese ein bisschen unterstützt“, meinte Brad sachlich. „So muss er sich nicht so abmühen ihn wieder auf festen Boden zu bringen. Und außerdem ... denk doch mal nach. Wenn Yohji stirbt, hilft das keinem von uns. Also mach es einfach. Michael wird da Verständnis für haben.“ „Also gut. Aber wenn es deswegen Ärger gibt, dann nehme ich nicht die ganze Schuld alleine auf mich“, meinte der braunhaarige Japaner und blickte seine Kollegen kurz scharf an. Da diese zustimmend nickten, griff er Weiß unter die Arme, hob Yohji aus dem Wasser heraus und legte ihn vorsichtig auf die Eisdecke ab. „Ich glaube, den Rest sollten sie alleine schaffen.“ Der Playboy war froh, endlich aus dem Wasser heraus zu sein, allerdings wich die erbärmliche Kälte nicht aus seinen Gliedern, sondern wurde scheinbar trotzdem immer schlimmer. Warum musste ihr Einsatzort auch unbedingt mitten im Winter in den Bergen liegen? Erschöpft blieb er einen Moment auf dem Eis liegen, da seine Freunde auch aufgehört hatten, an dem Seil zu ziehen. Seine nasse Kleidung begann schon nach wenigen Augenblicken fest zu frieren und Yohji versuchte sich wieder hoch zu drücken, um auf allen Vieren an Land zu kriechen. Er stemmte sich auf die Knie und ein leises, knarzendes Geräusch ließ ihn inne halten. Als er die Quelle ausmachen wollte, bemerkte er wie sich in der Eisdecke ein weiterer Riss bildete. „Scheiße! Holt mich hier runter!“ Auch Schuldig blieb dieser neue Umstand nicht verborgen, es war nur eine Frage der Zeit, bis sein Schützling wieder einbrechen würde und jede Bewegung brachte ihn diesem Punkt näher. Sofort drehte er den Kopf zu Nagi und rief: „Heb ihn an! Nur ein paar Millimeter, aber es darf kein Gewicht auf dem Eis liegen!“ Nagi leistete dem Befehl sofort folge, weiter Komplikationen mussten nun wirklich nicht sein. Er hob den honigblonden Mann gerade soweit an, dass es nicht weiter auffiel und Weiß ihn an Land ziehen konnten, was diese auch sofort taten. Wenige Augenblicke später war Yohji wieder bei seinen Freunden und die beiden Jüngsten halfen ihm auf, während Aya sein Handy aus der Tasche zog und Birmans Nummer wählte. Sie musste über diesen Vorfall informiert werden, außerdem war es besser, wenn Yohji schnellstmöglich ärztliche Hilfe bekam. „Hältst du bis zur Berghütte durch?“, fragte Ken besorgt. „Dort kannst du dich wieder aufwärmen und ein heißes Bad nehmen.“ Yohji nickte schwach. „Klar“, presste er gequält hervor und sagte sonst nicht, ihm war viel zu kalt um zu reden. „Bist du wahnsinnig, Ken-kun?“, fragte Omi empört. „Ein heißes Bad ist das Allerletzte, was er jetzt nehmen darf.“ Von seinen Freunden mehr getragen als gestützt wurde er zu dem gemieteten Jeep gebracht und auf die Rückbank gelegt. Er sollte sich so wenig wie möglich bewegen, damit das kalte Blut aus seinen Extremitäten nicht in den Körperkern zurück fließen konnte. Omi hatte eine Decke im Wagen gefunden und breitete sie nun aus, um sie um den Älteren zu wickeln. „Du musst deine Sachen ausziehen, Yohji-kun. Sieh doch mal, die sind in der Kälte schon ganz steif gefroren. Raus aus den Klamotten oder du holst dir den Tod.“ Der Rotschopf beendete sein Telefonat und nickte zustimmend. „Tu was Omi sagt. Wir müssen dich schnell wieder aufwärmen.“ Mit diesen Worten nahm er auch schon auf dem Fahrersitz Platz und startete dem Motor, um gleich darauf die Heizung auf Höchstleistung zu bringen. „Ich kann nicht“, sagte der Playboy schwach, seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Seine Arme und Beine waren bereits so sehr unterkühlt, dass sie sich taub anfühlten und er sie kaum mehr bewegen konnte. Er hatte das Gefühl, zu einem Eisklotz zu gefrieren. Ungefähr so musste sich wohl Aya immer fühlen, dachte er und war froh darüber, dass er zumindest noch gehässige Kommentare denken konnte. Also konnte es ihm noch gar nicht besonders schlecht gehen. Der Meinung war auch Schuldig, er blieb die ganze Zeit über in den Gedanken seines Schützlings, um seinen Zustand besser kontrollieren und abschätzen zu können. „Dann müssen wir dir die Klamotten vom Leib schneiden“; stellte der blonde Junge fest und sah Ken an. „Würdest du bitte?“ „Woher weißt du so etwas?“, fragte dieser und fuhr seine Krallen an den Bugnuks aus. „Na vom Erste-Hilfe-Kurs“, erklärte Omi. „Den musste ich doch für die Fahrschule machen. Hast du denn keinen gemacht?“ Der blonde Junge wunderte sich, dass sein Freund diese Dinge nicht wusste, schließlich hatte er immerhin einen Motorradführerschein und dafür brauchte man schließlich auch einen Lehrgang über Erste Hilfe. Außerdem sollten wohl gerade Auftragskiller wie sie in der Lage sein, sich selbst zu versorgen. „Hallo?“, versuchte der honigblonde Mann dürftig auf sich und seine missliche Lage aufmerksam zu machen. Der ehemalige Torwart zerschnitt vorsichtig mit seinen Krallen die vereiste Kleidung. Als erstes trennte er behutsam die Ärmel und Hosenbeine ab, danach befreite er mit Omis Hilfe den Rumpf von dem kalten Stoff. Die freigelegte Haut schimmerte bereits bläulich, ebenso wie Yohjis zitternde Lippen. Dann wickelten sie ihn in die Decke und zogen ihre Jacken aus, um diese ebenfalls über dem unterkühlten Körper ihres Freundes auszubreiten. Aya fuhr so schnell es der Allradantrieb und der schneebedeckte Hang zuließ zurück zu der kleinen Berghütte, die für diese Mission ihrer Basis gewesen war. Yohji fror am ganzen Leib, die Kälte kroch durch jede Faser seines Körpers und er fühlte, wie sie dort, wo sie sich ausbreitete langsam das Leben aus seinen Zellen vertrieb. Die Stimmen um ihn herum, die immer noch auf ihn einredeten, um ihn wach zu halten, nahm er kaum noch wahr, sie bildeten eine immer leiser werden Geräuschkulisse, aus der er nicht einmal mehr einzelne Wortfetzen heraus hören konnte. Seine Lider wurden schwerer und senkten sich über seine Augen. Dunkelheit und Stille umfingen den Playboy, als er erneut das Bewusstsein verlor. Mittlerweile waren Weiß wieder an der Berghütte angekommen und Aya parkte genau vor dem Eingang. „Wie geht es ihm?“, erkundigte er sich knapp und stellte den Motor aus. „Bringen wir ihn rein. Birman muss jeden Augenblick hier sein, sie wollte sofort kommen.“ „Er hat das Bewusstsein verloren“, informierte Ken ihren Leader, stieg aus dem Wagen und half Omi ebenfalls heraus. Schnell brachen die Drei ihren Freund ins Haus und überprüften dort nochmals seinen Zustand. „Sein Puls und seine Atmung haben ausgesetzt!“, rief Omi voller Entsetzen. Kurzerhand streckte er Yohjis Kopf nach hinten, so dass seine Atemwege eine gerade Linie bildeten. Er überprüfte zur Kontrolle nochmals die Atmung und den Puls des anderen Mannes, konnte jedoch keinerlei Regung feststellen. „Wann kommt Birman bloß?“, fragte Ken mehr sich selbst, aber dennoch so laut, dass die anderen es hörten. Auch wenn er oft mit Yohji stritt, so konnte er doch nicht einfach tatenlos dabei zusehen, wie er starb. Der blonde Junge allerdings sah nicht ein sich damit abzufinden und einfach nur zuzusehen. Mit Daumen und Zeigefinger drückte er Yohjis Nase zu, mit der anderen Hand öffnete er seinen Kiefer. Dann senkte er seinen Mund auf den des Bewusstlosen und fing an ihn zu beatmen, wobei er den Blick zum Brustkorb wandte, um zu sehen ob dieser sich hob und senkte. Da dies der Fall war, beatmete Omi seinen Freund ein zweites Mal. Aya kniete sich währenddessen auf die andere Seite neben den langsam erkaltenden Körper und fuhr mit den Fingerspitzen den Rippenbogen entlang, als suche er etwas. Nachdem er die Mitte ertastet hatte maß er noch mit den Fingern etwas ab und setzte dann den Handballen ein Stück unter den Rippenbögen auf Yohjis Brust an. Auf ein Nicken das blonden Jungen hin begann er mit der Herzmassage und drückte in gleichmäßigen Abständen fünfzehn Mal zu. Nach dieser Prozedur fühlte Omi nochmals nach dem Puls des Mannes, doch noch regte sich nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)